Ein Nachtrag zur Teilnahme von cis-Männern an dem "Together in Love and Rage-Kongress", zu (ausbleibenden) gemeinsamen Diskussionen und solidarischer Kritik.
Dieser Text ist aus einer Debatte um die Teilnahme von cis-Männern beim „Together in Love and Rage“-Kongress entstanden. Zur Erinnerung: Mai 2022 fand in Berlin der benannte Kongress zu feministischer Militanz statt. Die Orga hatte sich dazu entschieden, die Veranstaltung open all gender zu machen. Wenige Tage vor dem Kongress erschien auf Indymedia ein Text einiger anderer flinta*s, die in einem Austausch zu dem Schluss kamen, " dass momentan nicht der Zeitpunkt ist, um mit euch [cis-Männern] gemeinsam auf dem Kongress zusammen zu kommen."
Cis-Männern, die sich überlegt hatten zu kommen wurde nahe gelegt, ihre Motivation für die Teilnahme zu überdenken.
Dieser Text ist aus einer Debatte um die Teilnahme von cis-Männern beim „Together in Love and Rage“-Kongress entstanden. Zur Erinnerung: Mai 2022 fand in Berlin der benannte Kongress zu feministischer Militanz statt. Die Orga hatte sich dazu entschieden, die Veranstaltung open all gender zu machen. Wenige Tage vor dem Kongress erschien auf Indymedia ein Text einiger anderer flinta*s, die in einem Austausch zu dem Schluss kamen, " dass momentan nicht der Zeitpunkt ist, um mit euch [cis-Männern] gemeinsam auf dem Kongress zusammen zu kommen."
Cis-Männern, die sich überlegt hatten zu kommen wurde nahe gelegt, ihre Motivation für die Teilnahme zu überdenken. Den Text könnt ihr hier nachlesen: https://de.indymedia.org/node/191731.
Die Orgacrew um den Kongress hat sich daraufhin an uns, die Verfasser*innen des Textes gewandt, um eine solidarische Kritik zu formulieren. In Absprache mit der Orgacrew werden wir diese hier nicht als ganzes veröffentlichen. Wir zitieren und/oder erläutern aber einzelne Kritikpunkte auf die wir uns beziehen.
Angefügt ist nochmal die Begründung der Orga, den Kongress all-gender zu machen, die bis zur Veröffentlichung unseres Textes auf Grund technischer Probleme nicht öffentlich zugänglich war.
Begründung der Orga: https://militanztweiter.noblogs.org/infos/why-all-gender-warum-all-gender/
Auch wenn seitdem schon einiges an Zeit vergangen ist, wollen wir uns nun trotzdem dazu äußern, um die Kritik nicht ins Leere laufen zu lassen.
Dieser Text stammt nur von einem Teil der flinta*s, die an der Verfassung des Ausgangstextes beteiligt waren. Auch war die Reaktion auf die solidarische Kritik der Kongressorga sehr unterschiedlich, die eigene Position zu unserem Text und die rückblickende eigene Bewertung dessen geht sehr weit auseinander.
Wir richten uns direkt an die Orga, als Rückmeldung auf ihre Kritik, veröffentlichen diesen sowie die Ausgangstexte aber auch bewusst hier, um sie zugänglich und diskutierbar zu machen.
Fragen nach Flinta*räumen oder all-gender-Veranstaltungen, aber auch Fragen nach gegenseitiger Kritik und Diskussion, werden uns alle auch unabhängig von dem Kongress noch lange verfolgen.
Zunächst können wir gut nachvollziehen, dass unser Text euch- insbesondere in der Kurzfristigkeit vor dem Kongress- überrascht hat. Rückblickend hätten auch wir es besser gefunden, wie ihr schreibt, in eine offene Diskussion unter Gefährt*innen zu gehen und einen (ausführlicheren) Text schon viel früher und auch direkt an euch zu schreiben.
