Analyse zum Naziangriff in Duisburg am 6.12.2020 - Solidarische Ergänzung zum Bericht des OAT

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Am 6.12.2020 kam es im Vorfeld einer "Querdenken"-Demonstration in Düsseldorf zu einem der größten koordinierten Naziangriffe auf Antifaschist:innen im Ruhrgebiet seit Jahren.

 

 

Das Offene Antifa Treffen Duisburg, das den angegriffenen Treffpunkt organisiert und zuerst veröffentlicht hatte, schildert die Vorgänge wie folgt:

 

"Zum 6.12.20 organisierte (u.a.) das ‚Offene Antifaschistische Treffen Duisburg‘ eine gemeinsame Anreise nach Düsseldorf, um am angemeldeten Gegenprotest von ‚Düsseldorf stellt sich quer'(DSSQ) teilzunehmen. Hierfür trafen sich einige Aktive gegen 11:30 Uhr am Duisburger Hbf.

 

Aus vorheriger Berichterstattung ging bereits hervor, dass parallel Gruppen Rechtsextremer bis hin zu Rechtsterroristen aus dem Spektrum Combat 18, Der Dritte Weg, Die Rechte, diverse Hooligans und rechte Bruderschaften zur Querdenker-Demonstration nach Düsseldorf mobilisierten. So trafen sich ab etwa 11:15 Uhr auch Neonazis und Hools am Duisburger Hbf. Eine größere Gruppe sammelte sich zunächst am Osteingang, eine andere vor dem Haupteingang Richtung Innenstadt. Um 11:35 schlossen sie sich im Haupteingangsbereich zusammen, um als Großgruppe von ca.40-60 Neonazis einen gezielten Angriff auf die antifaschistische Anreisegruppe auf dem Portsmouthplatz auszuüben.

 

Es stürmten also etwa 40 Nazis vermummt und teilweise bewaffnet mit Quarzhandschuhen und Glasflaschen direkt auf die AntifaschistInnen vor dem Haupteingang zu. Gleich zu Beginn des Angriffs wurde eine Person im Gesicht verletzt. Um sich, unorganisiertere Anreisemitglieder und PassantInnen in Sicherheit zu bringen, mussten die AntifaschistInnen sich zurückziehen. Sie wurden für einige Zeit von der Neonazigruppe verfolgt und mit Glasflaschen beworfen. Doch dank der korrekten, zügigen Einschätzung der Lage durch die AntifaschistInnen und der schnellen Flucht wurde bei diesem Überfall niemand schwer verletzt. Kurz darauf traf die Polizei ein und setzte die Angreifer hinter dem UCI Kino mit lediglich 3-5 Einsatzkräften kurzzeitig fest. Nach etwa 30 Minuten durften die Neonazis in Begleitung der wenigen PolizistInnen dennoch weiter Richtung U-Bahn und letztendlich nach Düsseldorf ziehen. Ob und welche polizeilichen Maßnahmen durchgeführt wurden, ist uns nicht bekannt. Wir gehen bisher davon aus, dass weder Personalien festgestellt, noch Anzeigen erstattet wurden." (Voller Artikel: https://de.indymedia.org/node/124286)

 

Diesem weitgehend korrekten Bericht des Vorfalls möchten wir noch einige Details hinzufügen:

 

Wir teilen die Einschätzung des OAT nicht uneingeschränkt, dass sich die beiden Gruppen der Nazis im Haupteingangsbereich zusammenschlossen, um uns anzugreifen. Wir sind uns sicher, die Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt aus dem Bahnhofsinneren kam war die Anreise aus Dortmund. Noch vor Ort wurde Schmiemann erkannt, außerdem trugen manche der neuen Gruppe BVB-Mundnasenbedeckungen. Die Dortmunder Gruppe fuhr um 10:42 von Gleis 26 in Dortmund los und kam laut Fahrplan um 11:22 Uhr in Duisburg an. Inwieweit sich Nazis vom Treffpunkt Osteingang dem Angriff angeschlossen haben mögen, lässt sich aus unserer Perspektive natürlich nicht mehr rekonstruieren. Der Angriff erfolgte unmittelbar nach der Ankunft der Gruppe aus Dortmund. Das war unserer Einschätzung nach mindestens spontan abgesprochen - und viel deutet darauf hin, dass es bereits im Vorfeld geplant war. Dafür sprechen einige Indizien:

  1. gab es im Vorfeld, wenige Stunden vor dem Angriff, Drohungen auf Social Media, die behaupteten, die Antifaschist:innen würden "schon in Duisburg fallen".
  2. zeigte die wartende Gruppe vor dem Hauptbahnhof keinerlei rechte Symbolik, weder Flaggen noch einschlägige Marken, sie verhielten sich zurückhaltend, vermieden Blickkontakt und ignorierten die Antifaschist*innen. Die Gruppe wuchs durch dazukommende Kleingruppen und Einzelpersonen. 
  3. war unmittelbar vor der Ankunft der Dortmunder Reisegruppe bei der wartenden Gruppe Erregung und Vorfreude deutlich. Nach der Ankunft verging höchstens eine Minute, bevor die Hools auf ein Kommando hin gemeinsam angriffen.
  4. sind die Dortmunder in Duisburg ausgestiegen, statt die Duisburger zugestiegen. Das spricht unseres Erachtens eine klare Sprache.

