Es wird keine Röst-Pellet-Fabrik in den Bergen des Limousin geben!
An unsere lieben kämpfenden Genoss*innen in Khimky, in Bure, in Island, in Notre Dame des Landes, in Białowieża, in Durham, in den Cévennen, im Mi'kmaq Territory, in Amazonien, im Wald von Charnie, in Cambo, in Salau, im Susa-Tal, in Dompierre, in Roşia Montană, in Standing Rock, in Gueret, in Atenco, im Istmus von Tehuantepec, in Chalkidiki, in Saint Victor, am Baikalsee, im Wallmapu (Mapuche-Territory), in Guayana, in Saint-Yrieix-la-Perche, in Pyhäjoki, in den Dünen von Trégor, in İstanbul, in Landivisiau, im Hambacher Forst, im Wald von Chambaran, im Makwa Camp (Ojibwe Territories), im Loc Envel, im K'iche Territorium, an den Ufern des Kafue, im Wendland, im Niger-Delta, im Gran Chaco, in Merléac, in Norra Kärr Vättern, in den Gärten von Lentillères, im Treburer Wald, in Jabiluka (Mirarr Territory) – und überall, wo dem industriellen Wahn Einhalt geboten wird…
Hallo,
Wir schreiben euch aus den Limousin-Bergen, irgendwo mitten in Frankreich. Wir sind konfrontiert mit dem Projekt einer Industrieanlage zur Herstellung gerösteter Pellets (Biomasse), die sich in den kleinen dörflichen Kommunen Bugeat und Viam im Département Corrèze niederlassen will, in einer entlegenen hügeligen Landschaft voller Heide, Hochmoore und Wälder.
Das Projekt wird getragen von einem Abenteurer der kurzsichtigen Ökonomie*1, von denen es so viele gibt, und hat die geistlose Unterstützung eines kleinen Lokalpolitikers*2 gefunden, der als Ratspräsident für seine stetige Kooperation mit der Agrarindustrie-Lobby bekannt ist. So wurde dem Projekt in Folge einer öffentlichen Anhörung, trotz äußerst zahlreicher, gut argumentierter Stellungnahmen dagegen, der offizielle Segen erteilt. Es scheint, dass die Befürworter entschlossen sind, das Projekt gewaltsam durchzusetzen. Eine neue Phase des Kampfes bricht an. Für uns ist dies der Moment, uns an euch zu wenden.
Das Industrieprojekt gibt an, in Frankreich ein System der „Röstung“ von Pellets einzuführen, das in den USA bereits erprobt worden sei und das darauf ziele, für die großen Wärmekraftwerke einen „erneuerbaren“ Ersatz herzustellen. Tatsächlich handelt es sich um eine neue lehrreiche Operation in Sachen „Green Washing“, einzig gemacht, das stromfressende System zu retten, das uns in die gegenwärtige Katastrophe geführt hat. Das schiere Ausmaß des Projekts, die astronomischen Menge pflanzlicher Materie, die es zu Kohle machen will – bis hin zu den Wurzeln der gefällten Bäume – lässt die ultimative Verwüstung der fragilen Böden unserer Berge absehbar werden.
Im Lauf der letzten Jahrzehnte hat die industrielle Nutzung des Beginn des Jahrhundert gepflanzten Nadelwalds die kargen Böden unserer Region bereits arg strapaziert: Einsatz schwerster Maschinen, systematischer Kahlschlag, Stumpfrodung, Dünger, Insektizide, Auswaschungen der nackten Böden durch schwere Regenfälle. Sticht schon das Desaster dieser brutalen Methoden des Raubbaus mehr und mehr ins Auge, so setzt das Fabrikvorhaben dieser suizidären Logik die Krone auf.
Die Entwicklung von Energie aus „Biomasse“ zielt hier wie anderswo darauf, den Wald als Ganzen „in Wert zu setzen“; so will das gefräßige Monster nun auch die herrlichen Laubwälder des Plateau de Millevache attackieren. Die im Land der Heide, der Moore, der Rinder und Schafe auf natürliche und unordentliche Art nachgewachsenen Mischwälder (Flächen, die zuvor im Zuge der Landflucht verlassenen wurden) sind heute das ökonomische Objekt der Begierde.
Für uns, die wir euch hier schreiben, geht es dabei nicht einfach um ein Problem der Nutzung von Resourcen oder den Schutz unseres speziellen Lebensstils, sondern um den Kampf für ein anderes Verhältnis zu einer Welt, in der wir als Gattung nur einen kleinen Bruchteil ausmachen. Wie viele von euch haben wir uns entschieden, uns vom frenetischen Rennen unserer Spezies abzuwenden, das nur in den Abgrund führt. Der Untergang jener Form von Humanität ist nicht der unsere. Als Terrestrier*3, Erdbewohner*innen inmitten der Vielfalt der Erdbewohner*innen wollen wir vielmehr verteidigen, was das Leben ermöglicht. Die Natur selbst drängt uns mit der Gewalt ihrer „Reaktionen“ (was wir bisher davon sehen ist noch gar nichts), nichts mehr von dem durchgehen zu lassen, was zur allgemeinen Plünderung beiträgt.
Die Kämpfe, die ihr in den letzten Jahren an so vielen Ecken des Planeten geführt habt, haben uns enorm inspiriert. Nun möchten wir zur notwendigen Anstrengung beitragen, und uns zumindest auf europäischer Ebene gegen Projekte organisieren, die unter ihrer scheinbaren Vielfalt im Grunde nur die gleiche alte Logik des Extraktivismus stützen, auch wenn sie sich mancherorts das Mäntelchen der „ökologischen Wende“ überwerfen... Wir haben so vieles zu teilen: unsere Analysen und unsere Geschichten, Strategien und Techniken, die es manchmal erlaubten, einen Sieg davon zu tragen.
Wir laden euch somit herzlich ein, uns zu besuchen, uns bei Gelegenheit tatkräftig zur Hand zu gehen, und uns in den kommenden Wochen und Monaten – die für die nachhaltige Beerdigung des Pellet-Fabrik-Projekts entscheidend sein werden – auf jede erdenkliche Art zu unterstützen, die ihr gerechtfertigt findet.
Ein großes Dankeschön an euch alle, und auf sehr bald, wie wir hoffen.
Freund*innen des Waldes im Limousin
amisdelaforet[at]riseup.net
1* M. Gaudriot ist Leiter der Gesellschaften CARBON' ENGINEER BUGEAT-VIAM und SOMIVAL
2* M. Coste ist President des Conseil Général der Corrèze
3* Verschiedene Gelehrte unterscheiden mit dem Begriff „Terrestrier“ menschliche und andere Lebewesen, die nicht nur von, sondern auf und mit der Erde leben, sie anders als die derzeit vorherrschenden „Humanoiden“ nicht nur als Resource nutzen, sondern sie im weitesten Sinn bewohnen. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass die Erde im Klimawandel nicht länger als passiv gedacht werden kann; als Gaia tritt sie aktiv ein in den menschengemachten Krieg und zwingt uns, Position zu beziehen: Zerstörer bleiben oder Terrestrier werden... Zwei Bücher dazu: Bruno Latour. Kampf um Gaia: Acht Vorträge über das neue Klimaregime. Suhrkamp 2017; sowie Déborah Danowski und Eduardo viveiros de Castro. The Ends of the World. Polity Press 2017.