Rote Karte für Sozialstaatsillusionen – revolutionäre Perspektive für Mietenkämpfe!
So erfreulich es ist, wenn z.B. am 3. Oktober 2019 tausende Menschen nicht für die „Nation“, sondern für ihre sozialen Interessen, für bezahlbare Mieten und gegen die Machenschaften der Wohnungsunternehmen auf die Straße gegangen sind, so unerfreulich ist die politische Stoßrichtung, die die kapitalistische Linke vorgibt. Mit dem empörten Vorwurf des „marktwirtschaftlichen Versagens“ und der demagogischen Parole der „Vergesellschaftung“, wird eine staatliche Wohnungspolitik gefordert, die der „Spekulation“ einen Riegel vorschieben und die sozialen Interessen der Mieter gewährleisten soll. Das zwangsläufige Zetern der Konservativen und Unternehmerverbände über diesen angeblichen „Rückfall in den Sozialismus“, wird von der Linken des Kapitals als Beleg ihrer eigenen Radikalität ins Feld geführt, ja die Wohnungsfrage sogar als zentrale „Klassenfrage“ aufs Schild – oder besser: den klappernden Mietendeckel – gehoben. Linkspartei-Vorsitzender Riexinger erklärte im Mai: „Das jüngst gestartete Volksbegehren 'Deutsche Wohnen & Co. Enteignen' in Berlin veranschaulicht, dass es sich um eine moderne Form des Klassenkampfes handelt, bei dem die Eigentumsfrage zentral ist.“ (ND v. 9.5.19) Und auch radikalere Vertreter einer vermeintlich „neue Klassenpolitik“ greifen diese staatsfixierte Klassenkampfverballhornung auf und behaupten, dass diese ganz wesentlich im Reproduktionsbereich geführt werden muss, um dann bei der Forderung nach einer „antimonopolistischen Wende im Bereich der Wohnungspolitik“ durch „kommunalen Wohnungsneubau nach österreichischen Vorbild“ zu enden (Christian Spengler, DKP Berlin, in JW vom 15/16.6.19). Es ist kein Zufall – und auch keine neue Erscheinung - , dass jeglicher Reformismus nicht nur die marxistische Erkenntnis des kapitalistischen Staates (als Staat des Kapitals und ideeller Gesamtkapitalist) negieren muss, sondern auch ein klassenübergreifendes Terrain als Ort seines Wirkens wählt.
Wohnungsfrage und Reformismus
Schon in seiner Schrift „Zur Wohnungsfrage“ von 1872/73 analysierte Friedrich Engels die kapitalistischen Ursachen der Wohnungsmisere und zeigte ihre untrennbare Verbindung mit der reformistischen Staatsapologetik. Er schrieb gleich im ersten Abschnitt dieser gegen die Proudhonisten gerichteten Schrift: „Diese Mietsnot trifft den Arbeiter also sicher härter als jede wohlhabendere Klasse; aber sie bildet, ebensowenig wie die Prellerei des Krämers, einen ausschließlich auf die Arbeiterklasse drückenden Übelstand, und muss, soweit sie die Arbeiterklasse betrifft, bei gewissem Höhegrad und gewisser Dauer, ebenfalls eine gewisse ökonomische Ausgleichung finden. Es sind vorzugsweise diese der Arbeiterklasse mit andern Klassen, namentlich dem Kleinbürgertum, gemeinsamen Leiden, mit denen sich der kleinbürgerliche Sozialismus, zu dem auch Proudhon gehört, mit Vorliebe beschäftigt.“ (MEW18, S.215)
Es ist nichts neu unter kapitalistischem Himmel und genauso wie heute die bürgerliche Linke, haben auch schon die Proudhonisten die Mietenfrage zu einer zentralen Frage des Klassenkampfes erklärt. Es ist eine Aussage, die sicherlich auch in der heutigen Linken viele Anhänger finden würde: „Was der Lohnarbeiter gegenüber dem Kapitalisten, das ist der Mieter gegenüber dem Hausbesitzer.“ Und genau gegen diese argumentierte Engels mit der kommunistischen Grunderkenntnis der kapitalistischen Mehrwertproduktion, dass nur die zum Wert ihrer eigenen Reproduktion von den Kapitalisten gekaufte Arbeitskraft der Proletarier mehr Wert schafft, den die Bourgeoisie aneignen und verteilen kann: „Um wieviel auch der Vermieter den Mieter übervorteilen mag, es ist immer nur ein Übertragen bereits vorhandenen, vorher erzeugten Werts, und die Gesamtsumme der von Mieter und Vermieter zusammen besessenen Werte bleibt nach wie vor dieselbe.“ (S.216) Hier haben wir den politökonomischen Knackpunkt der Wohnungsfrage:
