[Kolumbien] Von der Primera Línea zur FARC-EP

Regionen: 

Ein Artikel über das Schicksal eines jungen politischen Aktivisten, der durch Bedrohungen, Repression und auch politischer Überzeugung bei der Guerilla FARC-EP im Osten Kolumbiens landet.

Viel wurde in den letzten Wochen darüber diskutiert, dass der kolumbianische Präsident als Zeichen des Friedens und guten Willens, Mitglieder der Primera Línea aus den Gefängnissen freilassen will. Dies passiert jetzt zu Weihnachten. Doch nicht alle der Primera Línea sind in Gefängnissen. Der Große Teil dieser Struktur lebt weiterhin in den Vierteln der Großstädte, das jedoch gefährlich, stigmatisiert und unter permanenten Bedrohungen auf ihr Leben. Die sogenannte Primera Línea, zu Deutsch die erste Reihe, ist der militante Arm des sozialen Protests in den Großstädten Kolumbiens. Sie verteidigen die Blockaden bei Angriffen der Polizei und des Militärs und organisieren vor allem junge Menschen zu Aktionen, die sie in Kleingruppen durchführen. Sie treten nur vermummt auf und mit selbstgebauten Schilden zur Verteidigung die staatlichen Sicherheitskräfte. Untereinander gibt es einen Austausch und sie wurden nicht nur zum Symbol des Widerstands, sondern auch selbst Angriffen der kolumbianischen Rechten ausgesetzt.

Einer davon ist David Estiven Fernández Soler aus dem Viertel Kennedy in Bogotá. David wurde bei den letztjährigen Wahlen im Viertel Kennedy in Bogotá in das Amt eines Jugendberaters gewählt, ansprechbar für Jugendliche und politischer Teil, um sich für die Belange der Jugendlichen im Viertel, dass von der Größe her eher eine Stadt gleicht, einzusetzen. Zu seinen Aufgaben gehörte die Gestaltung und Formulierung von Jugendrichtlinien, die Aufsicht und soziale Kontrolle über Bezirks- und lokale Jugendprogramme mit Vorschlägen für Frieden und ein ziviles Zusammenleben. Vor den großen landesweiten Streiks arbeitete er an der Universidad La Gran Colombia in Bogotá. Er versuchte einen Abschluss in Sozialwissenschaften zu erreichen, aber der große Streik setzte dem ein Ende. Er wollte den politischen Kampf führen. Im November dieses Jahr wurde er von seiner Familie als vermisst gemeldet.

Nun tauchte er in einem Kommuniqué der Guerilla FARC-EP auf und seine Aussagen lassen aufhorchen, sind aber doch nicht neu, sondern zeigen exemplarisch, wie sich Personen der Guerilla anschließen und welche Daseinsberechtigung die FARC-EP hat, wenn Menschen in ihrem politischen Kampf nicht nur mit dem Leben bedroht werden, sondern die strukturelle Gewalt im Land nur auf allen Ebenen des politischen Kampfes besiegt werden kann. In dem Video-Kommuniqué prangert er an, von Paramilitärs und Angehörigen der Polizei bedroht worden zu sein. Ebenso, dass er Opfer von Verfolgung, Stigmatisierung und Attentaten wurde. Nach langer Suche, in der sogar vermutet wurde, er sei gegen seinen Willen zur Guerilla gegangen, macht er nun mit den Spekulationen Schluss. Er teilt in Guerilla-Uniform und mit Waffe in der Hand mit, dass er freiwillig der FARC-EP beigetreten ist.

In dem Video vom 14. Dezember erklärte der 24-jähirge David, dass er „seit dem 28. April 2021 in der Stadt Bogotá aktiv an sozialen Bewegungen des Volksaufstands teilgenommen“ habe. „Durch meine Führungs- und Gemeinwesenarbeit habe ich mich unter anderem auch als Jugendberater an institutionellen Prozessen beteiligt. Trotz der Tatsache, dass das Recht auf Protest und Organisation in der Verfassung von 1991 verankert ist, möchte ich die folgenden Beschwerden vorbringen“, sagte er und führt weiter aus. Er ist seiner körperlichen Unversehrtheit von paramilitärischen Gruppen bedroht worden, „die von der dreizehnten Brigade in Bogotá und der Nationalpolizei entsandt wurden.“ Darüber hinaus versicherte er, dass er Attentate erleiden musste, letztmalig während der Demonstration am 20. Juli 2022. Zudem ist er Opfer „psychischer und medialer Verfolgung durch die Medien.“

„Freiwillig und mit der revolutionären Überzeugung, die mich begleitet, habe ich mich entschieden, mich den Revolutionären Streitkräften Kolumbien, Volksarmee, anzuschließen und ihr politisch-militärisches Projekt, das Agrarprogramm der Guerilla und ihre bolivarische Plattform anzunehmen.“ Und weiter sagt er zum bewaffneten Kampf, dass dies der „einzig mögliche Ausweg für die strukturellen Veränderungen ist, die wir als Volk und als Kolumbianer brauchen, als Wegweiser für eine neue Welt.“ So lädt er alle Opfer des Staatsterrorismus, wie er selbst, und die Personen der Juventud Rebelde, eine kommunistische Jugendorganisation, ein, Teil der Volksarmee, der Volks-  und Bolivarischen Milizen, der Bolivarischen Bewegung sowie der Klandestinen Kommunistischen Partei zu werden.  „Ich verstehe auch die großen Anstrengungen, die der kolumbianische Staat für den Krieg gegen das kolumbianische Volk investiert, und mit einer Auslandsverschuldung, die wir als Volk nicht übernommen haben, sondern es der Oligarchie war, die vor dem Imperialismus kniete“, sagt er.

Der Fall des jungen David ist kein Einzelfall, sondern die logische Konsequenz eines repressiven Staates, der all seine Mittel einsetzt, um gegen linke Aktivisten loszugehen. Historisch entstand daraus die alte FARC-EP und sei ihrer Gründung im Jahr 1964 schlossen sich ihr Zehntausende an. Des Weiteren ist es die Überzeugung, dass die kolumbianische Oligarchie nicht allein mit Wahlen überwunden werden kann und somit keine strukturellen Veränderungen für die Mehrheit der Bevölkerung möglich sein werden. Nun ist David also in der kolumbianischen Provinz Caquetá gelandet, in den Bergen und Wäldern, wo die FARC-EP ihre Basis hat. Ein aktuell medialer und prominenter Fall, der jedoch kein Einzelfall ist, sondern die Biographie von vielen Tausenden Menschen bestimmt.

Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen