Klassenkampf statt Wahlzirkus
Die politische Dramaturgie der staatsbürgerlichen Aktivierung der Wähler_innen ist ebenso hinlänglich bekannt. Es werden bedeutende Richtungsentscheidungen herbeigeredet, die am Wahlabend ihre Entladung finden sollen – nur um dann in den Niederungen der „Realpolitik“ zu versickern. Ergänzt wird der Wahlzirkus dieses Jahr in Berlin durch den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“. Der durch den Finanzmarkt angeheizten Immobilienspekulation soll mit einer Rekommunalisierung entgegengetreten werden. Der richtige Kampf gegen hohe Mieten und die gelegentlich kämpferisch durchgesetzte Aneignung von Wohnraum sollen ihren Höhepunkt in einer Empfehlung an die Politik finden, den großen Immobilienbesitz doch staatlich zu verwalten.
Dass der Staat des Kapitals allerdings nur den Gesetzen des Kapitalismus folgen kann, zeigt er doch gerade bei seinen Krankenhausgesellschaften, wo durch die Ausgliederung von Betriebsteilen und die Ausdünnung des Personals unerträgliche Arbeits- (und Versorgungs-)Bedingungen geschaffen wurden.
Der Kampf der Kolleg_innen für einheitliche Tarifverträge und eine bessere Personalausstattung wird von der Gewerkschaft Verdi allerdings ebenfalls in den Wahlkampfstrudel gerissen, indem statt auf konsequenten Kampf auf das Wahldatum orientiert wird. Der Wahlkampfzirkus der „linken“ rot-rot-grünen Regierungsverantwortlichen ist hierbei besonders akrobatisch. Während der kommunale Krankenhausbetreiber Vivantes den Arbeitskampf anfänglich gerichtlich untersagte, bekundete die (dort im Aufsichtsrat sitzende) SPD-Gesundheitssenatorin Kalayci scheinheilig ihre Unterstützung für die Forderungen der Streikenden. Die Linkspartei erklärte wiederum den sozialdemokratischen Finanzsenator für verantwortlich und auch die Grünen schoben den schwarzen Peter dem Koalitionspartner zu. Wenigstens die SPD-Spitzenkandidatin Giffey wurde von den Streikenden ausgepfiffen, als sie sich bei deren Kundgebung das ausgeblichene Hemd der sozialdemokratischen ArbeiterInnenpartei über den schicken Anzug ziehen wollte.
Vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krise sind es sind vor allem hohle Phrasen, mit denen die linken und rechten PolitikerInnen auf Stimmenfang gehen. Weder lässt der in die Krise gekommene finanzialisierte Konkurrenzkapitalismus Spielräume für Verbesserungen zu, noch machen die realen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse Zugeständnisse für das Kapital notwendig. Solange die Arbeiter_innen sich in der Logik des Systems bewegen und nicht konsequent für ihre Interessen kämpfen, werden sie nicht einmal die Verschlechterungen verhindern können. Genauso wenig, wie wir uns der Illusion eines „sozial verantwortlichen“ Kapitalismus hingeben, jammern wir über ein zugestandenes „Streikrecht“, das angeblich in Gefahr ist. Die kapitalistische Ausbeutung und ihre verrechtlichten Beziehungen bilden das einheitliche kapitalistische System, das uns zunehmend die Luft zum Atmen nimmt. Nicht in politische Kampagnen eingebundene symbolische „Warnstreiks“ einzelner durch separate Tarifverträge gespaltener Teilbelegschaften, sondern ein unbegrenzter und branchenübergreifender Vollstreik muss die Antwort der Arbeiter_innenklasse sein!