Wohnen ist eine wesentliche Bedingung der Reproduktion (der Arbeitskraft) und damit einer funktionierenden kapitalistischen Wirtschaft. Wohnkosten sind zentraler Bestandteil der Reproduktions-, also Lohnkosten der Proletarier. Das Kapital hat genauso ein eminentes Interesse eben diese zu senken, wie es (gerade in Zeiten der Krise) auch an profitträchtigen (spekulativen) Investitionen in Immobilien interessiert ist. In diesem Widerspruch spielt die regulative Rolle des kapitalistischen Staates eine zentrale Rolle, der entsprechend ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Interessen entweder für eine höhere Mehrwertrate (niedrige Reproduktionskosten) eintreten oder die Rentabilität für Kapitalinvestitionen im Wohnungsmarkt verbessern kann, z.B. mit der Mietendeckelung in der Wiederaufbauphase nach dem 2. Weltkrieg oder der Liberalisierung des Wohnungsmarktes mit dem Wiederaufkommen der kapitalistischen Krise Ende der 70er Jahre. Dies sind die fest umrissenen ökonomischen Spielfeldgrenzen der Reformisten, die immer dann zum Zuge kommen, wenn es darum geht die Reproduktionsbedingungen und den sozialen Frieden der kapitalistischen Ausbeutung aufrecht zu erhalten.
Wohnungsfrage und kapitalistische Entwicklung
Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Kapitalismus eine auf der Totalität der Warenförmigkeit beruhende, historisch gewachsene Gesellschaftsordnung und keine niederträchtige Ausbeutungs- und Spekulationsinszenierung ist, sind für uns die ökonomischen Zusammenhänge der gesellschaftlichen Entwicklung die Grundlage für das Verständnis der sozialen Widersprüche und ihrer Lösung. Uns geht es nicht um die abstrakten Phrasen von Recht und Gerechtigkeit. „Die ganze Proudhonsche Lehre beruht auf diesem Rettungssprung aus der ökonomischen Wirklichkeit in die juristische Phrase. Wo immer dem braven Proudhon der ökonomische Zusammenhang verlorengeht – und das kommt ihm bei jeder ernsthaften Frage vor – flüchtet er in das Gebiet des Rechts und appelliert an die ewige Gerechtigkeit.“, stellte Engels fest und erklärte die kapitalistischen Grundlagen der Wohnungsnot aus der Begrenzung des Arbeitslohns, der durch wirtschaftliche Schwankungen hervorgerufene Arbeitslosigkeit, der Konzentration der Arbeiter in grossen Städten, in denen „für die infamsten Schweineställe sich immer Mieter finden müssen“ und nicht zuletzt aus der Eigenschaft der Hausbesitzer als Kapitalisten, die nicht nur das Recht, sondern, vermöge der Konkurrenz auch gewissermaßen die Pflicht haben, rücksichtslos die höchsten Mietpreise herauszuschlagen. (MEW 18, S.236)
In der durch Krisen und Klassenkämpfe geprägten Entwicklung des Kapitalismus im 20. Jahrhundert hat der Staat eine immer zentralere Rolle eingenommen, was durch den Faschismus noch forciert wurde. Der kapitalistische Staat schafft die Rahmenbedingungen, er organisiert z.B. den Arbeitsmarkt genauso wie er den Wohnungsmarkt reguliert oder eben dereguliert. [Der faschistische deutsche Staat hielt z.B. bis 1944 an einer Bodenwertzuwachssteuer fest, um Bodenspekulation unrentabel zu machen, etwas, das heute wieder auf der Agenda der Linkspartei steht.] Nachdem nach 1945 Kriegsökonomie und Volksgemeinschaft durch Wirtschaftswunder und Sozialstaat abgelöst wurden, führten die Erfordernisse des ökonomischen Wiederaufbaus u.a. zu einem rigiden, mieterfreundlichen Mietrecht und staatlich gefördertem sozialen Wohnungsbau, um dem