Statement der iL zum Outing eines ehemaligen Genossen

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Mit diesem Papier möchten wir uns als Interventionistische Linke zu unserem Outing aufgrund eines sexualisierten Übergriffs eines ehemaligen Genossen vom Juli 2022 äußern. Das Statement ist Ergebnis eines monatelangen, kontroversen Diskussionsprozesses zwischen allen Ortsgruppen der iL, in dem wir uns nicht immer in allen Punkten einig waren. Der interne Diskussionsprozess wird weitergehen und wir werden uns wieder dazu äußern, wenn wir das für richtig halten.

Interventionistische Linke 08/2023

Mit diesem Papier möchten wir uns als Interventionistische Linke zu unserem Outing aufgrund eines sexualisierten Übergriffs eines ehemaligen Genossen vom Juli 2022 äußern. Das Statement ist Ergebnis eines monatelangen, kontroversen Diskussionsprozesses zwischen allen Ortsgruppen der iL, in dem wir uns nicht immer in allen Punkten einig waren. Der interne Diskussionsprozess wird weitergehen und wir werden uns wieder dazu äußern, wenn wir das für richtig halten.


Fälle sexualisierter Gewalt sind permanente und immer wiederkehrende Realität vor allem für FLINTA. Mit den Vorfällen von Monis Rache im Jahr 2020 ist einmal mehr deutlich geworden, dass es wirklich nichts gibt, was an sexistischem, gewalttätigem, übergriffigem Verhalten nicht denkbar ist und die vermeintliche persönliche Einschätzungsfähigkeit von Männern keine tragfähige Kategorie darstellt, die Auseinandersetzung mit feministischer Theorie und selbst der Besuch von kritischen Männlichkeitsworkshops nichts daran ändern, dass dieselben Männer Täter sein können und immer wieder sind. Das ist das Szenario, aus dem heraus solidarische Parteilichkeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt ihre Notwendigkeit und Berechtigung gewinnt. Wir bekräftigen als IL deshalb das Prinzip der solidarischen Parteilichkeit, wie wir es in unserem Leitfaden zum Umgang mit sexueller/sexualisierter Gewalt festgelegt haben: Betroffenen wird geglaubt, sie müssen nichts „beweisen“ und erhalten umfassende Unterstützung. Dieser Text ist also kein Plädoyer für eine bessere Beweisführung von Betroffenen bei sexualisierter Gewalt. Es ist richtig und wir halten daran fest, dass Betroffenen geglaubt wird. Wir wollen uns hier aber damit beschäftigen, dass es in unserem spezifischen Fall nicht ausschließlich um die Wahrnehmungen, Empfindungen und Erfahrungen geht, sondern wir es auch mit externem Material, das unabhängig von der Betroffenen ist, zu tun hatten.

Trotz Häufigkeit und Frequenz von Vorfällen wie Auseinandersetzungen verfallen linksradikale und linke Strukturen aber immer wieder in ähnliche Muster, scheitern an ähnlichen Kommunikationsdynamiken, handeln inkonsequent, machen Fehler. Wir haben uns als iL 2017 einen Leitfaden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt gegeben, um diesen Fehlern vorzubeugen und um einen Umgang unter uns zur permanenten Auseinandersetzung zu machen, Betroffene zu schützen, Ansprechbarkeit zu schaffen und uns in die Lage zu versetzen, klare, nicht von persönlichen und politischen Beziehungen beeinflusste Entscheidungen treffen zu können. Heute müssen wir feststellen, dass wir trotzdem in der Auseinandersetzung mit einem Fall sexualisierter Gewalt gescheitert sind.

Im Juli 2022 haben wir einen ehemaligen Genossen als Täter sexualisierter Gewalt bundesweit mit Vornamen und Foto geoutet. Wir haben öffentlich geschrieben, dass er ohne das Wissen und gegen den Willen einer Frau intime Fotos und Beschreibungen eines Dates angefertigt und mit Dritten geteilt hat. Darüber hinaus haben wir ihm vorgeworfen, als Teil eines Männernetzwerks zu agieren, das gezielt Listen mit Informationen von FLINTA anfertige, um Sex mit ihnen zu haben und im größerem Umfang pornografisches Material miteinander geteilt habe. Ersteres basiert darauf, dass die Betroffene durch Dritte intime Fotos gezeigt bekommen hat, die sie eindeutig einem Date mit dem Täter zuordnen konnte. Letzteres basierte auf konkreten Hinweisen, die dem Umfeld der Betroffenen durch eine anonyme Quelle u.a. per E-Mail zugespielt wurden.

