Molotow-Cocktail-Angriff auf die Polizeiwache im Berliner Tiergarten

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Manche sehen in den Institutionen der Exekutive eine Ungerechtigkeit. Hier schlagen die Beamt*innen zu feste auf eine linke Sitzblockade ein, um einen rechten Aufmarsch passieren zu lassen, dort würden sie zu sachte gegen Querdenker*innen vorgehen, Migrant*innen würden in „unsichere“ Herkunftsländer abgeschoben und wenn der Hebel eines Beamten zum Tod führt, sei dieser für sein unvorschriftsmäßiges Handeln vor Gericht zu bringen, da er aus persönlicher statt beruflicher Motivation gehandelt haben müsse.
 

Diese Haltung ist es, die in der Polizei ein mehr oder weniger neutrales Scharnier zwischen rebellierenden Kräften der Gesellschaft und jenen sieht, die bestrebt seien in einer friedlichen, demokratischen und toleranten Übereinkunft zu leben. Diese Haltung ist es, die sich moralisch auf der Seite der Guten und Unschuldigen wähnt und strukturelle Unterschiede und Privilegien ausblendet, worin die Ursache liegen könnte, dass der Knüppel selten auf ihre Köpfe zielt. Diese Haltung führt zu dem abstrusen Vorwurf an das Polizeispalier: „Wo wart ihr in Hanau?“. Diese Haltung steht für ein Misstrauen dem Individuum gegenüber, das nicht ohne Autorität und Androhung von Repression in einer Gesellschaft mit anderen leben könne. Diese Haltung ist es, die dich fragt, ob du im Ernstfall nicht auch die 110 wählen wirst? Diese Haltung ist es, die die Erzählung des Einzelfalls erst möglich macht.
Diese Haltung behauptet, dass Gewalt gegen die Polizei Gewalt gegen Menschen wie du und ich sei. Diese Haltung ermöglicht es, die Uniform oder Marke als Kleidungsstück, als Berufsutensil zu betrachten, anstatt als weltweit legitimierten Ausdruck einer Funktion.

Bullen auf der ganzen Welt haben die Funktion das kleinste Aufbegehren gegen das System des Kapitals, gegen das System des Patriarchats aufzuspüren, in die Logik des Strafrechts zu pressen (d.h. als nicht politisch darzustellen), zu diskreditieren und zu vereinnahmen. Im Ringen um Deutungshoheit ist ihr Ziel dieses Aufbegehren, je nach Kräfteverhältnissen und Staatsform mit sichtbarer oder subtiler Gewalt, zu kontrollieren und zu zerschlagen.
In diesem Sinne wird das überall herrschende System der Unterwerfung jedes Elements unserer Leben unter den Maßstab der Normierung und Hierarchisierung nach Besitz, Körper, Religion, Geschlecht, Herkunft und Gesinnung manifestiert.
Ihr Einsatz ist nicht in den Kategorien von ungerecht oder ungerechtfertigt zu beurteilen. Die Institutionalisierung der Polizei war zu keinem Zeitpunkt auf Gerechtigkeit ausgerichtet. Die Polizei ist ein Herrschaftssystem und jede Erzählung von Menschlichkeit hinter der Uniform dient allein der Verschleierung der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Wir wollen weder, dass Polizeigewalt relativiert wird, weil doch nichts anderes zu erwarten sei von Bullen, als Racial Profiling bis hin zu rassistischen Polizeimorden. Noch glauben wir daran, dass die Bearbeitung der rechten Anschlagsserie in Berlin Neukölln (1) durch Bullen in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft mehr hervorbringen wird, als den Versuch der Rehabilitierung der eigenen Behörden.
Sich dagegen stetig mit dem Komplex um den NSU auseinander zu setzen sollte für alle von uns immer Warnung und Realitäts-Check zugleich sein: Wir können uns nicht auf den Aufklärungswillen von Behörden verlassen, die rassistisch urteilen und ihre Staatsdiener*innen schützen werden.
Beamt*innen von der Streife bis zu den Nachrichtendiensten stehen als Bollwerk zwischen jeder Einzelnen von uns und dem Ziel unserer Kämpfe: einem Leben ohne Unterdrückung.

