Das Gefangenen Info Nr. 416 vom Juli 2018 ist erschienen!
Liebe Leserinnen und Leser,
auf unsere GI-Umfrage an die Gefangenen, die wir mit unserer letzten Ausgabe versendet hatten, haben wir einiges an Feedback erhalten. Dafür möchten wir uns bedanken. Wir werden das bald auswerten und euch dann darüber auch in Kenntnis setzen.
Unser geplanter Schwerpunkt zu „proletarischen und rebellischen Kiezen und soziale Verdrängung“ ist leider nicht fertig geworden. Wir planen dennoch, das sehr bald nachzuholen. Aus dem Grund mussten wir kurzfristig Änderungen vornehmen und haben uns deshalb auf Italien konzentriert. Darin enthalten ist neben einem Beitrag zum 41bis und der damit verbundenen Isolationsfolter noch der Abschluss der Textserie zu den Knastkämpfen in Italien in den 70ern und 80ern, wo der Fokus auf die NAP (Nuclei Armati Proletari; Bewaffnete Proletarische Zellen) gelegt wird.
Nach einer relativ kurzen Pause hatten wir wieder die Möglichkeit, ein Interview mit Grup Yorum zu führen. Das lag uns deshalb am Herzen, weil inzwischen zehn Mitglieder der Band in der Türkei inhaftiert sind, nach sechs weiteren gefahndet wird und die Repression gegen sie auch außerhalb der Türkei - insbesondere in Deutschland - nicht abreißt.
Mit Skepsis mussten auch wir die neuen Gesetzesverschärfungen in Bayern zur Kenntnis nehmen. Zu diesem Thema hat uns die Bremer psychiatrie-kritische-gruppe einen Beitrag zukommen lassen, den ihr auf Seite 28 nachlesen könnt.
In unserem Heft hatten wir in den vergangenen Nummern Infos zu Andreas Krebs abgedruckt und seine Briefe veröffentlicht. Wie wir mittlerweile aber erfahren haben, wurde Andreas Krebs am 15. Mai nach Neapel gebracht und ist jetzt im Secondigliano Gefängnis eingesperrt. Der Prozess gegen ihn hat schon begonnen. Andreas freut sich über Post, deshalb hier seine Adresse:
Andreas Krebs
Sez. STZ 1
Sez. Mediterraneo
Via Roma Verso Scampia 250
CAP 80144 Napoli (NA)
Italy
Natürlich solltet ihr auch nicht vergessen, den anderen Gefangenen zu schreiben. Adressen findet ihr hinten im Heft.
In diesem Sinne:
Drinnen und draußen - ein Kampf
Eure Redaktion
Inhaltsverzeichnis:
Inhalt
03..…. Solidaritätshungerstreik für Erdoğan Çakır in neun griechischen Gefängnissen | Mohammed Salas wurde hingerichtet
Schwerpunkt
4......... Isolation von Gefangenen als politische Waffe im italienischen Gefängnissystem
6......... Update zu Nadia Lioce
7......... Knastkämpfe im Italien der 1970er und Anfang der 1980er Jahre - Exkurs NAP (letzter Teil)
International
10....... Al-Sisi‘s Gulag Republik
16....... Aktionstag zum Volkskrieg in Indien
17....... Türkei: Repression gegen Nuri Kurtcebe
Kultur
18....... Interview mit Grup Yorum: „Wir antworten mit unseren Liedern auf eure Listen!“
22....... Molotow - Sivas, 2. Juli 1993
Inland
24....... Zu den §129b-Prozessen gegen Erdal Gökoğlu und Musa Aşoğlu
26....... Repression gegen das Kalabal!k am 9. Mai
27....... Botschaft von Thomas Meyer-Falk
28....... Kampfansage aus Bayern
29....... Wir haben eurem Verschweigen etwas entgegenzusetzen!
30....... Repression gegen G20-Gegner
31....... Gefangennahme unseres Genossen, unseres Freundes Patrick
Gefangene
32....... Freiheit für Max!
33....... Aus dem Knastbericht von Rainer Loehnert | Leserbrief von Manfred Peter
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Solidarität mit Tim! | Musa Aşoğlu zu seinem Prozess | Erdal Gökoğlu: Brief und Brecht-Gedicht | Prozesstermine: Erdal Gökoğlu und Musa Aşoğlu
Wir veröffentlichen einen Artikel aus dieser Ausgabe:
Isolation von Gefangenen als politische Waffe im italienischen Gefängnissystem
Centro documentazione e lotta Rosso 17, Italien,Antiimperialistische Front, Italien
Italien, April 2018
Um das italienische Gefängnissystem und seine interne Diversifizierung zu verstehen, müssen wir in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückgehen. In diesen Jahren waren viele Länder und auch Italien von der Entwicklung einer mächtigen Klassenbewegung und starker revolutionärer Kräfte geprägt.
