Die Schule Salem

Themen: 

Internatsschule Salem am Bodensee

1 Einleitung

 

Die große Bedeutung Kurt Hahns für die Pädagogik des 20. Jahrhunderts ist in der internationalen Forschung unumstritten. Für den Leiter des Institutes für Erlebnispädagogik an der Universität Lüneburg, Jörg W. Ziegenspeck, besitzt der ganzheitliche Erziehungsansatz Hahns bis in die heutige Zeit Aufforderungscharakter für das Erziehungs- und Ausbildungswesen in Deutschland und in anderen Ländern.[1] Michael Knoll bezeichnet Hahn als „eine der großen Gründergestalten der internationalen Reformpädagogik“.[2]Robert Flarell bemerkt stellvertretend für den anglo-amerikanischen Raum:[3] „Kurt Hahn is increasingly mentioned as the foremost educator of the 20th century.“

Nach seinem Tod im Jahre 1974 wurde Hahns pädagogisches Lebenswerk in verschiedenster Weise gewürdigt. Die Association for Experimental Education rief im Jahre 1983 den Kurt-Hahn-Award ins Leben. Im selben Jahr richtete die Alt-Salemer Vereinigung eine Kapitalstiftung als Kurt-Hahn-Stiftung zur Förderung der Schule Schloss Salem und weiterer Hahnscher pädagogischer Einrichtungen sowie zur Unterstützung begabter Schüler ein. Drei Jahre später gründete die Universität Cambridge eine Stiftung der Kurt-Hahn-Gedächtnis-Stipendien für deutsche Studenten der Philosophie und Geisteswissenschaften. Seit dem Jahre 1992 verleiht das Bundesland Niedersachsen den Outward-Bound-Preis für herausragende Projekte und Programme im Sinne der Hahnschen Erlebnistherapie.

In vielen Teilen der Welt wurden Outward-Bound-Schools gegründet, die sich direkt auf die von Kurt Hahn entwickelten Prinzipien bezogen: in Europa (Belgien, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Griechenland u.a.), in Afrika (Kenia, Nigeria, Südafrika u.a.), in Asien (China, Japan, Malaysia, Singapur u.a.), in Nordamerika (USA, Kanada) ebenso in Australien und Neuseeland.

Zum 80. Geburtstag Kurt Hahns gab Hermann Röhrs die Festschrift „Bildung als Wagnis und Bewährung“ heraus.[4] Ein internationaler Autorenkreis beschäftigte sich dort mit der Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn, vor allem mit der Verbreitung der Kurzschulidee von Salem aus in alle Teile der Welt.

In dieser Arbeit geht es um die wohl wichtigste Schulgründung Kurt Hahns, das Internat Salem in Baden-Württemberg. Zunächst wird allgemein auf das Leben und Wirken Kurt Hahns eingegangen. Danach geht es um die Ausbildung und Stellung der Erlebnispädagogik in Deutschland. Anschließend werden Geschichte, Ziele und pädagogische Maßnahmen des Internats Salems vorgestellt und kritisch beleuchtet. Dann folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Thesen, die im Schlusskapitel zusammengefasst und bewertet werden.

 

 

 

 

2 Leben und Wirken Kurt Hahns

 

 

Kurt Hahn wurde am 5.7.1886 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren.

Das folgenreichste Ereignis seiner Kindheit war laut Landau-Wegner der Tod seines 11jährigen älteren Bruders, der an den Folgen einer Mittelohrentzündung starb.[5] Neben seinen Eltern übten die beiden Berliner Pädagogen Siegmund Auerbach und George W. Humphreys den größten charakterbildenden Einfluss in seiner Kindheit auf ihn aus.

Von der Sexta bis zum Abschluss der Oberprima besuchte Hahn das humanistische Wilhelmsgymnasium in Berlin. Während seiner Gymnasialzeit wurde er durch die Dialoge „Laches“ und „Gorgias“ in die platonische Sittenlehre eingeführt und dadurch schon in Grundzügen mit der Gedankenwelt des griechischen Philosophen vertraut gemacht. Gemäß der Schilderung Hasselhorns galt Hahn als „temperamentvoller, tatendurstiger und sportlich veranlagter Junge, der die damalige Unterrichtsschule nur schwer erträglich fand.“[6]  Hahn empfand den Unterricht am Berliner Wilhelmsgymnasium als „verknöcherter Lernbetrieb“, so dass er sich bereits während seiner Schulzeit mit der Planung einer „Reformschule“ beschäftigte, die auf gegenseitigem Vertrauen und Gemeinschaftsgefühl von Schülern und Lehrern basieren sollte.[7]

Kurt Hahns Verantwortungsgefühl für jüngere Kinder war schon in seiner Jugendzeit sehr stark ausgeprägt. Lora Landau-Wegner berichtete:[8] „Kurt wurde im Jünglingsalter schon eine Art Erzieher der Kinderschar. Oft versammelte er die Kinder an heißen Sommernachmittagen in dem weißen Pavillon und las ihnen vor. Immer wählte er mit Bedacht die Lektüre, in der gewöhnlich eine heldenhafte Figur die Hauptrolle spielte.“

Er unternahm mit den jüngeren Kindern Wanderungen durch unwegsames Gelände, wo sich schon Grundlagen seiner späteren Erziehungskonzeptionen andeuteten: sportliche Übungen und gemeinschaftliches Erleben.

Als sein Vater im Jahre 1904 starb, übernahm der angehende Abiturient faktisch die Erziehung seines jüngeren Bruders Rudolf.[9] Die Charakterformung seines Bruders war gemäß den Schilderungen Landau-Wegners eine Andeutung dessen, was Hahn in seinem späteren Leben bewirken wollte: die Erziehung der Jugend zu einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit und staatsbürgerlicher Tugend.

Im Alter von 16 Jahren begegnete Hahn zwei ehemaligen Schülern der Internatsschule Abbotsholme in England, die ihm das Buch „Emlohstobba“ von Hermann Lietz schenkten. Die Lektüre dieses Buches wirkte auf Kurt Hahn „wie ein Ruf des Schicksals“.[10]

Wenige Monate vor dem Abitur erlitt Hahn einen Sonnenstich, dessen langfristige Folgeerscheinungen ihm damals nicht bewusst waren. Nach dem erfolgreich bestandenen Abitur zog es ihn nach Oxford, wo er ein Studium der klassischen Philologie aufnahm. Im Jahre 1906 kehrte er nach Deutschland zurück und studierte mit langen Unterbrechungen bedingt durch die Folgen des Sonnenstiches an den Universitäten in Berlin, Heidelberg und Freiburg.[11]

Danach schrieb er sich an der Universität Göttingen ein, wo er hauptsächlich an Philosophieveranstaltungen des damaligen Professors Leonard Nelson teilnahm.

