Eine anarchistische Wirschaftskitik- Warum Anarchie die einzige Lösung ist (1)

(An english version will hopefully be online soon too!) Das hier ist der erste einer Reihe aufeinander aufbauender Texte, die sich an einer anarchistischen Wirtschaftsanalyse probiere. Dabei wird es u.a. um die Zusammenhänge zwischen Geld, Kapitalismus, Staat, Macht, Diskriminierung und der Klimakrise gehen. Wann der nächste Text folgt ist ungewiss.

 

  1. Worum es gehen soll

Die Kerne aller Probleme sind Hierarchien: Das zu behaupten ist vielleicht zu pauschalisierend und ignorant gegenüber den mannigfaltigen Diskriminierungsformen, die Gesellschaften entwickeln können- dass in den Kernen jedoch Hierarchien stecken, ist kaum zu bestreiten. Gäbe es sie nicht, gäbe es die Macht des einen Lebewesens nicht, über das andere zu bestimmen; zumindest nicht ohne direkte Sanktion. Es gäbe keine Befehlshabenden, die Machtlose unterjochen, es gäbe keine Konzernmonopole, die Arbeitnehmende und globale Ressourcen ausbeuteten, die Schwerst- und Mehrarbeit für einen Hunger-oder gar keinen Lohn forderten, es gäbe die Möglichkeit der Politiker*innen reicher Länder nicht, verschuldeten Bevölkerungen ihre Politik als Bedingung für Liquidität, für das Überleben als Souverän aufzudiktieren und ihnen ihre Autonomie zu nehmen.

Dass mit der Abschaffung struktureller Hierarchien allerdings unmittelbar die Hierarchien aus den Köpfen und Gesellschaften verschwänden, ist kaum möglich: Viel gesellschaftliche Arbeit war in der Vergangenheit und wird auch zukünftig notwendig sein, um Gleichstellung tatsächlich zu erreichen (sodass sie nicht nur auf Papieren akzeptiert und in Reden aufgezeigt wird). Bis Gleichberechtigung nicht nur rechtlich akzeptiert, sondern gesellschaftlich gelebt wird, ist der Weg weit.

Aber wie wollen wir die globalen Probleme dieser Welt lösen, wenn nicht mit den Stimmen all derer, die sich für die Umwelt und gegen das ausbeuterische Kapital einsetzen, die aber selbstredend nicht selber über das Kapital verfügen, welches sie zur Ausübung von Macht benötigten? Wie, wenn nicht gleichberechtigt, mit allen und allem?

Die Mehrheit der menschlichen Weltbevölkerung ist stimmlos: All jene, die institutionell von der Macht ferngehalten werden, weil sie und ihre Ansichten eine Gefahr für die vorherrschende westliche Welt darstellen: Indigene und Bevölkerungsgruppen of Colour, arm und behindert gemachte Menschen, Menschen aus prekären Verhältnissen und all jene, die nicht in die heteronormative Welt einer kapitalistischen leistunggesellschaft passen oder passen wollen.

All jene eben, die sich trauen Alternativen zu erdenken und zu leben, teils freiwilig, teils aus Tradition oder Hoffnungslosigkeit, teils aus Zwang. Dabei sind auch diese Altenativen längst nicht absolut geichberechtigt, diskriminierungs- und hierarchiefrei oder kurz: Anarchistisch.

Um die Chancne zu erkennen, die in der Anarchie liegt, muss Gleichberechtigung jedoch überhaupt erst möglich, erst erlebbar sein. Dann erst wird sie von der Gesellschaft gelebt werden können. Dass ein solche Leben möglich ist, wird in den Zentren des Kapitalismus -also dort, wo das Elend dieses Systems am offensichtlichsten ist- leider kaum geglaubt.

Der Zirkelschluss aus Anarchie und Antidiskriminierung ergibt, dass Anarchismus grundlegend antidiskriminierend ist oder andernfalls diesen Namen nicht verdient. Die Notwendigkeit eine Gemeinschaft, welche die Rechte aller Lebewesen anerkennt, macht Anarchie zur notwendigen Gesellschaftform.

Doch wie kommen wir dorthin? Und ist das wirklich so- oder ist das nur illusionierte Propaganda?

Wichtig zu erkennen ist, dass wir in einem System nicht nur juristsicher, sondern kapitalgewordener Zugangsverknappung leben: Hast du kein Geld, stirbst du- wenn nicht sofort, dann auf jedne Fall früher als solche, die über Geld verfügen.

Jedes (Wirtschafts-)System, in dem Macht über Lebewesen und Dinge akkumuliert werden kann, ist potenziell diskriminierend. Über Geld funktioniert diese Akkumulation besonders einfach (oder besonders "effizient").

Aber bedeutet das, dass jedes Machtgefälle zu Missbrauch, zu Diskriminierung führt?

Das ist die erste Frage auf dem Weg zu einer staats-, hierarchie- und geldkritischen Analyse des deutschen Wirtschaftssystems. Wann brachen akephale Gesellschaften zusammen? An welcher Stelle der Geschichte kam das Geld dazu und welche Rolle spielte es? Geld bedeutet Macht: Aber Macht gibt es auch ohne Geld; aber in gleicher Form?

Woher kommt Geld überhaupt, was ist es, was nutzt es und wieso wird in den folgenden Texten so oft davon gesprochen werden? Wie hängen Geld, Macht, Staat und Kapitalismus zusammen und wie können wir das alles hinter uns lassen? Denn wozu brauchen wir es überhaupt? Gesellschaften haben längst belegt, dass sie auch ohne Geld, ohne Staat, ohne strikte Hierarchien funktionieren. Nur waren diese Gesellschaften leider nicht weiß, nicht europäisch, wurden und werden von weißem Imperialismus und (Neo-)Kolonialismus unterdrückt und zerstört.

