[KN] Kurzbericht: Antifaschistischer Widerstand gegen „Querdenken“ am Bodensee
Mehrere hundert Menschen beteiligten sich am ersten Oktoberwochenende 2020 an Protesten gegen Aktionen der „Querdenken“-Bewegung in und um Konstanz. Aufgerufen hatte, neben anderen AkteurInnen, das deutsch-schweizer „Welcome to paradise“-Bündnis.
Die Querdenker
Am Wochenende rund um densogenannten „Tag der deutschen Einheit“ am 3. Oktober demonstrierten CoronaleugnerInnen, Eso-Freaks und rechte unterschiedlichster Couleur mit einer Menschenkette und mehreren Kundgebungen für ihre vermeintlich verlorengegangenen Freiheiten. Im Gesamten nahmen über 10.000 Menschen an den rechts-offenen aber auch teils wirren Veranstaltungen teil. Eindrücklich war die hohe Beteiligung aus der Schweiz. Auffällig wie zuvor beim „Querdenken“-Publikum war, dass es sich größtenteils um kleinbürgerliche Schichten handelt, hinter deren „verlorenen Freiheiten“ Verlustängste der eigenen Privilegien und die Angst, im Zuge derWirtschaftskrise gesellschaftlich abzurutschen, stehen. Auch in Konstanz waren so erneut antisemitische Verschwörungstheorien von „dunklen Mächten“ Teil des „Querdenken“-Auftritts. „Querdenken“-Kopf Michael Ballweg sprach am 4. Oktober zuerst in Karlsruhe um später in Konstanz eine weitere Großdemo zum Jahresende in Berlin anzukündigen.
Auch wenn die Stadt Konstanz im Vorfeld das Zeigen von Reichskriegsfahnen verboten hatte, nahmen wieder zahlreiche Nazis und andere organisierte Rechte an der Querdenken-Kundgebung teil. So war beispielsweise, wie auch zuvor auf anderen „Querdenken“-Aktionen, das Compact-Magazin mit einem eigenem Stand vertreten. Trotz immer wirrerer Aussagen von Köpfen der „Querdenken“-Bewegung, stellt diese weiterhin eine Plattform dar, auf der offen auftretende Rechte akzeptierter Bestandteil sind und die Veranstaltungen zur Vernetzung nutzen können.
Die Gegenproteste
Bereits am Samstag beteiligten sich etwa 150 Menschen an einer Kundgebung des „Welcome to paradise“-Bündnis in der Konstanzer Innenstadt gegen die parallel stattfindende Menschenkette der „Querdenker“.
Spektrenübergreifend aber klar antikapitalistisch ausgerichtet war dann die Hauptaktion des „Welcome to paradise“-Bündnis, eine Demonstration am Sonntagmittag. Auf der Auftaktkundgebung beleuchteten unterschiedliche Redebeiträge die AkteurInnen der lokalen „Querdenken“-Gruppe und deren Verstrickung in die extreme Rechte. Gleichzeitig wurde auch eine linke Kritik an den aktuellen Zuständen formuliert. Hier knüpfte ein gemeinsamer Redebeitrag verschiedener Antifa-Gruppen aus dem Südwesten an, der als Antwort auf die „Corona-Bewegung“ die Notwendigkeit eines breiten und konsequenten, aber deutlich klassenkämpferischen Antifaschismus in den Vordergrund stellte.
Im Anschluss an die Auftaktkundgebung zogen etwa 400 Menschen aus Deutschland und der Schweiz gemeinsam lautstark durch Konstanz. Die Polizei war mit einem Großaufgebot präsent und begleitete die Demo im Spalier, konnte jedoch nicht verhindern das einige Rauchtöpfe die Stimmung der Demo untermalten.
Der antifaschistische Widerstand suchte sich deswegen im Anschluss an die Demo unterschiedliche Wege. Knapp 150 AntifaschistInnen unternahmen einen Blockadeversuch direkt am Zugang zum Kundgebungsgelände „Klein-Venedig“, wurden dort aber nach kurzer Zeit von der Polizei mit Pfefferspray, Knüppeln und Pferden angegriffen und in Richtung Bahnhof zurückgedrängt.
Einen anderen Weg nahmen knapp 60 AntifaschistInnen die parallel dem Wohnort des IB-Ortsgruppenleiters Dominik Böhler in KN-Wollmatingen einen Besuch abstatteten und nach einer Spontandemo das Wohnhaus des Nazis mit Farbe markierten und Outingplakate im Viertel hinterließen.
Auch auf der „Querdenken“-Veranstaltung selbst war Widerstand zu spüren. So musste die Kundgebung wegen einer hinter die Bühne geworfenen Rauchbombe zeitweilig unterbrochen werden.
Darüber hinaus kam es am gesamten Wochenende zu unterschiedlichen Demonstrationen gegen die „Coronademos“ die aber hauptsächlich die Verteidigung der Infektionsschutzmaßnahmen der Regierung in den Vordergrund stellten. So riefen u.a. Linkspartei, Volt und CDU gemeinsam zu Aktivitäten auf.
Kurzes Fazit
„Querdenken“ ist als politische Kraft weiter mobilisierungsfähig, auch wenn die Beteiligung in Konstanz im Vergleich zu den Veranstaltungen in Berlin und Stuttgart abgenommen hat. Die Bewegung um Michael Ballweg wird so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden, aber sich auch nicht dauerhaft als politische Kraft etablieren. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Rechte von den Massenaufläufen profitieren will und auch wird.
Um dagegen zu halten tut die antifaschistische Bewegung gut daran Kräfte zu bündeln und auch Mobilisierungen in die „toten Winkel“ der Republik zu unterstützen. Klar ist aber auch: Mit klassischem Gegenprotest ist der rechts-offenen Massenbewegung nicht bei zu kommen. Funktionierende Antworten müssen hier praktisch und inhaltlich weiter greifen als bei traditionellen Anti-Nazi-Protesten: Klare, linke Antworten auf die Krise sind genauso Bestandteil einer klassenkämpferischen und antifaschistischen Strategie gegen „Querdenken“ wie das konsequente Vorgehen gegen die organisierte Rechte die auf den Zug der „Corona-Demos“ aufgesprungen ist.
Zum weiterlesen:
- Landesweiter Aufruf antifaschistischer Gruppen
- Querdenken711 und seine rechten Akteure - ein Nachtrag
- Bündnis "Welcome to Paradise"