Im Jahre 1910 kehrte er nach Oxford zurück; dort war in den Folgejahren für ihn das Studium nur noch im Winter möglich, da er die Sommermonate aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung (Sonnenstich) im kühlen schottischen Klima verbringen musste. Erst nach mehreren Operationen, die von dem Hirnchirurg Victor Hornsley durchgeführt wurden, ging es ihm gesundheitlich besser. In Oxford beschäftigte sich Hahn in Zusammenarbeit mit dem Platoniker J. A. Stewart mit Plänen für die Gründung eines Internats in Deutschland nach dem Vorbild einer englischen Public School.[12]

Im Sommer 1910 erschien Kurt Hahn Schulroman „Frau Elses Verheißung“, nachdem Ludwig Finkh und Hermann Hesse dem Verleger die Veröffentlichung des Werkes empfohlen hatten.[13] In dem Roman waren verschiedene Überzeugungen und Ideen der Hahnschen Erziehung bereits enthalten:[14] die Verabscheuung der „Buchschule“, die die Entfaltung von Phantasie behinderte; die These, das die „Kraft der Kinderjahre“ im Erwachsenenalter beibehalten werden könnte; die Ablehnung einseitiger geistiger Bildung, die Forderung, dass Kinder in einer abgeschiedenen Umgebung jenseits der Städte erzogen werden müssten und die positive Wirkung des Rettungsdienstes auf den Helfenden selbst.[15]

Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges kehrte Kurt Hahn nach Deutschland zurück und arbeitete als englischer Lektor bei der dem Auswärtigen Amt angegliederten „Zentralstelle für Auslandsdienst“.[16] Dort machte er die Bekanntschaft des späteren Reichskanzlers Max von Baden, im Laufe der Zeit entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen ihnen.

Im Januar 1917 bezeichnete Hahn die bevorstehende Erklärung des verschärften U-Boot-Krieges als Fehlentscheidung, womit er sich den Zorn des Auswärtigen Amtes zuzog. Hahn wurde in die militärische Stelle des Auswärtigen Amtes versetzt und bekam ein politisches Referat. Nach und nach kam er mit Anhängern des so genannten Verständigungsfriedens wie Friedrich Naumann, Hans Dellbrück und Friedrich Meinecke in Kontakt.[17]

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurde er der Privatsekretär des Prinzen Max von Baden und zog gemeinsam mit ihm nach Salem am Bodensee.

Prinz Max von Baden und Kurt Hahn begannen, die politischen und gesellschaftlichen Vorkommnisse der letzten Jahre zu analysieren. Dabei kamen sie zu der Erkenntnis, dass Unmündigkeit und Verantwortungslosigkeit in der deutschen Gesellschaft stark ausgeprägt waren. Laut Strömer lag die Verantwortung für diese Fehlentwicklung ihrer Meinung nach im methodischen Konzept der Staatsschulen, wo lediglich die reine Wissensvermittlung im Vordergrund stand. Sie bemängelten, dass die Charakterbildung und die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler keinen hohen Stellenwert bei der Organisation des Unterrichts in den Staatsschulen besaßen.[18]

Um diese Missstände zu beseitigen, gründete Prinz Max von Baden auf der Grundlage Hahnscher Ideen die Internatsschule Schloss Salem, die im April 1920 eröffnet wurde. Bis zu seiner Emigration im Jahre 1933 leitete Kurt Hahn zusammen mit Marina Ewald die Schule.

Im Jahre 1923 missglückte dank der Aussage eines Mitwissers ein geplantes Attentat einer völkischen Organisation auf Hahn. Zur Konfrontation mit dem aufstrebenden Nationalsozialismus kam es im August 1932, als Kurt Hahn sich gegen die Verherrlichung der „Potempamörder“ durch Adolf Hitler wandte.[19] Hahn schickte ein Rundschreiben an die Mitglieder des Salemer Bundes:[20] „Durch das Telegramm von Hitler an die ‚Kameraden’ von Beuthen ist ein Kampf entbrannt, der über die Politik hinausführt. Es geht um Deutschland, seine christliche Gesinnung, sein Ansehen, seine Soldatenehre: Salem kann nicht neutral bleiben. Ich fordere die Mitglieder des Salemer Bundes auf, die in einer SA- oder SS-Tätigkeit sind, entweder ihr Treueverhältnis zu Hitler oder zu Salem zu lösen.“

Daraufhin folgte eine Hetzkampagne gegen den „Juden Hahn“[21] und später ebenfalls gegen den „Markgrafen Berthold als Schildhalter des Juden Hahn“[22]

Kurt Hahn wurde im März 1933 von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen. Nur aufgrund der permanenten Intervention des damaligen englischen Premierministers Ramsay Mc Donalds, des Markgrafen von Baden und anderer einflussreicher Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland wurde er fünf Tage später unter der Bedingung, Baden sofort zu verlassen, aus der Haft entlassen.[23]

Aus Angst vor einer erneuten Verhaftung wanderte Hahn im Juli 1933 nach England aus, wo er kurze Zeit nach seiner Ankunft den Posten des Schulleiters des neu gegründeten Landerziehungsheims in Gordonstoun (Schottland) annahm.

In den darauf folgenden Jahren entwickelte Hahn nach und nach die Konzeption der Kurzschule. Im Jahre 1941 wurde die erste Kurzschule, die Outward Bound Sea School, in Aberdovey (Wales) gegründet.

Die Zielsetzung der Kurzschule umriss Hahn folgendermaßen:[24] „Was ist das Ziel? Die heutige Jugend, vor allem die unterprivilegierte Jugend, gegen eine kranke Zivilisation zu schützen. Die Kurzschule versucht, schützende Erfahrungen zu vermitteln. (...) Kann man wirklich in einem Monat Gesundheit bringen? Das kann man nicht, aber man kann die Heilung in Bewegung setzen. Man kann nicht gute Samariter in vier Wochen heranbilden, aber man kann die Jungen und Mädchen soweit bringen, daß sie sich ernsthaft fragen, ob sie nicht hingehen und dergleichen tun sollen.“

Im Jahre 1953 gab Hahn sein Amt als Schulleiter von Gordonstoun ab und kehrte nach Deutschland zurück, wo er weiterhin als Berater der Internatsschule Salem tätig war.

Mitte der 50er Jahre verfolgte Hahn zusammen mit dem ehemaligen Leiter des NATO Defence College in Paris, Sir Lawrence Darvall, das Ziel, die Gründung von Atlantic Colleges in aller Welt herbeizuführen. Hinter dieser Gründung steckte die Absicht, die positiven Erfahrungen des Defence College bei der militärischen Ausbildung von Erwachsenen aus verschiedenen Ländern auf begabte Jugendliche in den letzten zwei Oberschuljahren mit dem Gedanken der internationalen Verständigung anzuwenden.[25]

Hahn verstand die Gründungen von Atlantic Colleges in verschiedensten Teilen der Welt als Hoffnungsschimmer:[26] „Es gilt den Abscheu einzupflanzen vor der Vergewaltigung von Menschen und Völkern im Krieg wie im Frieden. Wenn Duldsamkeit und menschliches Verstehen, so sagt Darvall, noch neue Wurzeln schlagen kann bei reifen Männern von ganz verschiedener Nationalität dank gemeinsamen Erlebnissen, wieviel hoffnungsvoller wäre die Aufgabe, werdende Menschen aus aller Welt in ihren empfänglichsten Jahren durch die Kameradschaft eines fordernden Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern.“