Im Januar 2023 wurde uns durch Informationen, die eine selbsternannte Recherchegruppe mit Nähe zum Umfeld des Täters veröffentlichte, bekannt, dass eine E-Mail der anonymen Quelle derartige technische Inkonsistenzen aufweist, dass diese so nicht verschickt worden sein kann. Wir wissen heute, dass es sich dabei um die erste schriftliche Kontaktaufnahme der Quelle handelte. Diese Mail muss derart bearbeitet worden sein, dass wir von einer Fälschung sprechen können. Wir haben eine Kommission eingesetzt, die das Zustandekommen der Fälschung unter Einbindung Externer untersuchen und sämtliche Aspekte unvoreingenommen bewerten sollte. Wir müssen an dieser Stelle mitteilen, dass wir mit unserem Vorhaben bezüglich dieses Auftrags gescheitert sind. Wir haben es nicht geschafft, der Untersuchungskommission die notwendigen IT-forensischen Untersuchungen zu ermöglichen. Die Konsequenzen dieses Scheiterns werden wir intern noch weiter diskutieren müssen.

Da diese E-Mail so niemals verschickt worden sein kann, wir diesen Sachverhalt aber nicht nachvollziehbar aufklären konnten und wahrscheinlich nicht mehr aufklären können werden, ist die durch uns getroffene Einschätzung nicht mehr aufrechtzuerhalten, dass die Aussagen der anonymen Quelle glaubwürdige „konkrete Hinweise“ auf die Existenz eines Männernetzwerkes und entsprechender Chatgruppen liefern würden. Dies hat keine entlastende Wirkung bezüglich des Sachverhalts der ohne Zustimmung aufgenommenen und weiterverbreiteten Fotoaufnahmen an sich. Der Umstand der E-Mail-Fälschung ändert nichts an dem Umstand, dass ohne Wissen der Betroffenen intime Fotos und Beschreibungen des Dates mit C. angefertigt und mit Dritten geteilt wurden. Die von der Betroffenen gesehenen, eindeutig zugeordneten Fotos stammen aus einer Situation in privaten Räumen, in der sich nur der ehemalige Genosse und die Betroffene befunden haben. Es bleibt für uns deshalb die plausibelste Erklärung, dass diese durch C. aufgenommen wurden.

Trotzdem hat das Folgen für das von uns verfasste Outing: Wir sind vor dem Hintergrund der Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe mit einer potenziell sehr großen Zahl Betroffener eines Männernetzwerks den Weg des bundesweiten Outings mit Namen und Foto gegangen. Die Anfertigung und Weitergabe von Fotos und Beschreibung eines Dates ohne das Einverständnis aller Beteiligten ist absolut inakzeptabel und muss Konsequenzen nach sich ziehen. Dennoch würden wir diese Form des Outings in diesem Fall nicht noch einmal wählen. Allgemein hat die IL (noch) keine Praxis oder Einigkeit zu Outings.

Auf Basis der heutigen Informationslage hätten wir andere Wege der Konfrontation mit dem Täter gesucht und einen anderen Umgang mit seinem Umfeld gewählt. Vor allem wären wir mit den Hinweisen zum Männernetzwerk anders verfahren. Die Form des Outings – das müssen wir deswegen deutlich eingestehen – war aus heutiger Sicht ein Fehler. Wir halten an den Vorwürfen gegen C. bezüglich seiner Beteiligung an einem Männernetzwerk, die auf den Informationen der anonymen Quelle fußen, nicht weiter fest. Dass er die intimen Fotos aufgenommen hat, ist für uns damit allerdings nicht ausgeräumt.

Wir haben mit dem Schritt des Outings ein hohes Maß an Verantwortung übernommen. Wir waren mit einem Fall digitaler sexualisierter Gewalt und der Möglichkeit einer Vielzahl weiterer Betroffener konfrontiert. Unser Leitfaden zu sexualisierter Gewalt, hinter dem wir weiter stehen, hat uns auf diese Situation nicht umfassend vorbereitet. Gleichzeitig kann uns kein Leitfaden schwere Entscheidungen abnehmen, die wir in eigener Verantwortung treffen müssen. Das haben wir getan.

