Rechtspopulismus beim Atonal Festival 2017
Als Akteur und Partizipant der elektronischen Musikszene in Berlin habe ich interessiert das Line- Up für das Atonal- Festival 2017 gelesen.
Neben vielen bekannten Künstlern ist mir allerdings ein Name ins Auge gesprungen, welchen ich aus einem anderen Zusammenhang kenne.
Der Betreiber des Northern Lights Label “Varg” schien zufällig oder gewollt den Namen des bekannten und bekennenden Neonazis Varg der National-Black- Metal Band Burzum gewählt zu haben.
Bei der Internet Recherche auf den soziale Netzwerks-Profilen des Atonal- Künstlers wurde meine Vermutung der Zufälligkeit allerdings schnell entkräftet.
Statt dessen zeigen viele seine Bilder, Postings und Likes, Referenzen und eine unabstreitbare Nähe zu Holocaust- Verharmlosung und Antisemitismus.
“Varg” mit “Cannibas Holocaust”T- Shirt und Tattoo der rechtsradikalen Band “Death in June”(Hand &Peitsche)
Der Comic Charakter formt ein Hakenkreuz mit seinen Händen
Die Abbildung eines Joints welcher die Form eines Hakenkreuzes andeutet,stellen für den Künstler wohl eine gelungene Provokation dar.
Geschmückt mit dem Schriftzug Holocaust.
Das er damit Minderheiten und Holocaust Opfer verhöhnt scheint ihm egal oder Teil der Provokation zu sein.
Dahingestellt sei dieses geschmacklose T- Shirt und sei es dem beschränken Verstand eines Tennagers der sich damit vermutlich auf Stilmittel in Punk bezieht, zu schulden.
Dass sich die knapp 40 Jahre zurückliegende Punk Bewegung jedoch meist explizit von rechtem Gedankengut distanziert, oder die späten 70er Jahre schlicht eine völlig andere politische Umgebung darstellten, folglich zB. Joy Divisions Namensgebung nicht “dass gleiche” sind,und Varg eine distanzierende Stellungname bisher nicht tätigte ist jedoch nur Teil des Problems.
Anbei sei gesagt, dass auch Sid, Siouxies mehr jugendliche Provokateure, als moralische Instanz waren.
Im jugenverherrlichenden Denken kann dies freilich zur absoluten Wahrheit werden.
“Marylin Manson hat das doch auch gemacht”ist dementsprechend nicht mehr als eine kindische, apologetische Äußerung.
Auf dem Bild ist ein weiteres rechtsradikales Symbol “versteckt”.
Der linke Unteram zeigt ein Tattoo eines Symbols der rechtsradikalen Neo- Folk Band Death in June.
Verweise zur offen rechten Gesinnung der Band sind vielfach dokumentiert.(2)
Weiter unten im Profilbild befindet sich ein Spendenaufruf, in welchem Varg Teile des Monatsumsatzes seines Labels Northern Light der BDS nahen schwedischen “Palestine Solidarity Association”überschreibt.
BDS sind eine antisemitische Organisation, welche sich auf den Boykott israelischer Produkte verschrieben haben.
Die Jüdische Allgemeine hat dazu beispielsweise umfänglich unter dem Titel” Von wegen Frieden” (3)berichtet:
“Wer sich heute unter den Hunderten Konflikten der Welt einzig den israelisch-palästinensischen heraussucht und ihn zur Grundlage einer Kampagne gegen Israel macht, rutscht auf dem jahrhundertealten Parkett des Judenhasses aus.”(4)
Varg ist ebenso Teil der Noise Band the Empire Line. Auch hier findet sich bei einem anderen Band Mitglied das Spiel mit rechter Symbolik wieder.
Ein Bandmitglied trägt neben weiteren u.a frauenverachtenenden Tattoos (Schriftzug “Antifeminist”) eine verfassungsfeindliche “Man- Rune” als Gesichtstattoo.
Die wahnhafte Verehrung des offen vergewaltigenden und menschenhassenden Punk Volltrottels GG Allin ist hier sowohl in der Erscheinung als auch der Bühnenperformance deutlich zu sehen.
In einer Performance bei der Veranstaltung Herrensauna ließ es sich der Sänger nicht nehmen in völlig unironischem GG Allin- Gestus das Mikrophon gegen seine Schläfe zu schlagen und anschließend mit seeligem Gesichtsausdruck seine “Verletzungen” als Angry White Boy auf Instagram zu präsentieren.
Schon kurz zuvor war ein geplantes Noise-Konzert eines Soloprojektes des betreffenden Künstlers mit weiteren rechtsoffen gesinnten Bands (benannt als u.a “Genocide Organ”)des Veranstalters Instruments of Discipline im Club Urban Spree Anfang des Jahres 2017 durch das Engagement linker Gruppen erfolgreich verhindert.
Der Club sagte das Konzert in letzter Minute ab.
Im Statement des Veranstalters Instruments of Discipline wurde dabei die künstlerische Freiheit bemüht und der Nutzen rechter Symbolik als “Selbstentdeckung” (5)umgedeutet und die Künstler als unpolitisch deklariert und beschrieben.
In den Kommentaren auf Facebook wurde anschließend das antifaschistische Engagement mit Nazimethoden gleichgesetzt..
Diese Opfermentalität ist typisch für rechte Argumentation.