In der Hoffnung, ein besseres Verständnis für die Entstehung vermitteln zu können, wollen wir kurz darauf eingehen, wie es dazu kam. Im Vorfeld des Kongresses haben wir uns über den Einladungstext zum Kongress und die inhaltlichen Punkte, die darin bereits aufgemacht wurden, gefreut. Allerdings gab es vereinzelt Irritationen darüber, warum eine Veranstaltung dieser Größe zu militantem Feminismus, ausgerechnet zu dieser Zeit, open all gender sein sollte. Bis zum Erscheinen unseres Textes gab es dazu keine Erklärung, welche die Entscheidung für uns hätte nachvollziehbar machen können.
Wir saßen sehr kurz vor dem Kongress zusammen und da Einige von uns sich einen flinta*only-Kongress gewünscht und sich eine Teilnahme so besser hätten vorstellen können, haben wir uns gemeinsam darüber ausgetauscht, wie eine gegenseitige Unterstützung darin vor Ort aussehen könnte.
Ohne dass es vorher geplant war, ist aus diesem Austausch sehr spontan der Text entstanden. Der Grund war keineswegs fehlendes Vertrauen in die Kongress-Orga, sondern vielmehr der Versuch, auf unsere eigenen Bedürfnisse und die unserer Gefährt*innen einzugehen.
Wir haben nicht erwartet, dass die Entscheidung, den Kongress all-gender zu machen, durch unseren Text gekippt werden würde. Vielmehr haben wir darauf gesetzt, dass einige cis-Männer ihre Motivation zu dem Kongress zu kommen nochmal überdenken würden und sich Einzelne dadurch entscheiden würden, nicht zu der Veranstaltung zu kommen. Auch sollte der Text diese andere Position (zur Teilnahme von cis-Männern) sichtbar machen.
Auch wollen wir rückmelden, dass wir Verständnis dafür haben, dass durch unseren Text mehr Arbeit auf euch zugekommen ist. Diese Folge, dass also beispielsweise Reproaufgaben die zuvor von cis-Männern abgedeckt waren nun neu besetzt werden mussten, haben wir beim Verfassen des Textes tatsächlich nicht bedacht.
In eurer Kritik macht ihr die Frage auf, ob es uns um cis-Männer generell oder um konkrete cis-Männer aus unseren eigenen Umfeldern ging. Es gab hierzu unterschiedliche Bedürfnisse. Die Skepsis betraf bei Einigen cis-Männer generell – zumindest in diesem Kontext -, bei den Anderen ging es eher um konkrete Gefährten aus dem eigenen Umfeld. Wir haben den Text als eine Aufforderung an alle Gefährten verfasst, zu reflektieren, aus welchen Gründen sie einen Kongress zu feministischer Militanz besuchen wollen. Weil sie sich selbst als Teil queerfeministischer Kämpfe sehen und militanter Queerfeminismus Teil ihrer alltäglichen Kämpfe ist oder es werden soll? Weil sie sich solidarisch zeigen wollen? Oder weil sie (etwas stumpf gesagt) kein soziales Event verpassen wollen, bei dem es um Militanz geht und es ihrem Standing gut tun würde, sich dort blicken zu lassen?
Zwischen diesen zugespitzten Formulierungen gibt es verschiedenste Abstufungen und ganz andere zusätzliche Gründe. Sich diese Fragen zu stellen hielten wir jedoch für wichtig und die Beantwortung sehr entscheidend dafür, wie wir (konkreten) cis-Typen vor Ort begegnen würden. Vor allem zu einer Zeit, in der wir als flinta*s (unter anderem) aufgrund der öffentlich gemachten massiven patriarchalen Gewalt von Johannes Domhöver und dem (Nicht)-Verhalten des Umfeldes wieder einmal unzählige Treffen damit verbringen mussten, über diese und die daraus entstandenen Folgen zu diskutieren. Hinzu kommt der Fakt, dass aufgrund der Pandemie lange Zeit überhaupt keine große feministische Vernetzung möglich war – trotz, wie schon angesprochen, großer Notwendigkeit, sich gegenseitig in den Kämpfen zu unterstützen. Stattdessen kamen wir aus einer gewachsenen Vereinzelung und hätten uns gewünscht, im Kongress eine Plattform zu bekommen, um überhaupt erst einmal diese Kämpfe und auch die vielleicht aufgetretenen Fehler oder Stolperfallen darin gegenseitig sichtbar zu machen.