In Westeuropa war der italienische Fall besonders wichtig. Die Roten Brigaden waren die Speerspitze eines Konflikts, an dem alle Ebenen der Gesellschaft beteiligt waren, auch die höchsten.
Dank ihrer politischen und militärischen Gesamtkapazität gründeten sie die Keimzelle einer möglichen kommunistischen bewaffneten Partei. Sie haben so gehandelt, wie es möglich war, aber sie haben es nicht geschafft, diesen Sprung zu machen.
Dieses kurze Vorwort ist unerlässlich, um die Gegenmaßnahmen des Staates zu verstehen, in einer Situation, die man als „Bürgerkrieg geringer Intensität“ bezeichnen kann, die aber Gefahr läuft, sich zu einer ganzen revolutionären Krise zu entwickeln.
Diese Situation betraf auch die Gefängnisse. Seit 1969, parallel zum Aufschwung der Arbeiter- und Studentenbewegung, wurden sie Schauplatz von Unruhen, Kämpfen und Gefängnisausbrüchen, in einer organischen Beziehung zu den äußeren Bewegungen und dem Wachstum einer proletarischen und revolutionären Linken. Die Avantgarde, die während der Kämpfe im Gefängnis entstand, traf auf die durch die Unterdrückung inhaftierten Kämpfer und entwickelte schnell ein politisches Bewusstsein. Das Ergebnis war die Geburt einer militanten Szene, die an der Entwicklung des bewaffneten Kampfes interessiert war. Dies ist seit der Inhaftierung der ersten Briganten ab 1974 noch deutlicher geworden. Das Gefängnissystem, das so genannte „Proletariat in Gefangenschaft“, wurde so zu einer echten Front in der allgemeinen Konfrontation. Guerilla-Aktionen vervielfachten sich gegen Strukturen und Repressionspersonen auf allen Ebenen.
In dieser Situation machte der Staat seinen ersten wichtigen Gegenangriff: die Schaffung von „Spezialgefängnissen“.
Auf Inseln oder in abgelegenen Gebieten der Halbinsel gelegen, unter militärischer Kontrolle der Carabinieri (der Spezialeinheit der Armee, deren Aufgabe historisch gesehen die interne Repression ist), mit einer geringen Anzahl von Häftlingen (nicht mehr als ein oder zweihundert) wurden „Spezialgefängnisse“ nur mit Revolutionären und Rebellen gefüllt, die eine Geschichte von Kämpfen oder Gefängnisausbrüchen hatten.
Die Bedingungen waren zur Bestrafung geschaffen und von großer Entbehrung gekennzeichnet, basierend auf einem einzigen Kriterium für eine Zelle: nicht mehr als zehn Quadratmeter. Die Zellen befanden sich oft nur auf einer Seite des Korridors, um die Kommunikation zwischen den Gefangenen zu erschweren.
Kurz gesagt, das Hauptziel war die Isolation. Das galt für die Mehrheit der Häftlinge, vor allem um die Ausbreitung der Kämpfe zu verhindern oder zumindest zu verringern; und in Hochsicherheitsgefängnissen zielte die Repression darauf ab, den Widerstand und die Solidarität unter den Kämpfern zu brechen. Es war eine schwere Aufgabe, und das einzige Ergebnis dieser Maßnahmen ist seit vielen Jahren ein härterer Kampf. Die zunehmende Macht der bewaffneten Organisationen, insbesondere der Roten Brigaden, beeinflusste die Kämpfe außerhalb und in den Gefängnissen.
Auf die repressive Gewalt erfolgten oft angemessene Antworten, und die Angst war in den staatlichen Organisationen (Ministerien, Regierungsparteien, Polizei usw.) weit verbreitet.
Das Ausmaß der Kämpfe schränkte die Handlungsfähigkeit des Staates ein: Die Sondergefangenen nahmen um Hunderte zu und schließlich zwischen 1981 und ‚82 waren es etwa 4.000.
Sie wurden so zahlreich, dass nur ein Teil auf diese Gefängnisse isoliert werden konnte, ein großer Teil landete in allgemeinen Gefängnissen, allerdings nur in Abteilungen für politische Gefangene.
