Marktplatz Leipzig: Freie Demo für Grundrechte in Corona-Zeiten
Seit knapp drei Monaten verbreitet sich das Coronavirus weltweit. Wir sind keine Virologen und darum soll und kann der folgende Text auch keine Bewertung des SARS CoV-2 sein. Aber mit den Auswirkungen der momentanen Verordnungen wollen und müssen wir uns trotzdem auseinander setzen. Klar ist, dass die Maßnahmen die von Covid-19 gefährdeten Risikogruppen schützen sollen. Doch durch die strengen Kontakteinschränkungen und -verbote entstehen gleichzeitig enorme Risiken für andere Teile der Gesellschaft. Dagegen wollen wir protestieren.
Am Montag, den 20. April 2020, wurde die Demo von "Leipzig nimmt Platz" kurzfristig von den Veranstalter*innen abgesagt, weil die Auflage kam, dass Personalien aller Teilnehmenden aufgenommen werden müssen (Stellungnahme dazu von LnP: https://platznehmen.de/2020/04/22/nach-abgesagter-versammlung-rechtsmitt...). Wir sehen das als nicht gerechtfertigten Eingriff in unsere Privatsphäre, den wir nicht in Kauf nehmen können. Darum fanden auch wir, als Teilnehmende, die Entscheidung der Absage von "Leipzig nimmt Platz" richtig und wichtig. Unabhängig vom Bündnis haben dennoch einige Menschen demonstriert. Aus dem Austausch heraus entstand die Idee auch am nächsten und wenn es sein muss an allen weiteren Montagen um 18 Uhr unsere Ablehnung der Maßnahmenumsetzung auf dem Leipziger Marktplatz zum Ausdruck zu bringen.
Wir weisen nochmals darauf hin: wir sind keine Virologen und wir maßen uns darum auch nicht an, das Virus zu bewerten. Und dennoch können wir sagen: wir finden nicht gut was derzeit passiert und wollen auf die Konsequenzen, die die aktuellen Regelungen mit sich bringen, aufmerksam machen. Von den Auswirkungen auf Menschen mit psychischen Erkrankungen über den Anstieg der häuslichen Gewalt, Kinderarmut, die Situation von Alleinerziehenden bis hin zu Notschlachtungen in Zoos, das Sterben vieler Menschen in Einsamkeit und derzeit keine Chance auf Asyl – das Ausmaß ist riesig und die Liste geht weiter.
Wir fragen uns, ob die aktuellen Maßnahmen noch verhältnismäßig sind? Wir möchten jede*n Einzelne*n dazu animieren, selbstständig Informationen zu hinterfragen und sich die Faktenlage anzusehen. Wir wollen kritisch sein, uns nicht aus Furcht und in blindem Aktionismus den staatlichen Interessen unterordnen. Dabei grenzen wir uns klar von politisch Rechten, von antisemitischen und rassistischen Einstellungen und diesem Verhalten ab – denn wir sind links und wir wollen solidarisch sein.
Solidarisch sein - das bedeutet selbstverständlich, die Risikogruppen zu schützen, indem wir Abstand halten und viel Wert auf Hygiene legen. Aber auch, Flüchtende nicht zu vergessen, deren Recht auf Asylantragstellung (GG Art. 16a) gerade „ausgesetzt“ wird und Menschen, für die das Kontaktverbot mehr bedeutet als „nur“ alleine zu sein, nicht auszugrenzen. Wir sind überzeugt, dass der Infektionsschutz sich mit unseren Grundrechten vereinbaren lässt, ohne diese streichen zu müssen.
Uns ist auch wichtig, dass wir unseren Unmut teilen können, dass wir sagen können was wir denken und, dass wir das laut und öffentlich machen können. Die Corona-VO vom 17.04.2020 (https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/18661#ef) schließt die Möglichkeit der Versammlungen weitestgehend aus und die Auflagen, die es für Demonstrationen zu erfüllen gilt, halten wir für unverhältnismäßig (z. B. die Daten aller Teilnehmenden aufzunehmen). Es liegt in der Verantwortung jeder*jedes Einzelnen ob und wie gut eine Demonstration/Versammlung, unter dem Aspekt des Infektionsschutzes, gelingen kann – an diese Eigenverantwortung möchten wir appellieren.
Wir möchten uns stark machen, aufstehen und rausgehen für alle diejenigen, die gerade vergessen und vernachlässigt werden, aber auch für diejenigen, die zu Risikogruppen gehören - denn kein Leben ist mehr wert als ein anderes. Demonstrationen und Versammlungen, im Rahmen wie wir es planen, sind derzeit ordnungswidrig - das muss jeder*jedem klar sein. Wir finden das jedoch nicht in Ordnung. Für unser Recht uns zu versammeln, für das Recht auf Asylantragstellung und um auf die Verhältnismäßigkeit von Fakten, Maßnahmen und deren Konsequenzen aufmerksam zu machen, werden wir jeden Montag um 18 Uhr und mit Abstand zueinander, auf dem Leipziger Marktplatz sein. Ziviler Ungehorsam statt blindem Aktionismus!
Wir appellieren: seid kritisch, wenn Unrecht passiert und seid laut. Sagt eure Meinung, bleibt nicht stumm - denn wer jetzt stumm bleibt, darf sich nicht wundern, morgen schon ohne Grundrechte aufzuwachen.