Wer sich bei jedoch Bandnamen wie Genocide Organ gibt, Kontakte zum mannheimer Nazi Labels Tepko unterhält (Genocide Organ)und sich mit der Man Rune eine der bekanntesten Symbole des dritten Reiches ins Gesicht tattoowieren lässt, sollte sich über (linken) Protest wirklich nicht wundern, oder sich gar, wie der Versanstalter als Opfer von Zensur stilisieren und sich auf Selbstentdeckung berufen.
Dass all diese Selbstentdeckerei auf Kosten Verfolgter der Nazideologie, als Holocaust- Verharmlosung und Antisemitismus daherkommt, scheint keinen der Akteure zu stören.
Auch, dass die “Selbstentdeckung” über Fakten zu stehen scheint, entspricht dem wahnhaften Bild allzu vieler Akteure des esotherischen, neurechten Denkens.
Kurzerhand werden rechte Symbole reinterpretiert und der Antisemitismusbegriff verdreht-
Nur zu oft hört man deshalb in neurechten Kreisen “dieses Symbol ist viel älter als der Nationalsozialismus” oder Israelkritik ist nicht Antisemitismus”.
Was Symbole wirklich bedeuten scheint aus dieser Sichtweise persönliche Interpretationssache zu sein.
Ganz schnell wird so auch der Holocaust zur Auslegungssache und ähnelt der rechten Gleichsetzung von islamistischem Hamas- Terror mit den Verteidigungsmaßnahmen des demokratischen Israels auf unheimliche Art und Weise.
Nicht umsonst besingt die rechte Band Death in June im Song Rose Clouds von :"rose Clouds of Holocaust,rose Clouds lies...").den Holocaust als frei erfunden.
Eine Verharmlosung des Holocaust in Form eines lustigen Kiffer T- Shirts mit Hakenkreuz scheint in so einem Umfeld daher vermutlich als subtile Anspielung zu sein.
Diese rechten Märchen sind jedoch nichts Neues. Weder bedeutet aber in diesem Zusammenhang die Kombination von Runen mit rechter Symbolik (auschliesslich)eine Referenz zu Okkultismus , noch bedeutet der gezielte Boykott israelischer Produkte (insbesondere wenn gleichzeitig in ein Holocaust verhöhnendes T- Shirt gehüllt )und die Zuschreibung antisemitischer Stereotypen letztlich irgend etwas anderes als der 1930er Slogan “Kauft nicht bei Juden” -
Wer meint Provokationen auf Kosten von Minderheiten und Holocaust Überlebenden zu tätigen, aktiv eine Hamas- nahe und damit judenhassende Organisation unterstützt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, rechte Gedanken auszuführen, rechtem Gedankentum zuzuarbeiten, billigend zum eigenen Vorteil in Kauf zu nehmen und zu instrumentalisieren.
Alle Phänomene und Anzeichen rechter Gesinnung separat zu betrachten, ergibt bei Varg wie anderen Neurechten nur ein unzureichendes Bild.
Rechte Einstellung wird heute viel eher indirekt und in Codes kommuniziert.
Die rechte Bewegung bedient sich deshalb bewusst zweideutiger Symbolik.
Vereinfacht gesagt:
Nicht Alle Anhänger von Runen- Okkultismus sind Rechte.
Nicht Alle “Israelkritiker” sindAntisemiten.
Nicht Jeder, der rechte Symbolik zur Provokation verwendet ist rechts.
Nicht jeder Gewaltverherrlicher und Menschenhasser ist rechts.
Nicht Alle Fans rechter Musik sind selbst rechts.
Einzeln betrachtet, zeigen diese Phänomene meist Tendenzen von brauner Ideologie, esotherischem Denken oder schlicht bewusster Anti- Intellektualität.
Zusammengefügt aber zeichnen sie unabstreitbar eine rechtsoffene, militante Gesinnung.
Ebenso unabstreitbar ist deshalb auch der Zusammenhang der Namensgebung Vargs zum bekannten Neonazi - Namensgeber.
Ich frage mich, inwieweit Verantwortliche des Atonal- Teams eine solch zweifelhafte Nähe zu neurechten Gedanken bei den gebuchten Künstlern erkennen, rechtfertigen, tolerieren oder gar unterstützen.
Eine öffentliche Darstellung birgt gesellschaftliche Verantwortung.
Sich dieser Verantwortung zu entziehen, ist gleichbedeutend mit aktiver Unterstützung.
Dass ein großes Berliner Festival einer solchen Person eine Darstellungsfläche bietet, macht mich wütend, ebensosehr, wie mich die militant menschenfeindliche und gewaltverherrlichende und frauenfeindliche Botschaft des Künstlers beängstigen.
Ich sehe es als meine Pflicht, mich für eine weltoffene und fortschrittliche elektronische Musikszene einzusetzen.
Im dümmlichen Spiel mit rechter Symbolik ist keine Fortschrittlichkeit.
Ich hatte bisher die Annahme, die Verantwortlichen des Atonal Festivals würden liberale und zukunftsorientierte Ansichten teilen.
ich denke jedoch dass die Zusammenarbeit mit einem solchen Künstler ein solches Denken nicht wiederspiegeln.
Ich wünsche mir daher vom Atonal- Festival eine Stellungnahme.
Neurechtem Denken und Holocaustverharmlosung darf keine Plattform dieser Art geboten werden.
Ich hoffe auf das Verständnis der Atonal- Organisation und auf konstruktive Lösungsansätze.
(2) https://nycantifa.wordpress.com/2013/09/16/why-we-dont-like-death-in-june/
(3)http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22617
(4) s.o
(5) https://www.facebook.com/search/top/?q=instruments%20of%20discipline Mai 2017
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