Gegen Coworking Space und Hippster-Lifestyle

Ideen zum entstehenden Coworking Space in Potsdam-Babelsberg, die einhergehende Veränderung und Verdrängung

„Schalterhalle, Poststempel und Flat White. Das St. Oberholz übernimmt die alten Hallen der Post in Babelsberg und zieht mit Café und Coworking in das historische Gebäude. Der Glanz der alten Arbeitswelt, wo von Hand gestempelt und versand wurde gibt jetzt Raum für Neues Arbeiten für Teams, Freelancer und Unternehmen.“ So beschreibt das Unternehmen St. Oberholz das neue Coworking Space im Herzen von Babelsberg. Unsere alte Post, Treffpunkt für alle, ob arm und reich, ob jung und alt, ob Punker, Wohnungsloser, Nulldrei-Fan oder Stino, wird nun zu einem elitären Raum und sorgt damit maßgeblich für die Veränderung des Kiezes.

Das Unternehmen, existierend seit 2005, ist bereits bekannt durch ihre hippen und turbokapitalistischen Angebote in Berlin. Ob Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Mitte, da wo es boomt, darf St. Oberholz nicht fehlen. Es steht symptomatisch für die Verbindung von Arbeit und Karriere, von Kapitalismus und Verdrängung, von Hippster-Scheisse und Start Up. Nun also auch in Babelsberg.

Argumentiert wird gerne, Arbeitsplätze zu schaffen, zum Wachstum beizutragen und – wie im Fall der Immobilie der alten Post – etwas für das Stadtbild zu tun. Dabei ist St. Oberholz, das Coworking Space und die Start Up´s Turbokapitalismus pur und Ausbeutung Hoch Drei. Es ist die Illusion von Selbstverwirklichung durch ihre Arbeit, mit einem Latte machiatto in der Hand mehr Mitsprache im Berufsalltag zu haben und einfach frei, kreativ, jung und urban zu sein. Man träumt von Social Media, dem großen Geld, Berühmtheit und Expansion. Es geht nur noch um Kohle und Zahlen.

Dabei ist die schöne neue Welt, in der jede:r erfolgreich sein kann, wenn hart genug gearbeitet wird, ein wesentlicher Baustein in der kapitalistischen Maschinerie. Oftmals sind nie Nutzer:innen in prekären Verhältnissen, teilen sich ein überteuertes Büro mit anderen, nur um Kontakte zu haben, man trifft sich nicht mehr in der Kneipe – die werden ja verdrängt – sondern im Café, um seine beruflichen Beziehungen zu stärken. Die Grenzen zwischen Job und Freizeit, zwischen Leben und Arbeit, verschwimmen immer mehr. Es ist die eigene Ausbeutung.

In einer modernen Dienstleitungsgesellschaft läuft nur noch alles per App, Social Media und Digital Tech. Mit einem Lächeln im Gesicht lässt man sich selbst oder andere ausbeuten, nur um etwas tolles erfunden zu haben oder der Dienstleitungsgesellschaft etwas Gutes zu tun. Ein Coworking Space ist ein Zentrum des ökonomischen Kapitals inmitten der Marktströme. Leben und Ausbeutungsarten gehen einander einher. Persönliche Beziehungen und Solidargemeinschaft spielen keine Rolle mehr. Ein smarter Kiez mit jungen Hippstern braucht diejenigen nicht, die keine innovativen, kreativen und unternehmerischen Skills haben. Der öffentliche Raum wird nun von Konsum, Sauberkeit und Sicherheit geprägt, alles für die Schönen und Reichen.

In Babelsberg werden wir eine Veränderung wahrnehmen. Ein weiterer Zuzug oder Aufenthalt von zahlungskräftigen Personen und an ihre Bedürfnisse angepasste Orte mit teuren Cafés, Videoüberwachung und weiteren Bürokomplexen. Der Reichtum wird vermehrt auf die Kosten der anderen ausgetragen. Die überflüssig gewordenen Personen, die nicht mehr in die smarte und hippe Welt passen, der Nachbarschaftskiez, die müssen weg. Für diejenigen, die sich die jetzt schon steigenden Mieten in Babelsberg nicht mehr leisten können und für eine kleine Butze malochen gehen, für diejenigen, die keinen Bock auf den Hippster-Lifestyle haben, für die ist dann kein Platz mehr.

Wir wollen unseren Kiez so haben, wie er ist. Etwas ranzig, mit Ecken zum Treffen, mit den Späti´s und Dönerbuden, der Flaniermeile hoch zum Karli, Graffitis an den Wänden und Nulldrei-Aufklebern an den Regenrinnen. Babelsberg war in seiner Historie schon immer politisch und widerständig und wird es auch heute bleiben. Der Kiez bleibt unser!

Babelsberger Anwohner:innen

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