Nachlese der Kommunalwahl in Hessen (AfD)
Die Gewinne der AfD in Hessen stützen sich nicht nur auf Protestwähler_innen aus den Unterschicht, sondern auch auf Menschen aus dem (gehobenen) Bürgertum.
Landessprecher der AfD in Hessen ist Albrecht Glaser. Auch er war jahrzehntelang CDU-Kommunalpolitiker und Stadtkämmerer in Frankfurt am Main. Bereits während seiner Studienzeit Anfang der sechziger Jahre war er führendes Mitglied der Burschenschaft Allemannia Heidelberg und wurde später Bundessprecher der Deutschen Burschenschaft. Nach 42 Jahren CDU-Mitgliedschaft trat er im Frühjahr 2013 als einer der ersten der AfD bei.
Glasers Stellvertreter als AfD-Landessprecher ist Peter Münch, der jahrelang Mitglied der rechtsradikalen Republikaner war und während dieser Zeit eine „nicht geringe Zahl herausgehobener Ämter“ innehatte, wie die Frankfurt Allgemeine Zeitung berichtet.
Auch Martin Hohmann, der seit Ende der neunziger Jahre für die Hessen-CDU im Bundestag saß und zum Jahrestage der Deutschen Einheit im Oktober 2003 eine antisemitische Rede hielt, für die er zwei Jahre später aus der CDU ausgeschlossen wurde, kandidierte am vergangenen Sonntag als „Parteiloser“ auf Listenplatz 1 der AfD im hessischen Fulda.
Obwohl viele Orts- und Kreisverbände der AfD nach eigenen Angaben erst im Aufbau begriffen sind und daher teilweise unterschiedliche Forderungen aufstellten, waren die Grundlinien des AfD-Wahlkampfs recht deutliche. Überall vertrat die Partei eine abstoßende Mischung aus Wirtschaftsliberalismus und Forderungen nach Steuersenkung, Bürokratieabbau und Rückbau staatlicher Leistungen sowie rassistischen Parolen gegen „Überfremdung“ und Flüchtlinge.
Auf einem ihrer offiziellen Plakate stand: „Schwarz-Rot-Gold ist bunt genug!“. Im Parteiprogramm steht, „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ müsse strikt unterbunden werden.
Während allgemein „die soziale Absicherung für Geringverdiener“ gefordert wird, heißt es ausdrücklich: „Ein gesetzlich festgelegter, flächendeckender Mindestlohn kann diese Absicherung jedoch nicht leisten.“ Wie alle Rechtsparteien setzt sich die AfD stark für die Verteidigung der Familie im traditionellen Sinne ein.
Es gibt bei Kommunalwahlen keine detaillierten Berichte über die Wählerwanderung. Daher ist nicht eindeutig festzustellen, woher die Stimmen für die AfD kamen. Aber es ist auffallend, dass die neue Rechtspartei in Großstädten wie Wiesbaden, die nicht zu den sozialen Brennpunkten zählt, sondern als Landeshauptstadt über einen großen Beamtenanteil und eine breite Schicht von Verwaltungsangestellten verfügt, weit überdurchschnittliche Unterstützung erzielte und mit 16,2 Prozent eines ihrer besten Ergebnisse erzielte.
Überhaupt lag der Stimmenanteil der AfD auch in den Speckgürteln der Großstädte, wo auch die Grünen ihre Hochburg haben, sehr hoch. So erzielte sie in Frankfurt am Main knapp 12 Prozent und in Kassel 12,2 Prozent. In Gießen, dem Ort der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, erhielt die AfD über fünfzehn Prozent der Stimmen.
Vieles deutet darauf hin, dass die AfD sehr gezielt darauf hingearbeitet hat, in den gehobenen Mittelschichten einen Stimmungsumschwung in rechts-konservative Richtung zu erreichen, und damit auch eine gewisse Resonanz gefunden hat.