Dieser Angriff auf die Objektschutzwache im Berliner Tiergarten/ Botschaftsviertel bedeutet für uns Solidarität, Empowerment, Rache, die Unterbrechung ihrer Einsatzfähigkeit und das Aufzeigen davon, dass ihre Strukturen aus dem Hinterhalt, auch ohne Waffengleichheit, materiell und symbolisch getroffen werden können. Das Ziel unserer Aktion waren die Fahrzeuge auf dem eingezäunten Gelände, in dem Wissen, dass sich die Bullen ebenfalls auf dem Gelände im Bungalow aufhalten. Um alarmierte Bullenunterstützung aufzuhalten und uns abzusichern, verstreuten wir Krähenfüße und verschlossen eines ihrer Tore.

Gerade weil keiner Einzelnen der Überblick gelingen kann über all das, was täglich allein in der BRD von Bullen und Geheimdiensten ausgeht, folgt eine Liste von Chroniken und Rechercheseiten, deren Inhalte die traurige und zornige Motivation für unsere Aktion waren und die Durchwahl der 110 endgültig in Zweifel ziehen sollte.
Kein Vergeben, kein Vergessen!

Ermordet von deutschen Polizist*innen (vollständige Chronik siehe unten):

Oury Jalloh
Am 7. Januar 2005 wurde Oury Jalloh in Dessau in der Zelle des Bullenreviers verbrannt. Auch nach 15 Jahren in denen die Initiative Oury Jalloh Aufklärungsarbeit leistete und mit etlichen Gutachten fest hielt, dass Oury Jalloh sich nicht selbst angezündet haben kann, behaupten die Bullen und Gerichte das bis heute. Alle Tatsachen sprechen dagegen. Zuletzt verkündeten die Sonderberater des Landtages Sachsen-Anhalts im August 2020, dass sie an der Version der Selbstanzündung festhalten.
Seit dem Mord an Oury Jalloh 2005 sind mindestens 97 weitere von Rassismus betroffene Menschen in Gewahrsam gestorben oder durch die Polizei getötet worden.

Hussam Fadl
Hussam Fadl wurde am  27. September 2016 von Berliner Bullen von hinten im Hof einer Geflüchtetenunterkunft erschossen. Die Versionen der Bullen, er habe ein Messer in der Hand gehabt und sie hätten daraufhin geschossen, ist nur eine von vielen unaufgeklärten Behauptungen während des Verfahrens. Der unzureichende Aufklärungswille vor Gericht und während den Ermittlungen bestärkt den Verdacht, dass es sich hier um einen Fall tödlicher und rassistischer Polizeigewalt handelt. Auch hier wird Hussam Fadl nach seinem Tod von den Bullen zu einem Täter gemacht.

Aman A.
Aman A. wurde am 17. August 2019 in Stade von den Bullen erschossen. Es soll nicht zu einem Verfahren gegen den Polizisten kommen. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Die offenen Fragen, die dieser Tod eines Geflüchteten aufwirft, werden von Seiten des Staates nie beantwortet werden.

Maria B.
Am 24. Januar 2020 wurde Maria B. in der Grünberger Straße in Berlin Friedrichshain erschossen. Die Bullen waren in die Wohnung eingedrungen und brachen auch die Tür auf, hinter der sich Maria B. verschlossen hatte. Sie fanden Maria B. am Ende des Zimmers mit einem Messer in der Hand. Aus 6 Metern Entfernung schossen ihr die Polizisten in die Brust. Maria B. starb an den Folgen des Angriffs. Auch hier wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Ferhat Mayouf
Am 23. Juli 2020 verbrannte Ferhat Mayouf in der Zelle der JVA Moabit in Berlin. Die JVA, die Bullen und Justiz verkündeten die Version des Suizids und wiesen damit jede Verantwortung von sich. Recherchen und Berichte von Gefangenen führen aber zu einem anderen Bild. Es war bekannt, dass Ferhat Mayouf psychisch instabil war und von Depressionen erzählte. Statt diese ernst zu nehmen, wurde er 23 Stunden am Tag eingeschlossen und in Isolation gehalten. Rippenbrüche weisen auf mögliche Misshandlungen durch Wärter*innen hin. Gefangene konnten berichten, dass Schließer*innen vor der Tür standen und sie nichts unternahmen, als die Zelle bereits brannte und er nach Hilfe rief. Ferhat Mayoufs Tod war kein plötzlicher Unfall und kein freier Entschluss zum Suizid.

