Ich bin bereit zu Sterben (Alfredo Cospito)

Organise!: Für inzwischen ein Jahr ist Alfredo Cospito isoliert und erfährt Folter unter dem 41-bis Gefängnis-Regime des italienischen Staates. Unter direkter Verletzung der Menschenrechte zu einem fairen Verfahren, einem Privatleben und Schriftverkehr. Angesichts dieser kriminellen Verhinderung zu einem wirklichen Leben, hatte Cospito keine Option außer mit einem Hungerstreik zu antworten, der zu einer rapiden Abnahme seiner Gesundheit geführt hat. Die neo-faschistische italienische Regierung aber hat seine Berufungen zu jedem Zeitpunkt abgelehnt und die absolute Entscheidung über sein (Über-)Leben damit in die eigenen Hände genommen. Auch wenn wir politische und taktische Uneinigkeiten mit ihm hatten, schicken wir Cospito und allen anderen Anarchist*innen, die unter solchen Bedingungen dahinschmachten müssen, unsere Solidarität. Hier veröffentlichen wir seinen letzten Brief aus dem Gefängnis. Fuoco alle prigioni.

Aus EMRAWI, eigenständig weiterverbreiten: http://lyeufajq7n43xog2bsdcyu3pqt56hucwcnwq2b4hnxlqhszk4alkhnid.onion/?I...

Brief aus dem Hungerstreik des Anarchisten Alfredo Cospito. Geschrieben in der Isolationshaft unter dem unmenschlichen 41-bis Regimes in Italien.

Vorwort aus dem Organize! Magazine vom 5.3.

 

Mein Kampf gegen das 41-bis Regime ist der individuelle Kampf eines Anarchisten, ich gebe keine Befehle und ich nehme keine Befehle an. Ich kann einfach nicht unter einem inhumanen Regime wie dem bis-41 leben, wo ich nicht frei lesen kann was ich will. Weder Bücher, Zeitungen, anarchistische Publikationen, Kunst- und Wissenschaftsmagazine, sowie Romane oder Geschichte. Die einzige Möglichkeit, mit der ich hier rauskommen könnte, wäre meiner Anarchie abzuschwören und jemanden zu verkaufen, der*die danach meinen Platz einnimmt.
Dies ist ein Regime in dem ich keinen menschlichen Kontakt haben kann, wo ich keinen Grashalm sehen oder berühren kann, oder eine geliebte Person umarmen kann. Ein Regime in dem die Fotos der Eltern weggenommen und eingelagert werden. Ein Regime in dem du lebendig in einem Grab in einer Position des Todes begraben wirst. Ich werde meinen Kampf zu Ende führen, nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil dies kein Leben ist.
Wenn das Ziel des italienischen Staates ist, dass ich mich von den Aktionen von Anarchist*innen außerhalb dieser Wände "dissoziiere", dann werde ich diese Forderungen zurückweisen, als guter Anarchist. Ich glaube, dass jede*r für die eigenen Taten selbst verantwortlich ist und als Teil einer anti-organisatorischen Strömung bin ich mit niemandem "assoziiert" und kann mich schon allein deshalb von niemandem "dissoziieren". Affinität ist eine andere Sache. Ein*e kohärente*r Anarchist*in distanziert sich selbst nicht von anderen Anarchist*innen, weder aus Opportunismus, noch weil es bequemer ist.
Ich habe meine Taten immer stolz verteidigt (sogar vor Gericht, weshalb ich nun hier bin) und habe nie die Taten anderer Gefährt*innen kritisiert, schon gar nicht in einer Situation wie der, in der ich mich befinde.
Die größte Beleidigung für eine*n Anarchist*in ist angeschuldigt zu werden Befehle gegeben oder erhalten zu haben.
Als ich im Hochsicherheitsregime gehalten wurde, wurde ich bereits zensiert und habe keine "pizzini" herausgegeben, sondern Artikel an anarchistische Zeitungen und Magazine. Vor allen Dingen, aber, war ich frei Bücher und Magazine zu erhalten und Bücher zu schreiben, zu lesen was ich wollte, mir wurde sogar erlaubt mich zu entwickeln, zu leben.
Heute bin ich bereit zu sterben um der Welt klarzumachen, was 41-bis wirklich ist. 750 Menschen leiden ohne Protest, durchgehend verteufelt von den Massenmedien. Nun ist es mein Zug: Ihr habt mich verteufelt als blutdürstigen Terroristen; dann habt ihr mich als anarchistischen Märtyrer heilig gesprochen, der sich für andere opfert; dann habt ihr mich wieder verteufelt, wie ein fürchterliches Schreckgespenst. Wenn alles vorbei ist, werde ich ohne Frage auf den Altar des Märtyrertums gehoben. Nein, danke, ich bin nicht in der Stimmung. Ich lasse mich auf ihre dreckigen politischen Spiele nicht ein.
In Wahrheit ist das reale Problem für den italienischen Staat, dass alle Menschenrechtsverletzungen, die mit dem 41-bis Regime einhergehen, im Namen der "Sicherheit" für die alles geopfert wird, ans Licht kommen werden. Gut! Ihr müsst 2-mal nachdenken, bevor ihr wieder eine*n Anarchist*in hier reinsteckt. Ich weiß nicht, welche Motivationen und politischen Manöver wirklich dahinterstecken. Und weil mich jemand als "vergifteten Apfel" in dieses Regime gesteckt hat, war es sehr schwierig vorherzusagen, was meine Reaktionen zu diesem "nicht-Leben" sein würden. Der italienische Staat ist ein würdiger Vertreter der Heuchelei eines Westens, der kontinuierlich Vorträge zu "Moral" an den Rest der Welt richtet. 41-bis hat einen Unterricht geboten, der gut von "demokratischen" Staaten wie der Türkei (Kurd*innen wissen ein wenig hierüber Bescheid) und Polen.
Ich bin davon überzeugt, dass mein Tod eine Hürde für dieses Regime darstellen wird und dass die 750 Menschen, die für Jahrzehnte darunter gelitten haben, ein lebenswertes Leben führen werden können, was auch immer sie getan haben. Ich liebe das Leben, ich bin ein glücklicher Mensch, ich würde mein Leben nicht das eines anderen eintauschen. Und es ist aus Liebe zum Leben, dass ich dieses hoffnungslose nicht-Leben nicht akzeptieren kann.

Danke Gefährt*innen für eure Liebe.
Immer für die Anarchie.
Gebt niemals auf.
Alfredo Cospito

b

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen