Besetzung in Bargteheide, 07.10.2022 - Unterstützung erbeten!

Abstract: 
Nach langem Hinhalten sind in Bargteheide Menschen selbst aktiv geworden und haben die Villa Wacker am Bahnhof Bargteheide (Adresse: An den Stücken 49) besetzt. Ein Statement und Aufruf der Jugend für Jugend folgt. Unterstützung erbeten!

Stellungnahme und Erklarung zur Besetzung der Villa Wacker

Wir, die Jugend fiir Jugend (JfJ), existieren nun seit etwa einem Jahr. Grund fiir die Entstehung war
das Vorhaben, mehr Raume fiir Jugendliche in Bargteheide zu schaffen. Denn dies wollten wir nicht
langer den kommunalen Politiker*Innen alleine Uberlassen, sondern in Zusammenarbeit Konzepte
kreieren und in der Stadt etablieren. Konkret hatten wir ein bestimmtes Gebadude im Fokus, welches
all unseren Zielen gerecht werden wirde: Die Villa Wacker. Das Haus mit der Adresse ,,An den
Stiicken 49% ist seit 1920 hinter dem Bahnhof zu finden und wurde zwischenzeitlich als Wohnraum,
als Notunterkunft fiir Geflichtete und vieles weitere genutzt. Doch seit ca. einem Jahrzehnt steht
dieses Gebaude grdftenteils leer. Grund daftir ist der Verkauf des Grundsttickes an die Stadt. Somit
eigentlich optimal fiir den Ausbau von Raumlichkeiten fiir Jugendliche, den die Stadt schon so oft
versprochen hatte.
Wie uns in der Schule gelehrt, bemuhten wir uns, den demokratischen Weg zu beschreiten und mit
unserer Stimme unser Ziel zu erreichen. Freundlichst wurden wir von jeglichen Politiker*Innen
begrii&t. Selbst die ehemalige Burgermeisterin Kruse-Gobrecht sowie die derzeit amtierende Frau
Hettwer schienen von diesem jugendlichen Engagement begeistert. So entstanden, resultierend aus
unserer nicht zu bremsender Motivation, unsere ersten Konzepte und die Formulierung unserer
Visionen.

Doch zuerst zum Anfang: Begonnen hat alles mit dem Burgermeisterinnen-Duell. Dort wurde
erstmals die Villa Wacker als ,,Ort der Begegnung” bzw. als Ort fiir Jugendliche thematisiert. Fur uns
war damit unsere Annahme bestatigt, dass unsere Idee auf fruchtbaren Boden treffen wird. Hier
nahm unsere Reise ihren Start.

Als Folge dessen stellten wir uns im April im KiJuB vor, dem Kinder-Jugend-Beirat in Bargteheide.
Dass zwolf Jahrige und Jiingere kognitiv nicht im Stande sind, fiir die gesamte Jugend politische
Entscheidungen zu treffen, sei an dieser Stelle mal unerwadhnt. Trotzdem gingen wir diesen Weg,
zogen aber recht schnell den Schluss, da uns klar wurde, dass dieser Beirat mehr dem Schein dient als
eine reelle Moglichkeit fiir Jugendliche zu sein, am politischen Geschehen teilzunehmen. Ein
Paradebeispiel fiir die Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen, um politisches Handeln,
welches uns als junge Generation betrifft, zu legitimieren und das eigene Image aufzupolieren.
Kommentare von anderen Gasten wie ,,Kommt doch gerne in die Kirche, wenn ihr Raum fir
Jugendliche wollt.“ bis hin zu ,,Wenn ihr von der autonomen Jugend wegwollt, kommt zu uns.“
bestatigten uns jedoch in unserem Vorhaben und lieBen uns weiterkampfen.

Nachste Station war also die damalige Burgermeisterin, genauer gesagt die Wahlkampf-
Veranstaltung Kruse-Gobrechts auf dem Villa Wacker-Gelande, welche am 05.05 stattfand. Zu diesem
Zeitpunkt besafen wir bereits die erste Version unseres Konzeptes (Anlage 1.1), welches freudig
entgegengenommen wurde. Auch hier: Jede*r war Uber die Teilnahme von Jugendlichen an der
zeitgleich fuir Jugendliche so unattraktiv gestaltete Kommunalpolitik begeistert. Im Verlauf der
Veranstaltung wurde uns empfohlen, sich im Ausschuss fiir Bildung, Jugend, Sport (BJS) auf die
Tagesordnung setzen zu lassen.

Doch zuerst stand unser Treffen mit Frau Hettwer an. Die Villa Wacker war natirlich hier ebenfalls
Thema. Man wolle uns unterstiitzen, man habe ja sogar genau das vor, was ihr vorschwebe. Wir
trafen auf gewohntes Terrain; Freundliche Worte, Hande schitteln und leere Zusagen.

Ein zweites Treffen wurde vereinbart und fand am 30. Mai statt, somit stand vor uns nun die
amtierende Burgermeisterin. Wir arrangierten fiir das Treffen die Raumlichkeiten der Villa Wacker.
Dabei stellten wir die zweite Version unseres Konzeptes vor und veranschaulichten unsere Plane fiir
die Villa mit einem Rundgang um das Gebdude. Folgend gingen wir auch auf die Problematiken des
Gebdaudes ein. Erstmals schienen hier die Interessen gewisser Parteien, welche Frau Hettwer im
Wahlkampf unterstiitzt hatten, mit unseren in Konflikt zu geraten. Dennoch waren wir zuversichtlich,
dass der eingeschlagene Weg der richtige sei. Wie falsch wir doch lagen!

Wie uns nahegelegt zogen wir weiter gen Ausschuss, welcher am 1. Juni tagte, immer noch getrieben
von der Uberzeugung, dass man der Jugend wirklich zuhére und Worten auch Taten folgen lieRe. Im
BJS stellten wir uns als Gruppe vor und prdasentierten die zweite Version unseres Konzeptes (Anlage
1.2), welches jedoch einen Haken hatte: Unser Konzept setzte auf Zusammenarbeit und Dialog.
In Vorbereitung auf den BJS starteten wir zudem eine Petition (Anlage 1.3), welche von ca. 200
Jugendliche unterschrieben wurde. Wie erwartet, folgten typischerweise zustimmende
Lippenbekenntnisse. Im selben Atemzug wurde jedoch versucht, uns von der Villa Wacker zu
trennen. Auch hier hatten wir erneut merken mussen, dass die Politiker*Innen nicht am
dialogbasierenden Weg interessiert waren.
Beendet wurde dieser Tagesordnungspunkt mit der Zusage, dass man sich bei uns melde. Wir warten
immer noch.

Trotz allem schien ein Stein ins Rollen gebracht geworden zu sein. Das BUndnis90/die Griinen
verfasste den ersten Antrag fiir den Erhalt der Villa Wacker (Anlage 1.4) und sprachen sich, zu
unserer Freude, flr eine Schllisselvergabe an uns aus. Somit ware es uns mdglich gewesen, in Ko-
Existenz mit ,,To Hus“ und dem Verein ,,Bunte Vielfalt“, welche von allen Seiten fur ihre soziale Arbeit
in héchsten Ténen gelobt werden, zu leben. Zwar waren wir damit immer noch weit von einem
Jugendkulturhaus, das im Besitz der Jugend ist, entfernt, aber immerhin ein ganzes Stlick naher.
Aber ein Raum fir Jugendliche, der zum Austausch und zur Selbstverwirklichung dient? Wo wurden
wir da denn hinkommen?
So lie& ein Gegenantrag der SPD nicht lange auf sich warten (Anlage 1.5). Dieser beinhaltete einen
Architektenwettbewerb sowie umfangreiche Bebauungen, damit jene, die ausreichend schwere
Geldbeutel mit sich tragen, sich ihren Tempel im vorgesehen Baukomplex, welcher auf der Flache der
dann abgerissenen Villa Wacker ruhen wirde, errichten k6nnen.
Naturlich findet sich dieses Ziel nur mit entsprechenden Hintergrundwissen zwischen den Zeilen. So
wurde sich des Ofteren verplappert und bereits intern besprochene Plane fiir das Grundstiick
offenlegt.

Mit Mehmet Dalkiling trafen wir uns in diesem Zuge, jedoch nicht zu unserer Zufriedenheit. Anstatt
der Jugend und unseren Wunschen wirklich zuzuh6ren, prangerte er den Zustand der Villa an und
sprach von oben zur Jugend herab.

