Knast im Herbst 2014
Strafvollzug, wie Sicherungsverwahrung sind mediale Randbereiche, machen meist erst dann Schlagzeilen, wenn es zu Todesfällen, Ausbrüchen und ähnlichem kommt. Heute ein weiterer Blick in den baden-württembergischen Vollzugsalltag.
1.) JVA Bruchsal
Die Anstalt kommt aktuell nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem dort im August 2014 ein Migrant verhungerte (http://community.beck.de/gruppen/forum/neuigkeiten-ber-hungertod-eines-gefangenen) und der Anstaltsleiter suspendiert wurde, meldete am 28. Oktober 2014 die Lokalpresse, dass im vergangenen Jahr ein Beamter sich habe von einem Kollegen an einen Heizkörper der JVA ketten lassen. Ihm sei der Mund zugeklebt und schwarze Schuhcreme auf Stirn und Kopfhaut geschmiert worden. Zudem habe der Beamte ein gestreiftes Häftlingskostüm getragen. Hiervon seien Photos gemacht und in Umlauf gebracht worden.
Beide Beamte wurden deshalb, so die Badische Zeitung (28.10.2014, Seite 8, „Justizminister unter Druck“) mit Geldbußen von jeweils 1.000,-- Euro belegt.
Zu dem eingangs erwähnten Hungertod eines in Isolationshaft sitzenden Mannes, der aus Burkina Faso stammte, meldete der SPIEGEL (27.10.2014, Ausgabe 44/2014, Seite 40) ein bedrückendes Detail. Die Wärter sahen ihn durch eine Luke in der Zellentüre regungslos im Bett liegen. Als er auf Zuruf nicht antwortete, stürmten sie mit Knüppeln in den Händen, Pfefferspray, behelmt und mit Schildern versehen die Isolationszelle. Sie fesselten ihn an Händen und Füßen. Erst jetzt, als er sich nach wie vor nicht bewegte, bequemten sich die Vollzugsbeamten, den Sanitätsbeamten hinzu zu rufen. Dieser und eine später hin zugerufene Notärztin konnten nur noch den Tod von Rasmane Koala feststellen. Deshalb hatte er auf den Zuruf nicht reagiert.
Ein solch verrohter Umgang mit einem toten Migranten passt ins Bild von der „Sicherheitsbranche“, wo ja kürzlich aus Flüchtlingsheimen in NRW Fotos um die Welt gingen, von seitens des Sicherheitspersonals gequälten und gefolterten Flüchtlingen.
2.) OLG Karlsruhe
Am 21. Juli 2014 rügte das OLG deutlich die Praxis des Landgerichts (LG) Karlsruhe, Entscheidungen im Bereich Sicherungsverwahrung nur verzögert zu treffen (Az. 2 Ws 217/14).
Wie schon in der Vergangenheit berichtet (http://de.indymedia.org/2013/03/342720.shtml), muss ein LG, bevor ein Inhaftierter die Sicherungsverwahrung (SV) antritt, prüfen, ob die Vollstreckung der SV noch „erforderlich“ ist. Dabei fordert die Rechtsprechung, dass diese Prüfung rechtzeitig vor dem Vollstreckungsbeginn abgeschlossen sein muss (vgl. §67c StGB).
Zumindest das Landgericht Karlsruhe fühlt sich hieran nicht gebunden.
Obwohl für Herrn X. am 18.10.2012 die SV begann, konnte erst am 21.7.2014 das OLG abschließend entscheiden. Deshalb stellte das OLG Karlsruhe fest, dass das LG das Beschleunigungsgebot verletzt habe und die bislang erlittene Freiheitsentziehung, immerhin 21 Monate, rechtswidrig gewesen sei.
3.) Landgericht Karlsruhe
Kürzlich hat nun die 2. Zivilkammer (Az. 2 O 333/14, Beschluss vom 16.10.2014) des Landgerichts Karlsruhe dem Betroffenen des eben geschilderten Falls Prozesskostenhilfe für eine Zivilklage gegen das Land Baden-Württemberg zuerkannt; eben wegen der sträflichen Verletzung des Beschleunigungsgebots seitens der Strafvollstreckungskammer.
