Prozessbericht vom neunten und zehnten Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal Prozess)
Wie gehabt die letzten beiden Berichte zum RAZ-RL-radikal Prozess
Vorab: Der angesetzte Termin am 17.08.21 entfällt und der nächste Termin am 19.08.21 beginnt erst um 11:00 Uhr.
Neunter Verhandlungstag
Am zehnten August begann der neunte Verhandlungstag gegen unseren Freund und Gefährten pünktlich um neun.
Als erster Zeuge wurde ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes vorgeladen. Wie seine Kollegen trat er verkleidet auf. Der Zeuge hatte, wie bis jetzt so oft der Fall war, weder Erinnerungen an den Fall, noch habe er den Observationsbericht gelesen, da er Urlaub gehabt hatte. Er hatte sich neben dem Lesen des Behördenzeugnisses anhand der Berichte der Soligruppe No129 über den Prozess informiert, jedoch konnte er sich an nichts erinnern, trotz eines intensiven Insichgehens, keine Erinnerungen. Zu der Frage, ob er schon mal in Berlin tätig gewesen sei, durfte er keine Aussage machen. Er habe an einem Treffen, von dem schon oft die Rede war, teilgenommen, bei dem das Verhalten der Zeugen besprochen worden sei. Auch hätte der Zeuge mit einem anderen Zeugen, Herrn Arnemann (Alias), über den Fall gesprochen. Auch nach der Aufforderung des Richters sich den Beschuldigten anzuschauen, kann er sich an nichts erinnern, auch nicht an ihn, und ob er ihn jemals observiert hätte, darüber dürfe er aber nicht reden.
Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes räumte gewisse Ängste ein, die auch der besagte Kollege im Vorfeld gehabt habe, wegen der Dinge, die man im Internet lesen würde, der Kollege habe sich im Gespräch aber dahingehend geäußert, dass alles dann doch überraschend nett abgelaufen sei.
Die Verteidigung fragte wie lange das Treffen mit seinen Kollegen gedauert habe und was dort besprochen worden sei, worauf der Zeuge die Dauer mit einer halben Stunde angab und dass allgemeine technische Abläufe vor dem Gericht besprochen worden seien, wie z.B., wie der Richter angesprochen wird und so weiter, an.
Da der Zeuge dem Richter einräumte im Urlaub gewesen zu sein, fragte die Verteidigung nach der Dauer dieses, wozu keine Antwort abgegeben wurde. Darauf fragte die Verteidigung warum denn dann überhaupt der Zeuge dies erwähnt hätte, wenn er nichts dazu sagen wollen würde und ob dies nicht schon über seine Aussagegenehmigung hinausgegangen sei. Es sei doch schon etwas befremdlich, dass er zwar im Internet recherchieren konnte und mit dem Kollegen sprechen konnte, aber keine Zeit gefunden habe, den Observationsbericht zu lesen.
Der Richter erinnerte alle Anwesenden daran, dass der Zeuge alleine entscheiden würde, aufgrund der eingeschränkten Aussagegenehmigung, wann er und was er sagt.
Es sei bemerkenswert dass der Zeuge zwar alle Fragen der Richterschaft beantworten würde, aber nicht die der Verteidigung, so diese. Denn zu allen Fragen der Verteidigung – ob er mit dem Kollegen in Urlaub war, wo und wie er mit dem Kollegen gesprochen hat usw. – gab der Zeuge keine einzige Antwort. Nur die Frage, ob er ein Automat sei, wurde vom Zeugen verneint.
Als der Richter diesen fragte, warum er denn im Internet nach dem Fall recherchiert habe, antwortete der Zeuge, dass er dies nur gemacht habe, um seine Erinnerung aufzufrischen.
Die Frage der Verteidigung, ob und woher er denn wusste, dass es Internet Bericht gibt, bejahte er und meinte, dies sei Allgemeinwissen. Auf die Frage, ob die Seite im Bundesamt bekannt sei , verweigerte er die Antwort. Auf Nachfrage der Verteidigung, sagte der Zeuge dazu, dass das, was im Internet stehen würde, härter klinge, als wie es in Wirklichkeit sei. Man habe Angst, fühle sich angegriffen, weil die Zeugen angefeindet werden würden.
