Erinnerung an Franz-Josef Degenhardt in Worms

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Franz-Josef Degenhardt, Karratsch

Es muss jetzt etwa 50 Jahre her sein, als der Sozialist und Liedermacher Franz-Josef Degenhardt bei uns in einem Saal in Worms aufgetreten ist.

Da war mal linke Prominenz in Worms, ein Ort, der dank der Hochschule auch Studentenstadt war. Viele Lehramtsstudent*innen lebten dort, die später teilweise aufgrund ihrer DKP-Mitgliedschaft wegen Berufsverbots nicht unterrichten durften. Auch in unserem kleinen Städtchen war die Revolte von 1968 mit ihren Folgen nicht spurlos vorübergegangen. Es gab überall fortschrittliche Initiativen wie beispielweise die Rote-Punkt-Aktionen für freien öffentlichen Nahverkehr. Mächtig war die Hochschulgruppe MSB im Bündnis mit dem SHB, mit dem die Sozialdemokratie nicht mehr klar kam und sich dann trennte (wie im Jahrzehnt zuvor vom SDS). Als der SDS in Heidelberg im Sommer 1970 verboten wurde, fuhren wir dorthin zur Demo gegen das Verbot.

"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" hatte Franz-Josef Degenhardt berühmt gemacht. Damals wurde er noch im Radio gespielt. Intensiver als sein Konzert sind mir die anschließenden Stunden in Erinnerung geblieben. Wir gingen nach dem Auftritt in eine Wohngemeinschaft in der Alzeyer Straße. Es gab keine Sitzgelegenheiten für alle. Deshalb setzten wir uns zusammen auf dem Boden und waren uns nah. So haben wir die ganze Nacht durchdiskutiert, wie es damals hieß. Es ging um alles, um Vietnam und Prag, Widerstand und Guerilla, Empfängnisverhütung und Feminismus, Sozialdemokratie und Demokratie im Bildungswesen, Kommunismus und Weltrevolution. Ja, es ging um die ganze Welt, um Kämpfe rund um den Erdball, die auch in Worms solidarisch-praktisch wahrgenommen wurden und wo wir Ansätze sahen für unsere tagesaktuellen Kämpfe.

Wenn ich diese Nacht zurückdenke, merke ich heute wie beeindruckend ich es damals fand einen Promi wie Degenhardt so menschlich, so nett, so freundlich und so intensiv zu erleben. Er wollte wissen, was uns bewegt und wir wollten auch von ihm wissen, wie er zu aktuellen Fragen steht, die uns bewegten. Solche Gespräche brachten uns weiter in unserem politischen Kampf. Das nächtliche Gespräch bis in die frühen Morgenstunden blieb vielen in Erinnerung. Noch oft sprachen wir darüber. Degenhardt war kein abgehobener Künstler, sondern einer von uns. Erst mit dem Alter kam die Einsicht, dass dies für Linke doch selbstverständlich ist.

Es war eine interessante Zeit, für viele heute unvorstellbar. Eine Aufbruchstimmung, die Weltrevolution schien greifbar nahe. Für uns noch näher als für den etwas älteren Degenhardt. Aber auch die Situation, unser Wohnen ist für die Nachgeborenen kaum vorstellbar. In kaum einer unserer Wohnungen gab es einen Kühlschrank, sowas konnten wir uns nicht leisten. So gab es kein gekühltes Bier. Unsere Eltern hatten noch einen Eisblock bestellt und geliefert bekommen, wenn sie Bedarf hatten, etwas zu kühlen. Dann lag der Eisklotz mit dem Kühlgut in einer Schüssel. Auch Telefon hatten wir nicht zuhause. In 50 Jahren hat sich doch einiges geändert.

Als dieser Tage K.I.Z. auf einer Solidemo in Berlin für das bedrohte Projekt Köpi spielten, dachte ich an unser Wormser Degenhardt-Konzert. Hier wie da ist etwas Verbindendes und Einendes zwischen politisch Kunstschaffenden und politisch Aktiven. Ob man auch heute, zehn Jahre nach dem Tod von FJ Degenhardt, mit kommunistischen Liedermachern noch ganze Nächte politisch durchdiskutiert?

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