Hahn gelangte zu der Feststellung, dass die damalige Gesellschaft mit den sich rasant weiterentwickelnden sozialen und technischen Veränderungen überfordert war. Die Jugend fand in der immer stärker von Technik bestimmten Welt keinerlei Möglichkeiten vor, ihren Tatendrang, Mutproben, Bewährungssituationen und Unternehmungsgeist auszuleben. Außerdem erhob Hahn den Vorwurf, dass die Staatsschulen in keiner Weise zur „Heilung“ der Jugendlichen beitrugen, sondern die „Seuchen“ durch ihren Grundsatz der reinen Wissensvermittlung  sogar noch verschlimmerten.[27]

In seinen Augen gab diese Entwicklung Anlass zu großer Sorge um den Seelenzustand der Jugendlichen:[28] „Es ist gefährlich, dem Tatendrang der heranwachsenden Jugend keinen legitimen Spielraum zu geben. Bei vielen welkt er dahin, die Verkümmerung bringt in ihrem Gefolge oft Reizbarkeit und Missmut-weitverbereitete Pubertätsgebrechen, denen wir Erzieher ratlos gegenüberstehen; aber in allen Ländern nimmt die Zahl jener Halbwüchsigen erschreckend zu, deren Sehnsucht nach Erprobung ihrer Menschenkraft ungeduldig zur Erfüllung drängt und dabei die Bande der Zucht und Gesittung sprengt.“

Hahn zeigte in seinem Erziehungskonzept eine kritische Einstellung gegenüber der Moderne und dem Geist seiner Zeit. Mit seiner kritischen Betrachtungsweise stand Hahn nicht alleine, vor allem in der Landerziehungsheimbewegung gab es zahlreiche Persönlichkeiten, die zwar nicht in allen Punkten mit Hahns kritischem Ansatz übereinstimmten, jedoch seine Zweifel über die negative Entwicklung der Gesellschaft teilten. Im Jahre 1930 hob Alfred Andreesen in einer retrospektiven Betrachtung hervor, dass die meisten Landerziehungsheime gegen die „Zivilisationsentartungen“, den „seelenlosen Mechanismus“ und das „verflachende Genußleben“ der Großstädte opponierten.[29]

Hahn war der Ansicht, dass durch den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt die „Menschenkraft“ herabgemindert wurde:[30]„Etwas Unwägbares ist verloren gegangen. (...) Vergegenwärtigen wir uns den guten alten Hausarzt von früher, einen Mann wie Sir James Afflick, der „Augen“ in seinen „Fingern“ hatte, und betrachten wir dann den modernen medizinischen Wissenschaftler, der seine Diagnosen ausschließlich auf chemische, physiologische und Röntgen-Untersuchungen gründet.“

Die Herabminderung der „Menschenkraft“ führte in starkem Maße zu „seelischen Krankheiten“, die laut Hahn „als normale Begleiterscheinungen unserer modernen Gesittung“ hingenommen wurden.[31]

Hahn sah vier „Verfallserscheinungen“ in der Gesellschaft (Verfall der menschlichen Anteilnahme, Verfall der Sorgsamkeit, Verfall der persönlichen Initiative, Verfall der körperlichen Tauglichkeit), auf die schon an anderer Stelle eingegangen wurde.

Unter der Hektik des modernen Lebens litt die Ausbildung der Erlebniskraft der jungen Menschen. Eine nicht zu bewältigende Reizfülle wirkte auf sie ein, die neu gewonnenen Erfahrungen konnten nicht angemessen bearbeitet werden. Intensive Gefühle konnten nicht mehr ausgelebt werden:[32] „Man kommt nicht dazu, einen Gedanken zu Ende zu denken oder gar ein Gefühl zu Ende zu fühlen. Große Freuden und selbst der Kummer um den Verlust von geliebten Menschen werden nicht selten von der grausamen Pausenlosigkeit unseres Daseins verschlungen.“

Die Ruhelosigkeit des Lebens führte dazu, dass die für jeden Menschen wichtige Fähigkeit der Selbstbesinnung verkümmerte.

Durch den medialen Fortschritt (Fernsehen, Kino) wurde der natürliche Tatendrang der Menschen eingeschränkt. Als Zuschauer konnte man zwar Erlebnisse teilen, die Spannung mitfühlen oder die Gefühle auf sich wirken lassen als wäre man selbst ein Teil der Handlung. Da dies jedoch kein authentisches Erleben darstellte, hielt Hahn es für „trügerisch“ und „flüchtig“.[33] Er zog dagegen ein eigenes Erlebnis dem zuschauenden vor. Indem der Mensch etwas selbst erlebte oder fühlte, wurden seine Fähigkeiten der Eigeninitiative, Verantwortungsbereitschaft und Sorgsamkeit gestärkt. Hahn bemerkte in Deutschland eine mannigfaltige Form an Lebensrichtungen. Ein Großstadtkind ohne charakterfestes Elternhaus, das mit den verschiedenen Lebensrichtungen in Berührung kam, lebte sich seiner Ansicht nach immer wieder in sich einander widersprechende Lebensentwürfe ein. Dies führte dazu, dass keine Lebensrichtung Macht über ein Kind gewann, so dass es innerlich zerrissen blieb.Die Kinder, die in charakterstarken Elternhäusern aufwuchsen, waren dagegen innerlich ausgeglichener und nahmen die Werte der „häuslichen Lebensrichtung“ an.[34] Trotzdem vertrat Hahn die Ansicht, dass auch „gesunde Elternhäuser“ in vielen Fällen nicht mehr die Fähigkeit besaßen, ihre Kinder von den „sozialen Seuchen“ zu heilen.

Aufgrund ihres harten beruflichen Alltags blieb selbst den besten Eltern kaum noch Zeit und Kraft, um ihr Kind zu einer charakterfesten Persönlichkeit zu erziehen. Hahn verdeutlichte die Unfähigkeit vieler Eltern, aus ihren Kindern charakterstarke Menschen zu formen, anhand eines Beispiels aus der Medizin:[35] „Wenn schwindsüchtige Leute heiraten, so liegt die Gefahr für ihre Kinder einmal darin, daß sie die Disposition für die Schwindsucht auf ihre Kinder vererben, vor allem jedoch darin, daß diese Dispositionsvererber zugleich die Keimvermittler sind, indem sie mit ihren Kindern zusammenleben.“ Damit wollte Hahn ausdrücken, dass viele Eltern die Disposition der „sozialen Seuchen“ auf ihre Kinder übertrugen, mit denen sie sich in fortgesetzter „seelischer Berührung“ befanden.