Ob dies seine persönliche Meinung sei und wodurch er sich angegriffen gefühlt habe? Keine Antwort. Die Verteidigung wollte keine Fragen mehr stellen, weil dies doch eine Farce sei.
Der Richter selbst versuchte nochmals einige Fragen stellen, bezüglich eines Verantwortlichen für die Observation, der vielleicht auch mal irgendetwas sagen könne, ob es da jemanden gäbe, der Zeuge machte aus diesbezüglich keine Aussage.
Nachdem der Zeuge entlassen wurde und den Saal verlassen hatte, äußerte sich die Verteidigung wieder zum Verhalten der Zeugen des Verfassungsschutzes, dass dies eine Farce sei, weil die Zeugen weder was sagen, noch sich an irgendetwas erinnern. Das Verhalten wäre nämlich vereinheitlicht und überhaupt keine Erinnerungen, es gäbe keine Veranlassung jede Aussage zu verweigern, es handele sich hier klar um ein strategisches Aussageverhalten. Worauf würde denn all dies hinauslaufen? Mittlerweile würde ja schon sogar verneint werden, den eigenen Bericht überhaupt gelesen zu haben.
Daraufhin wurde von der Richterschaft eine zehnminütige Pause einberufen.
Nach der Pause verlas der Richter den Vermerk des Kriminalkommissariats des LKA Sachsen-Anhalt (Dienststelle Magdeburg) vom 27.04.11, dass in der S-Bahn Haltestelle von Alt-Glienicke in Berlin, der Beschuldigte Cem in der Mitte der Haltestelle saß und Papiere aus seiner Tasche genommen haben soll. Dieser soll sich diese angeschaut und dann zerrissen haben, um welche Zettel es sich handelte, konnte der Bulle, der die Observation durchführte, nicht sehen, auch nicht in welchen Mülleimer, denn es gab zwei nebeneinander, was weggeworfen wurde. Dies kam dem Bullen sehr verdächtig vor. Als der Beschuldigte in die einfahrende S-Bahn einstieg, wurden alle Zettel aus dem Müll als Beweismaterial gesichert.
Nach der Verlesung dieses Vermerks, fragte der Richter ob es sinnvoll wäre, beim VS nachzufragen, ob es denn Personen gibt, die sich erinnern können und auch nur diese vorzuladen. Dieser Frage stimmte die Staatsanwaltschaft zu, fragte aber selbst, wie denn der Ablauf wäre, ob es überhaupt möglich sei, und wenn ja wie, im Vorfeld zu klären, ob sich die Personen an etwas erinnern, oder nicht.
Daraufhin verkündete der Richter, dass er Schritte einleiten würde und sich diesbezüglich bei der Dienststelle des Verfassungsschutzes in Köln erkundigen werde und über das weitere Vorgehen würde nach einer möglichen Rückmeldung dieser Behörde entschieden werden.
Es wurde eine weitere Pause verkündet, die von 09:40 bis 11:00 dauern sollte.
Gegen 11:00 ging es dann weiter und die zweite Zeugin des Tages, eine Frau Diana Elwanger (Alias), 38 Jahre alt, wurde vorgestellt. Diese sei eine Verwaltungsbeamtin, aus der Dienststelle Köln des Verfassungsschutzes. Sie hatte sich für diesen Prozess den Oberservationsbericht, einen Vermerk und das Behördenzeugnis durchgelesen, konnte sich aber auf Nachfrage nicht mehr genau an den Vermerk erinnern, sie habe alles vor sechs Wochen gelesen und auch nach dem Lesen aller Berichte keine Erinnerung an den Fall mehr gehabt. Sie könne sich auch nicht an den Beschuldigten erinnern, nachdem sie diesen anschaute.
