In eigener Sache: Gutachten nach 26 Jahren Haft!
Im Oktober 2022 jährt sich meine Festnahme zum 26.-mal. Zwecks Vorbereitung für die im späten Frühjahr 2023 anstehende gerichtliche Prüfung über die Fortdauer der Inhaftierung hat das Gericht ein Gutachten in Auftrag gegeben.
Der Gutachtenauftrag
Das LG (Landgericht) Freiburg beauftragte eine renommierte und erfahrene Psychiaterin und Psychoanalytikerin aus München mit der Prüfung der Frage, ob und wenn ja, welche Straftaten ich innerhalb welches Zeitraums mit welcher Wahrscheinlichkeit begehen könnte.
Zudem müsste sie sich zu der Frage äußern, ob eine psychische Störung vorliege und in Folge dieser Störung mit schweren Gewalttaten gerechnet werden muss.
Der Hintergrund
Nach einem Banküberfall mit Geiselnahme wurde ich zu einer langjährigen Haftstrafe mit anschließender Unterbringung in der SV (Sicherheitsverwahrung) verurteilt. Es waren, dies nur am Rande, die Nationalsozialisten die mit Gesetz vom 24.11.1933 die SV in das Strafrecht einführten und seitdem können Menschen auch nach Verbüßen der Freiheitsstrafe weiterhin in Haft gehalten werden. Aktuell betrifft dies rund 600 Männer und 2 Frauen (eine davon Carmen in Schwäbisch-Gmünd). Wegen diverser, aus der damaligen Isohaft verschickten Briefe an RichterInnen und PolitikerInnen verlängerte sich die Freiheitsstrafe wegen Beleidigung und Bedrohung um mehr als 5 Jahre. Seit Juli 2013 verbüße ich nun in der südbadischen JVA Freiburg die SV.
Das Gutachtenergebnis
Vorab teilte die Sachverständige dem Gericht schriftlich mit, dass nach der an zwei Tagen stattfindenden Exploration sie zu dem Ergebnis komme, dass aus psychiatrischer Sicht eine Entlassung zum 10-Jahreszeitpunkt vertretbar erscheine. Eine umfängliche Begründung reiche sie nach.
Sich abzeichnende Konfliktlinien
Einerseits wird die Sachverständige mutmaßlich mit liebgewonnenen Vorannahmen der Haftanstalt und bisheriger Gutachter nicht ganz übereinstimmen. Andererseits scheint sie auch dem Behandlungskonzept der JVA womöglich skeptisch zu begegnen. So informierte die behandelnde Stationspsychologin, Frau Dipl.-Psychologin W. über ein Telefonat zwischen der Gutachterin und ihr. Darin habe die Sachverständige hartnäckig danach gefragt, ob sie – Frau W. – eine Approbation, also die entsprechende Zulassung als psychologische Psychotherapeutin, besitze. Irgendwann habe sie – Frau W. – dann die Psychiaterin zurück gefragt, wer denn hier nun begutachtet werde, der Insasse oder sie, die Stationspsychologin. Ja, sie – Frau W – habe keine Approbation, das sei im Justizvollzug nicht erforderlich, zudem habe sie genügend Fortbildungen gemacht und fühle sich gut gerüstet für ihre Arbeit, vielleicht sogar besser, als jene die einen gradlinigen Weg von Abitur, Studium, Approbation gingen.
Wie geht es weiter?
Laut der Gutachterin soll ich zu Anfang, soweit eine Freilassung erfolgt, in ein „betreutes Wohnen“. Der Idee bei dem Freien Radio (Radio Dreyeckland) ein Jahr als Bundesfreiwilligendienst-Leistender zu arbeiten, ein entsprechendes Angebot liegt vor, konnte sie etwas abgewinnen. Bislang ist erst für Mai 2023 eine mündliche gerichtliche Anhörung geplant. Ob diese vorgezogen wird ist offen, ebenso wie sich Gericht und Staatsanwaltschaft zu dem Gutachten positionieren werden, denn es gab schon Fälle in welchen das Gericht den für Insassen günstigen Gutachten nicht folgen wollte.
Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8
D-79104 Freiburg
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