Die „Specials“ selbst waren zu einem sehr gewalttätigen Schlachtfeld geworden. Höhepunkt war die gemeinsame Kampagne der internen Kampfkomitees und der Brigate Rosse zur Schließung des symbolträchtigsten Sondergefängnisses, der Asinara, die sich auf einer kleinen Insel in der Nähe von Sardinien befand. Seine Schließung wurde ebenso gefordert wie das Ende der „differenzierten Behandlung“ und die Abschaffung des Artikels 90 (des Strafgesetzbuches), der die strengsten Maßnahmen vorsah. Die schwerste Maßnahme bestand darin, nur noch durch Glastrennwände und Gegensprechanlagen private Gespräche mit den Familienmitgliedern führen zu können. Ein paar Unruhen, eine in eben der Asinara, die andere in Trani (Apulien) mit der Entführung von Wachen, wurden zusammen mit der externen Entführung eines leitenden Ministerialdirektors durchgeführt. Mit dem Ziel die Entscheidung zu verschleiern, beschloss die Regierung die Schließung des Gefängnisses von Asinara (unter dem Vorwand interner Verwüstungen durch die Rebellen). Die Unterdrückung dort und in Trani war sehr schwer, aber die Brigate Rosse führte sofort Gegenmaßnahmen durch und exekutierte einen General der Carabinieri.
In dieser Phase der Konfrontation, im Winter 1980/81, trat jedoch eine schwerwiegende negative Erscheinung auf, die sich in der revolutionären Bewegung entwickelte. Trotz des hohen Organisationsgrades, der Widersprüche und der angesammelten Fehler (außerhalb des Rahmens dieser Analyse), hat sie die revolutionäre Bewegung tief getroffen, was zum Zusammenbruch vieler Genossen führte, sobald sie verhaftet wurden oder spätestens nach einigen Monaten Haft.
Der so genannte „pentitismo“ - der Verrat und die Zusammenarbeit mit dem Feind - dann die politische Dissoziation - das heißt die Kapitulation, das Eingeständnis der Niederlage vor den Gerichten - brach die Solidarität und die Ausdauer der Gefängnisfront. Dieses Problem trat innerhalb der Bewegung selbst auf und der Schaden war beträchtlich.
Der Staat gewann das Spiel militärisch und nutzte diese Probleme, um die Bewegung und die Organisationen von innen heraus zu zerstören. Schließlich hat der italienische Staat ab 1985 den Gefängnisgriff entscheidend gelockert, indem er die Anwendung von Artikel 90 und die daraus resultierenden schlimmsten Behandlungen ausgesetzt hat. Es wurde die Einrichtung von Sonderabteilungen in normalen Gefängnissen (und nicht mehr ganzen Sondergefängnissen) beschlossen, wo der Staat die „Unbelehrbaren“ einsperrte, d.h. jene Kämpfer, die eine kohärente revolutionäre Position einnahmen und die verschiedenen Formen der Kapitulation oder Aufweichung ablehnten. Es bestand nicht mehr die Gefahr von ständigen Guerilla-Angriffen, noch dass diese Gefangenen eine homogene und definierte politische Einheit bildeten.
Dann begann eine Phase des „strategischen Rückzugs“ - wie sie von der Brigate Rosse definiert wurde, die noch aktiv war -, was langfristig eine Reorganisation auf eine rückwärtige und nachhaltigere Linie bedeutete, die unter Berücksichtigung der gegebenen Situation weiterhin auf die bestmögliche Weise kämpfte. Nur um die Dinge ins rechte Licht zu rücken: von den Hunderten von Kämpfern und Unterstützern, die bis 1982 in die bewaffneten Organisationen involviert waren, implodierte die Bewegung auf nur ein paar Dutzende von Menschen. Und von allen Organisationen hat nur die Brigate Rosse überlebt. Später haben sich in den 1990er Jahren anarchistische Gruppen gebildet, aber ihr bewaffneter Kampf war anders und mit deutlich geringerer Wirkung.
Ab Mitte der 80er Jahre musste sich der Staat daher nicht mehr mit Massenunterdrückung auseinandersetzen, mit all den Problemen, die sich aus den besonderen Strukturen der großen Gefängnisse ergaben. Er konnte sein Vorgehen auf eine „chirurgische“ Weise konzentrieren.
Und gerade in diesen Jahren wurde die Isolation systematisch genutzt.