Die vorliegenden technischen Informationen hatten wir jedoch nicht hinreichend geprüft. Dieses Versäumnis war ein schwerer Fehler. Wir haben intern nicht mit der notwendigen Klarheit miteinander gesprochen, die Kommunikation war verständlicherweise emotional und moralisch aufgeladen. Deshalb ist es uns nicht ausreichend gelungen, die im Leitfaden vorgesehenen Räume für Fragen und Zweifel zu schaffen. Das hat eine Situation herbeigeführt, in der wir erst durch die höchst zweifelhaft motivierte Recherche aus dem Umfeld von C. im Zuge seines zivil- und strafrechtlichen Angriffs gegen die Betroffene auf die Fälschung der E-Mail aufmerksam gemacht wurden. Unser Verhalten konnte dafür genutzt werden, die Glaubwürdigkeit der hier Betroffenen wie auch Betroffener in anderen Kontexten in Zweifel zu ziehen und gerichtliche Angriffe auf diese zu befördern. Dafür müssen und wollen wir uns entschuldigen und Verantwortung übernehmen.

Ebenso müssen und wollen wir uns für die Verunsicherungen entschuldigen, die durch das Outing des Männernetzwerks bei FLINTA in Köln und bundesweit entstanden sind, weil sie sich fragen mussten, ob sie auch Betroffene dieses Netzwerks sein könnten, was weitreichende Konsequenzen für sie, ihr Befinden, ihren Alltag und ihre Beziehungen hatte. Ernsthaftes und verantwortliches Handeln erfordert unseres Erachtens nicht nur solidarische Parteilichkeit, sondern auch Genauigkeit. Das haben wir gelernt. Es ist für uns dabei weiterhin eine offene Frage, wie ein angemessener und verantwortlicher Umgang mit solchen unsicheren Informationen aussieht.

In Bezug auf C. möchten wir hier trotz allem klarstellen, dass die Vorgehensweise, eine Betroffene vor Gericht zu zerren und ihre Betroffenheit in Frage zu stellen, ein zutiefst misogynes und unentschuldbares Verhalten darstellt. Ebenso möchten wir klarstellen, dass auch die Vorlage interner Unterlagen, Protokolle und Kommunikationsverläufe einer linksradikalen Organisation, die mittlerweile auch vollumfänglich Bestandteil eines strafrechtlichen Verfahrens inkl. eines eigenständigen Ermittlungsinteresses der Staatsanwaltschaft geworden sind, ebenso ein unentschuldbares Verhalten darstellt.

Auch wenn wir auf Basis der heutigen Informationslage kein Outing in dieser Form durchgeführt hätten, sehen wir keinen Grund, uns bei C. zu entschuldigen. Noch vor einer iL-internen Veröffentlichung der Vorwürfe hat er damit begonnen, die Betroffene zu verunglimpfen und mit einem Gerichtsverfahren zu drohen. Er hat sich den verbindlichen Prozessen zur Zusammenarbeit nach unserem Leitfaden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt entzogen. Er hat sich zu keinem Zeitpunkt solidarisch oder auch nur empathisch mit der Betroffenen gezeigt, ebenso wenig hat er die Existenz von Fotos unabhängig von ihrem Zustandekommen anerkannt und zur Aufklärung dieses Umstandes beigetragen. Er hat durch sein eskalatives Kommunikationsverhalten und der zivil- wie strafrechtlichen Verfahren andere Wege des Umgangs deutlich erschwert.

Unsere Entscheidung zum Outing bedeutet nicht, dass die Sache für uns erledigt ist. Wir werden uns weiter mit den von uns gemachten Fehlern kritisch auseinandersetzen, um diese nicht zu wiederholen. Bearbeitungen von Fällen sexualisierter Gewalt sind davon geprägt, dass sie emotional nahe gehen, dass sie Beziehungen in Frage stellen, Entscheidungen verlangen und Fehler unterlaufen. Sie sind auch davon geprägt, dass alle das Richtige tun wollen, dies aber nicht zwangsläufig tun, sondern dass nachvollziehbare Affekte und Emotionen notwendigen Handlungen im Weg stehen können. Hier haben nicht nur wir als iL, sondern wir alle noch viel zu lernen.

