Zweite Welle oder Dauerwelle?
Mit einer Politik der Angst werden Freiheitsrechte eingeschränkt, die Linke spielt bislang weitgehend mit
Mit einer Politik der Angst werden Freiheitsrechte eingeschränkt, die Linke spielt bislang weitgehend mit
Die Coronawelle prägt bereits wieder den Alltag in vielen Ländern. So sorgt die kürzlich eingeführte Corona-Sperrstunde in Berlin für Verärgerung bei Kneipiers, aber auch beim Publikum. Der Senat hat beschlossen:
Private Veranstaltungen und private Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit mehr als zehn Personen sind verboten.
Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes sind in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages zu schließen.
Verkaufsstellen im Sinne des Berliner Ladenöffnungsgesetzes sind in dieser Zeit zu schließen, Tankstellen dürfen während dieser Zeit Ersatzteile für Kraftfahrzeuge, soweit dies für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft notwendig ist, sowie Betriebsstoffe anbietenBerliner Senat
Viele erinnert das Szenario an die Situation Mitte März, als innerhalb weniger Tage das gesamte öffentliche Leben stillgelegt wurde. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied. Das wirtschaftliche Leben wird anders als vor 7 Monaten nicht stillgelegt. So wurde, während die Coronafallzahlen steigen, die seit Jahren größte Zwangsräumung gegen die Bewohnerinnen der Liebigstraße 34 durchgeführt. Anders als im März werden auch Arbeitskämpfe nicht mehr aus Angst vor Corona abgesagt, wie der Streik im Öffentlichen Nahverkehr in Berlin und anderen Bundesländern zeigt. Was sich auch geändert hat, ist die Bereitschaft von Betroffenen, die Einschränkungen nicht einfach hinzunehmen.
Juristisch gegen Corona-Sperrstunde
Gaststättenbetreiber in Berlin wollen juristisch gegen die Sperrstunde vorgehen. Sie haben Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Aussichtslos ist die Klage nicht. In letzter Zeit wurde in vielen Bundesländern, aber auch in Spanien Notstandsmaßnahmen in Zeichen von Corona gekippt, weil sie die Freiheit der Bevölkerung unverhältnismäßig einschränken.
Auch in Spanien haben sich fatalerweise die Rechten als Verteidiger von Freiheitsrechten gegen eine linksreformerische Regierung profilieren können, wie so oft in den letzten Monaten auch in anderen Ländern. Als Antwort auf die juristische Niederlage hat die spanische Regierung jetzt den Notstand über Madrid ausgerufen, um die vom Gericht gekippten Maßnahmen doch noch durchzusetzen.
In Deutschland haben in letzten Monaten Gerichte manche Corona-Einschränkungen für unverhältnismäßig erklärt. Es wäre zu wünschen, dass auch der Flickenteppich an Corona-Einschränkungen, der dazu führt, dass Bewohner von verschiedenen Berliner Stadtteilen in manchen anderen Bundesländern nicht beherbergt werden, juristisch überprüft wird. Denn die Durchsetzung der Maßnahmen funktioniert nur über die Logik der Angst.
Deswegen wurden ja im Frühjahr 2020 Schwerkranke in Kliniken zu einem Medienereignis der Weltpresse. Es ging nicht darum zu skandalisieren, dass Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben müssen, und es wurde nicht medizinische Behandlung für alle, die sie brauchen, gefordert. Sondern es ging um eine Politik der Angst zur Durchsetzung von Gesundheitsmaßnahmen, die der US-Psychologe Steven Taylor in dem Buch "Die Pandemie als psychologische Herausforderung" als häufiges Mittel der Gesundheitspolitik benennt. Es ist unverständlich, dass selbst staatskritische Linke wie Thomas Ebermann diese Fakten nicht wirklich thematisieren. Er hat sie in einem Vortrag in München nur kurz andeutet. Dass Staatsapparate Angst machen, um besser durchregieren zu können, scheint auch bei Kritikern autoritärer Staatlichkeit zu greifen.
"Mit weniger Freiheitsrechten wird Staatsversagen bezahlt"
Die Politik der Angst hat auch dazu geführt, dass eine Studie die die Juristin Halina Wawzyniak und des Linken-Politikers Udo Wolf, die bereits im April 2020 für die Rosa Luxemburg Stiftung unter dem Titel "Mit weniger Freiheitsrechten wird staatliches Versagen bezahlt" kaum bekannt ist.