Qosay K.
Am 5. März 2021 wurde Qosay K. in Polizeigewahrsam genommen, kollabierte dort und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Gegen die eingesetzten Bullen und Rettungssanitäter*innen wurde wegen Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung im Amt und fahrlässiger Tötung ermittelt. Diese Ermittlungen wurden kurze Zeit später von der Generalstaatsanwaltschaft eingestellt und die Beschwerde dagegen wurde zurück gewiesen. Eine Aufarbeitung dieses Falles wird nicht von staatlicher Seite unternommen und liegt nun bei dem „Bündnis in Erinnerung an Qosay“.

Chroniken:
Chronik rassistischer Polizeivorfälle in Berlin seit 2000
https://kop-berlin.de/files/documents/chronik.pdf

Dokumentation von über 185 Todesfällen von Schwarzen Menschen, People of Color und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam und durch Polizeigewalt in Deutschland seit 1990 (Stand: 30.07.2021)
https://doku.deathincustody.info/

Monatliche Chroniken zu Polizeimorden, rechten Netzwerken, verschwundenen Waffen, Racial Profiling, politischen Ereignissen in Berlin etc. 
https://www.cilip.de/category/chronologien/

Animierte Grafik, mit Markierungen rassistischer Gewalt in der BRD.
https://www.ari-dok.org/webdokumentation/

In den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 sind in Deutschland mindestens 159 Geflüchtete durch Suizid ums Leben gekommen. 2.466 Geflüchtete haben sich in diesem Zeitraum selbst verletzt oder Suizidversuche unternommen. Das teilte die Antirassistische Initiative (ARI) mit, die seit 1993 Jahr für Jahr die »tödlichen Folgen« der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik dokumentiert. Die Recherche umfasst mittlerweile mehr als 16.000 Einzelgeschehnisse auf über 1.200 Seiten. Berücksichtigt werden direkte Formen der Gewaltausübung durch Bedienstete des Staates, Todesfälle durch unterlassene Hilfeleistung, Selbsttötungen und Selbstverletzungen, aber auch rassistische Angriffe von Seiten der Bevölkerung. Ihre Recherchearbeit versteht die ARI als Versuch, »Beweise für den institutionellen Rassismus vorzulegen«.
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/press_articles/210726_junge_Wel... :

Chronik zur bundesdeutschen Flüchtlingspolitik und ihren tödlichen Folgen
„Die Dokumentation ist eine chronologische Sammlung von Einzelschicksalen, in denen Menschen körperlich zu Schaden gekommen sind. Diese Menschen sind Flüchtlinge, also Menschen im oder nach einem Asylverfahren oder Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere für die BRD. Menschen, die sich im Lande aufhalten oder aufgehalten haben. Auch Menschen, die abgeschoben wurden, dann misshandelt, gefoltert oder getötet wurden oder spurlos verschwanden.“ ARI
https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/publications/GESAMT-DOKU_28_Auf...

Dashboard Polizeigewalt unter:
https://keinfreund-keinhelfer.net/ 

(1) Rechte Brandanschläge in Berlin-Neukölln
„Nach früheren Angaben rechnet die Polizei der Serie rechtsextremer Taten in Neukölln 72 Fälle zu, darunter 23 Brandstiftungen. Viele davon wurden zwischen Ende 2016 und Mitte 2017 begangen. Nach Brandanschlägen Anfang 2018 auf die Autos eines Kommunalpolitikers und eines Buchhändlers hatte die Polizei Wohnungen von Rechtsextremisten durchsucht. Überführt werden konnten die Brandstifter nicht. Die Polizei geht von insgesamt drei Tatverdächtigen aus. Im Juni war bekannt geworden, dass auch gegen einen Polizeihauptkommissar ermittelt wird, der über eine frühere AfD-Chatgruppe Kontakt zu einem der Verdächtigen gehabt haben soll. Der Kommissar soll Dienstgeheimnisse an diese Chatgruppe verraten haben“ (taz).

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