Im Gegensatz zu ihren anderen Kollegen, zumindest jene die bis dato als Zeugen ausgesagt hatten, nahm sie an keinem Treffen teil. Sie habe mit einem Kollegen über diesen Fall gesprochen, nämlich dem Herrn Adelbrecht (Alias), wobei es sich auch um den Einsatz handelte, aber auch dieser hatte keine Erinnerungen. Auf die Frage, ob es weitere Vorbereitungen gab, antwortete sie nein. Ob der Observationsbericht lang oder kurz gewesen sei, denn der dem Gericht vorliegende sei ja kurz, woraufhin sich herausstellt, dass die Zeugin den Observationsbericht, der dem Gericht zur Verfügung gestellt worden ist, zuvor als Vermerk bezeichnet hat. Ob sie schon für andere Observationen in Berlin gewesen sei, beantwortete sie nicht.
Als nächstes fragte die Verteidigung, ob der Vermerk geschwärzt gewesen sei, diese Frage bejahte sie. Ob sie an einer Schulung über ihr Verhalten vor Gericht teilgenommen habe, sagte sie, dass sie es nicht getan habe, da sie nicht im Dienst war als dieser stattfand. Sie wisse aber, dass dieses Treffen stattgefunden habe, jedoch nichts über dessen Inhalt. Der Zeugin wurden keine weiteren Fragen mehr gestellt und sie wurde dann entlassen.
Eine weitere fünfminütige Pause wurde einberufen.
Um 11:25 ging es weiter mit dem Abspielen von zwei Aufnahmen von Telefongespräche, welche im Rahmen einer TKÜ, Telekommunikationsüberwachung, am 09.06.2010 um 16:43 und am 26.04.11 um 10:02 von den Bullen aufgezeichnet worden sind.
Bei der ersten dieser Aufnahmen, hört man den Beschuldigten, wie er sich mit einer Person unterhält und verabredet, während sie quatschen und sich ein bisschen von ihrem Alltag erzählen, erwähnt der Beschuldigte eine Publikation, die in den Druck gehen soll und die es seit langem gibt.
Beim dem zweiten aufgenommenen Telefonat, spricht der Beschuldigte mit einer Person am Telefon, mit der er sich bei ihr zu Hause verabredet hat, diese wohnt bei Grünau – Alt-Glienicke.
Zu dem ersten Telefonat verkündet die Verteidigung, dass die Staatsanwaltschaft sich bei diesem Telefonat darauf bezieht, dass es sich um die verbotene Publikation namens radikal handeln müsse, dass dies aber nicht aus dem Telefonat hervorgehen würde, weil diese in keinem Moment benannt wird. Es sei auch das einzige Telefonat bei dem über das Drucken einer Publikation gesprochen wurde und nur weil er gesagt habe, „ich lag in den Windeln“ als es diese schon gab, muss es sich nicht um die verbotenen Publikation radikal handeln, sondern auch um das Gefangenen Info. Wie stellte denn die Staatsanwaltschaft eine Verbindung her?
Dann folgten zwei Videos von Observationen. Das erste war vom 26.04.11 von 17:45 bis 18:20.
Bei dieser Observation sieht man den Beschuldigten, wie er über eine Straße mit einem Einkaufsbeutel läuft und evtl. in ein Gebäude reingeht. Es ist nicht ersichtlich welches und man sieht auch nicht ob er überhaupt in ein Gebäude reingeht, weil ein Vorbau eines Gebäudes die Sicht verdeckt.
Daraufhin fragte die Verteidigung was man da überhaupt gesehen hätte, worum es gehen würde? Aufgrund dessen legte diese einen Widerspruch für die Verwertung dieses Videos, weil es nicht nachvollziehbar wäre, um welchen Hauseingang es sich handeln würde. Diese fragte auch, ob es überhaupt für diese Überwachungsmaßnahme einen Beschluss geben würde, denn es wäre nicht klar wozu und wofür dieses Video gemacht wurde.
Das nächste Video war vom 27.04.11 von 08:47 bis 09:05.
