Verwahrter auf der Flucht
Am 14. Juli 2014 entzog sich „Lilo“ im Rahmen einer Ausführung kurzzeitig dem weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung.
Wer ist Lilo?
Schon im Juli 2013 berichtete ich über Lilo, wie ihn in der JVA Freiburg fast jeder nennt (https://linksunten.indymedia.org/de/node/91068), selbst Beamte rufen ihn so, denn er sitzt rund 40 Jahre in Haft, davon die meiste Zeit in Freiburgs Gefängnis. Ursprünglich wegen Körperverletzung und Raubdelikten zur Sicherungsverwahrung verurteilt, bekam er in den 80'ern ein weiteres Mal SV, diesmal wegen im Strafvollzug begangener Taten (Drogengeschichten und Körperverletzung). Schon damals reagierte er in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung im Gerichtssaal, so dass die Polizei ihn niederschoss, denn Lilo wusste, mit dieser zweiten SV würde es unwahrscheinlich, jemals lebend entlassen zu werden.
Rund 15 Jahre bringt er nun in der Sicherungsverwahrung zu; ein Gutachter bescheinigte ihm eine erheblich reduzierte „Gefährlichkeit“, aber eben keine fast gegen Null tendierende und so entscheidet die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe jedes Mal aufs neue, dass der Vollzug der SV „fortzudauern“ habe.
Ausführung am 14. Juli 2014
Nach dem seit 1. Juni 2013 geltenden neuen Recht für die SV steht jedem Verwahrten eine solche „Ausführung“ zu, d.h. unter Bewachung mehrerer Vollzugsbeamter, je nach Beurteilung der Anstalt auch zusätzlich gefesselt, verlässt man für ein paar Stunden die Anstalt. Vier Mal im Jahr sieht dies das baden-württembergische Justizvollzugsgesetzbuch für die Sicherungsverwahrten vor. Erneut wurde Lilo am 14. Juli zu seiner Familie in den Bodensee-Raum chauffiert, wo er sich dann – die genauen Umstände mag die JVA nicht bekannt geben – absetzte.
Lilos Verhaftung
Seine Flucht dauerte nur wenige Stunden, dem Vernehmen nach, wurde er zwei Stunden nach der Flucht bei seiner Schwester festgenommen und erst mal in die JVA Ravensburg eingeliefert.
Seine Perspektiven
Wer seit 40 Jahren in Haft sitzt, trifft auf eine völlig veränderte Außenwelt, sich dort zurecht zu finden, ist schwierig. So überrascht es nicht wirklich, dass er zu einer Angehörigen gegangen ist, wohlwissend, dass man dort als erstes nachschauen würde. Sein Fall illustriert, wie Anstalt und Gerichte einem Menschen jegliche Perspektive nehmen. Einem Menschen, der auf Grundlage eines Gesetzes vom 24.11.1933 einsitzt. Ein Gesetz, das geschaffen wurde, so damals Propagandaminister Goebbels, um „Volksschädlinge unschädlich“ zu machen.
Seine Kurzzeit-Flucht wird nun wohl als Beleg für seine „fortdauernde Gefährlichkeit“ gewertet werden, anstatt als Hilferuf und Zeichen für den Wunsch, wenigstens die restlichen Lebensjahre in Freiheit verbringen zu dürfen.
Reaktion des Personals auf die Flucht
Die beiden Beamten, die Lilo hätten bewachen sollen, dürfen sich wohl auf ein Disziplinarverfahren einstellen; einem Beamten der JVA Bruchsal, in ähnlicher Lage, wurde eine Beförderungssperre auferlegt. Wie das Personal sich bei künftigen Ausführungen verhalten wird, ist nicht abzuschätzen, aber sie dürften nun eher noch schärfer aufpassen als vorher.
Wie Lilo nach vorherigen Ausführungen berichtete, habe das ihn bewachende Personal die Aufsicht sehr großzügig gehandhabt, ihm auch das Verlassen des Hauses ermöglicht, ohne ihn zu begleiten. Einer der beteiligten Beamten, der am 17. Juli zu einer Ausführung eingeteilt gewesen ist, wurde schon durch einen anderen Wärter ersetzt.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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