Hahn zog daraus den Schluss, dass man zunächst die Eltern erziehen müsste, damit diese ihren Kindern eine sittliche Erziehung zukommen lassen könnten. Er hielt jedoch die Tatsache, die Eltern erziehen zu wollen, für nicht realisierbar:[36] „Wer über 30 Jahre alt ist, dessen Seele wird hart wie Gips.“

Aus dieser Vorüberlegung heraus kam Hahn zu der Einschätzung, dass die Kinder in den entscheidenden Lebensjahren von ihren Eltern getrennt werden sollten. Die schützende Funktion der Mutter reichte laut Hahn nur bis zum 11. Lebensjahr. In den danach folgenden Entwicklungsjahren erhielt der Jugendliche die prägende Charakterstruktur für sein späteres Leben und bedurfte in dieser Zeit der „sorgfältigen männlichen Führung“[37]

Hahn dachte dabei an eine Erziehungsstätte unter Abschirmung von äußeren Einflussfaktoren in Form einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, wo die Schüler zu charakterstarken und sittlichen Persönlichkeiten erzogen werden sollten:[38] „Darum müssen wir unsere Kinder auf das Land schicken und auf dem Lande ummauerte Kulturzentren schaffen, in denen die rechte Lebensrichtung die herrschende ist.“ Die Vorbilder für diese „ummauerten Kulturzentren“ sah Schwarz in Platons Akademie in Athen, in Pestalozzis Erziehungsstätten (Neuhof, Stans, Burgdorf usw.), in der idealen Erziehungsanstalt Goethes, die er in seinem Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ entworfen hatte, und in den Landerziehungsheimen von Hermann Lietz.[39]

Hinter der Trennung von Eltern und Kindern und der Gründung von der Umwelt abgeschiedener Kulturzentren stand das folgende Hahnsche Erziehungsziel:[40] „Unsere Kinder sollen nicht auf einer schlechten Weide wachsen, damit sie nicht alle Tage von schlechter Nahrung unmerklich sich nähren und eine große Krankheit in ihrer Seele tragen, ohne daß sie es wissen. Auf gesunden Gefilden sollen sie wohnen, von Schönem und Gutem sich nähren und unmerklich zur Liebe gelenkt werden, damit sie ganz jung schon das Gute liebhaben und das Schlechte hassen.“

Kurt Hahn wandte sich mit seiner Vorstellung von Erziehung gegen „Verfallserscheinungen“ in der Gesellschaft seiner Zeit. Er sah die Jugend von einem Verfall der menschlichen Anteilnahme, der Sorgsamkeit, der persönlichen Initiative und der körperlichen Tauglichkeit bedroht. Gegen diese in der Gesellschaft weit verbreiteten „sozialen Seuchen“ wollte Hahn angehen und dafür sorgen, dass „in den Lebensplan der Schüler und jugendlichen Arbeiter Heilkräfte hineinströmen.“[41]

Hahn gelangte zu der Feststellung, dass die damalige Gesellschaft mit den sich rasant weiterentwickelnden sozialen und technischen Veränderungen überfordert war. Die Jugend fand in der immer stärker von Technik bestimmten Welt keinerlei Möglichkeiten vor, ihren Tatendrang, Mutproben, Bewährungssituationen und Unternehmungsgeist auszuleben. Außerdem erhob Hahn den Vorwurf, dass die Staatsschulen in keiner Weise zur „Heilung“ der Jugendlichen beitrugen, sondern die „Seuchen“ durch ihren Grundsatz der reinen Wissensvermittlung  sogar noch verschlimmerten.[42]

In seinen Augen gab diese Entwicklung Anlass zu großer Sorge um den Seelenzustand der Jugendlichen:[43] „Es ist gefährlich, dem Tatendrang der heranwachsenden Jugend keinen legitimen Spielraum zu geben. Bei vielen welkt er dahin, die Verkümmerung bringt in ihrem Gefolge oft Reizbarkeit und Missmut-weitverbereitete Pubertätsgebrechen, denen wir Erzieher ratlos gegenüberstehen; aber in allen Ländern nimmt die Zahl jener Halbwüchsigen erschreckend zu, deren Sehnsucht nach Erprobung ihrer Menschenkraft ungeduldig zur Erfüllung drängt und dabei die Bande der Zucht und Gesittung sprengt.“

Hahn lieferte für seine Anschauung von der Notwendigkeit von Abenteuersituationen und Risikoerfahrungen in der Erziehung keine wissenschaftlich fundierte Begründung.[44] Einige Grundzüge der Hahnschen Überzeugung, dass das Abenteuer und die Risikobereitschaft in der Erziehung eine bedeutende Funktion besitzt, finden sich in den Werken von Wolfgang Schleske[45] wieder, der sich mit den psychologischen Aspekten des Abenteuers auseinandergesetzt hat. Abgeleitet aus der Motivationspsychologie sieht Schleske im Risikoverhalten eine intrinsisch motivierte Tätigkeit, deren wichtigstes Kennzeichen das Phänomen der „Zweckfreiheit“ ist. Laut Schleske enthält die „Zweckfreiheit“ keine Ziel- oder Produktorientierung. Er deutet das Risiko- und Abenteuerverhalten als Training zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des zentralen Nervensystems:[46] „Wenn es keine unmittelbaren Beanspruchungen gäbe, könne und müsse das zentrale Nervensystem von sich aus tätig sein, um voll arbeitsfähig zu bleiben.“

Hahn hielt die staatsbürgerliche Verantwortung in Deutschland zu seiner Zeit für wenig ausgebildet:[47] „Die Fähigkeit zum bundesgenössischen Handeln ist noch immer schwach entwickelt. Wie selten finden sich im politischen Leben Kräfte zur Kraft zusammen, wie oft gefährden persönliche Bitternisse natürliche Bundesgenossenschaften.“ Er bemerkte in Deutschland eine Tendenz zu gleichgerichteten Lebensvorstellungen und einen „zunehmenden Schwund des Unabhängigkeitssinnes des Individuums.“[48]

Die Ursache für dieses fehlende Verantwortungsgefühl lag für ihn in einer falschen Erziehung, die Staatsschule war lediglich an der Wissensvermittlung interessiert und führte keinen Unterricht durch, der charakterstarke Individuen formte.

Hahn erkannte schon früh die Wichtigkeit der über die reine Theorie hinausgehende Praxisvermittlung seiner Erziehungsvorstellungen:[49] „(...) die Jugend nicht nur über die Pflichten des Staatsbürgers zu belehren, sondern sie im staatsbürgerlichen Sinne zu üben.“ Aus diesem Grund wies die Struktur der Schulen Hahns die Form eines „kleinen Staates“ auf. Die Funktionsfähigkeit dieses Staates[50] hing davon ab, inwieweit die Schüler den ihnen anvertrauten Verantwortungen gerecht wurden. In den Schulen Hahns herrschte „eine staatliche Ordnung mit geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen“[51], über deren Einhaltung die Schüler als Verantwortungsträger selbst zu wachen hatten.

 

Die charakterbildende Wirkung der Erlebnistherapie ist laut Schwarz in einer Dreistufung zu beobachten. Die einzelnen Teile bedingten und ergänzten sich gegenseitig und bildeten somit eine organische Einheit:[52]

 

1. Die vier Komponenten der Erlebnistherapie (körperliches Training, Expedition, Projekt und Rettungsdienst) wurden gezielt den vier „Verfallserscheinungen“ (Verfall der körperlichen Tauglichkeit, der Initiative, der Sorgsamkeit und der menschlichen Anteilnahme) entgegengestellt. Sie blieben als Einzelelemente aber lediglich auf das teleologische Entgegentreten einer bestimmten zivilisatorischen Notlage beschränkt.

