24.4. Feedback an Jeff Bezos & Springer

Event Datum: 
Dienstag, April 24, 2018 - 18:00
Stadt/Region: 
Aufruf der "Make Amazon Pay" Kampagne gegen die Preisverleihung des Axel Springer Konzerns an Jeff Bezos (Amazon) für sein "visionäres Geschäftsmodell" am 24.4.2018. Protestaktion: 18 Uhr vor dem Springerhochhaus in Berlin Kreuzberg.

An Evening of Resistance! 

Am 24. April 2018 veranstaltet der Axel-Springer-Verlag eine Sause der besonderen Art. Zu Gast ist der mittlerweile reichste Mann der Welt, Jeff Bezos, Eigentümer des international agierenden Onlinehandelskonzern Amazon, der an diesem Tag den Springer-Preis für sein „visionäres Geschäftsmodell“ erhalten wird. Sein „Talent für Innovationen“, für die „Transformierung von Märkten“, aber auch seine „soziale Verantwortlichkeit“ würden ihn zu einem beispiellosen Vorreiter für die Digitalökonomie von Gegenwart und Zukunft machen.

Dass der penetrante Zugriff auf die Privatsphäre der Konsument*innen kurzerhand unterschlagen werden, das ist eine Sache. Was die Springer’sche Lobrede strategisch außen vor lässt, ist, dass Amazon vor allem eins ist: ein visionäres Ausbeutungsmodell, das gerade durch seinen immensen Erfolg die perfekte Vorlage dafür bietet, wie prekäre Arbeit im digitalen Kapitalismus immer stärker institutionalisiert werden kann.

Profit over People! – Der scheinbar endlose Kampf der Amazon-Beschäftigten

Seit viereinhalb Jahren kämpfen Amazon-Beschäftigte in den Versandzentren des größten Onlinehändlers der Welt für Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen, in Deutschland geht es konkret um einen Tarifvertrag. Zählt man allein in Deutschland die Streiktage zusammen, kommt man auf mehr als ein halbes Jahr. Dabei ist der Ausgang der Auseinandersetzungen nach wie vor völlig ungewiss. Das liegt daran, dass es sich in erster Linie nicht um einen Lohnkonflikt handelt. Der Weltmarktführer des Onlinehandels weigert sich prinzipiell, mit Gewerkschaften zu verhandeln oder gar Tarifverträge abzuschließen. Dabei gehen die Kämpfe um Arbeitnehmerrechte bei Amazon inzwischen alle an! Gemeinsam mit Google, Facebook, Apple und Microsoft gehört Amazon zu den „Big Five“, die heute das Internet beherrschen. Aber vielleicht mehr noch als die anderen versucht das Unternehmen aus Seattle, die Arbeitsbedingungen im digitalen Kapitalismus neu zu definieren.

 We are humans, not robots!