Wir wünschen uns eine kritische Auseinandersetzung nicht nur mit uns, sondern eine mit der Realität von Verhaltensweisen von Männern in unserer Szene. Wir sind erschüttert davon, dass in öffentlichen Statements und Gesprächen aus dem Umfeld von C., aber auch darüber hinaus wenig bis gar keine Empathie für die Betroffene gezeigt wird, ihre Aussage zu den intimen Fotos nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, sondern einfach immer wieder als Lüge tituliert wird. Kennen wir das nicht? Woraus resultiert die Verteidigung von Männern, die für ihr Mackerverhalten bekannt sind, weswegen sie bereits konfrontiert wurden, und gegen die darüber hinaus weitere Vorwürfe laut wurden? Woraus resultiert die Nichtzurkenntnisnahme von unausgeräumten Beschuldigungen? Woraus resultiert die Nichtauseinandersetzung mit der Realität sexistischer Verhaltensweisen?

Wir haben Fehler gemacht und wollen dazu stehen. Wir halten Kritik aus, durchdenken sie, nehmen sie an, wenn wir sie für richtig halten. Wir müssen selbstkritisch resümieren, dass wir es nicht geschafft haben, eine politische Auseinandersetzung und Diskussion darüber zu entfachen, worum es eigentlich geht: die Realität dessen, was man nicht glauben will – die Allgegenwart patriarchaler Gewalt und der damit verbundenen Dynamiken. Denn es ist diese Realität, die solidarische Parteilichkeit immer wieder erfordert.

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Ergänzungen

"Wir haben eine Kommission eingesetzt, die das Zustandekommen der Fälschung unter Einbindung Externer untersuchen und sämtliche Aspekte unvoreingenommen bewerten sollte. Wir müssen an dieser Stelle mitteilen, dass wir mit unserem Vorhaben bezüglich dieses Auftrags gescheitert sind. Wir haben es nicht geschafft, der Untersuchungskommission die notwendigen IT-forensischen Untersuchungen zu ermöglichen."

Ihr habt einen Email-Verlauf "weitergeleitet" bekommen (den jede*r nach belieben editieren kann) und wolltet darauf IT-forensische Untersuchungen machen? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

 

Wieso werden hier wiederholt Texte gelöscht, die sich kritisch aber sachlich mit dem Verhalten der IL auseinandersetzen? Schreibt die IL nicht selber, dass sie bereit ist, sich Kritik zu stellen und diese ggf auch anzunehmen?

 

Wenn das Moderationskollektiv das Löschen von Kritik schon für angebracht hält, wäre es vielleicht angemessen, hierzu wenigstens kurz Stellung zu beziehen.

 

Hier nochmal der hier bereits mindestens 4x gelöschte, kritische Text von "FLINTAS gegen IL":

 

https://kontrapolis.info/11038/

 

Scheitern, Schuldabwehr und neue Nebelkerzen

Nach sechs Monaten Schweigen hat die Interventionistische Linke (IL) ihr Scheitern im Umgang mit dem Kölner Outing vom Juli 2022 eingestanden (https://de.indymedia.org/node/299097). Schon vorher glaubte kaum noch jemand die Geschichte mit dem geheimen Männernetzwerk und der seit Januar 2022 spurlos verschwundenen anonymen Quelle mit dem Pseudonym „Jennifer Hills“.

Die IL bestätigt, dass die erste E-Mail der Quelle eine Fälschung ist und nicht empfangen worden sein kann. Damit sind alle ihre fünf Mails unglaubwürdig. Für die Existenz des sexistischen Männernetzwerks gibt es keine Hinweise. Alles spricht dafür, dass die Quelle nicht existiert.

In den ersten drei Mails ist M. als Empfänger angegeben. Er ist IL-Sprecher, langjähriger bekannter Aktivist der Düsseldorfer IL-Gruppe seered und Ex-Partner von X (im IL-Text die Betroffene). M. hatte behauptet, „Jennifer Hills“ bereits im Oktober 2021 getroffen zu haben. Er ist mutmaßlich der Erfinder dieser Quelle und des Männernetzwerks, der Fälscher der Mails und der Autor der bizarren Mailtexte. Als langjähriger Partner ist er potenziell im Besitz intimer Fotos, die für eine Manipulation nutzbar sind.

Dazu schweigt die IL und wiederholt den Vorwurf, C. habe heimlich Fotos von dem einvernehmlichen Date gemacht. Dafür bezieht sie sich allein auf den angeblichen Videocall zwischen X und der Quelle. Eine nicht existierende Quelle kann aber einen Videocall weder verabredet noch durchgeführt haben. Die IL verschleiert dies, indem sie statt von der Quelle von „Dritten“ schreibt und den Videocall nicht erwähnt. C. muss für die IL unbedingt Täter bleiben, das sei das Plausibelste. Dies ist mit den Fakten nicht begründbar.