 

2. In der zweiten Stufe kam die eigentliche charakterbildende Wirkung der Erlebnistherapie zum Vorschein. Sie entwickelte sich in der gegenseitigen Verästelung und in der praktischen Durchführung des Zusammenspiels ihrer Elemente unter dem gemeinsamen Motiv des Erlebnisses in der Kurzschule.[53] Das Erlebnis bedeutete für Kurt Hahn kein zufälliges Ereignis, es war vielmehr das Endresultat eines sorgsam durchdachten Planes. Diese Erlebnisse sollten die Erinnerungen der Schüler[54] prägen und als Kraftquelle für entscheidende Augenblicke im weiteren Leben dienen.

Die Wirkung der prägenden Erlebnisse in den vier Elementen der Erlebnistherapie in Form „heilsamer Erinnerungsbilder“ für das spätere Leben entnahm Hahn dem Gedankengut von William James. Hahn übernahm von James die Vorstellung, dass der Grad der Intensität eines Erlebnisses im weiteren Leben bei gleichen Erfahrungen für die Wiedererinnerung entscheidend war:[55]„Events lived through only one, and in youth, may comes in after years by reason of their exiting quality or emotional intensity to serve as types or instances.“

Die im Gedächtnis eingebrannten Erfahrungen („vividness in an original experience“) konnten laut James bei ähnlichen Erfahrungen dieselbe Wirkung beim Menschen auslösen wie die Gewohnheit. Solche Erinnerungen aufgrund prägender Erlebnisse als Jugendlicher können jederzeit durch Assoziationen aktiviert werden und als innere Aufforderung den „bösen Leidenschaften“ entgegentreten.

Im Gegensatz zu der Gewohnheit, die auf die ständige Übung aufbaute, war die Intensität des Erlebnisses und des handelnden Einsatzes für das spätere Verhalten von enormer Wichtigkeit. Der Grad der persönlichen Aktivität war entscheidend für die Stärke des Widererinnerns:[56] „Where you are passive you forget; where you are active you remember.“

Im Gegensatz zur Gewohnheit, die auf ständiger Einübung basierte, war in diesem Fall nicht die Dauer, sondern die Stärke und der Einfluss des Erlebnisses für das spätere Verhalten ausschlaggebend.

 

3. Die Erlebnistherapie war für Hahn nur das Mittel der Erziehung, die den Schüler vor der Verkümmerung der „Kinderkraft“ in den Pubertätsjahren und vor einseitiger Wissensvermittlung durch die Staatsschulen schützen sollte. Über diesem thronte die oberste Leitidee Hahns: die Erziehung des Menschen zur Verantwortung und zur Sittlichkeit in einem Staate auf demokratischer Grundlage. Dieses Ziel sollte jeder Schüler durch die Erlebnistherapie verinnerlichen.

In seiner Schrift „Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheims aus dem Jahre 1957 erweiterte Hahn die oben genannten Zielvorstellungen:[57] „Wenn Duldsamkeit und menschliches Verstehen (...) noch neue Wurzeln schlagen kann bei reifen Männern von ganz verschiedenen Nationalitäten, dank gemeinsamer Erlebnisse, wieviel hoffnungsvoller wäre die Aufgabe, werdende Menschen aus aller Welt in ihren empfänglichsten Jahren durch die Kameradschaft eines fordernden Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern.“

Unter Erziehung zur Verantwortung verstand Hahn „die Erziehung zur staatsbürgerlichen Verantwortung“[58], d.h. die Erziehung des Menschen zum verantwortungsbewussten Denken und Handeln in einer staatlichen Gemeinschaft, die auf einer demokratischen Grundlage basierte.

In der Ausbildung eines Menschen zu staatsbürgerlicher Verantwortung sah er das grundlegende Ziel seiner Erziehung:[59] „Vom Standpunkt der Nation ist das Wichtigste, das die Landerziehungsheime leisten, die staatsbürgerliche Erziehung. Bismarcks großer und durch unsere tragische Geschichte nachgewiesener Irrtum bestand darin, daß er glaubte, man brauche das deutsche Volk nur in den Sattel zu setzen, damit es auch reiten könne. Es ist unsere Aufgabe, ihm das Reiten beizubringen.“

Die staatsbürgerliche Verantwortung basierte auf dem „tätigen Bürgersinn“[60], den schon Prinz Max von Baden im Jahre 1919 forderte:[61] „Erzieht Bürger, die sich verantwortlich fühlen für das, was im Namen ihres Landes getan wird.“

Dieses Verantwortungsgefühl stellte sich Hahn als „zorniges Knurren“ vor, das „(…) aus der Tiefe eines Volkes aufsteigt, wann immer die Regierung Unrecht hat.“[62]

Der eigenständig denkende Bürger sollte sich immer seiner Verantwortung für das Allgemeinwohl eines Landes bewusst sein und nicht ohne Einmischung Entscheidungen, die der Allgemeinheit des Landes widersprachen, hinnehmen. Hahn wollte den mündigen Bürger, „(...) den großen politischen Einzelnen, der das Schicksal durchaus im bürgerlichen Sinn in die Hände nehmen kann.“[63]

 

Im Jahre 1974 verstarb Kurt Hahn. Zu Lebzeiten war Hahn für die Gründung von zahlreichen Einrichtungen und Initiativen verantwortlich:[64]

 

- Die im Jahre 1919 gegründete Heidelberger Vereinigung, eine politische Arbeitsgemeinschaft zur Durchsetzung eines „Rechtsfriedens“ in Versailles mit den Mitgliedern Max Weber, Robert Bosch, Prinz Max von Baden usw.;

- die im Jahre 1941 in Aberdovey/Wales gegründete Outward-Bound-Bewegung mit Kurzschulen in aller Welt;

- Internatsschulen im In- und Ausland, wie Schloss Salem (Deutschland), Gordonstoun (Schottland), die Athenian School (USA), die International School Ibadan (Nigeria) usw.;

- das im Jahre 1956 gegründete Duke of Edinburgh Award[65], ein Abzeichen für  besondere sportliche, projektorientierte und soziale Leistungen; 

-  die United World Colleges, Oberstufenkollegs mit einer Dauer von 2 Jahren mit Schülern aus der ganzen Welt und Abiturprüfung u.a. in Wales, Kanada, USA und Venezuela;     

-  die im Jahre 1963 ins Leben gerufene Medical Commission of Accident Prevention, eine Institution, die sich wissenschaftlich mit Fragen der Unfallprävention, Erster Hilfe und Lebensrettung beschäftigt.