Gleich im Vorwort schreiben die beiden Verfasser der Studie:
In allen Bundesländern gibt es Rechtsverordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus, das Bundesinfektionsschutzgesetz wurde geändert. Bestandteil der Rechtsverordnungen sind Einschränkungen der Freiheitsrechte von Einwohner*innen: Das Demonstrationsrecht, die Religionsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit. Alle Rechtsverordnungen schreiben vor, mit wem sich Menschen außerhalb ihrer Wohnung treffen und an vielen Stellen sogar, unter welchen Bedingungen sie überhaupt ihre Wohnung verlassen dürfen.
Nirgendwo gibt es den Versuch, mit staatlichen Ordnungsmaßnahmen und unter Verweis auf das Grundgesetz die Produktion von dringend nötiger Schutzausrüstung (PSA) in die eigene Hand zu nehmen. Das dürfte kein Zufall sein, sondern bewegt sich in der Logik des Kampfes gegen das Corona-Virus. Nach dieser bezahlen Einwohner*innen mit der Einschränkung ihrer Freiheitsrechte für die Vernachlässigung des Staates bei der Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Diese Logik bei der Bekämpfung des Corona-Virus könnte sich bedauerlicherweise festsetzen.
Halina Wawzyniak und Udo Wolf
Die beiden Autoren sprechen sich durchaus für bestimmte Einschränkungen aus Gesundheitsgründen aus, erinnern auch manche linken Notstandsbefürworter an einige linke Basics:
Linke Politik, die aus der Geschichte gelernt hat, darf Freiheitsrechte nicht gering schätzen. Freiheitsrechte zu verteidigen, gehört zur DNA linker, emanzipatorischer Politik - weil sie Grundlage für eine Gesellschaft sind, in der die freie Entwicklung des Einzelnen Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist. Ohne Freiheitsrechte lässt sich gesellschaftlicher Fortschritt nicht erstreiten und auch keine sozial gerechte Politik.
Halina Wawzyniak und Udo Wolf
Es ist bezeichnend, dass die Studie auch bei der Linken wenig erwähnt wird. Vielleicht weil dort einige Spitzenpolitikerin wie Katja Kipping die Maßnahmen noch verschärfen wollen? Dabei hätte eine Linke, die Freiheitsrechte und Gesundheit für Alle verbunden hätte, vielleicht verhindert, dass die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen bald von rechts vereinnahmt wurden. Man hatte stellenweise auch in linken Kreisen den Eindruck, dass man schon zum Coronaleugner gestempelt wird, wenn man die Einschränkung von Freiheitsrechten beklagte.
Dass da Deutschland wieder einmal besonders autoritär regierte, zeigt sich daran, dass es in Holland noch heute eine Ministerin gibt, die die Einführung einer Maskenpflicht als grundrechtswidrig bezeichnet. In Deutschland wäre das wohl kaum denkbar. Wie stark die Angst vor Corona auch staatskritische Linke lähmt, zeigt sich daran, dass es kaum Reaktionen auf die Löschung anarchistischer und staatskritischer Webseiten und Autoren im Windschatten der Corona-Krise gibt. In Deutschland hat anders als in den USA diese Zensur kaum Aufmerksamkeit erregt.
Die Politik der Angst wirkt und genau hier liegt das Problem. Wenn man eine autoritäre Politik der Staatsapparate als notwendig ansieht und sogar selber vehement verteidigt, ist das der größte Erfolg der Staatsapparate. Das Reden von der zweiten Corona-Welle ist irreführend. Es handelt sich um eine Dauerwelle, die wir nur dann eindämmen können, wenn wir die Angst überwinden und endlich fordern, was gegen Krankheiten wirklich hilft: ein Gesundheitssystem, das dafür sorgt, dass auch dann, wenn sich die berüchtigte Herdenimmunität bei Corona durchsetzen sollte, so wenige Menschen wie möglich sterben müssen.
Der Autor hat gemeinsam mit Clemens Heni und Gerald Grüneklee das Buch "Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik" herausgegeben.
(Peter Nowak)
Ergänzungen
Keine Frage des Mutes
So oft, wie in dem Artikel von "Angst" und "Politik der Angst" die Rede ist, stellt sich die Frage: Was ist damit genau gemeint? Wird mut- und böswillig vor etwas Angst gemacht, das eigentlich ziemlich ungefährlich ist? Oder besteht tatsächlich eine Gefahr?
Wenn es am Ende des Artikels heißt, "ein Gesundheitssystem, das dafür sorgt, dass ..., so wenige Menschen wie möglich sterben müssen", dann scheint der Autor zuzugestehen, dass es durchaus ein Sterberisiko gibt.
Weiter oben heißt es in dem Artikel: "Es ging nicht darum zu skandalisieren, dass Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben müssen, und es wurde nicht medizinische Behandlung für alle, die sie brauchen, gefordert."
