G20-Hafenblockade Let's Progress - Eine konstruktive Kritik zur Hafenblockade beim G20 in Hamburg

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"Die Hafenblockade hat großartig funktioniert - doch leider waren wir unfähig die uns entgegengebracht Solidarität artikuliert zu erwidern" eine*e Aktivist*in Beim überzogenen Medienrummel um die Ausschreitungen auf dem G20-Gipfelprotest ging in der Öffentlichkeit großteils unter, dass die Blockade des Hafens funktionierte. Als Mit-Blockierer*innen wollen wir uns gegenseitig und den Organisator*innen zu diesem strategischen Fortschritt (überhaupt Hafenlogistik zu blockieren anstatt sich nur auf den Gipfel selbst zu konzentrieren) und dem erfolgreichen Blockieren gratulieren: Hinter dem demo-artigen Blockadezug entlang dem Hafen bildete sich eine endlos scheinende Kette von Lastwägen, die wenigen sichtbaren Lastkraftfahrer*innen schienen aber großteils nicht mit Wut und Ablehung sondern durch teilweise als Solidaritätsbekundungen interpretierbares Zuwinken und Faust in die Höhe halten zu reagieren. Der Presse konnte entnommen werden, der Rückstand der durch die Blockade verursacht wurde, würde mehrere Tage brauchen, um ausgeglichen zu werden. Die Polizei war mit ca. 12 Wannen vertreten, verzichtete aber darauf, zu versuchen den Blockadezug aufzuhalten. Ohne damit den erfolgreichen Schritt in Richtung der ökonomischer Blockaden schmälern zu wollen, sind uns doch einige Punkt im Laufe der Aktion aufgefallen, wo wir als "Externe" (nicht in uG organisiert) und organisations-ungebundene Theoretiker*innen und Aktivist*innen einige Punkte anmerken und Verbesserungsvorschläge anbringen wollen.
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 1. Entscheidungsstrukturen Während der ganzen Blockade-Aktion gab es ein einziges "Deligiertenplenum", welches sich spontan doch zum Repräsentantenplenum wendete, dazu gleich mehr. Die restliche Aktion verlief, zumindest augenscheinlich für uns "Unorganisierte", nach dem Muster: Die Orga-Leute geben gleich durch, was zu tun ist. Das ist für eine Aktion mal gar nicht schlimm, schließlich gibt es ein gewisses Vorschussvertrauen der Teilnehmenden in die Organisierung. Trotzdem fühlt es sich teilweise komisch an und ist langfristig auch sicher nicht wünschenswert, wenn mensch die ganze Aktion lang nicht mitreden kann, was passieren soll, nicht mitbekommt was jetzt los ist (Angebote der Polizei in Verhandlungen, Teil-Ziele der Blockade) und es sich ausschließlich auf einige "Checker*innen" verlassen werden muss. Aus politischer Sicht muss sich die Kritik am autoritären Kommunismus doch irgendwann (nicht zu spät) in die eigene Organisierung niederschlagen, oder nicht?Im vermeintlichen Deligiertenplenum (Deli-Plenum) entwickelten sich zwei Optionen heraus, die dann kurzerhand von der Moderation zur (Mehrheits-)Abstimmung gestellt wurden: Die Deligierten trugen also nicht die Entscheidung in ihre Bezugsgruppen zurück, also in die Basis, wo sie besprochen wurde, sondern entschieden "für" ihre Bezugsgruppe. Und das, obwohl offensichtlich kein wirklichher Zeitdruck vorlag. Auch das ist nicht tragisch und schmälert nicht den Erfolg, sollte aber langfristig entweder bewusst kommuniziert entschieden werden (à la "wir müssen aus den Gründen XY mit dem Konzept Vertrauensvorschuss arbeiten, die Deligierten entscheiden daher für euch") oder doch im iL-Style als mehr oder weniger "echte" basisdemokratische Deligiertenplena mit direktem Mandat in den Bezugsgruppen für jede Entscheidung organisiert werden.Dass uG hier nicht so langjährige Praxiserfahrung gesammelt hat wie die große post-autonome Organisierungsschwester iL und sich mehr auf die Produktion radikaler Aufrufe und Texte konzentriert hat, scheint für uns ein nachvollziehbarer Grund dafür zu sein. Außerdem versüßte es uns die Zeit in der Hitze, dass wir unseren Deligierten den Rest des Tages mit Autoritär-Kommunistischen Titeln und