 

 

 

 

3 Erlebnispädagogik in Deutschland

 

In Deutschland entwickelte sich die Erlebnispädagogik um das Jahr 1930 in der Reformpädagogik[66] zu einem wichtigen Element des Unterrichtsverständnisses.[67] Die Erlebnispädagogik wurde in der Zeit zwischen 1933 - 1945 durch die Organe der NSDAP vereinnahmt und für parteipolitische Ziele missbraucht, wobei die ursprünglich postulierten Werte pervertiert wurden.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland der Versuch gestartet, an die Erkenntnisse und Ziele der Erlebnispädagogik in der Weimarer Republik anzuknüpfen. Dies gelang jedoch nur in Ansätzen, da viele Pädagogen, die in der Zeit des Nationalsozialismus eine führende Rolle spielten, weiterhin wichtige Positionen im deutschen Erziehungswesen bekleideten. Verstärkend kam hinzu, dass ehemalige Unteroffiziere und Offiziere der Wehrmacht, die nach neuen Beschäftigungsfeldern suchten, in Erziehungs- und Ausbildungsstätten drängten, wo erheblicher Personalbedarf bestand. Noch immer beeinflusst vom nationalsozialistischen Gedankengut standen die meisten von ihnen den als progressiv empfundenen Ideen der Erlebnispädagogik skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Ende der 50er Jahre musste sich das Bildungs- und Ausbildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Eindruck der machtpolitischen Blockbildung in der Welt (NATO, Warschauer Pakt) dem „Wettlauf der Systeme“ unterordnen. Nach dem „Sputnik - Schock“ stand die Optimierung von kognitiven Lernleistungen im Vordergrund, die Ganzheitlichkeit des Bildungsgedankens spielte in pädagogischen Entscheidungsprozessen nur noch eine marginale Rolle.[68]

Das Aufkommen von ökologischen Erkenntnissen und sozialen Bewegungen in den 70er und 80er Jahren führte sowohl in weiten Teilen der Gesellschaft als auch in pädagogischen Fachkreisen zu einer kritischen Bestandsaufnahme der bisherigen Bildungsleitlinien und zu einer Neubesinnung über Bildung und Erziehung. Die Erlebnispädagogik erlebte in diesem Zusammenhang eine neue Wertschätzung, wobei außerschulische Wirkungsfelder eher im Vordergrund standen.

Eine neue Form der Erlebnispädagogik findet als „Spielpädagogik“ mit verkürztem therapeutischem Ansatz Anerkennung. In der „Christuszentrierten Erlebnispädagogik“  werden auch Gott und die Schöpfung in der Natur individuell „erfahrbar“ gemacht. In einer hochtechnisierten Welt wird es immer wichtiger, diesem Urtrieb des Menschen, dem Drang nach Abenteuer, gerecht zu werden. Im Bereich der Erwachsenenbildung hat die Erlebnispädagogik ihre Entsprechung in der sogenannten Suggestopädie gefunden, in der die wichtigsten Elemente für den schnellen und gehirngerechten Lerntransfer in der Verbindung von kognitiven und affektiven Kompetenzen genutzt werden.

Ziegenspeck spricht zu Recht davon, dass der Erlebnispädagogik immer stärker eine sozialtherapeutische Aufgabe zuwächst.[69] Dieser Prozess wird durch die bildungspolitischen Folgen der „Wiedervereinigung“ Deutschlands beschleunigt. Es wird nach neuen Wegen öffentlicher Jugendhilfe gesucht, weil die Erziehungsproblematik unter den neuen sozialpolitischen Verhältnissen nicht mehr angemessen berücksichtigt werden kann (z.B. Massenarbeitslosigkeit, wachsende Drogenproblematik, Erfahrung sozialer Vereinzelung, zunehmender Rassismus usw.).  Kinder und Jugendliche sollen über das Medium erlebnisintensiver Aktivitäten dabei unterstützt werden, problemlösende Verhaltens- und Verständigungsformen zu entwickeln und zu verinnerlichen, außerdem ist die Vermittlung von lebensbereichernden Faktoren wie Charakterstärke und Verantwortungsgefühl von großer Bedeutung.

Ein Erlebnis im erlebnispädagogischen Sinne ist also nicht etwas Alltägliches, sondern ein besonderes Ereignis. Man verbindet Erlebnisse eher mit dem Neuen, Ungewohnten und Unbekannten, obwohl aus psychologischer Sicht das Erleben als neutral definiert wird. Sowohl banale alltägliche Dinge als auch intensive außergewöhnliche Eindrücke sind hier einbezogen. In der Psychologie bezieht sich das Erleben auf die unterschiedlichsten Dinge, beispielsweise auf Umwelteindrücke, auf das eigene Handeln, auf seelische und körperliche Prozesse oder auf zwischenmenschliche Einflüsse. Inhalte des Erlebten, die als bedeutungsvoll angesehen werden, werden zu Eindrücken verarbeitet, die positive oder negative Gefühle oder Erinnerungen hervorbringen können. Für den Menschen stellt das Erleben etwas Persönliches und Subjektives dar, das unmittelbar wahrgenommen wird.

Hahn war der Ansicht, dass nur durch kontinuierliche Nachahmung und Übung die „energische Teilnahme“ den „Eigennutz“ im Menschen verdrängen und sich als beständige Neigung etablieren konnte. Er vertrat die Auffassung, dass die Achtung vor dem Sittengesetz gewährleistet sein sollte, damit man von sittlichem Handeln sprechen konnte. Dies musste nicht immer bewusst sein, sondern es konnte sich hierbei durch häufiges Üben bedingt um eine „unbewußte Kontrolle des Pflichtgefühls“ handeln.[70] Hahns Zielvorstellung war die folgende:[71] „(...) je mehr Handlungen ein Mensch in Übereinstimmung mit seiner Achtung vor dem Sittengesetz, aber nicht bestimmt durch seine Achtung vor dem Sittengesetz, sondern durch die Neigung, die Würde seiner Mitmenschen zu schonen, vollbringt, um so fähiger ist der Mensch, jede sittliche Handlung ohne unüberwindlichen Neigungswiderstand zu vollbringen.“

Hahn negierte die These, dass die Aufgabe von Pädagogen darin bestand, sittliche Menschen zu erziehen; stattdessen vertrat er die Ansicht, dass sie „die Seele des Kindes schön, lebendig und fähig“[72] formen sollten, um dem Kind selbst die Gelegenheit zu geben, sich zu einem sittlichen Menschen zu entwickeln. Wenn dem „Eigennutz“ durch die systematische Stärkung der „energischen Teilnahme“ Widerstand entgegengebracht wurde, „so erwächst in dem werdenden Menschen ein Kampf der Neigungen und dieser Kampf der Neigungen bedeutet die günstigste Konstellation für die Achtung vor dem Sittengesetz, um es als souveräner Bestimmer das menschlichen Handelns ans Licht treten zu lassen.“[73] Eine weitere Voraussetzung zur Förderung des sittlichen Handelns sah Hahn in Anlehnung an Platon in der Vermeidung der Nachsicht. Der Mensch sollte dazu in der Lage sein, „die Reue in ihrer ganzen Bitternis“ zu spüren, „weil aus dem Sieg wie aus der Niederlage neue Kräfte wachsen können.“[74] Die innerliche Akzeptanz der Reue konnte durch die Nachsicht verhindert werden, sie erlaubte es dem Menschen nicht, das Gefühl der Reue auszuleben:[75] „Für den Beobachter ist der Seelenzustand des Reuigen ein ergreifender und festlicher zugleich. Jählings von dem Druck der Betörung befreit, erwacht der Mensch zur Klarheit, spürt die wahren Werte seines Lebens und schüttelt sich von den Verdunklern in seiner eigenen Seele frei.“

Hahn war überzeugt von der These, dass die Seele des Menschen der Formbarkeit unterlag und sich abhängig von der Erziehung entweder zum Guten oder zum Schlechten ausbilden konnte. Jeder Mensch besaß die Fähigkeit, alles nachzuahmen, da jede menschliche Eigenschaft latent in ihm stecke. Abhängig von der Disposition des Individuums besaßen die einzelnen Eigenschaften eine differenzierte Entwicklungskraft. Der Erzieher musste deshalb auf die richtige Auswahl der „Nahrung“ der Seele der jungen Menschen achten, um die Verkümmerung wichtiger Eigenschaften zu verhindern.