 

Als die Antifaschist*innen verfolgt wurden, hielten zwei Nazis die Stellung, auch als die angreifende Gruppe unverrichteter Dinge wieder zum Haupteingang zurück kam und sich in den Bahnhof zurückzog, blieben die beiden Scouts vor dem Bahnhof stehen. Auch nachdem die antifaschtische Anreise mit Verspätung nach Düsseldorf aufgebrochen war, wurden noch Nazis im Bahnhof gesichtet.

 

Nachdem die Angreifer:innen nur teilweise gekesselt und nach kurzer Zeit von der Polizei zu den U-Bahnen nach Düsseldorf eskortiert wurden, ist uns leider nicht eindeutig klar, ob die Abreise geschlossen erfolgte - viel spricht dafür, dass mindestens zwei verschiedene Teilgruppen nach Düsseldorf weitergefahren sind. Aber auch Autos, die Neonazis zugeordnet werden konnten, waren weg. Das macht eine genaue Eingrenzung der Angreifer*innen aus der Masse der Hooligans wie sie später in Düsseldorf auf den Rheinwiesen auflief, schwierig. Da eines der Auto ein Magdeburger Kennzeichen hatte, Kölner Neonazis am Bahnhof Duisburg identifziert werden konnten und die Anreisetreffpunkte klandestin kommuniziert wurden, lässt sich auch nicht unbedingt aus der Herkunftsstadt eines Nazis auf eine (Nicht-)Beteiligung an dem Angriff schließen.

 

 

 

 

Es bleiben mehrere Erkenntnisse:

  1. wir alle haben die Mobilisierung und Militanz der Nazis unterschätzt und müssen in Zukunft besser vorbereitet sein. Dies gilt natürlich besonders für Strukturen, die einen öffentlichen Treffpunkt publizieren!
  2. auch mit breiter klandestiner Mobilisierung ist HoGeSa und das militante Nazispektrum weit von ehemaliger Stärke entfernt und der Tag war alles in allem kein Erfolg für sie, auch wenn es sie vorübergehend beflügelt haben mag sich im Pulk stark zu fühlen. Und daraus folgt:
  3. es ist wichtig, diesen Angriff nicht unbeantwortet zu lassen. Wir begrüßen das Outing des Nazis Daniel Voit (https://de.indymedia.org/node/123104) und wünschen uns, dass dem noch weitere Aktionen folgen mögen. Nazi sein heißt - nach so einer Aktion umso mehr - Probleme zu kriegen. Unterstützt uns mit Recherchen, Informationen und vor allem Aktionen!
  4. Wir haben die Polizei nicht gerufen, da wir die Polizei niemals als Verbündete sehen und wissen, dass sie sowohl für uns als auch unsere Freund:innen und Nachbar:innen oft eher eine Bedrohung als ein Versprechen von Sicherheit darstellen. Wir erwarten uns keine Hilfe von ihnen. Dennoch - oder genau deswegen - sollte die Frage gestellt werden, ob die Polizei Duisburg diese massive Mobilisierung wirklich nicht im Blick hatte und warum weder im Vorfeld noch während des gesamten Angriffs weit und breit keine Beamt:innen zu sehen waren, obwohl mehrere Wannen der Bundespolizei einen Steinwurf weit entfernt geparkt waren... 

 

Abschließend hoffen wir, dass niemand der vom Angriff betroffenen Personen alleine gelassen wird. Auch wenn es kaum zu körperlichen Verletzungen kam, war es eine stressige und potentiell belastende Situation und gerade für junge Genoss:innen war es möglichlerweise die erste Gewalterfahrung mit Nazis. Emotionale erste Hilfe und Nachsorge ist genauso wichtig wie körperlicher Selbstschutz, wenn es darum geht nachhaltig antifaschistisch aktiv zu sein und zu bleiben. Passt aufeinander auf, bildet Bezugsgruppen, organisiert euch, seid solidarisch, werdet aktiv!

Schulter an Schulter gegen den Faschismus!

 

 

 

 

 

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