Im Frühjahr äußerte M. die Idee, der Verfassungsschutz oder ein anderer fremder Akteur könnte seinen PC manipuliert haben. Eine Prüfung durch die im Februar eingesetzte IL-Untersuchungskommission lehnte er ab (1). Seered spaltete sich im Mai über die Frage, wer die Mails gefälscht hat. Für M. gibt es bisher keine Konsequenzen.

Stattdessen greift die IL in ihrem Statement erneut C. und die Recherchegruppen an. Sie versucht so von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Ohne die Zivilklage durch C., die Untersuchungen von außen und Whistleblowing/Leaks von IL-Mitgliedern wären die Fälschungen und die Nichtexistenz des behaupteten Männernetzwerks nicht aufgedeckt worden (2). Die IL hätte weiter nichts getan und geschwiegen. Das Outing würde weiter mit Bild und Namen im Netz stehen.

Statt sich dem Dialog zu stellen, schreibt die IL „wir werden uns wieder dazu äußern, wenn wir das für richtig halten“ und diffamiert Kritiker:innen als „Umfeld von C.“ und „zweifelhaft motiviert“. Für die schwerwiegende gesundheitliche und finanzielle Schädigung von C.s Familie durch das Outing übernimmt die IL keine Verantwortung. 

Es ist an der Zeit, dass linke Gruppen und Aktivist:innen die Mitglieder und das Umfeld der IL mit ihrer Verantwortungslosigkeit konfrontieren sowie ein Ende der Gesprächsverweigerung, eine unabhängige Untersuchung und Konsequenzen einfordern.

Kontaktgruppe3 (K3) am 3. September 2023

kontaktgruppe3@riseup.net           https://k3-2022.tumblr.com/

(1)  https://tumulte.org/2023/06/articles/il-leak-zum-k%C3%B6lner-outing/
(2)  https://k3-2022.tumblr.com/post/716857405519085568/ergebnisse

Lasst uns nochmal über Verantwortung reden, und wie es aussieht, wenn man sie für seine Handlungen übernimmt, beziehungsweise, wie es NICHT aussieht.

Lasst uns nochmal über das Outing der IL und ihr letztes Statement sprechen, welches ein Paradebeispiel dafür ist, wie es aussieht, wenn man so tut, als würde man sich verantwortlich machen, es tatsächlich aber gar nicht tut.

Was sind die Marker?

Verantwortungsübernahme bedeutet, zu seinen Handlungen zu stehen ohne sie zu rechtfertigen, zu minimieren oder zu entschuldigen, und sich voll bewusst zu machen, wie sich diese Handlungen auf diejenigen, die davon geschädigt wurden, ausgewirkt haben. Es bedeutet, dieses Leid anzuerkennen, Reue auszudrücken und um Verzeihung zu bitten. Es bedeutet, sich für die Betroffenen verfügbar zu machen und sich zu ver-antworten, sprich, ihnen Rede und Antwort zu stehen.

Nichts davon tut die IL.

Es geht damit los, dass im ersten Absatz gesagt wird, man melde sich wieder, wenn man es für richtig halte. Das ist das Gegenteil von sich ver-antworten und verfügbar machen. Das ist mauern und abblocken, aus einer Position der Überheblichkeit heraus. Die IL hat immer noch nicht begriffen, dass sie hier nicht den Takt zu bestimmen hat.

Sie schreibt von Fehlern und von Scheitern, aber sie bleibt maximal unkonkret. Es war ihr nicht möglich, der eigenen Untersuchungsgruppe das forenische Material zur Verfügung zu stellen. Das ist nebülöses Formulieren, keine Transparenz. Es gibt kein Eingehen auf die vielen Kritikpunkte, die seit Monaten geäußert werden. Das ist nicht sich verantwortlich machen, das ist Schuldabwehrverhalten.

Dann kommen Rechtfertigungen wie „die Situation war emotional und moralisch aufgeladen“. Ja, das kann man sich vorstellen, es ist aber erst dann angebracht, über die eigenen Gründe zu reden, wenn man voll und ganz zu den Auswirkungen des eigenen Handelns gestanden hat und lückenlos aufklärt. Dem ist nicht so.