Um zu versuchen diese Fragen zu beantworten und das aktuelle Wirtschaftssystem zu verstehen, ist Geld und seine Geschichte zentral. In den kommenden Texten wird Macht von Diskriminierung auseinanderdividiert werden müssen- wieso genau, folgt dann. Indigene und afrikanische Kulturen geben interessante Aufschlüsse und Hinweise bezüglich akephalen Gesellschaften. Aber auch dazu gibt es in diesme Text vorerst keinen Platz.

  1. Eine verkürzte Geschichte von Staatsmacht und Geld

Am Anfang der Geschichte gab es kein Geld. Das mag in kapitalistischen Ländern, in denen es kaum etwas Alltäglicheres, als Geld als Währung, gibt, kaum vorstellbar sein. Die Fragen nach seinem Ursprung und seinen (Un-)Möglichkeiten, die für unser Gesellschaftskonstrukt so zentral sind, werden verdrängt: Viel drängender und wichtiger ist im Leben der Meisten die Frage, wie Zahlungsmittel –also Geld- erhalten und wie es am besten eingesetzt werden kann.

Egal, ob es sich um den Zugang zu lebensnotwendigen Bedürfnissen, zu großen Teilen des sozialen Lebens, zu Mobilität oder zu Chancen handelt: Alles ist an Liquidität gebunden. Sogar Grundbedürfnisse sind monetär verknappt.

Gesellschaften, in denen Bedürfnisse auch ohne Staatsangehörigkeit und Geld befriedigt werden können, waren und sind u.a. jagende und sammelnde Gesellschaften. Aber auch revolutionäre Orte und Gemeinschaften in aller Welt probieren sich an post-monetären Projekten- einige davon sollen in zukünftigen Texten verlinkt werden.

Jäger- und Sammleri-Gesellschaften* waren und sind Staatswährungen teils immer noch ebenso fremd, wie Staatskonstrukte und feste Hierarchien, womit aber nicht in die romantische Falle missachtet sein soll zu behaupten, diese Gesellschaften seien völlig diskriminierungsfrei. Sicher waren und sind sie es nicht: Doch dazu und zu der Frage, inwiefern solchen Gesellschaften das Potenzial innewohnt, diskriminierungsfrei zu sein, will ich im nachfolgenden Kapitel kommen.

Bevor das Anthropozän dem Planeten die Ressourcen raubte und das Klima erhitzte, gab es ganz ohne Geld Nahrung, Wasser und Obdach für alle. Der Wohlstand war beschränkt und wuchs nur langsam, als der Ackerbau einsetzte, aber er genügte und wurde geteilt.

Anreize, mehr als den eigenen Bedarf zu besitzen, wurden durch das natürliche negative Feedback der Natur beschränkt: Das Wissen über die Vulnerabilität der Natur war und ist in sog. „unzivilisierten“ Gesellschaften viel präsenter, da sie die Reaktionen und Mechanismen der Natur viel direkter erleben, als die sog. „zivilisierten“ Gesellschaften, welche die Auswirkungen ihres Handelns kaum (und wenn doch, dann zu spät) wahrnehmen.

Solche Stammesgesellschaften waren häufig akephal. Wie, außer durch körperliche und kulturell/ideologische Gewalt, kann Macht auch akkumuliert werden, wenn alles allen (also auch der Natur) gehört?

Historisch gab es verschiedene Dynamiken, die solche Gesellschaften gefährdeten. Von vielen Gründen waren Häufige:

1. Die Verknappung von Ressourcen durch Vernichtung derselben, was in jüngerer Vergangenheit zur Zwangsassimilation vieler BIPoC-Gesellschaften führte, da die Klima- und Umweltkrisen unserer kapitalistischen Epoche eine Suffizienzwirtschaft verunmöglichten und BIPoC dazu zwangen, Nahrung und Ressourcen zuzukaufen: Sich also dem Geldgeschäft eines Staates zu unterwerfen. Werden Ressourcen nicht verknappt, indem sie dem Planeten geraubt und vernichtet werden, ist eine weitere von Kolonisierenden angewandte Taktik das Privatisieren/Kolonisieren von vorher frei zugänglichen Ressourcen (und das nachfolgende Zerstören davon). Auch so werden BIPoC-Communities in die Abhängigkeit gezwungen.

2. Eine etwas andere Form der Gewalt sind Steuern (egal, ob monetär oder nicht): Denn auch diese bilden einen Zwang, so viel Steuermittel zu erwirtschaften, dass sie geleistet werden können und das eigene Überleben gesichert ist. In dem meisten Fällen bilden Steuern einen Zwang das Geld einzunehmen, das der Staat oktroyiert, wodurch die Steuerzahlenden hineingezogen werden ins Wirtschaftssystem des entsprechenden Staates. (So praktiziert z.B. in den britischen Kronkolonien.)

Nicht jede Knappheit führt zu Konkurrenz und Kampf- Menschen neigen eher zur Kooperation. Ob dies mit der Erfüllung von Grundbedürfnissen zusammenhängt, kann an dieser Stelle leider nicht mehr ausgeführt werden. Wenn du, lesendes Mensch, dazu wissenschaftliche Evidenz/Studien findest, wäre es super, wenn du das -wie auch immer, vlt in einem eigenen kurzen Beitrag- teilen würdest.

Bis zum nächsten Text!

 

PS:

Das Patriarchat wurde nicht vergessen! Kommt noch... im nächsten Text!

Zum * : Kennt eins einen passenderen/leichter lesbaren Begriff?

Verwendete Abkürzungen:

BIPoC: Englisch für 'schwarze, indigene und Menschen mit farbiger Haut' (frei übersetzt)

 

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