Auf dem Weltkongress des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) wurde Jeff Bezos 2014 zum „schlimmsten Chef des Planeten“ gewählt. Denn Amazons Unternehmensphilosophie gefährdet permanent die Gesundheit seiner Beschäftigten. In Amazons Fullfillmentcentern (FCs) erleben die Beschäftigten einen hohen Druck, immer mehr in kürzerer Zeit zu schaffen, permanente Leistungskontrollen sowie eine Maschinerie der Überwachung. Amazon ist somit der Vorreiter einer »digitalen Taylorisierung«, das heißt von lückenloser Kontrolle und maschineller Menschensteuerung seiner Beschäftigten. Die digitale Maschinerie Amazons gibt Tempo und Ablauf aller Arbeitsschritte in den Lagern vor und übernimmt damit die „Steuerung“ der Beschäftigten. Der Mensch bei Amazon verschwindet, der Beschäftigte wird zum Anhängsel eines Software-Algorithmus reduziert. Mit den eigesetzten Handscannern in den FCs werden die Arbeitsschritte der Beschäftigten jeder Zeit überprüfbar, sodass ein Gefühl der permanenten Kontrolle den Leistungsdruck erhöht. Wer den Leistungsterror nicht befolgt, dem drohen Feedback-Gespräche mit Vorarbeitern, den sogenannten Leads. Gleichzeitig werden per Feedback-App sämtliche Mitarbeiter*innen dazu angehalten, sich gegenseitig zu bewerten und anonym beim Chef anzuschwärzen.
Die hohen körperlichen Belastungen durch weite Laufwege (20 Kilometer pro Tag), die monotone und redundante Tätigkeit sowie der aufgebaute psychische Druck führen bei Amazon zu einer enorm hohen Krankheitsquote von teilweise bis zu 20%. Amazon reagiert auf seine eigenen krankmachenden Arbeitsbedingungen mit der Einführung von „Anwesenheitsprämien“. Abteilungen („Teams“), die in der Summe weniger Krankheitstage als andere Abteilungen haben, erhalten einen Bonus von 70-150 Euro je Mitarbeiter*in monatlich. Diese Strategie der Krankenbekämpfung ist nicht nur Gift für das Arbeitsklima, es ist die logische Folge einer Unternehmensphilosophie, die Beschäftigte nur noch als „Roboter“ und nicht mehr als Menschen mitsamt ihren Krankheiten zu erkennen vermag.
Gleichzeitig setzt Amazon unterstützt durch staatliche Drangsale der Arbeitsagenturen auf Kurzzeitausbeutung durch Befristungen, Teilzeitarbeit und Leiharbeit. Das Einstellen von Saisonarbeitskräften bei Amazon hat System. Zur Weihnachtszeit verdoppelt sich allein in Deutschland die Anzahl Amazon-Arbeiter*innen in machen FCs. Unter den Saisonarbeiter*innen finden sich dabei Personen aus allen gesellschaftlichen Bereichen: Student*innen, Empfänger*innen von ALG II und gut ausgebildete Personen, die sich alle Hoffnungen auf einen (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben machen. Aus „strukturschwachen“ Regionen finden viele in den Amazon-Lagern, die einen riesigen Bedarf an angelernten Arbeiter*innen haben, einen befristeten Arbeitsplatz.

Amazon ist nicht irgendein Unternehmen, sondern einer der wichtigsten transnationalen Konzerne unserer Zeit und Trendsetter für Arbeits- und Fabrikorganisation im digitalen Kapitalismus. Durch die aggressive Ausweitung seiner Marktmacht übt Amazon Druck auf Produzent*innen von Gütern aus und beeinflusst auch die dortigen Arbeitsverhältnisse. Der Streik der Amazon-Beschäftigten für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen sowie ihr Recht auf eine kollektive Interessensvertretung ist von zentraler Bedeutung für die Frage, welche Standards in den Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital im 21. Jahrhundert als normal gelten werden.

Gläsernde Kunden – das Rohöl der Amazon-Maschinerie
Amazons Unternehmensstrategie zielt darauf ab, Konkurrent*innen zu übertrumpfen und oder aufzukaufen, um so eine Monopolstellung zu erlangen bzw. zu verteidigen. Dabei dienen die Kunden Amazon doppelt: mit ihrem Geld und mit ihren Daten. Gerade diese sind elementar für Tech-Unternehmen wie Amazon. Sie sind das Rohöl, mit dem sie ihre Vormachtstellung sichern. Wer die meisten Daten hat, weiß nicht nur vieles über seine Kunden, dass diese früher nicht preisgegeben hätten, sondern kann auch vorhersagen, wo Bedürfnisse entstehen – und diese entsprechend steuern. Das System der personifizierten Werbung, eine Art Einkaufssteuerung, beeinflusst das Konsumverhalten massiv. Die klassische Werbung erzeugte Bedürfnisse und suggeriert den Konsumenten, dass sie sich bei der Wahl zwischen verschiedenen Produkten für das beste oder günstigste entscheiden können. Tech-Firmen wie Amazon lassen den Konsum längst durch „persönliche Assistenten“, wie Amazon-Echo, leiten. Die digitalen „Sprachassistenten“ von Amazon oder Google stellen damit die nächste Etappe des digitalen Plattform-Kapitalismus dar: Nach der großen Datensammlung im Internet und Sozialen Netzwerken (Big Data) kommt als logische Folge die mit Technologien künstlichen Lernens ausgestattete Software, die User-Daten zur Optimierung ihrer eigenen Verkaufsangebote nutzt, die diese Daten erst generieren. Dafür werden die Kund*innen in zunehmend geschlossenen Systemen, wie dem digitalen Überwachungssystem „Amazon Echo“, an das Unternehmen gebunden. In der Vorstellung von Amazon sind wir unaufhörlich und unauflöslich mit dem Netz von Amazon verbunden. Es gibt kein Leben außerhalb dieses Netzes. Die „freiwillige“ permanente Überwachung unseres Lebens durch Amazon wird mit seinem Raumlautsprecher „Echo“ und dem „Sprachassistenten“ Alexa gerade Realität.

