Solidarität mit von der Abschiebung bedrohten Geflüchteten
An die Vertreter*innen aus Presse, Politik und Gesellschaft
Trier, 27. Juni 2017
Pressemitteilung des Multikulturellen Zentrums Trier e.V.
Solidarität mit von der Abschiebung bedrohten Geflüchteten
Das Multikulturelle Zentrum Trier e.V. zeigt sich entsetzt über einen erneuten Fall einer drohenden Abschiebung. Nachdem der Fall der Familie Memedov aus Saarburg große Aufmerksamkeit in Medien und Zivilgesellschaft erregt hatte, liegt nun ein ähnlicher Fall in Bitburg vor. Die fünfköpfige Familie Aljic, die im Asylheim in Bitburg untergebracht ist, soll in ihr Heimatland Bosnien abgeschoben werden.
In Bosnien ist Antiziganismus, also die Diskriminierung von Sinti* und Roma*, weit verbreitet. Weil sie der Minderheit der Roma angehören, wurden die Aljics mehrfach Opfer von Brandanschlägen. Beim ersten starb der Großvater, beim dritten kam die Cousine ums Leben. Die Diskriminierung betrifft auch das alltägliche Leben: Als Roma werden ihnen grundsätzlich Arbeitsstellen verweigert, geht die Familie dann auf eigene Faust umher, um sich mit Schrottsammeln über Wasser zu halten, werden sie von der Polizei daran gehindert. Die Polizei hat sie schon mehrmals auf die Dienststelle mitgenommen und pauschal des Diebstahls beschuldigt, auch versucht Geständnisse aus ihnen herauszuprügeln. Für eine ärztliche Behandlung müssen Roma in Bosnien Ärzt*innen häufig mit hohen Geldbeträgen schmieren.
Gesundheitliche Verfassung ist desaströs
Die Mutter der Familie ist alleinerziehend, sie muss ihre fünf Kinder alleine durchbringen. Die siebenjährige Tochter der Familie hat Diabetes. Ihre Behandlung in Bosnien ist vom Geld abhängig – Geld, das die Familie nicht aufbringen kann. Durch die vielfachen Anfeindungen und Bedrohungen, die Anschläge und die Flucht sind alle Familienangehörige schwer traumatisiert.
Familie könnte zerrissen werden
Der älteste Sohn der Familie ist gerade achtzehn, deshalb läuft das Asylverfahren für ihn getrennt vom Rest der Familie ab. Möglich ist also auch, dass er zurück nach Bosnien muss, während der Rest der Familie bleiben darf. Aktuell ist dieses Szenario jedoch noch fern, da beide Asylverfahren negativ entschieden wurden. Gerade läuft die Klagefrist, die Familie such noch nach einem Anwalt*, der sie vertritt. Die Schwierigkeit besteht darin, die Bedrohungslage im Heimatland sowie die gesundheitliche Situation nachzuweisen. Deshalb werden auch Belege für die Vorfälle in Bosnien, zum Beispiel Zeitungsberichte, benötigt. Für die Feststellung der gesundheitlichen Probleme werden Mediziner*innen gesucht, die ein Gutachten ausstellen. Als Asylsuchende hat die Familie Aljic keine Gesundheitskarte.
Enttäuschung über das grüne Integrationsministerium
Aktivist*innen zeigen sich erneut entsetzt von der inhumanen Praxis der Behörden, Schutzsuchenden die Abschiebung anzudrohen: „In unserer täglichen Arbeit stellen wir fest, das aktuell besonders viele Geflüchtete an uns herantreten, weil eine Abschiebung droht. Der Integrationsministerin fällt nur ein, eine sogenannte Taskforce für Abschiebungen einzusetzen: Zwar sollen auch widerrechtliche Abschiebungen konsequenter verhindert werden, aber zum Großteil wird diese Einheit der Behörde dafür zuständig sein, mehr Abschiebungen zu ermöglichen. Auch hier wird sich auf die Seite der Menschen geschlagen, die Geflüchtete als Belastung oder Gefahr empfinden, statt humanistische Grundsätze zu wahren.“
Forderungen
Das Multikulturelle Zentrum Trier fordert den sofortigen Stopp der aktuellen Abschiebepraxis – in Rheinland-Pfalz und überall: „Für Familie Aljic fordern wir eine erneute Eröffnung des Asylverfahrens. Unsere Forderungen richten sich in ersten Linie an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, an die Rheinland-Pfälzische Landesregierung, vor allem an das Integrationsministerium, an die Bundesregierung und das -innenministerium. Die kommunale Politik soll sich mehr für Teilhabe von Geflüchteten engagieren. Polizist*innen und Pilot*innen sollen ihre Rolle im Prozess der Abschiebung kritisch hinterfragen. An die sympathisierende Öffentlichkeit richten wir uns mit dem Appell, weiter aktiv gegen Abschiebungen zu bleiben. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Menschen, die bei uns Schutz suchen, in Elend und Tod abgeschoben werden. Wir werden in diesem Fall, genau wie im Fall der Memedovs auch politische Aktionen, wie Demonstrationen, folgen lassen. Bei Nachfragen und für Interviews stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“
* Das Sternchen im Text dient als Bekenntnis zu geschlechtergerechter Sprache.
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