Bekenner*innenschreiben und Video zum #Stollengate in Dresden
Link zum Video:
https://vidoza.net/6tjnxoj42s73.html
Guten Tag MP Michael,
wie du sicherlich gehört hast, haben wir heute Nachmittag deine Staatskanzlei mit Stollen dekoriert! Wie wir Dich so einschätzen, sitzt Du jetzt kopfschütteld zu Hause und raufst Dir die grauer gewordenen Haare, bevors gleich Weihnachtsgans gibt und dann wieder ab an die Arbeit…
Uns ging es ganz ähnlich – wir saßen zuletzt auch oft zu Hause und haben uns die Haare gerauft, verzweifelt und wütend über das was hier passiert und was Du so machst. Doch anders als Du, haben wir nicht einen ganzen Beamt*innenstab, eine Presseabteilung und willfährige Lokaljournalist*innen zu unserer Verfügung. Es blieb uns nur die Macht fliegender traditioneller und von der Konsumgesellschaft in den Müll geschmissener Gebäckstücke - sowie ein großes breites Lachen. Gelacht haben wir wirklich viel und uns so aus dem trostlosen Alltag gerissen, den unter anderem Du uns eingebrockt hast.
Warum Stollen? Pflege- und Krankenhausarbeiter*innen rund um den Globus fragen sich, was sie mit den diversen Mitbringseln sollen, die ihnen Staatschefs bei PR-Besuchen überreichen. So wandten sich auch Arbeiter*innen des Klinikums Aue an unsere Mitbringsel-Nützlich-Machungs-Task-Force. Doch Michael, wir haben deinen Stollen gedüngt, gegossen und gestreichelt, es ist einfach kein Beatmungsgerät aus ihm geworden. Du hast einfach nur Stollen nach Aue gefahren, den man an jeder Ecke kaufen kann. Nutzlos: absolut nutzlos im Kampf gegen die Pandemie und ein Hohn gegenüber all den Pflegekräften und dem medizinischem Personal, die gerade für einen Hundelohn und an der Belastungsgrenze Leben retten.
Warum Du? Seit März stecken wir alle in dieser Pandemie. Zugegeben haben wir das auch nicht kommen gesehen. Aber den Unterschied zwischen uns und Dir haben wir eben ja bereits benannt. Du und deine Regierung haben die Pandemie verschlafen, vielleicht gehofft, dass es halb so schlimm wird. Zahlreiche der Coronatoten gehen auf die Kosten von Euch, weil Ihr erst zu spät oder gar nicht gehandelt habt. Doch auch das, was Ihr so an Pandemiebekämpfung fahrt, ist Unfug. Deine Politik steckt tief in angeblichen Sachzwängen der Wirtschaft: egal wie Scheiße die Situation ist, wie viele Menschen sterben und wie viele Menschen depressiv und einsam daheim hocken, es wird weiter gearbeitet, fürs Wirtschaftswachstum. Der Motor dieses miesen Kapitalismus muss am laufen gehalten werden und wenn dafür die Leute bei Amazon, bei der DHL oder in den Kliniken und Pflegeheimen mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen. Alles was dir einfällt, ist die in überteuerte Vonovia Wohnungen eingepferchten Menschen für ihre Sehnsucht nach sozialen Kontakten zu beschuldigen, die Pandemie nicht ernst zu nehmen – während du in deinen Einfamilienhausidylle genügend Platz hast.
Doch Du bist nicht nur einer dieser stinkigen neoliberalen Wirtschaftsprediger. Du gehörst auch noch zu denen, die wie andere Reaktionär*innen rund um den Globus versuchen, die Leerdenker*innen, Verschwörungsideolog*innen und Nazis auf deine Seite zu zerren – wie schon 2014/15 bei PEGIDA. Nichts anderes war Dein Auftritt im großen Garten, ein großes Signal an alle dort: „Hört doch auf uns, wir wollen doch auch eure Privilegien sichern. Möglichst wenig soziale Maßnahmen, kein Umdenken, sondern möglichst alle Kosten nach unten weiter geben, auf das sich ja nix ändert!“ Das ist dein sächsischer Sonderweg: ein Bündnis aus neoliberalen, konservativen und faschistischen Kräften die den Laden durch die Krise bringen sollen auf Kosten der Arbeiter*innen, der Pflegenden, der unbezahlt Sorgenden, der Geflüchteten, Arbeits- oder Wohnungslosen. Umso weiter die Krisenkosten nach unten durchgereicht werden, desto besser: am Besten an die Menschen im globalen Süden. Das kostet am wenigsten Wähler*innenstimmen.
Wir wünschen allen Coronainifziierten alles gute. Allen Angehörigen von Verstorbenen möchten wir unser Beileid ausdrücken und hoffen, dass ihr auf die Beine kommt. Alle die ihren Job verloren haben, die zu Hause hocken und nicht wissen wo hin mit sich, möchten wir sagen: ihr und wir müssen selbst für unsere Rechte und unser Leben kämpfen. Es gibt solidarische Menschen, Nachbar*innenschaften, Protestbündnisse, unendlich viele kleine Gruppen, die sich organisieren und einander durch den Alltag helfen. Es braucht keine abstrusen Theorien über geheime Weltverschwörungen. Das Problem ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das Problem ist die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Die Zerstörung dieser Erde durch uns selbst. Dagegen zu kämpfen, heißt auch gemeinsam gegen Corona zu stehen, auf uns aufzupassen und zusammen Lösungen zu finden, für die wir keine Regierungen mehr brauchen.
Für ein aufregendes, spannendes, anstrengendes, lustiges, trauriges und herzliches 2021. Wir sehen uns auf der Straße wieder – zum Tanzen, Lachen, Singen, Diskutieren, Quatschen, Helfen, Pflegen, Kümmern, Weinen, Schreien und Kämpfen!
Stollenguerilla für mehr Freude am Handgemenge!