 

 

 

 

4   Salem

 

Die Public Schools stellten exklusive höhere Internatsschulen mit alter Tradition dar.[76] In der Geschichte Englands waren sie vor allem die Träger der Erziehung der wohlhabenden und sowohl politisch als auch wirtschaftlich einflussreichen Gesellschaftsschicht. Die Erziehung der Public Schools baute auf strenger Zucht und der exakten Fortführung des Überlieferten und Althergebrachten auf. Finanziert aus dem Schulvermögen, durch Zuwendungen von Gönnern und ehemaligen Schülern sowie dem Schulgeld wurden dort junge Menschen im Alter von 11- 18 Jahren unterrichtet.

Zu den außerhalb Großbritanniens bekanntesten und angesehensten Public Schools zählten u.a Eton College, Rugby School und Winchester College. Charakteristisch für diese Schulform waren laut Brereton Korpsgeist, Kameradschaftlichkeit, Willensschulung und körperliche Erziehung.[77]

Kurt Hahn bewunderte bestimmte, für ihn typische Eigenschaften der englischen Public Schools:[78]

 

- Zuversicht in der Anstrengung,

- Anmut in der Niederlage,

- Fairness im Zorn,

- Klarheit des Urteils selbst in der Bitternis verwundenen Stolzes,

- Bescheidenheit im Erfolg,

- Bereitschaft, sich zu jeder Zeit einzusetzen.

 

Hahn hob insbesondere die Leistung der englischen Public Schools für die demokratische Gesinnung in Großbritannien hervor:[79] „Es gelingt ihnen, junge Menschen heranzubilden, die argumentieren können, ohne sich zu zanken, die zanken können, ohne sich zu verdächtigen, sich verdächtigen können, ohne sich zu verleumden.“

Weiterhin schätzte Hahn die Bedeutung, die die Public Schools in ihren Erziehungsgrundsätzen der körperlichen Ertüchtigung und dem Dienst am Nächsten beimaßen. Daraus erwachte der Wunsch, die Grundlagen der Public Schools auf Deutschland zu übertragen:[80] „Im Jahre 1914 hatte ich Oxford verlassen mit dem einen Ziel, ein Internat zu gründen, das ich nach dem Vorbild der englischen Public Schools aufzubauen gedachte.“

Im Landerziehungsheim Salem am Bodensee finden sich Wesenszüge der englischen Public Schools wieder. Der ehemalige Internatsleiter am Atlantic College South Wales, David B. Sutcliffe, stellte fest:[81] „Salem entstand als eine pädagogische Antwort auf die politische Situation, als Beitrag zur Behebung eines menschlichen und nationalen Notstandes. Für das deutsche öffentliche Leben sollten durch Erziehung Eigenschaften der verantwortungsvollen, sicheren, um das Wohl des Landes besorgten Führung geweckt werden, die die englischen Public Schools in der politischen Tradition ihres Landes auszeichneten. Das Salemer Abgangszeugnis erhielt Beurteilungen über diese Qualitäten (...)“

Sportarten, die in den Public Schools auf dem Lehrplan standen, fanden auch in Salem Verbreitung, wie z.B. Hockey. Marina Ewald berichtete:[82] „ Hockey war nun mal das Wichtigste für die meisten Salemer, obwohl sie nur ein- bis zweimal wöchentlich spielen und dazwischen nicht üben durften. (...) Die Erfolge, die bald, sowohl in der Leichtathletik als auch im Hockey erzielt wurden, beruhten nicht auf technische Ausbildung, sondern auf der guten Allgemeinverfassung und der Einsatzfreudigkeit.“

Im Gegensatz zu den elitären Public Schools verfolgte Hahn das Ziel, dass Jugendliche aus allen sozialen Schichten seine Schulen besuchen konnten.

Er orientierte sich dabei an den Worten des Prinzen Max von Baden:[83] „ Macht die Schule möglichst unabhängig vom Reichtum dadurch, daß ihr das Schulgeld dem Einkommen der Eltern entsprechend stuft. Aber sucht Euch nicht nur Kinder aus, die akademische Begabung haben, nehmt auch Jungen und Mädchen, die nichts anderes wollen als gute Handwerker werden.“.

Mit der Gründung Salems wollten Prinz Max von Baden und Kurt Hahn zur politischen und gesellschaftlichen Erneuerung Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg durch Erziehung zur Verantwortung beitragen. In seinem Werk „Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheims“ aus dem Jahre 1957 führte Hahn aus:[84] „Die neugegründete Schule sollte Gutes in der Salemer Gegend wirken, zur Heilung der zerstörten Gesittung beitragen und schließlich auch zur Solidarität Europas.“

Allerdings überschätzte er die Macht seiner Erziehungsmethoden, was durch den ehemaligen Schüler Salems, Golo Mann, deutlich zum Ausdruck kommt:[85] „Zu oft, zu deutlich ließ er uns wissen, was er von uns erhoffte, daß wir Deutschland die Generation von ‚Führern’ stellen sollten, besser als jene im Kaiserreich gewesen waren; ferner auch, daß wir den moralischen Verfall, wie er ihn sah, aufhalten oder den üblen Gang der Dinge umzukehren bestimmt waren. Darin lag eine Anmaßung, eine Überschätzung dessen, was eine Schule, wäre sie auch ein System von dreien oder vieren, im glücklichsten Fall leisten konnte. (...) Während der dreißiger, frühen vierziger Jahre gab es nur einige hundert ‚Altsalemer’ unter sechzig resp. achtzig Millionen Deutschen ein paar Körner im Sand.“

Prinz Max von Baden stellte zur Durchführung des Projektes einen Teil seines Schlosses, der ehemaligen Zisterzienserabtei Salem am Bodensee, zur Verfügung. Außerdem stiftete er eine beachtliche Summe, um den Schulbetrieb durchzuführen und meldete gleichzeitig seinen Sohn als ersten Schüler an.

Am 21.4.1920 wurde Salem mit Kurt Hahn als Leiter und 8 internen und 20 externen Schülern feierlich eröffnet. Die externen Schüler kamen aus angesehenen Familien aus der Umgebung Salems, während die internen aus Familien mit kultureller Tradition stammten, deren Kriegsschicksale es unmöglich machte, ihre Kinder zu einer höheren Schule zu schicken[86]

Trotz der Zuwendungen von Prinz Max von Baden fehlte in der ersten Zeit nach der Gründung aus materieller Sicht gesehen das Notwendigste; den Unterrichtsräumen mangelte es an Einrichtung und es existierte lediglich eine Spirituslampe für die gesamte Schule.

