[B] #besetzen - Neue Hausbesetzung in Moabit schafft Wohnraum für Wohnungslose

Heute (Samstag, 6. Oktober) wurde im Rahmen der Kampagne #besetzen das Haus in der
Berlichingenstraße 12 in Moabit besetzt, um das Haus den vielen Wohnungs- und Obdachlosen
in dieser Stadt zur Verfügung zu stellen. Hier findet ihr eine Kozeptidee für das besetzte Haus.

Infos: besetzen.noblogs.org

Konzeptversuch für das Zusammenleben in der Berlichingenstraße 12

Wir möchten das Haus für diejenigen öffnen, die von der Wohnungsnot am meisten betroffen sind.
Wohnungslose Menschen und Geringverdienende. Priorität ist für uns Selbstverwaltung der
Bewohner*innen und Handlungsfreiheit gegenüber dem Bezirk.

Am 31. Januar 2016 kündigte das „Gästehaus Moabit“ den dort untergebrachten 33 wohnungslosen
Männern, die teilweise schon viele Jahre dort wohnten. Der Betreiber der Wohnungslosenunterkunft
(Gästehaus Moabit) wurde vom Hauseigentümer beziehungsweise deren Hausverwaltung Berolina
gekündigt. Berolina hatte das Haus angeblich zu einem fast dreimal höheren Preis ab März 2016 an
Nikon vermietet, die vorwiegend Wohnheime für Geflüchtete betreiben. Der Verdacht, dass hier die
Not von Geflüchteten gegen die Not von Obdachlosen ausgespielt wurde, liegt nahe.

Einige Bewohner fanden selbst neue Wohnungen, andere versuchten mit Hilfe des Bündnis
„Zwangsräumung verhindern!“, sich zu wehren. Die Hausbesitzer reagierten, indem sie das Wasser
abstellten. Im Winter war das Haus wochenlang ohne Heizung. Im Januar begann ein längerer
Gerichtsprozess, der damit endete, dass der Räumungsklage im Juli 2017 stattgegeben wurde und
die letzten Bewohner am 6. September 2017 geräumt wurden. Seitdem steht das Haus leer.
„Zwangsräumung verhindern!“ wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Fall
Berlichingenstraße zeigt, dass sich mit den Armen hervorragende Geschäfte machen lassen. Der
Senat hätte das Haus kaufen und den Bewohner*innen überlassen können, anstatt dem Eigentümer
monatlich 22.000 zu überweisen (so viel kostete das Haus).

Die Unterbringung von Menschen, die in dieser Gesellschaft ausgegrenzt und diskriminiert werden,
in modularen Unterkünften für Geflüchtete (MUFs), Hostels oder Sammelunterkünften befördert
ihre soziale Isolation. Wir wollen, dass unterschiedliche soziale Gruppen in das Haus einziehen und
nach ihren eigenen Vorstellungen leben können. Dies können Geflüchtete, obach- und
wohnungslose Menschen (unabhängig davon ob sie Anspruch auf Unterbringung nach ASOG
haben), Studierende und andere gering Verdienende sein. Wir finden eine feste Quotenregelung
problematisch, können uns aber vorstellen die Zimmervergabe nach Richtwerten wie mindestens
50% an wohnungslose Menschen und maximal 30% an Studierende vorstellen. Wichtig ist, dass die
Personen, die einziehen möchten, ein Mindestmaß an Interesse für Selbstverwaltung mitbringen
sollten.

Für diejenigen, die in ihrem Alltag Unterstützung brauchen und wünschen soll eine Betreuung
durch kritische Sozialarbeiter*innen angeboten werden, die ihre Arbeit an die Bedürfnisse der
Bewohner*innen anpassen und diese mit Respekt behandeln.
Für unser Projekt soll eine Orientierung am "Housing First"-Ansatz gelten. Dies bedeutet, dass der
Einzug nicht an schwer zu erfüllende Bedingungen - wie Cleansein oder "Wohnfähigkeit" -
geknüpft ist. Bei dem etablierten deutschen Modell gibt es eine hohe 'Rückfallquote' und die
Menschen fliegen bei Verstößen gegen die strikten Vorgaben aus den Projekten. Der „Housing
First“-Ansatz hingegen geht davon aus, dass die Menschen erst mal eine Wohnung brauchen und
auf dieser Grundlage eine sozialarbeiterische Unterstützung angeboten werden kann, soweit dies
gewünscht wird. Zentral ist dabei, dass das Wohnen nicht zeitlich befristet ist.

Im Haus soll es einen Mix aus Einzelwohnungen für Menschen mit Bedarf nach Rückzug und
Wohngemeinschaften geben. Für das Zusammenkommen sollen Gemeinschaftsflächen und ein
gemeinsamer Garten entstehen. Eventuell werden hier Umbauarbeiten notwendig sein. Im
Erdgeschoss wollen wir ein Kiezcafé einrichten, in dem wir einen Ort schaffen wollen, der sich
über Veranstaltungen und Angebote für politische Organisierung in die Nachbarscaft öffnet. Wir
verstehen unser Projekt als Schutzraum für alle Menschen, die in dieser Gesellschaft von
Diskriminierung betroffen sind. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homo- oder
Transphobie haben daher keinen Platz in unseren Räumen.

Um die Selbstbestimmung der Hausbewohner*innen zu ermöglichen, wäre eine Option einen
Verein zu gründen, der in der Lage ist das Haus in Eigenverantwortung zu organisieren.
Trotz aller Ansprüche sehen wir die Widersprüche und Ambivalenzen, Menschen (durch
sozialarbeiterische Ansätze) in Systeme integrieren zu wollen. Deswegen sei hier noch einmal
betont, dass an erster Stelle die Freiwilligkeit, Respekt und Selbstbestimmung stehen sollen.

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