Wohnungsmangel zu begegnen und die Löhne niedrig zu halten. Der gemeinnützige Wohnungsbau z.B. durch die gewerkschaftliche „Neue Heimat“ erlebte in der BRD eine Blüte, die allerdings verwelkte als in den 70er Jahren der Neubaubedarf weitgehend gedeckt war und neue Investitionsmöglichkeiten gesucht wurden. Auch die „Neue Heimat“ begann schon 1978 Wohnungen an Versicherungen, Anleger und Mieter zu verkaufen, bevor sie Anfang der 80er Jahre in einem großen Korruptionsskandal wie andere gewerkschaftliche Unternehmen unterging. Ende der 80er Jahre wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft und forciert durch die Wende begann in den 90er Jahren eine Privatisierungsorgie. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds begannen mangels anderer profitversprechender Investitionen im großen Stil in das Immobiliengeschäft einzusteigen. Die Deutsche Bank gründete z.B. 1998 die „Deutsche Wohnen“, die sie später an der Börse verkaufte und die heute mit rund 12 Milliarden Euro einen fast genauso hohen Börsenwert hat wie die Deutsche Bank. Die Krisenanfälligkeit dieser oftmals hochspekulativen Investitionen ist spätestens seit der Krise 2007 bekannt und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im August 2019 wieder vor einer explosiven Preisentwicklung und möglichen spekulativen Übertreibungen gewarnt.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist also kein isoliertes Phänomen, sondern Teil der strukturellen Krise, in der sich das Kapital seit den 70er Jahren befindet und die dazu führt, dass in die Finanzmärkte und sog. spekulative Bereiche investiert wird, weil in der Produktionssphäre keine ausreichende Rendite erzielt werden kann. Doch die steigenden Mietkosten, die inzwischen rund 1/3 der Lohnsumme ausmachen, können auch zu einer Gefahr für die Niedriglohnpolitik der exportorientierten deutschen Wirtschaft werden. Schon jetzt sehen auf den Zuzug neuer Arbeitskräfte angewiesene Unternehmen im angespannten Wohnungsmarkt eine Beeinträchtigung ihrer Geschäftsentwicklung. Doch auch wenn diese wildwuchernden, krisengeschüttelten Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt wieder einer (zeitweiligen) sozialstaatlichen Regulierung unterworfen werden, wird sich an ihrem kapitalistischen Charakter nichts ändern. Auch kommunale Wohnungsbauunternehmen sind den kapitalistischen Verwertungsgesetzen unterworfen. So lagen z.B. sowohl bei den Berliner landeseigenen Wohnungsgesellschaften, als auch in den viel gepriesenen Wiener Gemeindebauten die Mietsteigerungen in den letzten Jahren über der Inflationsrate. Eine Lösung der Wohnungsmisere ist im Kapitalismus nicht möglich, wie schon Engels in seiner Schrift zur Wohnungsfrage feststellte. „Solange die kapitalistische Produktionsweise besteht, solange ist es Torheit, die Wohnungsfrage oder irgendeine andre das Geschick der Arbeiter betreffende gesellschaftliche Frage einzeln lösen zu wollen. Die Lösung liegt aber in der Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, in der Aneignung aller Lebens- und Arbeitsmittel durch die Arbeiterklasse selbst.“ ( MEW 18, S.263)
Wohnungsfrage und Klassenkampf
Auch wenn die Wohnungsfrage ein beliebtes Tummelfeld des Reformismus ist und strukturell viele Fallen für den proletarischen Kampf beinhaltet, sind die permanenten, existenzbedrohenden Angriffe auf die Wohnbedingungen des Proletariats ein Feld des Klassenkampfes. Auch hier muss die Klasse sich verteidigen und ein kämpferisches Selbstbewusstsein gewinnen. Sie muss aber vor allem das Bewusstsein erlangen, dass es im Rahmen des Kapitalismus keine Lösung dieses Problems geben kann und dass Reformismus und kapitalistischer Staat nicht Verbündete sondern Gegner sind.
