Eine Antwort auf den Aufruf zur Solidarität mit den Gefangenen in Hamburg

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Während der Verbannung durch die Gefangenschaft sind es wenige Dinge, die dich zum Lächeln bringen, einen angenehmen Gedanken oder erfreuliche Gefühl bieten. Trotzdem kann ich sagen, dass diese Tage im Juli als Hamburg kapitulierte vor dem Chaos der Riots während des G20, den Zusammenstößen mit den Bullen, den brennenden Barrikaden, den Plünderungen, der Zerstörung und dem in Brand setzen von Herrschafts-Symbolen, meinen Gedanken einen Aufschwung gaben. Sehr viel Dank, sowie lebhafte Emotionen überwältigten mich und ein Lächeln erhellte mein Gesicht.

 

Jedoch werde ich ehrlich sein. Obwohl es von Anfang an ein Großteil der aufständischen Anarchist_innen nach einem hoch gesteckten Ziel strebten, etwas das bereits seit dem Aufruf zu einer militanten Kampagne von informellen Organisationen Monate vor dem Gipfel klar wurde; und obwohl eine Großzahl von öffentlichen Texten und Bekenner_innenschreiben auf diesen Aufruf antworteten (einige waren sogar so nett, das Erbe des Schwarzen Dezember zu erwähnen), war ich mir nicht so sicher, dass die fraglichen Tage wahrhaftig so ein großartiges Momentum beinhalten würden. Und das ist dem Fakt geschuldet, dass die damit verbundenen Schwierigkeiten mir nicht unbekannt waren – die Widrigkeiten und Herausforderungen denen die Stirn geboten werden muss von Menschen, die sich organisieren wollen und so einen ambitionierten Riot Plan bewerkstelligen wollen.

Der Ausnahmezustand, der in vielen Ländern auf Grund der dschihadistischen asymmetrischen Bedrohung ausgerufen wurde, die Verschärfung von Grenzkontrollen wegen Geflüchteten, die angekündigte Militarisierung Hamburgs und der Bau von speziellen Knästen für Randalierende, der Medienterror für eine Nulltoleranz gegenüber den Unruhestifter_innen, die Dominanz und der Pessimismus verschiedenster anti-aufständischer anarchistischer Strömungen (die mit einem Hauch von Ironie über einen gewagten Versuch, die Ereignisse von Genua zu reproduzieren, sprachen) und auch eine Tendenz gegen Anti-Gipfel-Proteste als abgekartetes Spiel mit Bullen von Gruppen von aufständischen Anarchist_innen (eine Tendenz, das muss ich zugeben, die ich selber in der Vergangenheit aufrecht erhalten habe); all das zusammen waren zweifellos erschwerende Faktoren.

Und dennoch, entgegen aller Widrigkeiten entfachte der Funke und die Kampagne „Hamburg ins Chaos zu stürzen“ war erfolgreich und als Resultat wurde der ach so repressive Mechanismus, der die vermeintlich Randalierenden zerschlagen sollte, schlussendlich ins Lächerliche gezogen.

Die Intensität dieser Ereignisse und vor Allem der Erfolg der verschiedenen Pläne, die im Endeffekt die Taktiken von dezentralen, hit-and-run Angriffen zusammen mit direkt im Zentrum von Demonstrationen Revoltierenden vereinten, beweisen auf konkreteste Art und Weise, dass der Konkurrenzkampf zwischen den unterschiedlichen Prinzipien nutzlos ist, da sie beide auf ihre Art dem anarchistischen Aufstand beitragen und ihn bereichern. Wenn außerdem der Riot es wagt der allmächtigen Unterdrückung und der angeblich immensen Macht des staatlichen Terrorismus direkt entgegen zu treten, dann ist alles möglich, wie beispielsweise das Verhöhnen von solch extravaganten repressiven Mechanismen, wie sie kürzlich in Hamburg während der Tage des Gipfels in Gang gesetzt wurden. Es ist auch ein Fakt, dass einige der kraftvollsten Momente in der Geschichte der weltweiten Aufstände genau entgegen all dieser Schwierigkeiten passierten und das ist in vielen Fällen die Schönheit davon.

Darum kann ich nicht anders als begeistert sein durch diesen Wind des Enthusiasmus und des Selbstbewusstseins, der tausende Kilometer von Hamburg bis zu diesem Ort der Gefangenschaft wehte. Denn mit solchen Ereignissen kann jede_r sehen, dass die Dynamik, die durch solche explosiven Situationen freigesetzt wird, nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt und endet, sondern sich bewegt und zerstreut, überall die Nachricht hinterlassend, dass der Schlüssel zu Allem die Entschlossenheit und der Tod des Defätismus (Neigung zum Aufgeben) ist.

Diese sind genug für den Anreiz für einen, zwei oder mehr Momente, die als Meilensteine wirken, als historische Wendepunkte, als etwas auf das wir unseren Blick wenden können, wenn die Lage schlecht ist, wenn Frustration und Sinnlosigkeit überhand nehmen.

Und wenn wir zurück schauen, wird uns die Erinnerung die konkrete Kraft geben, die es braucht um weiter zu machen. Bis zum nächsten Hamburg, bis zum nächsten Aufstand, bis zur vollständigen Zerstörung der Herrschaft.

Auf der anderen Seite allerdings wissen auch die Autoritäten, wie sie solche Momente mit berücksichtigen, um sie zu bewerten, um ihren langfristigen Effekt zu ergründen und im Bezug darauf Vergeltung zu üben auf eine endgültige und klare Art, die aussagt, dass jede Gelegenheit eines Aufstands zerschlagen werden wird. Nach hunderten von Festnahmen von Protestierenden, dem Angriff von hochgerüsteten Spezialeinsatzkommandos auf Randalierende in den Straßen Hamburgs, nach den brutalen Körperverletzungen auf eine Gruppe von Demonstrierenden, zeigt die Repression auch weiterhin ihre Zähne, indem sie mehrere Dutzend von Menschen beschuldigt, an den Riots teilgenommen zu haben (aktuell sitzen noch 36 in U-Haft).

Zum jetzigen Zeitpunkt wurde bereits ein weiterer Aufruf gestartet, der sich genau mit der Solidarität zu den Inhaftierten der Gipfel-Proteste befasst. Es gab bereits die ersten Demonstrationen, sowie Angriffe durch Zerstörung und Feuer in verschiedenen europäischen Metropolen. Als Antwort auf diesen Aufruf, möchte auch ich meine Solidarität mit denen ausdrücken, die wegen der Ereignisse in Hamburg eingesperrt wurden, außerdem möchte ich das breite Lächeln zurück schicken, das mir geschenkt wurde von all denen, die mich auf die schönste Weise daran erinnert haben, dass Anarchie, wenn sie es will, kraftvoll ist.

 

https://325.nostate.net/2017/08/01/an-answer-to-the-call-for-solidarity-...

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