Zwar ist den Forderungen nach einem gut gestatteten Gesundheitssysten und höheren Löhnen für GesundheitsarbeiterInnen zuzustimmen.
Aber es gibt auch jetzt keine sicher wirkenden Medikamente. Es gibt bisher nur Medikamente, die das Sterberisiko senken. Welche das sind, musste zunächst einmal ausprobiert werden. Im Krankenhaus zu liegen und die etwaigen Nebenwirkungen von Medikamenten sind auch kein Vergnügen. Außerdem behielten einige PatientInnen bleibende Schäden von ihrer Erkrankung zurück.
Das heißt: Jene Forderungen sind zwar richtig, aber nicht ausreichend.
Hinzukommt: Ein Land kann - wie die BRD - ein relativ gut ausgestattetes Gesundheits- und insbesondere Intensivmedizinsystem haben, und es hat dann ein Polster von ein paar Wochen gegenüber Ländern, die geringere ökonomische Möglichkeiten haben oder noch stärker neoliberalisiert sind.
Der Autor spricht "die berüchtigte Herdenimmunität" an. Unklar bleibt, ob er sie für anzustreben hält oder ob sie für ihn nur ein Gedankenexperiment ist.
Klar ist jedenfalls: Bisher gibt es in der BRD knapp 10.000 Covid 19-Todesfälle. Darunter dürften - anders als in Spanien, Italien, Frankreich, UK und den USA - sehr wenige sein, die gestorben sind, weil sei eine zum jeweiligen Zeitpunkt bekannte und mögliche Behandlung (aus Kostengründen oder wegen Überforderung des Gesundheitssystems) nicht erhielten.
Außerdem gab es in der BRD bisher gut 300.000 bestätigte Infektionen und es gibt gut 80 Millionen EinwohnerInnen. Das heißt: 3 Millionen bestätigte Infektionen würde 100.000 Todesfälle und 30 Mio. bestätigte Infektionen würden 1 Mio. Todesfälle sowie entsprechend mehr Krankenhaus-PatientInnen bedeuten. Selbst wenn es gelängte, das Sterberisiko auf 1/10 des bisherigen Werte zu drücken (was kurzfristig unmöglich sein dürfte), würden 30 Mio. bestätigte Infektionen 100.000 Todesfälle und entsprechend mehr Krankenhaus-PatientInnen bedeuten.
Hinzukommt: Um das Sterberisiko bei stark ansteigenden Infektionszahlen auf dem bisherigen Niveau zu halten oder sogar zu senken, müssten ganz schön viele zusätzliche Krankenhäuser gebaut, ÄrztInnen und PflegerInnen ausgebildet werden - was alles Zeit benötigt.
Das heißt: Krankheitsprävention ist durchaus keine irrtionale Angshasigkeit und keine - einem bösartigen politischen Kalkül folgende - Strategie, sondern vernünftig. - Genauso wie Arbeitsschutz und Emmissionsschutz vernünftig sind und es nicht sinnvoll wäre, erst / bloß die Opfer von Unfällen und Emissionen zu behandeln, aber auf Gefahrenreduzierung zu verzichten
Madrid
Die konsevative Madrider Stadt- und Regionalregierung verteidigt nicht Freiheitsrechte, sondern stellt wirtschaftliche Interesse über Gesundheitsschutz: "Die spanische Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez wolle mit den Maßnahmen Madrid 'zerstören'. Wie auch der konservative Bürgermeister von Madrid fürchtet sie [die Regionalregierung], dass ein zweiter Lockdown in diesem Jahr der Wirtschaft der spanischen Hauptstadt den Todesstoß versetzen könnte, worunter auch der Rest des Landes stark leiden würde." (https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/corona-lockdown-in-madrid-ab... vom 04.10.2020)
"Seit Wochen erinnert die Lage in Spaniens Hauptstadt immer stärker an das Frühjahr und weckt traumatische Erinnerungen. In den vergangenen sieben Tagen wurden fast 16.000 Neuinfektionen registriert. Das sind 234 Fälle pro 100.000 Einwohner – in einigen Vierteln sind es jedoch fast drei Mal so viele. In den Krankenhäusern liegen mehr als 3500 Covid-Patienten, mehr als 500 in den Intensivstationen. Zum Vergleich: In Berlin zählt man derzeit 37 Neuinfektionen (pro 100.000). Aber in Deutschland greifen schon ab 35 Fällen strengere Regeln. Dieser Grenzwert ist in ganz Spanien schon seit August überschritten, ohne dass viel geschah. Die spanischen Infektionszahlen sind zehn Mal so hoch wie in Deutschland." (ebd.)