Die wenigen Kämpfer, die den Kampf fortsetzten und mit ihnen das politisch-militärische Engagement konnten leicht zerstreut und isoliert werden, wenn sie gefangen genommen wurden. Italien ist ein Land mit einer Länge von ca. 1.500 km (von einem Ende zum anderen), so dass die Inhaftierungen an Orten stattfanden, die sehr weit von den Herkunftsorten der Häftlinge entfernt waren und Schwierigkeiten bei der Pflege der Außenbeziehungen und Kontakte verursachten. Im Falle proletarischer Familien wurde es sehr kostspielig und schwierig, die Beziehung zu den Gefangenen aufrechtzuerhalten. Unnötig zu erwähnen, dass außerfamiliäre Beziehungen zu Freunden und Kameraden mit der Entstehung der Zensur durch den Staat sehr schwierig wurden. In einigen Fällen wurden sie vollständig vom Staat verboten oder in Anzahl und Häufigkeit auf die Mindestbedingungen beschränkt. Der Staat war sich der Bedeutung und des Wertes der Besuche und der Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Außenbeziehungen, insbesondere in langen Haftzeiten, bewusst. Dies war eine spezifische Aktion des Staates, um die begrenzten Energien der Gefangenen zu reduzieren und sie dazu zu bringen, den Widerstand aufzugeben.
Die Entfernung und die Lage in abgelegenen Gebieten, außerhalb der Hauptverkehrswege, haben auch die Solidaritätsaktionen von außen erschwert und selten gemacht. Die interne Behandlung war dann durch die Trennung dieser Gefangenen vom Rest der Inhaftierten gekennzeichnet.
In den ersten Monaten oder in bestimmten Perioden sind die Genossen völlig isoliert, in sehr unangenehmen Bereichen der Gefängnisse, um ihren Widerstand weiter zu schwächen. In diesen Zeiten dürfen Genossen nur Wachen treffen. Jedes Mal, wenn sie sich bewegen, jedes Mal, wenn sie in den Hof gehen, werden sie von Wachen begleitet, und sie werden in sehr kleinen Höfen allein gelassen. Die Häufigkeit, fast täglich, der persönlichen Durchsuchung, machte die Anwesenheit der Wachen zu einem echten Eingriff in den Alltag. All dies war natürlich wissenschaftlich geplant, um psychologischen den persönlichen und damit politischen Widerstand zu untergraben.
Alles ist sehr detailliert geplant: der Lärm der Umgebung, die Stimmen oder die grässliche Helligkeit der Scheinwerfer an den Außenwänden, die in die Zelle eindringen und an die Konzentrationslager erinnerten. Diese Zeiträume konnten bis zu einem Jahr dauern. Dann erfolgte die Zuordnung zu einem Hochsicherheitsbereich.
All diese Dinge schufen ähnliche Bedingungen wie in den Sondergefängnissen. Aber während der Schweregrad der Bedingungen und der Konflikt mit den Wachen abgeklungen sind, wurde die Isolation durch die Funktion der starren Trennung von den anderen Gefängnisinsassen bekräftigt. Diese Bereiche sind an den Rändern von Gebäuden isoliert, sogar Treppen sind getrennt. Jede Bewegung ist unter Bewachung, Kontakte zu anderen Gefangenen fast unmöglich. Die Genossen verbrachten ihr Leben in einem gleich gegliederten Abschnitt: eine einzige Zelle, 4 Stunden täglich Luft im Hof ist der Moment der Geselligkeit zwischen allen Menschen, die in diesem Abschnitt anwesend sind, für den Rest sind sie in einer erzwungenen Einsamkeit. Dies könnte die Konzentration und das Studium erleichtern, aber nicht die Debatte und die kollektive politische Entwicklung.
Das ist ungefähr die Art von Inhaftierung, die die revolutionären Kämpfer in diesen letzten Jahrzehnten erlebt haben.
Doch seit Anfang der 2000er Jahre ist neben der neuen internationalen Anti-Terror-Gesetzgebung und der allgemeinen repressiven Tendenz ein weiteres Regime der verstärkten Isolation hinzugekommen, bekannt als Regime von Artikel 41 (Artikel des Strafgesetzbuches).
