Heimsheim: Rechtlicher “Befugniswildwuchs“ bei privater City-Streife

Themen: 
Regionen: 

Wegen der umstrittenen privaten City-Streife in Heimsheim (Baden-Wüttemberg) hat die Initiative Frag den Staat (FdS) die Kommunalverwaltung der Enzkreis-Gemeinde angefragt. FdS wollte wissen warum der private Sicherheitsdienst – im Rahmen der städtischen Beauftragung - mit hoheitliche Befugnissen von der Stadtverwaltung (Ordnungsamt) ausgestattet wurde. Dafür hat FdS den Dienstleistungsvertrag zwischen der Stadt Heimsheim (Hauptamt) und der Sicherheitsfirma DSS Schneider Security angefordert.

Im Auftrag der Stadt Heimsheim soll die private City-Streife Ordnungswidrigkeiten verfolgen und dafür auch Personalien feststellen. Weigern sich die Betroffenen den Angestellten der Sicherheitsfirma den Personalausweis vorzuzeigen sollen sie bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden, so das Hauptamt der Stadt Heimsheim.

Das festhalten von Personen durch den privaten Sicherheitsdienst, aufgrund reiner Ordnungswidrigkeiten, ist nicht durch das Gesetzt gedeckt. Diese “Scheinbefugnis“, welche die Stadt Heimsheim für ihre private City-Streife deklariert, erfüllt den Straftatbestand der Nötigung. Unabhängig davon gilt: “Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische hoheitliche Aufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“

Am 26.3.2022 berichtete die Leonberger Kreiszeitung erstmals über die Einführung einer privaten, kommerziellen City-Streife (“public private security“) in Heimsheim. Diese wurde am 14.3.2022 im städtischen Gemeinderat beschlossen (Vorlage Nr. 14/2022, Az: 100.51). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsfirma DSS Schneider Security wurden im Zuge dieser Beschlussvorlage von der Stadtverwaltung (Hauptamt) Heimsheim ermächtigt - im öffentliche Raum (Stadtgebiet) – bei Ordnungsverstößen Personalien aufzunehmen, Platzverweise zu erteilen und Ordnungswidrigkeiten umgehend zu ahnden - Befugnisse, welche weit über das sogenannte Jedermannsrecht hinausgehen. Denn auch für öffentliche (kommunal) beauftragte Sicherheitsfirmen gilt: Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste haben im öffentlichen Raum nicht mehr Rechte als andere Bürgerinnen und Bürger auch!

Der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland sehen hierzulande nicht vor, dass privatwirtschaftliche Firmenangestellte für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sorgen. Auch das deutsche Verwaltungsrecht kennt keine kommerziellen Privaten die systematisch Ordnungswidrigkeiten feststellen und “umgehend ahnden“, weil es sich hierbei um hoheitliche Verwaltungsakte gemäß § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) handelt.

Selbst wenn dieser rechtliche Umstand der Stadt Heimsheim nicht bekannt ist oder die Kommunalverwaltung diesbezüglich wider besseres Wissens handelt wäre es die Aufgabe der Kommunalaufsicht im Regierungspräsidium Karlsruhe hier einzugreifen um diesen rechtlichen “Wildwuchs“ dieser privaten Citystreife zu beenden – genau das bleibt aber aus!

https://www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.city-streife-heimsheim-sta...

https://ddrm.de/citystreifen-und-buergerrechte/

 

FdS forderte Ende März dieses Jahres Einsicht in den Dienstleistungsvertrag zwischen der Stadt Heimsheim und der Sicherheitsfirma DSS Schneider Security ( https://fragdenstaat.de/anfrage/vertrag-mit-dss-security/ ). Am 7.11.2022 hat FdS die Antwort der Stadt Heimsheim erreicht. Zur umstrittenen Personalienfeststellung durch den privaten Sicherheitsdienst teilt das Hauptamt der Stadt Heimsheim mit:

“(…) Die Fa. Schneider Security hat hierbei keine hoheitlichen Befugnisse, sondern ist lediglich berechtigt, ein eventuelles Hausrecht der Gemeinde in öffentlichen Einrichtungen der Stadt Heimsheim gegenüber Dritten durchzusetzen, z.B. durch die Erteilung eines Hausverbotes. Weiterhin dürfen Mitarbeiter der Fa. DSS Schneider Security bei Verstößen von Betroffenen Personalien vor Ort abfragen. Die Herausgabe von Personalien durch die Betroffenen erfolgt freiwillig. Sollten die Personalien nicht freiwillig herausgegeben werden, haben die Mitarbeiter der Firma DSS Security die Befugnis, die Personen bis zum Eintreffen von Polizei oder Mitarbeitern des Ordnungsamtes festzuhalten. (...)“

https://fragdenstaat.de/anfrage/vertrag-mit-dss-security/745919/anhang/a...

 

Der § 127 Abs. 1 Strafprozessordnung (“...vorläufige Festnahme durch Jedermann...“) gilt nur i. V. m. Straftaten und bildet gleichzeitig die einzige Befugnisnorm auf die sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste berufen können. Diese gesetzliche Befugnisnorm greift jedoch nicht bei Ordnungswidrigkeiten!

Wie aus der Sitzungsvorlage des Gemeinderats vom 14.3.2022 hervor geht sollen die Mitarbeiter der privaten Citystreife berechtigt sein Ordnungswidrigkeiten zu ahnden – eine hoheitliche Aufgabe, die durch mehrere Gerichtsentscheidungen untersagt wurden: “Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische hoheitliche Aufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“

Selbst bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs gilt: “(…) Die den kommunalen Polizeibehörden gesetzlich zugewiesene Verpflichtung der Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen sind hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden. (...)“ OLG Frankfurt am Main v. 03.01.2020 (Beschluss vom 03.01.2020 - 2 Ss-OWi 963/18)

Neben der Frage wie der Datenschutz - in Verbindung mit festgestellten bzw. geahndeten Ordnungswidrigkeiten (diesbezüglich werden Sachverhalte und Personaldaten der Bürgerinnen und Bürgern auf DSS-Firmenrechnern gespeichert) - innerhalb der Sicherheitsfirma DSS Security gewährleistet und kontrolliert werden soll, wäre es interessant zu erfahren wie die Polizei zur Personalienfeststellung durch die Citystreife steht. Weigert sich eine Person wegen eines Ordnungsverstoßes den DSS-Firmenangestellten seinen Personalausweis vorzuzeigen – und wird er deshalb festgehalten – ist man sehr schnell im Bereich von Nötigung (§ 240 StGB), weil der § 127 Abs. 1 StPO hier nicht als Befugnisnorm greift.

Die Stadt Heimsheim hat – mittels public private security -, mit ihrer Bestellung der Firma DSS Schneider Security als privaten City-Streife, die Enzkreis-Kommume zum “Versuchslabor für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger“ gemacht. Personalienfeststellungen durch einen privaten Sicherheitsdienst wegen Ordnungsverstößen - unter Androhung der Polizei - wären sicherlich auch ein Fall für den Datenschutzbeauftragten (LfD) Baden-Württemberg.

 

Weitere Informationen zum Thema:

Privatisierung der kommunalen Sicherheit & Ordnung in Ba.-Wü. (Indymedia, 15.05.22)

https://de.indymedia.org/node/190224

 

Citystreife Friolzheim bilanziert/ Parkverstöße und unverschlossene Schultüren (Leonberger Kreiszeitung, 27.10.22)

https://www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.citystreife-friolzheim-bil...

 

Sicherheitsdienste unterwegs im Altkreis/ City-Streifen schauen nach dem Rechten (Leonberger Kreiszeitung, 30.8.22)

https://www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.sicherheitsdienste-unterwe...

 

 

 

 

 

 

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen