[NMS] NPD gewinnt hinzu – wenn auch nicht aus eigenem Antrieb
Angesichts interner Querellen und insbesondere der Konkurrenz durch die AfD hatte Endstation Rechts der NPD in Schleswig-Holstein noch zurecht das Prädikat „vollkommen bedeutungslos“ zugeschrieben (vgl. https://www.endstation-rechts.de/news/vollkommen-bedeutungslos-npd-tritt-nicht-zur-landtagswahl-in-schleswig-holstein-an.html). Nun ist es der extrem rechten Partei gelungen, die letzten verbliebenen Kräfte auf Neumünster zu konzentrieren und zumindest hier ihr Wahlergebnis zu verdoppeln. Neben Mark Michael Proch wird zukünftig auch Titanic-Wirt Horst Micheel für die NPD in der Ratsversammlung sitzen.
Dass Horst Micheel, dessen Kneipe „Titanic“ landesweit als Nazitreffpunkt bekannt ist, nun für die extrem rechte NPD in der Ratsversammlung sitzt, war angesichts mehrerer handfester Streits des
Wirts mit dem Kreisverband nicht unbedingt vorherzusehen. In ideologischen Differenzen lagen diese Querellen bei weitem nicht begründet, beteiligte er sich Mitte der 2000er an Naziaufmärschen und hetzte auch in den verganenen Jahren immer wieder gegen Geflüchtete. 2013 wurde er aber gegen seine Bedenken von dem damaligen Kreisvorsitzenden Daniel Nordhorn zur Kandidatur bei der Kommunalwahl gedrängt, es kam zum Disput, die NPD traf sich statt in der Titanic in einer anderen Gaststätte etwas außerhalb von Neumünster. Die NPD warf Micheel im Gegenzug vor, er habe für eingeworfene Scheiben in seiner Kneipe Unterstützungsgelder von der Partei verlangt, obwohl er die Schadenssumme bereits von der Versicherung erstattet bekommen hatte.
Obwohl sich der NPD-Bundesvorstand in den Streit einmischte und sich bei Horst Micheel entschuldigte, erklärte dieser mit Unterstützung seines Nazikollegen Manfred Riemke den Austritt aus der Partei, darüber hinaus gründeten sie mit dem inzwischen wieder von der Bildfläche verschwundenen „Bund für Deutschland“ (BfD) auch gleich eine Konkurrenzpartei. Nachdem sich Nordhorn, der bei seinem Arbeitgeber in Neumünster geoutet wurde und den Job verlor, aus dem Kreisverband zurückgezogen hat, und Titanic-Stammgast Mark Proch nicht nur die Führung des Kreisverbands übernahm, sondern auch stellvertretender Landesvorsitzender wurde, scheinen die Wogen aber geglättet.
Proch gelang es selbst den Oberquerulanten Riemke, mit dem ihn eine Art Hassliebe verbindet, vorerst ruhig zu stellen. Riemke hatte die extrem rechte Partei, deren Ratsherr Proch Kontakte zu den Hells Angels unterhält, wegen eben dieser Verflechtungen mit der Rockerszene sowie aufgrund ihres unseriösen Auftretens („nur ein Hauen und Stechen in den eigenen Reihen“ – „Da fehlt die straffe Hand der Führung!“) kritisiert, aber auch ihren inhaltlichen Positionen eine Abfuhr erteilt („Warum hört man kaum etwas von der Partei hinsichtlich der elementaren Forderungen
die Deutschland betreffen, endlich einem Friedensvertrag für Deutschland, Abschaffung der UN-Feindstaatenklausel, volle Souveränität für Deutschland, weg mit den Besatzungsstatuten? – Ist die NPD schon soweit eine System-Partei, dass diese Forderungen nicht mehr auf der Tagesordnung stehen?“). Proch konterte: „Spalter brauchen wir nicht!Wer nicht für uns ist gegen Deutschland!“ (Fehler im Original) Obwohl Riemke sich im Wahlkampf gerade mal dazu herabließ, bei den Infoständen seiner KameradInnen ab und zu vorbeizufahren oder zu -gehen, belohnte ihn Proch mit der Berufung in den Finanz- und Rechnungsprüfungsausschuss – vielleicht auch, um endlich für Ruhe in der Szene zu sorgen.
Glohrreich waren die Auftritte der Partei im Wahlkampf bei weitem nicht: Viele Bürger*innen machten einen Bogen um den Stand oder entsorgten die Flyer gleich wieder. Zudem musste ein kleiner Kreis extrem rechter AktivistInnen die Aufgaben alleine schultern, da von 95% der KandidatInnen auf der Wahlliste überhaupt nichts zu sehen war – bezeichnerderweise übernahmen vor allem die Nazis Maren und Alexander Neufeld, deren Wohnort Lübeck noch nicht einmal zum Kreisverband zählt, das Verteilen der Flyer. Dass die NPD nur deshalb überhaupt so viele Stimmen erhielt, weil einerseits die AfD in der Stadt an der Schwale nicht antrat und andererseits die Wahlbeteiligung nur bei 39,8% lag, ändert nichts an diesem katastrophalen Ergebnis für alle demokratisch
gesinnten Menschen in Neumünster, von denen im Vorfeld einfach zu wenige aktiv Flagge gezeigt haben. Während sich die Nazis auf Neumünster konzentrierten. Ähnlich katastrophal wie die 3,9%, die eine Steigerung um 2,3% im Vergleich zur Kommunalwahl 2013 bedeutet, sind die ersten Reaktionen seitens der Ratsversammlung: Während NPD-Kandidat Andreas Regner forderte, den Grünen-Politiker Robert Habeck zu „hängen“ (siehe https://twitter.com/AntifaNMS/status/994328054993375232), protestierten Antifaschist*innen vor der konstituierenden Sitzung gegen den Rechtsruck - der BfB oder die FDP hingegen diskutierten, ob mensch nicht doch lieber mit Nazis reden sollte, statt der NPD die kalte Schulter zu zeigen.
Die Nazis haben zuletzt alle ihre Kräfte auf Neumünster konzentriert. Getreu dem Motto „Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft“ wäre es vielleicht an der Zeit, auch von antifaschistischer Seite wieder stärker die Stadt an der Schwale und hier organisierte extrem rechte Strukturen sowie deren Infrastruktur (wie die Titanic, in der sowohl der NPD-Wahlkampfauftakt als auch die -Wahlparty stattfanden) in den Fokus zu nehmen. Zumindest Maren und Alexander Neufeld können nach ihrem Outing nun nicht mehr so ungestört agieren wie zuvor (siehe https://luebeck.systemausfall.org/neonazis-in-luebeck-geoutet/).