Bei diesem konnte man sehen wie der Beschuldigte aus dem erwähnten Vorbau auftaucht und Richtung Straße geht um diese zu überqueren.
Die Verteidigung legte auch gegen die Verwertung dieses Videos einen Widerspruch ein, die Gründe waren dieselbe wie beim vorherigen.
Der Richter las nach der Videovorführung einen weiteren Vermerk vor, dieses Mal vom BKA, datiert am 29.04.11, wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung (Militante Gruppe, MG) und der Verübung mehrerer Brandanschläge unter dem Namen der Revolutionären Aktions Gruppen, RAZ, gegen fünf Personen, die als Nachfolge Gruppe, es geht um die RAZ, der MG eingestuft wird.
Bevor der Richter aber diesen Vermerk zu Ende vorlesen kann, bzw. nur ein Teil soll vorgelesen werden, protestiert die Verteidigung und erhebt Widerspruch gegen diesen Vermerk, weil diese Erkenntnis (Betretung eines bestimmten Objekts, durch mehrere damals noch Beschuldigte) als subjektiver Eindruck des Beamten eine Wertung darstellt. Der Grund dafür liegt an der Annahme des BKA Beamten, der sich die Überwachungsaufnahmen anschaute - vor Gericht wurden ja nur wenige Minuten gezeigt, in der Tat umfasst das Videomaterial über zehn Stunden - und schlussfolgert nur durch diese Aufnahme, dass es sich hier um die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung handeln müsse.
Wieder eine Pause von fünf Minuten.
Nach der Pause zieht die Verteidigung den Antrag zum Widerspruch zurück, da der Richter nur einen Teil des Vermerks, denn nur dieser ist relevant, verlesen möchte. Der Richter liest also den Abschnitt des Vermerks vor, dass nach dem Paragraphen 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) die Nachfolgeorganisation der MG, die RAZ sei. Die Feststellung dazu, der Beschuldigte betritt eine Wohnung mit Plastiktüten und verlässt sie erst am folgenden Tag wieder ohne Plastiktüten.
Der Richter erklärt den Prozesstag für beendet, es ist 12:10.
Bevor alle entlassen werden, bittet die Verteidigung noch darum, dass ihr solche Beweisvorführungen vorher mitgeteilt werden, damit sie sich entsprechend vorbereiten könne.
Ende des neunten Verhandlungstages.
Zehnter Verhandlungstag
Am 12. August begann der zehnte Verhandlungstag mit einer mehr als dreiviertelstündigen Verspätung, da die geladenen Zeuginnen oder Zeugen nicht erschienen sind. Die Ladungen seien nicht eingegangen, auch wenn der Richter sich das nicht erklären kann.
Daraufhin kündigt das Gericht, dass nun die Zettel, die von dem Bullen aus dem Mülleimer am S-Bahnhof gefischt wurden, bzw. das auf diesen Vermerkte verlesen werde. Da kein Widerspruch eingelegt wird, liest der Richter vor, dabei handelt es sich um Post- und E-Mail-Adressen verschiedener Berliner Zeitungen.
Eine weitere Liste wird auf Bitte der Verteidigung erst beim nächsten Termin verlesen, da sie diese erst kürzlich erhalten habe und sich noch einarbeiten müsse.
Danach bittet die Verteidigung das Gericht bezüglich der in der letzten Sitzung angehörten Aufzeichnung des Telefongesprächs vom 09.06.2010, das Wortprotokoll, das eigentlich ein Inhaltsprotokoll ist, eines mitgeschnitten Telefongesprächs vom 07.06.2010 zu verlesen. Der Richter lies vor, dass es in diesem Gespräch um das Info ging, womit das Gefangenen Info gemeint sei. Die Verteidigung merkt an, dass dies die Interpretation der Verteidigung des in der letzten Sitzung angehörten Gespräches stütze und weist darauf hin, dass auch die Polizei unter Info, das Gefangenen Info verstehe.
Somit endete dieser Prozesstag schon um kurz nach zehn.
Der nächste Prozesstermin ist am 19. August um 11:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.