Schließlich „will und muss sie sich »entschuldigen«“. Das Wort ist denkbar schlecht gewählt. Man bittet um Entschuldigung oder Verzeihung, aber man entschuldigt sich nicht selbst. Das ist anmaßend.

Und nicht zuletzt werden auch die Kritiker:innen verunglimpft als „selbsternannt“ und „zweifelhaft motiviert“, der zivile Gerichtsprozess zum „unentschuldbaren“ Fauxpas erklärt. Hier finden wir das Schuldabwehrmotiv „Anklagen der Ankläger“. Die IL lenkt so von der Tatsache ab, dass ohne die Arbeit der Kölner Untersuchungsgruppe und der Kölner FLINTAs, die sich kritisch äußerten, einfach gar nichts aufgeklärt worde wäre; dass ohne den Gerichtsprozess und die darin notwendigen Beweise die Fälschung niemals aufgeflogen wäre, und dass man geflissentlich Fragen zu der Person, die die gefälschte Mail empfangen haben und die „Quelle“ sogar getroffen haben will, übergeht.

Zuletzt kommt man dann auf andere Sachen zu sprechen, wie etwa die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die ja das eigentliche Problem seien. Das ist wieder Ablenkung. Ein Text, in dem man Verantwortung übernimmt, ist nicht der Ort dafür. Wenn man darin über gesellschaftliche Machtverhältnisse sprechen möchte, dann in Bezug darauf, wie diese das eigene Versagen (die Tat) beeinflusst haben.

Das sind nur so ein paar Anmerkungen. Insgesamt liest sich der Text wie ein Versuch, durch eine Schein-Verantwortungsübernahme Kritiker:innen zu befrieden und gleichzeitig echte Verantwortungsübernahme zu vermeiden. Dafür müsste man sich schon „nackig“ machen, Rede und Antwort stehen, ansprechbar sein, mit jenen in Kontakt treten, die die ganze Arbeit der Aufklärung gemacht haben, Ungereimtheiten aufklären und das ganze Ausmaß der Schuld anerkennen (d.h. auch das Leid der Familie von C). Dann gäbe es noch Wiedergutmachung anzubieten und zu detaillieren, wie man künftig Ähnliches zu verhindern gilt.

So, wie der Text der IL daherkommt, empfinde ich ihn als ziemlich unglaubwürdig.

Interessant ist, dass sich im Verhalten der IL und den Dynamiken, die es auslöst, exakt das reproduziert, was üblicherweise im Kontext von Vorwürfen gegenüber Tatverantwortlichen passiert: erst leugnen, nicht ernstnehmen, nicht anerkennen, abstreiten, Gegenangriff. Wenn dann der Druck zu groß ist, versuchen, sich aus der Affaire zu ziehen. Schweigen. Je länger das Schweigen dauert, desto größer wird die Ungeduld und die Wut derjenigen, denen Fragen unter den Nägeln brennen. Zu den ursprünglichen Vorwürfen kommen jetzt sekundäre, die den Umgang mit dem Vorwürfen betreffen. Darauf wird mit weiterem Einmauern reagiert, was die Distanz und das Nicht-Verstehen vergrößert. Irgendwann äußert man sich dann, maximal ungelenk, was die andere Seite nur noch wütender macht.

Je früher man sich öffnet und Dialog zulässt, die Anliegen der „Anklagenden“ hört und darauf eingeht, somit versteht, welche Fehler man vielleicht gemacht hat und dazu steht, desto schneller klärt sich eine Angelegenheit. Das ist eine Binsenweisheit. In vielen Konflikten gibt es das Problem, dass die Anklagen auf eine Art geäußert werden, die es schwer macht, sie zu hören, weil sie stark verurteilend sind. Oft ist es allerdings auch so, dass die Anklage nicht gehört wird, solange sie „freundlich“ geäußert wird, so dass sich irgendwann der Ton verschärft, bis sich schließlich ein Konflikt verselbstständigt. Aus meiner Sicht kann man der Untersuchungsgruppen K3 nicht vorwerfen, dass der Ton von Anfang an zu scharf war. Insofern kann sich die IL darauf nicht zurückziehen.

Je länger das ganze dauert, desto mehr Fragen wirft es auf. Warum ist es bloß so schwer, in einen aufklärerischen Dialog mit der linken Bewegung zu treten? Was soll dieses Sich-Verstecken hinter den Mauern der eigenen Organisation?