Geister vergangener Tage - Ein Abriss über Naziaktivitäten in Witten der letzten Wochen
Als am 3. Oktober der Neonazi und Hooligan SS-Siggi verstarb, kamen zum “Trauermarsch” eine Woche später rund 500 Nazis nach Dortmund. Unter diesen war auch eine Delegation aus Witten. Zwei alte Bekannte konnten identifiziert werden. Desweiteren spendeten auch die "Wittener Wölfe 81" Geld für die Beerdigung. Drei Tage nach dem "Trauermarsch" tauchten Graffitis in Witten-Annen auf, die an die Naziaktivitäten der 1990er und 2000er Jahre erinnern...
Geister vergangener Tage - Ein Abriss über Naziaktivitäten in Witten der letzten Wochen
Als am 3. Oktober der Neonazi und Hooligan SS-Siggi verstarb, kamen zum “Trauermarsch” eine Woche später rund 500 Nazis nach Dortmund (1). Unter diesen war auch eine Delegation aus Witten (2). So staunten Anwohner*innen nicht schlecht, als am 9. Oktober vormittags drei Männer in Militärhosen und einem großen Kranz durch das Wiesenviertel Richtung Wittener HBF stiefelten. Als sie in Dortmund ankamen, positionierten sie sich gut sichtbar in vorderster Front neben den Szenegrößen der Dortmunder Nazis (3). Auf dem Kranz stand “Kameradschaft Witten”. Die Kameradschaft war über die 2000er in Witten und Umgebung aktiv und rekrutierte sich aus gewaltbereiten Skinheads und der NPD Witten. Auf ihr Konto gehen eine ganze Reihe an gewalttätigen Übergriffen (4) (5). Aus diesen konnten zwei Kranzträger bis jetzt identifiziert werden.
Gut zu erkennen (u.a. auf diesem Foto: https://www.flickr.com/photos/dapdo/51569931328/in/album-72157719984190088/ ) sind Dieter Schulz (rechts) und Christian Wiggershaus (links).
Dieter Schulz
Der 52 jährigen Dieter Schulz war einst das Aushängeschilder der NPD in Witten (6). Schulz war stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD Ennepe-Ruhr/Wuppertal und Ortsvorsitzender in Witten. Bei der Bundestagswahl im September 2005 war er im Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II auf 1,3 Prozent der Erststimmen gekommen. Von 2004 bis 2014 saß er als Ratsmitglied im Wittener Stadtrat. Er galt als Bindeglied zwischen NPD und „parteifreien“ Neonazis in der Region. So wurden die NPD Veranstaltungen von Dieter Schulz 2009 und 2010 zusammen mit den “freien Nationalisten Dortmund” um Dennis Giemsch aus Herdecke durchgeführt (7). Mit dem Niedergang der NPD schied auch Schulz 2014 aus dem Stadtrat zu Gunsten der ebenso rechten Partei “Pro NRW” aus. In den letzten Jahren ist es ruhig um ihn geworden, da er an Kehlkopfkrebs erkrankte. Er wohnt immer noch auf der Ardeystr. 68, 58452 Witten.
Christian Wiggershaus
Christian Wiggershaus ist 1980 geboren und kommt aus Herdecke. Dort kandidierte er für die NPD zur Kommunalwahl 2009 (8). Der Gärtner und Hobbyfotograph von deutschen Kriegsdenkmählern ist ein enger Vertrauter von Dieter Schulz und war ebenfalls 2010 auf der Kundgebung am Wittener Rathaus anwesend. 2011 war er dann als Unterstützer bei einem Gerichtsverfahren anwesend, wo zwei seiner Kameraden wegen Verhöhnung der Opfer des Holocausts verurteilt wurden (9). Außerdem bestanden Kontakte zu Frank Arens (ehem. FAP Witten) und des verstorbenen Siegfried “SS-Siggi” Borchardt (10). Wiggershaus wohnt auf der Eichendorffstr. 12, 58313 Herdecke.
Fußball und Politik
SS-Siggi, welcher selbst aus einer gewaltbereiten Fußballgruppierung stammte, verstand es, viele Jahre lang rechtsoffene Fußballfans und aktive Neonazistrukturen miteinander zu vernetzen (11). Die Borussia Dortmund Supporter Gruppe “Wittener Wölfe 81” überwies an das extra, um die die Beerdigung von SS-Siggi bezahlen zu können, eingerichtete Spendenkonto über Paypal 50,09 Euro. Die Männer der seit 40 Jahren existierenden Fangruppe sind zwar alle etwas in die Jahre gekommen, jedoch erinnern sie sich gerne an vergangene Tage, wo auf den Fußspuren von Borussia Dortmund gesoffen, geprügelt und der Hitlergruß gezeigt wurde (12), gerne auch mal zusammen mit offenen Nazihooligans der Borussenfront. So feierte damals die Borussenfront ihr 24 Jähriges Bestehen in Witten, worunter auch bekannte Wittener Nazis waren (3).
Die 90er haben angerufen
… und wollen ihre Nazis zurück. Nicht nur, dass Nazis, die schon seit mehreren Jahren nicht mehr aktiv in Erscheinung getreten sind, sich wieder blicken lassen, sondern auch Wandbemalung im Stil der 90er Jahre tauchten in Witten-Annen auf. In der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober wurde an eine Hauswand in großer schwarzer Schrift “Türken raus”, “NSU 2.0”, “SS” und ein Hakenkreuz gemalt (13). Zwar wurde dies direkt am Folgetag überstrichen, jedoch wurde darauf in der Nacht wieder ein Hakenkreuz an eben diese Wand gemalt, was wiederum erneut überstrichen wurde. Der Wahlbezirk, indem das Graffiti auftauchte, hat seit Jahren mit die höchsten AfD-Wahlergebnisse der Stadt Witten. Es handelt sich ganz klar, um ein Bedrohungsszenario, was gegen die Hausgemeinschaft und Migrant*innen aufgebaut wird! Wir solidarisieren uns entschlossen mit den Bewohner*innen!
Doch nette Worte alleine reichen nicht, auch wenn die Stadt Witten seit Jahren keine öffentlich organisierte Naziszene mehr hat (außer die AfD), heißt es noch lange nicht, dass Witten nazifrei ist. Viele der Nazis von früher wohnen noch in Witten, haben Familie, Freund*innen, Sympathisant*innen. Wie die letzten Tage gezeigt haben, kann es jederzeit passieren, dass eine*r oder mehrere wieder aktiv werden. Dafür müssen wir alle wachsam bleiben und reagieren. Wir müssen auf allen möglichen Ebenen die Nazis im Auge behalten und bekämpfen!
Quellen:
(1) pixelarchiv.org/event/2021.10.09.dortmu...
(2) pixelarchiv.org/event/2021.10.09.dortmu...
(3) https://www.flickr.com/photos/dapdo/sets/72157719984190088/
(4) www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&...
(5) www.ruhrbarone.de/witten-brandanschlag-...
(6) www.lotta-magazin.de/tag/dieter-schulz
(7) linksunten.indymedia.org/node/24718/ind...
(8) www.enkreis.de/fileadmin/user_upload/Do...
(9) linksunten.indymedia.org/de/node/37605/...
(10) linksunten.mirrors.autistici.org/node/6...
(11) https://msadortmund.noblogs.org/rueckblick-09-10-2021-rechte-fussballfan...
(12) www.podcast.de/episode/520972258/21-fan...
(13) www.waz.de/staedte/witten/witten-rechts...