Wie zu erwarten macht sich ein Bauprojekt, welches die Taschen einiger fullt, besser, als die
Forderung sozialer Raumlichkeiten. So gewann der Antrag der SPD im Bauausschuss am 30. Juni die
Mehrheit an Stimmen. Allerdings sprach sich Mehmet Dalkiling in einem Statement vor dem
versammelten Bauausschuss fiir eine Schliisselvergabe an uns aus. Eine namentliche Benennung im
Antrag blieb jedoch aus. Verbindlichkeiten wurden somit umgangen. Auch hier wurde sich erneut mit
Jugendfreundlichkeit gebristet.
Nach mehrfachen Nachfragen stellten wir fest: Einen Schlussel wird es fiir uns niemals geben.

Damit endete unsere Reise in der Kommunalpolitik. Vereinzelte Wiederbelebungsversuche verliefen
im Sande, am Rande kamen bereits genannte Politiker*Innen erneut auf uns zu, doch echtes
Interesse blieb aus.
So kehrten wir in uns und begannen mit den ersten Recherchen. Recherchen Uber vergangene
Kampfe, Uber die Geschichte der Jugendraume in Bargteheide und uber in der Vergangenheit
verbliebende Jugendgruppen. Die Erkenntnis, dass nicht erst seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten,
fast schon seit einem halben Jahrhundert, die Kommunalpolitik die Jugend strukturiert und
konsequent vergisst, verfestigte sich. Auch in den 2000er Jahren gab es Demonstrationen und
Aufrufe mit dem Tenor ,,Bargteheide wachst, wo bleibt die Jugend?” (Anlage 1.6).
Diese vergessene Wut fand in uns einen neuen Trager. Dieser Kampf wird diesmal anders enden.
Nicht erneut lassen wir unsere Raumlichkeiten dritteln, wie es einst mit dem JuZe passierte, nicht
erneut lassen wir uns mit Containern am Stadterand als geplante Ubergangslésung abspeisen, wie es
einst mit dem autonomen Jugendhaus geschah und wir werden uns auch nicht noch einmal
Grundstiicke versprechen lassen, welche nicht Ubergeben werden, wie es den Pfandfinder*Innen
erging.
Das alles sollte doch endlich das letzte Mal sein!
Der dialogbasierende, freundliche und aufgeschlossene Weg ist, so sehr wir es auch versuchten,
hoffnungslos. Die Politik lasst uns somit keine andere Wahl. Als aller letztes Mittel missen wir uns
die Raumlichkeiten nehmen, die uns zustehen und so oft versprochen wurden. Wir werden als
Jugend uns das geben, was wir brauchen, da es sonst niemand tut: Ein geschiitzten Raum fiir
Austausch, fiir die Freizeit und fiir die Selbstverwirklichung in Projekten.

Deshalb wurde die Villa Wacker am 07.10 besetzt.

Schon in der Vergangenheit bewies die Jugend, dass Projekte wie unsere Solidaritats-Kiifa (Anlage
1.7), der Bau eines Schenk-Eck’s (Anlage 1.8), ein antisexistisches Café (Anlage 1.9) und vieles mehr
selbstandig erfolgreich durchgefuhrt und etabliert werden konnten.

Wir werden an diese Projekte ankniipfen und den neu gewonnenen Raum ausgiebig daflir nutzen.
Ein entsprechender Time-Table wird die kommende Woche Uber ver6ffentlicht.

Wir werden den nun erlangten Raum reinigen, anpassen, verbessern und unser Konzept endlich
realisieren.

Vor allem werden wir beweisen, dass die Villa nicht in solch einem maroden Zustand ist, wie
andauernd behauptet wird, um den Abriss zu legitimieren. Jeglicher Schimmel, mit welchem
argumentiert wurde, ist ausschlieBlich im Anbau zu finden und lediglich oberflachlich. Die
Bausubstanz aller Gutachten nach ist in einem guten bis sehr guten Zustand.
Wir sehen keinen Grund, ein Gebaude in einer Zeit mit solch hohen Rohstoffpreisen abzurei&en,
wenn zugleich die Raumlichkeiten ganz simpel fur das verwendet werden k6énnen, was schon so oft
versprochen wurde.

Die JfJ

Jugend für Jugend
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