Dass der Staat der Gegner ist, der auf der Seite des Kapitals steht, ist keine abstrakt theoretische Behauptung, sondern ganz praktische Realität. Letztendlich werden jegliche Versuche, die eigenen Interessen jenseits demokratischer Politik zu verteidigen, vom Staat im Keim erstickt und notfalls mit knallharter Gewalt beantwortet (Räumungen von Besetzungen, Kriminalisierungen z.B. im Fall von Mietenstreiks...). Auch gut gemeinte Versuche, eine alternative Politik z.B. durch Appelle an den Staat oder durch Volksbegehren zu erbetteln, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt und dienen nur dem Schüren von Illusionen und damit der Befriedung und dem Abwürgen sozialer Kämpfe. Am aktuellen Beispiel ist dies sehr deutlich sichtbar: Nicht nur, dass die Verstaatlichung (durch den Staat des Kapitals) noch keine Vergesellschaftung darstellt, auch zu glauben, dass es nur eines Volksbegehrens bedarf, um reale (entschädigungslose) Enteignungen durchzuführen, ist mehr als naiv. Da die BRD ein Rechtsstaat mit Gewaltenteilung ist, in dem das Recht auf Eigentum einen festen Stellenwert genießt, werden diese Träumereien wahrscheinlich am Ende von den Mühlen der Justiz zerrieben und die Proteste damit zermürbt werden. Noch absurder ist es Hoffnungen in Teile einer vermeintlich linken Regierung zu setzen (die zudem für die Privatisierung von öffentlichem Wohnraum mitverantwortlich war). Die Berufung auf vermeintlich demokratische Mehrheiten ist ebenfalls ein gefährliches Spiel, das schnell nach hinten losgehen kann und vor allem auch für die Zukunft den Weg der Unterordnung unter „demokratische Mehrheiten“ ebnet: Es ist beispielsweise keineswegs gewiss, dass es für ein Volksbegehren zur vermeintlichen “Enteignung” eine Mehrheit gibt, vor allem dann, wenn die Gegenseite vermeintliche Alternativkonzepte präsentiert und es schafft, erfolgreich ihre Propaganda-Maschine zu starten. Dann kann es einen zivilgesellschaftlichen Konsens gegen unsere Interessen geben und da wir im Vorfeld die demokratischen Spielregeln akzeptiert haben, sind wir anschließend öffentlich delegitimiert.
Die Idealisierung demokratischer Mechanismen offenbart zudem ein weiteres noch gravierenderes Problem, und damit kommen wir auch zu den Handlungsperspektiven: Demokratie ist die rein zahlenmäßige Verallgemeinerung von Mehrheitsverhältnissen, von Passivität. Gesellschaftliche Veränderungen werden aber nicht an der Wahlurne herbeigeführt, sondern in realen Kämpfen auf der Straße, im Stadtteil, im Betrieb usw. Gesellschaftliche Veränderungen sind also eine Frage von realen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen und nicht von demokratischen Mehrheiten. Und darum muss es uns bei den Mietenprotesten gehen.Wie können wir die Passivität und Ohnmacht überwinden? Wie können wir den Mietenkämpfen eine klassenmäßige Orientierung geben und somit den Volkscharakter aufbrechen, den diese Bewegung in weiten Teilen hat? Wie kann (analog zu Streiks) ein Schaden verursacht werden, der so groß ist, dass Staat und Kapital gezwungen sind, Zugeständnisse zu machen? Ohne reales Drohpotential bleibt jede Bewegung auf der Ebene von rein symbolischen Ergebnissen stehen und muss sich hinter demokratischen Appellen vor den Angriffen von Staat und Kapital verstecken. Zudem kann für uns eine Bewegung nur dann ein Bezugspunkt sein und eine Perspektive haben, wenn sie eine eindeutig klassenmäßige Ausrichtung hat, wenn sie die Mietenfrage nicht isoliert und klassenübergreifend behandelt sondern sie als einen Teil des Gegenangriffs gegen die Angriffe des Kapitals begreift.
