Eine Antwort aus dem Dannenröder Wald an die Grünen

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Die Grünen stellen sich in einer neuen Pressemitteilung hinter die Polizeigewalt im Dannenröder Wald, kriminalisieren die Aktivist*innen und betreiben Täter-Opfer-Umkehr. Dezentrale Soliaktionen nach eurem persönlichen Geschmack wären sehr willkommen.

Gestern hat die so genannte Grüne Partei ein Pressestatement von Katy Walther veröffentlicht, in dem sie sich besorgt zeigt über die Zuspitzung der Situation im Dannenröder Forst. An der Oberfläche bemüht sich Walther um einen scheinbar neutralen Ton, aber inhaltlich ist der gesamte Text eine Kampfansage gegen jeden Protest, der den Grünen nicht in den Kram passt.

 

Bei der Räumung und Rodung im Dannenröder Wald werden täglich Menschenleben gefährdet. Die Polizei ignoriert die lautstarken Warnungen der Besetzer*innen, wenn sie Seile durchschneidet, an denen Menschen gesichert sind. Sie lachen die Aktivist*innen teilweise aus, behaupten, wir bringen uns selber in Gefahr – dabei ist offensichtlich, dass die Gefahr immer erst mit den Kettensägen und Uniformen im Wald ankommt. Vorgestern wurde ein Besetzer auf dem Dach eines Baumhauses über 20 Minuten gefoltert – und der Polizist sagte sinngemäß, „Ich kann hier alles mit dir machen, denn es sind keine Kameras in der Nähe.“

 

Es ist widerlich, dass der Schwerpunkt der Kritik von Walther dabei auf den deutlicheren Protestformen liegt. Zu keinem Zeitpunkt war in diesem Einsatz das Leben eines Polizisten gefährdet – aber kein Mensch hat einen Überblick, wie viele Aktivist*innen nur durch ihre eigenen schnellen Reaktionen und schieres Glück ohne einen schweren Unfall davon gekommen sind.

 

Ja, viele im Wald hassen die Polizei – aber dieser Hass ist gewachsen, er hat seine Gründe und er wird von der Polizei jeden Tag genährt. Jeden Tag befolgen die Beamten ihre Befehle, potentielle Zeugen für die unsäglichen Räumungsmethoden weit fern zu halten, und dabei gehen sie mit unverhältnismäßiger Gewalt vor. Jeden Tag schauen sie weg, wenn ihre Kollegen sich menschenverachtend verhalten. Und eines darf nicht vergessen werden: Menschenverachtende Äußerungen und Verhaltensweisen haben einen ganz anderen Kontext, wenn die sprechende Person eine Waffe am Gürtel hat und die beleidigte Person gefesselt ist.

 

 

 

 

Die Behauptung, die letzten Wochen hätten gezeigt, „dass friedliche Proteste gegen den Autobahnbau als selbstverständlicher Bestandteil einer Demokratie möglich sind“ ist vor diesen Realitäten blanker Hohn. Mit großer Regelmäßigkeit wurden friedliche Demonstrationen zusammen geschlagen und ganze Busladungen von Aktivist*innen ohne jeden Vorwurf verhaftet.

 

Walther tut sich schwer mit dem Unstand, dass die einzige tatsächliche Gewalt, die einzigen tatsächlichen Verletzungen, von der Polizei ausgingen und Aktivist*innen trafen.

 

Sie windet sich und findet ihre Interpretation in einer unerträglichen Täter-Opfer-Umkehr: „Die Unfälle in den vergangenen Tagen sind auch eine Folge der Eskalation im Wald. Der Stress und die Belastung durch härter geführte Auseinandersetzungen nimmt zu.“

 

Die armen Beamten und Waldarbeiter sind ja so gestresst, weil wir schlimmen Menschen sie mit ihrem Gewissen konfrontieren. Da müssen wir ja auch schonmal mit der ein oder anderen lebensgefährlichen Situation rechnen.

 

 

Ähnlich grotesk ist ihre Lesart zu den Hintergründen des Unfalls vom Sonntag, bei dem durch die Fahrlässigkeit eines Beamten ein Mensch aus ca. 4 Metern abstürzte und sich zwei Wirbel brach:

 

„Ermittlungen zu Unfallursachen müssen unvoreingenommen möglich sein und werden gewissenhaft geführt. Das haben die Untersuchungen zur Absturzursache eines Menschen von einem Tripod gezeigt, der – nach derzeitigem Erkenntnisstand – von einem Polizeibeamten mitverursacht sein könnte. Das wurde klar und eindeutig benannt. Ein Verfahren ist eingeleitet.“

 

Die Tatsachen sind: Es war niemand anders als die Polizei in der Nähe des Seils, als es durch geschnitten wurde. Damit, und vor dem Hintergrund der gesamten Räumung, war nie etwas unvoreingenommenes daran, die Polizei zu verdächtigen.