Amazon steht mit seiner Expansion der vermeintlichen „smarten“ Welt in alle Bereiche des Alltags auch für eine Zukunftsvision, in der das Leben bis in die intimsten Bereiche durch Digitalisierung und Automatisierung der eigenen Gewinnproduktion zuträglich geformt wird. Mit Kund*innen, die Buchrezensionen umsonst schreiben, Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen vornehmen und durch ihre Nutzerdaten Bestell- und Liefervorgänge optimieren schafft Amazon als Vorreiter des digitalen Kapitalismus sein eigenes kostenloses Informationsproletariat. Sich der zukünftig verwalteten Welt von Amazon zu entziehen, wird mit seiner Monopolmachtstellung kein leichter Weg sein.

Amazon, Fuck off! – We are the image of the future!

Bei Amazon kreuzen sich zentrale Tendenzen des gegenwärtigen Kapitalismus, aber auch des Widerstands gegen sie. Das Prinzip Amazon beeinflusst unser gesamtes Leben. Ähnlich wie der Fordismus Arbeit am Fließband in Einzelprozesse zerhackt und unter den Gesichtspunkten der Optimierung neu zusammengesetzt hat, findet mit dem „digitalen Taylorismus“ wieder eine Reorganisation der Arbeits- und Produktionsabläufe statt. Diese Umgestaltung hat ebenso Auswirkungen auf die Zirkulation von Waren bis hin zu einer menschenfeindlicheren Neugestaltung des Konsum- und Freizeitverhaltens. Amazon will unsere Arbeitsnormen und Lebensgewohnheiten in Gänze umstrukturieren: Der Mensch als umfänglich verwertbare Ressource: Kund*in, Arbeitnehmer*in und Datenspender*in. Was für Amazons Geschäftsmodell der Zukunft gilt, galt dabei schon immer für den Kapitalismus. Die Lebensinteressen der einfachen Menschen sind nicht das Ziel des Wirtschaftens, nicht der Zweck der ganzen Unternehmungen. Es geht schlicht und einfach um Profit und mehr Profit! Die Krisen im Kapitalismus wie die tagtägliche Zurichtung auf die Arbeitsdisziplin entspringen dem kapitalistischen Prinzip der Profitmaximierung. Für die bürgerliche Gesellschaft reicht nicht aus, diese Verwerfungen politisch zu moderieren, sie muss zum Zwecke der eigenen Legitimierung die Profitmaximierung als den menschlichen Bedürfnissen des 21. Jahrhundert dienend darstellen. Die Party im Springer Hochhaus ist eine Inszenierung, die den Schein erwecken soll, Amazons Ausbeutungs- und Überwachungsstrategien dienten den wirklichen Lebensinteressen aller.

Jede Innovation von Amazon bietet auch Ansatzpunkte für eine Intervention – es kommt darauf an, dass wir diese Widerstandsmöglichkeiten praktisch werden lassen. Gleichzeitige Streiks in den europäischen Distributionszentern von Amazon bei gleichzeitiger Blockaden der Anfahrts- und Zufahrtwege der Amazon Lkws, stehen auf der Tagesordnung. Das Hacken der Homepage von Amazon, damit der Rohölzufluss an Daten für ein paar Momente gestoppt wird. Die Verbindung der Kämpfe bei der Deutschen Post, den Zulieferern, der gesamten Branche des Einzel- und Versandhandels für die Verbesserung aller Arbeitsbedingungen. Die Unterstützung des lokalen Einzelhandelns, zum Beispiel Buchhändler, mit dem Aufruf „support your local dealer“. Und zuletzt, aber nichtsdesto trotz zentral, der öffentliche Angriff auf die große Erzählung von Amazon als Dienstleister der Menschheit für das 21. Jahrhundert.

webadresse: 
https://makeamazonpay.org
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