In Berlin hat zurzeit 159 Covid19-Krankenhaus-PatientInnen, davon 40 IntensivpatientInnen unterschiedlicher Art (https://www.berlin.de/corona/lagebericht/)
In den letzten 7 Tagen hatte Berlin 2.192 Neuinfektionen (ebd.).
Madrid hat also - im Vergleich mit Berlin - nicht nur ein Mehrfaches an Neuinfektionen, sondern auch mehr bereits krankenhaus-bedürftige PatientInnen und mehr intensivbedürtige Menschen (im Verhältnis zur Zahl der Neuninfektionen) - der Anteil der schweren Verläufe ist also höher. Allerdings ist der Anteil der IntensivpatientInnen unter den KrankhauspatientInnen geringer als in Berlin. - Das dürfte auf Kapazitätsengpässen auf den Madrider Intensivstationen hinweisen.
Dies unterstreicht die Richtigkeit der generellen Forderung des obenstehenden Artikels nach besserer Ausstattung des Gesundheitswesen; aber es unterstreicht auch, dass es sehr wohl eine erhebliche Gefahr für Madrider Bevölkerung gibt und dass kein Grund besteht mit der Position der dortigen konservativen Regional- und Stadtregierung zu sympathisieren - zumal diese durchaus selektive Maßnahmen ergreift, aber vorrangig zulasten der ärmeren Viertel ("Es trifft vor allem die ärmeren Viertel im Süden von Madrid, in denen überwiegend Arbeiter und Einwanderer wohnen. Die konservative Regionalregierung spricht von 'selektiven' Ausgangsbeschränkungen, sie seien nötig, um einen härteren Lockdown für die Hauptstadtregion mit 6,7 Millionen Einwohnern zu verhindern, die mehr als ein Drittel aller Corona-Fälle Spaniens registriert." - https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/corona-in-spanien-demos-gege... vom 20.09.2020).
Wenn an der Position der Zentralregierung etwas zu kritisieren ist, dann, dass sie nicht auch die Unis und einen erheblichen Teil Fabriken und Büros schließt (vgl. noch einmal den o.g. FAZ-Artikel: "Nur wer nachweisen kann, dass er zur Arbeit, zur Universität, zum Arzt oder einem unaufschiebbaren Behördenbesuch unterwegs ist, darf sein Viertel verlassen.")
DIESE Kritik ist aber eine ganz andere Kritik, als die These die herrschende Politik sei Angstmacherei.
Bestätigt / unbestätigt
Bestätigte / dokumentierte Infektionen heisst nicht reale Infektionen.
Das sind, ganz logischerweise, zwei unterschiedliche Dinge. DIe realen Infektionen sind unbekannt. So einfach ist das.
Hochrechnungen anhand dieser Dinge zu machen (wenn es xxx BESTÄTIGTE Infektionen gibt, dann gibt es x (bestätigte?) Todesfälle), ist schlicht und einfach Schwachsinn.
Und das behandelt noch nichteinmal die Frage, wie zuverlässig diese Tests der Bestätigung denn sind, oder die Frage "an oder mit". Zumindest so weit sollte doch jeder folgen können, oder?
Was für ein Unsinn!
> Bestätigte / dokumentierte Infektionen heisst nicht reale Infektionen.
Bestätigte Infektionen SIND reale Infektionen, aber erfassen nicht die Dunkelziffer.
Zum Vergleich: Die USA
In dem Kommentar von 12:28 Uhr wurde (zutreffend) angeführt, dass es in der BRD bisher gut 300.000 bestätigte Covid19-Infizierte gab, von denen knapp 10.000 starben - also etwas mehr 3 %.
Außerdem wurde hochgerechnet: "3 Millionen bestätigte Infektionen würde 100.000 Todesfälle und 30 Mio. bestätigte Infektionen würden 1 Mio. Todesfälle ... bedeuten. Selbst wenn es gelängte, das Sterberisiko auf 1/10 des bisherigen Werte zu drücken..., würden 30 Mio. bestätigte Infektionen 100.000 Todesfälle und entsprechend mehr Krankenhaus-PatientInnen bedeuten."
Dagegen wurde um 20:25 Uhr eingewandt:
"Hochrechnungen anhand dieser Dinge zu machen (wenn es xxx BESTÄTIGTE Infektionen gibt, dann gibt es x (bestätigte?) Todesfälle), ist schlicht und einfach Schwachsinn."