 

Den ganzen Tag hat die Polizei-Pressestelle stur behauptet, glasklar zu wissen, dass es definitiv keine Einwirkung seitens der Beamten gab – was sie offensichtlich gar nicht wissen konnte. Soviel zu den vielfältigen deeskalativen Kommunkationsmaßnahmen, die Walther an andere Stelle lobt.

 

Erst am nächsten Tag hat der schuldige Beamte gestanden, das Seil durchgeschnitten zu haben. Bravo, ein Polizist mit Gewissen. Die Polizei konnte dann nicht anders, als das richtig zu stellen und ein Verfahren einzuleiten.

 

Aber Walther erdreistet sich noch, es so darzustellen, dass der Absturz ausdrücklich „nach derzeitigem Erkenntnisstand (!) von einem Polizeibeamten mit(!)verursacht sein könnte (!)“. Es ist doch unfassbar. Der Mann hat ein Geständnis abgelegt! Hören sie auf, „im Zweifel für den Angeklagten“ zu predigen!

 

Und im nächsten Satz behauptet sie: „Gleichzeitig bleibt richtig, dass die Polizei in zahlreichen vergleichbaren Situationen umsichtig und vorsichtig agiert hat.“

 

Das ist erstens argumentativ widerlich und zweitens inhaltlich falsch. Argumentativ sagt Walther: In vielen Situationen hat die Polizei Seile nicht durchgeschnitten, an denen Menschen hingen. Und das bei der Räumung einer Waldbesetzung – wo das zentrale Konzept ist, dass wir an Seilen im Weg hängen, um die Rodung aufzuhalten. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Polizei bei so einer Räumung vorsichtig agieren muss – keine lobenswerte Leistung.

 

Inhaltlich stimmt viel eher die Aussage: Es bleibt richtig, dass die Polizei in zahlreichen vergleichbaren Situationen genau so fahrlässig und lebensgefährlich agiert hat – es kam nur bisher nicht zu schweren Unfällen, durch das Glück und die Reaktionsschnelle der Aktivist*innen. Und es gab kein brauchbares Videomaterial von den Aktionen, weil die Polizei systematisch und wirksam das Demonstrationsrecht und die Pressefreiheit einschränkt.

 

 

Katy Walther hat ihre Seite gewählt. Sie entscheidet sich gegen die Solidarität mit den Schwächeren, gegen die außerparlamentarische Bewegung, und dagegen, selbstkritisch da hinzuschauen, wo es wehtut. Sie behauptet, zur Deeskalation aufzurufen, aber gleichzeitig rechtfertigt sie die massive Polizeigewalt, verdreht die Tatsachen und diffamiert die Aktivist*innen als den Motor der Eskalation.

 

Mit dieser schlecht verbrämten Hassschrift verschärft Walther die Spaltung zwischen der ehemals „Grünen Partei“ und der Umweltschutzbewegung, aus der sie hervorgegangen ist. Damit hat die Partei nicht mehr nur ihre ökologischen Grundsätze verraten, sondern macht sich zum aktiven Fürsprecher von brutaler und menschenverachtender Polizeigewalt gegen die ökologische Protestbewegung. Wenn Walther und ihre Partei es nicht schaffen, sich von diesem unsäglichen Dokument zu distanzieren und sich bei den vielen Opfern der Gewalt im Dannenröder Wald für diese unsägliche Beleidigung zu entschuldigen, dann ist das der Sargnagel für ihr eigenes Gewissen. Und dann ist diese Partei endgültig nicht mehr wählbar.

 

 

 


 

 

Wenn ihr euch eine eigene Meinung dazu bilden wollt, lest gern Katy Walthers Pressemitteilung im Volltext. Teilt ihr gern auch eure Meinung mit. Gerne oft. Und gerne auch allen anderen Telefonnummern und email-Adressen, die ihr auf der Grünen-Seite findet. Vielleicht kann Frau Walther euch auch (falls nötig) an die richtige Stelle für eure Parteiaustrittserklärungen verweisen.

 

gruene-hessen.de/landtag/pressemitteilungen/situation-im-dannenr/

 

 

 

 

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