Sein Prinzip ist eine Fortsetzung des bisherigen (oben zitierten) Artikel 90. Aber viel gravierender als dies ist, es handelt sich nicht um eine „vorübergehende Aussetzung der anderen Artikel und bestimmter Rechte des Häftlings aus schwerwiegenden Gründen der inneren Ordnung und Sicherheit“, sondern zielt darauf ab, „die Verbindungen zwischen dem Gefangenen und der äußeren Organisation der Zugehörigkeit zu unterbinden“. Sie ist daher nicht auf außergewöhnliche, vorübergehende Zeiträume beschränkt, sondern wird im Laufe der Zeit auf unbestimmte Zeit gültig. Zunächst alle 4 Monate, heute alle 2 Jahre verlängerbar, wird sie durch Ministerialerlass namentlich verlängert. Kurz gesagt, es ist eine schwerwiegende Angelegenheit.
In der Tat ist die Behandlung einfach unmenschlich: die Bereiche sind sehr klein; die Sozialkontakte sind mit maximal 3 anderen Gefangenen möglich, für ein oder zwei Stunden gibt es täglichen Freigang im Hof. Aber oft werden diese sozialen Kontakte aufgrund anderer Kriterien des Verbots von Kommunikation auch gestrichen. Es gibt keine Möglichkeit in der Zelle zu kochen. Jeder persönliche Besitz, auch Bücher, Zeitungen und Karten, wird gezählt und in der Menge begrenzt: die größte Einschränkung besteht in den maximal 3 Büchern, und in der Tatsache, dass sie nur über die Gefängnisverwaltung erworben werden können (mit allen damit verbundenen Einschränkungen). Post wird streng zensiert. Eine Stunde monatliches Gespräch mit Externen, nur mit nahen Verwandten, mit Trennglas. Belästigende Durchsuchungen und grundlose Grausamkeiten, Plexiglasscheiben, um die Gitter am Fenster zu verdoppeln, die den Blick versperren, den Blick auf den Himmel und das kleine bisschen Horizont, das von einer Zelle aus sichtbar ist.
Einfach Folter: So nennen wir dieses Gefängnisregime (und nicht nur wir von der revolutionären Bewegung).
Dieses Regime hat bereits Todesfälle, auch Selbstmorde, verursacht. Ursprünglich war keine konterrevolutionäre Funktion vorgesehen - denn Anfang der 90er Jahre befand sich die Klassenbewegung auf ihrem niedrigsten Niveau -, sondern es sollte dem Kampf zwischen dem Staat, den bürgerlichen Fraktionen, gegen die aufsteigende Macht der Mafia dienen. In der Tat wird sie als Maßnahme zur repressiven Kontrolle der Regionen, in denen die Mafia-Wirtschaft die Hauptquelle für den Lebensunterhalt großer Volksgruppen ist, und gegen ihre rebellischen Ambitionen (während Kapital und Mafia-Macht weiterhin gedeihen) angewandt.
In der Folge wurde Art.41 auch auf einige Genossen angewandt. In der Logik der Differenzierung, einer wissenschaftlichen und politischen Dosierung der Repression, traf die brutalste Behandlung die Gefangenen der Brigate Rosse, die die jüngsten Angriffe auf die Regierung durchgeführt hatten und zwar gegen zwei Regierungsberater, die Gesetze gegen die Arbeiterklasse entwickelt hatten. Die Botschaft des Staates lautet: Wagt es nicht, uns anzugreifen, wagt es nicht, den revolutionären Weg erneut einzuschlagen. Die proletarische Klasse muss sich daher dieser neuen Bedrohung durch den Staat dauerhaft stellen. Überall.
Wir schließen diesen Bericht, indem wir daran erinnern, dass man in Italien immer noch lebenslang inhaftiert sein kann. Ein Dutzend Genossen der Brigate Rosse sitzt seit (jetzt) 36 Jahren im Gefängnis und ein weiteres Dutzend seit (jetzt) 30 Jahren. Ohne jede Chance auf einen Ausstieg, da sie jede Eingabe ablehnen.
Seit einiger Zeit stellt die Mobilisierung den Kampf gegen die Folter des §41 sowie die bedingungslose Unterstützung und Befreiung dieser Genossen in den Mittelpunkt ihres Handelns. Ziele, die wir kennen, können nicht in Kürze konkretisiert werden, aber wir halten sie für wichtig für die Möglichkeit einer Neudefinition einer starken revolutionären Bewegung.
Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand. HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
Gefangenen Info, c/o Stadtteil- und Infoladen Lunte Weisestr. 53, 12049 Berlin Bestellungen: Die Konditionen sind über unsere Homepage www.gefangenen.info nachlesbar.
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