Es ist klar, dass wir keine Kampfstrategien am Runden Tisch entwickeln können, sondern diese müssen aus der Bewegung selber kommen und hängen von deren Möglichkeiten und Kräften ab. Was wir aber machen können, ist die Bewegung, wie die proletarische Bewegung insgesamt, auf ihrem mühsamen Weg zur Wiederaufnahme das Klassenkampfes zu begleiten und zu unterstützen. Dazu muss zunächst ein Bruch mit allen bürgerlichen Politikformen (Demokratie, Legalismus, Staatsfixiertheit, Orientierung auf das Volk und auf klassenübergreifende Politik statt auf die eigene Klasse usw.) vollzogen werden. Die Frage, die sich für jede soziale Bewegung stellt, ist: wie können wir ein Druckmittel entwickeln, wie können wir einen möglichst hohen wirtschaftlichen Schaden verursachen, um unsere Forderungen durchsetzen zu können. Bei Arbeitskämpfen besteht dieses Druckmittel in Streiks, die die Produktion lahmlegen und damit das angreifen, was dem Kapital am teuersten ist: den Profit. Auch Mietenkämpfe haben historisch wie aktuell Druckmittel entwickelt: Widerstand gegen Zwangsräumungen, Hausbesetzungen, Mietenstreiks (Verweigerung von Zahlungen), Angriffe auf kapitalistische Luxusprojekte, Unterstützung von Arbeitskämpfen. All dies sind Kampfformen, die konträr zu Volksbegehren und demokratischen Spielchen stehen, die einen Schaden verursachen und deshalb die Staatsmacht direkt herausfordern. Auch wenn wir heute teilweise nicht in der Lage sind, solche Kampfformen zu praktizieren, ist dies die einzige Perspektive, mit der unmittelbar etwas bewirkt und unsere Klasse längerfristig für eine revolutionäre Perspektive geschult werden kann und darauf müssen wir fokussieren.
In diesem Sinne schrieben wir schon 1981 anläßlich unserer Intervention in die westberliner Hausbesetzerbewegung: „Wie sehen die Hausbesetzungen im Lichte dieser Perspektive aus? Sie, wie jede kollektive Bewegung zur Senkung der Mieten usw. sind eine notwendige Maßnahme zur Verteidigung der unmittelbaren Lebensbedingungen. Obwohl die Besetzerbewegung sich heute noch vorwiegend auf Randschichten beschränkt – wie überhaupt die Wohnungsfrage eine Frage ist, die nicht allein das reine Proletariat betrifft – zeigt sie die Methode, die als einzige tatsächlich in der Lage ist, einen Druck auf das Kapital auszuüben, weil man nur durch sie an Wohnungen überhaupt rankommt und sich Wohnungen zu weniger teuren Mieten verschafft, wozu auch Bewegungen zur Mietverweigerung und Mietsenkung beitragen können und werden. Allein durch einen direkten Kampf kann man unter dem Kapitalismus Linderung schaffen. Dennoch gilt – und zwar noch mehr als beim Lohnkampf – die Tatsache, das für uns Kommunisten nicht allein der unmittelbare Erfolg, der auf der Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise immer wieder in Frage gestellt wird, zählt. Das zentrale Problem eines jeden unmittelbaren Kampfes besteht auch in der Entstehung von klassenmäßigen Verteidigungsorganisationen, die eine wachsende Erfahrung gewinnen und ihren Einfluß im täglichen Kleinkrieg gegen den Klassenfeind ausbreiten. (…) Eine solche Organisation kann als Kampforganisation nur gefestigt werden, wenn es gelingt, den Einfluss der reformistischen Kräfte – die sich auf den kleinbürgerlichen, sog. alternativen Flügel zu stützen versuchen – zurückzuhalten, d.h. wenn man die Illusionen bezüglich der bürgerlichen Reformpläne und jeder Zusammenarbeit mit dem Staat und mit den staatstragenden Organisationen wirksam bekämpft.“ (Proletarier Nr.13, April / Mai 1981) Auch wenn wir heute (noch) keine vergleichbare kämpferische Bewegung wie Anfang der 80er Jahre haben und gerade weil vereinzelte radikale Kampfformen noch weitgehend im Windschatten des Reformismus stehen, ist die Verteidigung der revolutionären Klassenposition, die Vermittlung der Erfahrungen vergangenen Kämpfe, sprich die Propagierung des Kommunistischen Programms eine zentrale Aufgabe. Statt die Bewegung zu erträumen, um vor dem Reformismus zu kapitulieren („Mietendeckel – aber richtig“, „Enteignen – aber entschädigungslos“), ist dies auch eine sehr praktische Aufgabe. Schon Engels schloss seine Ausführungen zur Wohnungsfrage mit der Feststellung, „dass der praktische Sozialismus vielmehr in einer richtigen Erkenntnis der kapitalistischen Produktionsweise nach ihren verschiedenen Seiten hin besteht. Eine Arbeiterklasse, die hierin bescheid weiß, wird im gegebnen Falle nie in Verlegenheit sein, gegen welche sozialen Institutionen und in welcher Weise sie ihre Hauptangriffe zu richten hat.“
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Internationale Kommunistische Partei, Juni 2020