Nein,
derartige Hochrechnungen sind kein Schwachsinn - insbesondere, wenn - wie geschehen - berücksichtigt wird, dass mit dem medizinischen Fortschritt die Fallsterblichkeit eventuell nach unten gedrückt werden kann. -
Sehen wir uns zum Vergleich die USA an: 30 Mio. bestätigt Infizierte gibt es auch dort noch nicht; aber weit mehr als 3 Mio. bestätigt Infizierte - nämlich ca. 7,7 Mio., von denen knapp 215.000 gestorben sind. - Also eine zwar etwas niedrigere (ca. 2,8 %), aber sehr ähnliche Fallsterblichkeit wie in der BRD.
Warum die Fallsterblichkeit in den USA (trotz der stärker neoliberalisierten Verhältnisse) etwas niedriger ist als in der BRD, weiß ich nicht - vielleicht, weil (aufgrund der stärker neoliberalisierten Verhältnisse) unter den Todesfällen nicht alle Infizierten erfasst werden / vielleicht, weil während der sommerlichen zweite Welle in den USA die Behandlungsmöglichkeiten und -erfolge bereits etwas besser waren. - Aber halten wir uns einfach an die Fallsterblichkeit von ca. 3 %.
Dies beweist, dass die Hochrechnung von 12:28 Uhr (3 Millionen bestätigte Infektionen entspricht 100.000 Todesfälle) keinesfalls Schwachsinn, sondern in der Größenordnung zutreffend ist.
Dies bestätigen auch die globalen Zahlen: ca. 35 Mio. bestätigt Infizierte, von den rund 1 Mio. starben (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=COVID-19-Pandemie&oldid=20443...) - also eine Fallsterblichkeit von etwas mehr als 2,9 %.
Noch ein Vergleich: Todesfälle pro EinwohnerIn
Wie schon in früheren Kommentaren erwähnt, gab es in der BRD bisher etwas mehr 300.000 bestätigte Covid19-Infizierte und ca. 10.000 Covid19-Todesfälle - bei einer EinwohnerInnenzahl von gut 80 Mio. - genau gerechnet: eine Rate bestätigter Infektionen von 0,4 % und eine Todesrate von 0,01 %.
Wie ebenfalls schon in früheren Kommentaren erwähnt, gab es in den USA bisher rund 7,7 Mio. bestätigte Covid19-Infizierte und knapp 215.000 Covid19-Todesfälle - bei einer EinwohnerInnenzahl von 328 Mio. - genau gerechnet: eine Rate bestätigter Infektionen von 2,3 % und eine Todesrates von mehr als 0,06 %.
Auch dies zeigt:
Eine Versechsfachung der - einwohnerInnen-bezogenen - bestätigten Infektionsrate bedeutet beim gegenwärtigen Stand der Dinge ca. eine Versechsfachung der Rate der Todesfälle --- folglich: eine Verzehnfachung der Rate der bestätigten Infektionen ca. eine Verzehnfachung der Rate der Todesfälle.
Es ist also in der Tat wie in der Ergänzung von gestern 12:28 Uhr gesagt: Ein Unterlassen der Präventionsmaßnahmen würde zu einem schnellen Anstieg der Infektionszahlen und - mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, da PatientInnen nicht gleich nach der Infektion sterben - zu einem schnellen Anstieg der Todeszahlen führen. - Sollen die PatientInnen trotzdem zumindest auf dem bisherigen Niveau versorgt werden (und die Zahl der Todesfälle - wegen medizinischer Unterversorgung - nicht noch zusätzlich [überproportional] steigen), dann "müssten ganz schön viele zusätzliche Krankenhäuser gebaut, ÄrztInnen und PflegerInnen ausgebildet werden".
Die Forderung in dem Artikel nach "ein(em) Gesundheitssystem, das dafür sorgt, dass ..., so wenige Menschen wie möglich sterben müssen" ist richtig;
aber unzureichend, wenn es darum geht zu erreichen, dass möglichst wenig Menschen an Covid19 sterben. Denn (1.) besteht ohnehin keine Heilungsgewissheit und (2.): Ein Ausbau des Gesundheitswesen benötigt Zeit. - Aus beiden Gründen ist Prävention (Infektionsschutz) unabdingbar, um zu erreichen, dass möglichst wenig Menschen sterben - und auch um zu vermeiden, dass Menschen nur wegen der Rücksichtslosigkeit anderer (also: vermeidbar) ins Krankenhaus müssen!
Alles nur Angsthasen?
Obenstehender Artikel wurde in der Okt.-Ausgabe von trend. onlinezeitung gespiegelt; jetzt erschien in der Nov.-Ausgabe eine Replik von mir
Alles nur Angsthasen?
http://trend.infopartisan.net/trd1120/t091120.html / http://trend.infopartisan.net/trd1120/Alles_nur_Angsthasen.pdf