Spitznamen ärgern durften ;-) 2. Kommunikation mit den Umstehenden und Parolen Den zweiten Wehrmutstropfen auf diesem Aktionstag hat die Organisierung nicht zu verschulden, sondern betrifft die Demo-Kultur des mobilisierten Spektrums. Als der Blockadezug auf die ersten Lastkraftfahrer*innen und Hafenarbeiter, die spärlich am Rande standen, traf, gab es eine fast ausschließlich einseitige Kommunikation: Die Fahrer*innen winkten, einer hupte und winkte freundlich, einige hoben ihre Faust. Der Blockade-Zug, bis auf vereinzeltes Zurückwinken, konnte damit nicht umgehen. Die einzigen deutschsprachige Parolen in diesem Moment schienen keine Solidarität ausdrücken zu wollen sondern eher das subkulturelle anders-sein betonen zu wollen: "Auf zu neuen Taten - das Vaterland verraten." oder "Lasst es krachen, lasst es knallen, Deutschland in den Rücken fallen." konnten in keinster Weise eine positiver Bezug auf die Arbeiter*innen und ihre Bedürfnisse als Ausgebeutete im Kapitalismus verstanden werden. Abgesehen davon dass ohnehin fast jede zweite Parole auf englisch gerufen wurde, gab es keinerlei irgendwie klassenkämpferischen Parolen, die den Arbeiter*innen einen wieauchimmer gearteten positiven Bezug auf die Demo ermöglicht hätten. Auch die Transparente waren eher kryptisch und englischsprachig, für die meisten Hafenarbeiter*innen daher unverständlich. Noch peinlicher wurde es, als wir in Wilhelmsburg ankamen: Hier trafen wir auf eine türkisch und kurdisch geprägte Nachbarschaft, viele kamen zum Straßenrand und beobachtete das für sie wohl seltsame Treiben. Die Demonstration schien sich mangels irgendwelcher freiheits- oder klassenkämpferischen, oder zumindest antifaschistischen, Parolen mit Pro-Flüchtlings-Parolen zu behelfen. Zwar sind Parolen "Say it loud, say it clear, refugees are welcome here." nie falsch, aber uns beschlich teilweise das Gefühl dass einige Rufer*innen die Anwohner*innen selbst als Refugees zu identifizieren drohten, was einem*r alteigesessenen*r Wilhelmsburger*in mit Migrationshintergrund schon ganz schön auf die Füße treten könnte. Fast schon glücklicherweise reagierte niemand von den auf-die-Straße-eilenden Passant*innen negativ auf unsere Parolen - oder reagierte überhaupt auf irgendwelche Inhalte. Auch das schmälert die Aktion nicht, jedoch empfinden wir es als verpasste Chance, in einem Demozug von ein paar Hundert Leuten durch die Stadt zu laufen, und sich gar nicht kommunizieren zu können. Wie soll jemals ein Aufstand zu einer Revolution werden, wenn wir uns selbst eher als "Spinner mit einem komischen Hobby" darstellen, anstatt eine ernsthafte, politische Auswirkung zu erzielen?  Fazit und Vorschläge
 Wir denken dass diese beiden Punkte, also einerseits unsere eigene Organisierung zu enthierarchisieren, und andererseits unsere Belange zu kommunizieren, wohl Punkte sind, die eine erwachsen werdende politische Bewegung lernen muss. In Fragen der Entscheidungsstruktur auf den Aktionen würden wir ganz unkreativ auf das Abschauen der Strukturen von den Aktionen bei denen iL aktiv ist, verweisen: Dort werden tatsächlich basisdemokratische Deligiertenplena mit dem anarchistischen Prinzip des imperativen Mandats in den Vorbereitungstreffen geübt und gehören zum Standardreportoire auf den Aktionen, natürlich gemischt mit Vorbereitetem und Vorbesprochenem. Und bei den Parolen gilt es sich nur etwas umzuschauen, die restliche Linke, auch wenn es einige Differenzen gibt, kultiviert ja in diesem Punkt konstruktivere und vermittelbarere Parolen.
Einige klassenkämpferische, als auch türkische und kurdische Parolen und Transparente, vielleicht auch die von vorneherein geplante Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen, hätten den Demozug schon viel klarer vermittelbar für linke oder linksoffene Logistik-Arbeiter*innen und Anwohnder*innen gemacht.
  

Bilder: 
Leipziger Kleingruppe
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