Wir verstehen, dass wir all diese Gründe in unseren Text mit hätten einfließen lassen oder mehr erklären können, sodass ihr wiederum ein Verständnis für unsere Absichten entwickeln könnt. Kurz gesagt ist das der Kurzfristigkeit unseres Austauschs geschuldet, sowie auch der nicht ausreichenden Zeit, die wir uns für den Schreib- und Diskussionsprozess genommen haben.
Es ging uns - wie schon gesagt- nicht um ein mangelndes Vertrauen in euch als Orga. Wir sind durchaus davon ausgegangen, dass ihr euch diese Entscheidung nicht leicht gemacht und sie ausführlich diskutiert habt. Allerdings denken wir auch, dass ein Vertrauen in euch als Orga nicht zwangsläufig aufhebt, dass es trotzdem Kritik an Entscheidungen und eine andere Positionierung geben kann.
In verschiedenen Gesprächen auf und nach dem Kongress hat uns ein anderer Punkt mit am Meisten beschäftigt. Unser Text hat dazu beigetragen, dass sich einige männliche Trans*Gefährten dagegen entschieden haben zu kommen, andere sich auf dem Kongress unwohl oder nicht eingeladen gefühlt haben. Ihr beschreibt dies in eurer Begründung ja bereits: "Auch fühlen sich männliche Trans*-Komplizen in FLINTA* Räumen manchmal nicht so eingeladen – aufgrund möglicher unerwünschter Outings, aber auch aufgrund bestimmter Maskulinitäten, die in FLINTA* Kontexten nicht immer positiv aufgenommen werden."
Das tut uns leid und ist richtig beschissen!
Dies ist einer der Punkte, an dem wir weiter diskutieren wollen. Denn die Alternative kann für uns nicht sein, jegliche flinta*Räume aufzugeben. Viel mehr braucht es immer wieder Diskussionen darüber, wie wir diese Räume gestalten und wie wir alle uns darin verhalten.
Abschließend denken wir, dass uns eine inhaltliche Auseinandersetzung zu der Frage „why all gender?“ fehlte und die angestoßene Debatte zu einer Thematisierung hiervon beigetragen hat. Wir danken euch also für die solidarische Kritik und hoffen, mit unserem Text auch mehr Verständnis geschaffen zu haben.
Der Name des Kongresses ist und bleibt Programm: Together in Love and Rage <3
Ergänzungen
eure Positionierung?
Liebe Verfasser*innen dieser Zeilen,
für mich fehlen einige Sachen in eurer Selbsterkenntnis.
1. Wer seid ihr? Von welcher Position als "FLINTA" schreibt ihr? Wen meint ihr wirklich damit?
2. Es geht nicht ausschließlich um trans Männlichkeiten, sondern gerade auch um vulnerable transweiblichkeiten und alle möglichen Geschlechtsidentitäten die allzu schnell als "cis Mann" gelesen werden - gerade in nicht explizit queeren Zusammenhängen. Gerade in Zusammenhängen, die von cis Frauen dominiert sind und wo afab die ungeschriebene Norm ist.
3. es gibt auch queere cis Männer. es gibt auch inter cis Männer. auch diese Identitäten sollten nicht ausgelöscht werden und brauchen Platz in einer queerfeministis chen Bewegung, wenn wir das Patriarchat zerschmettern wollen. das Patriarchat regiert durch auferzwungene Zweigeschlechtlichkeit und daran angepasste Sexualität und Lebensführung.
für mich liest sich dieser Text leider wie weiterhin in einem binären, materialistischen Feminismus verortet, der mit queer feminismus wenig zu tun hat. im Feminismus, den ich hinter dem Text vermute, ist der Fokus auf bestimmte Identitäten so stark, dass wenig Platz bleibt für Zwischentöne Graubereiche Gender Trouble und all that jazz.
queere Grüße, im Versuch, nicht zu wütend zu klingen und solidarisch auf Leerstellen aufmerksam zu machen,
ein Anarchist (achtung, kein cis Mann, eins achte auf all die Fallen im Denken.)