Für die 21 Monate rechtswidrige Freiheitsentziehung könnten ihm, so das Landgericht, bis zu 10.500,-- Euro zzgl. Zinsen zustehen. Denn gemäß Artikel 5 Absatz 5 EMRK ist für eine rechtswidrige Freiheitsentziehung eine Geldentschädigung zu gewähren.
Beigeordnet wurde ihm die Freiburger Rechtsanwältin Christina Gröbmayr.
4.) JVA Freiburg
Den Vollzugsalltag in der Sicherungsverwahrung habe ich schon mehrfach beschrieben (http://de.indymedia.org/node/1446). An der hoffnungslosen Situation vieler der in Freiburg einsitzenden Verwahrten ändert sich nichts.
So stehen Untergebrachten pro Jahr mindestens vier Ausführungen zu; d.h. unter Bewachung von Vollzugsbeamten dürfen sie für ein paar Stunden die Anstalt verlassen, um zumindest ein wenig den Bezug zum Leben vor den Mauern zu bewahren.
Nach wie vor, und das seit Monaten, sagt die Anstalt, oft erst wenige Stunden vor Beginn, die Ausführungen ab und macht Personalmangel geltend. Angehörige, Freunde, die extra Urlaub oder weite Anreisen auf sich nehmen, stehen dann vor der Situation, dass der Verwahrte die JVA nicht verlassen darf.
Mittlerweile nehmen die Absagen epidemische Ausmaße an, die Betroffenen sind wütend und verzweifelt, denn auf die oft nur fragilen Bindungen in die Freiheit wirken sich solche Absagen sehr belastend aus.
Ein weiterer Konfliktherd ist der Umgang, auch von Fachpersonal, mit Kritik an deren Arbeit.
So musste sich der Betroffene in dem eben beschriebenen Fall, über den LG und OLG Karlsruhe entschieden hatten, nach seiner Aussage von der für ihn zuständigen Gefängnispsychologin Frau W. rügen lassen. Wofür er denn bitteschön das Geld haben wolle? Da er zudem in anderer Sache sich beim Freiburger Landgericht beschwerte, sagte Frau W. ein eigentlich geplantes therapeutisches Gespräch ab. Sie müsse ja nun eine schriftliche Stellungnahme verfassen und deshalb habe sie für die Therapiesitzung mit ihm keine Zeit.
Ihr Kollege, Herr Diplom. Psychologe M. gab auf Befragen an, er hätte sich hier anders verhalten, die therapeutische Sitzung selbstverständlich nicht entfallen lassen.
Für Außenstehende mag sich das vielfach nach Petitessen anhören, jedoch sind Ausführungen, wie auch die Therapiesitzungen vielfach existenziell für die Betroffenen. Von erfolgreich absolvierten Haftlockerungen und erst recht den Therapien hängt nämlich eine mögliche Freilassung ab.
Die aus Sicht vieler Verwahrter zu beobachtende feindselige, zumindest aber unmotiviert und desinteressiert zu bezeichnende Haltung eines wesentlichen Teils des Vollzugpersonals überrascht dann nicht mehr, wenn man den Forschungsergebnissen des Erlanger Strafrechtsprofessors Dr. Franz Streng (http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/studie-punitivitaet-franz-streng-erlangen-jurastudenten-todesstrafe-folter/2/) Glauben schenkt. Seit 1989 untersucht er die Straffreudigkeit seiner Jura-StudentInnen, und Jahr für Jahr konnte er feststellen, dass das Strafbedürfnis ebenso steigt, wie die Befürwortung der Todesstrafe, immerhin rund 31 % befürworten sie, oder von Folter – rund 22 % halten sie für zulässig. Diese Ergebnisse dürften sich auf die Einstellung von Gefängnispersonal gegenüber Inhaftierten übertragen lassen – mit den skizzierten Auswirkungen auf den Umgang mit diesen.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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