Salem war ein staatlich anerkanntes Gymnasium und unterlag somit denselben Lehrplänen, Leistungsanforderungen und Abiturbestimmungen wie alle anderen Gymnasien in Baden-Württemberg. In Fragen der Klassengröße, Einteilung der Stunden und Lehrerauswahl nutzte Salem jedoch das vom Staat zugebilligte Selbstbestimmungsrecht.[87] Neben dem staatlichen wurde auch ein Salemer Reifezeugnis vergeben. Dieses Reifezeugnis enthielt Beurteilungen über die gelernten Fähigkeiten auf allen Gebieten des Salemer Schullebens.[88] Der nachfolgende Vordruck soll dies näher illustrieren:

 

 

                           Abschließender Bericht an die Eltern

 

Gemeinsinn:

Gerechtigkeitsgefühl:

Fähigkeit zur präzisen Tatbestandsaufnahme:

Fähigkeit, das als Recht Erkannte durchzusetzen:

gegen Unbequemlichkeiten:                           gegen Strapazen:

gegen Gefahren:                                            gegen Hohn der Umwelt:

gegen Eingebungen des Augenblicks:             gegen Skepsis:

Fähigkeiten des Planens:

Fähigkeit des Organisierens:

        Einteilung von Arbeiten:

        Leitung von Jüngeren:

Fähigkeit, sich in unerwarteten Situationen zu bewähren:

Geistige Konzentrationsfähigkeit:

       bei Arbeiten aus dem eigenen Interessenkreis:

       bei Arbeiten außerhalb des eigenen Interessenkreises:

Sorgfalt:

       im täglichen Leben:

       bei der Erfüllung besonderer Pflichten:

Äußere Lebensgewohnheiten:

Handgeschicklichkeit:

Leistungen im Unterricht:

Deutsch:                     Alte Sprachen:                      Neue Sprachen:

Geschichte:                 Naturwissenschaften:            Mathematik:

Praktische Arbeiten:

Künstlerische Leistungen:

Leibesübungen:

Kampfkraft:              Zähigkeit:                        Reaktionsgeschwindigkeit:

 

Kurt Hahn, der laut Knoll den einzelnen Schulfächern als Erziehungsmittel nicht viel abgewinnen konnte, überließ den organisatorischen Part und die Durchführung in vielen Fällen den Studienleitern.[89] Karl Reinhardt, früherer Geheimrat im preußischen Kultusministerium, gründete Salem als Reformgymnasium mit geringerer Jahresstufenzahl und verkürztem Stundenplan.

Die vier Elemente der Erlebnistherapie (körperliches Training, Expedition, Projekt und Rettungsdienst) wurden nach und nach in den Wochenplan Salems integriert.

Das körperliche Training hielt Kurt Hahn von Anfang an für sehr bedeutsam. Zwischen den Unterrichtsstunden fand viermal die Woche vormittags die „leichtathletische Pause“ statt, wo die Schüler im Werfen, Lang- und Kurzstreckenlauf sowie im Springen trainiert wurden. Weiterhin schrieb der Trainingsplan Übungen wie Seilspringen, Laufen, Werfen oder Hochsprung vor, die täglich absolviert werden mussten.

Die Wichtigkeit von Expeditionen für die Charakterbildung der Schüler erkannte Kurt Hahn Mitte der 20er Jahre. Die von der Entfernung her weiteste Expedition unternahmen 20 Salemer in offenen Booten über die finnischen Seen. Bei diesen Touren ging es nicht um kurzfristige Höchstleistungen oder zwanghaften Erfolg, sondern um die Herbeiführung von Erlebnissen zur Charakterentwicklung der jungen Menschen.

Seit dem Jahre 1926 wurde ein unterrichtsfreier Samstagvormittag für die Oberklassen zur Durchführung eines Projektes eingeführt. Das Projekt besaß den Charakter einer Facharbeit, die sich mindestens über ein Trimester erstrecken musste und anschließend im Schülerplenum präsentiert wurde.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde in Salem für die Schüler der 10-13 Klasse verpflichtend der Rettungsdienst eingeführt (Feuerwehr, Sanitäts- und Seenotrettungsdienst und ein Stützpunkt des Technischen Hilfswerkes (THW)). Dies bedeutete eine entscheidende Wende:[90] „Die Salemer Erlebnistherapie, die bis 1933 vornehmlich dazu dienen sollte, die Jugend vor den Gefahren der Pubertät zu bewahren, war in den Imperativ vom Dienst am Nächsten übergegangen.“

Die Aufnahme des Rettungsdienstes in den Wochenplan der Schule resultierte aus den in Gordonstoun gesammelten positiven Erfahrungen.[91] Der Rettungsgedanke war jedoch vorher schon im Salemer Erziehungssystem durch die Berufung auf die Tradition der Zisterzienser[92] und die Heranziehung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, das zu Beginn jedes Trimesters vorgelesen wurde, enthalten.[93]

Durch den Trainingsplan in Salem wurde ein Organ der Selbstkontrolle geschaffen, um die Voraussetzungen für den Anspruch auf Selbstverwaltung zu erfüllen. Einzelne Punkte wie das Duschen mit warmem und kaltem Wasser, die Einnahme einer Zwischenmahlzeit und leichtathletische Übungen mussten jeden Tag erfüllt und protokolliert werden. Der Trainingsplan unterlag keiner Kontrolle, nur auf Verlangen musste er vorgezeigt werden.

In den hierarchischen Grundstrukturen Salems war die Aushändigung des Trainingsplans die zweite Stufe.[94] Die Neulinge erhielten zuerst nach einer gewissen Orientierungsphase als Zeichen der Zugehörigkeit zu Salem einen Schulanzug bzw. ein Schulkleid. Wenn die neuen Schüler gegen die Regeln der Kameradschaft oder Disziplin verstießen, führte dies zum Verlust der Schuluniform, was einer sozialen Erniedrigung gleichkam.

In den ersten Jahren nach der Gründung von Salem gab es nur wenige Angestellte zur Erledigung von landwirtschaftlichen oder häuslichen Arbeiten. Dies wurde dadurch kompensiert, dass den Schülern diese Aufgaben übertragen wurden, die sie an Pflichterfüllung und Zuverlässigkeit gewöhnen sollten. Die Erfüllung dieser Pflichten war der wichtigste Punkt im Trainingsplan. Wenn sich die Schüler bei den ihnen zugeteilten Aufgaben bewährten, kamen sie für höhere Ämter der Selbstverwaltung in Frage.

Kurt Hahn sah Salem als „kleinen Staat“ an, dessen Überleben von dem Verantwortungsbewusstsein der Schüler abhing. Anknüpfend an Platons Staatsideal legte Hahn in der Salemer Verfassung großen Wert auf aristokratische Elemente. Die folgende Abbildung gab die Salemer Schulverfassung um das Jahr 1930 wieder.[95]

 

                                        Der Leiter

                                       

                                        Der Wächter

                                       

                                        Die Helferexekutive

     Rangstufen                                                                              Ämter

     Die Farbentragenden                                                                Helfer

     (von der farbentragenden Versammlung                                          Flügelhelfer

     gewählt aus den Reihen der Anwärter)                                          Betriebshelfer

                                                                                           Studienhelfer

                                                                                          Juniorenhelfer

    Die Anwärter auf die Farben                              Assistenten der Helfer

     (von der farbentragenden Versamm-                                          Zimmerführer

     lung gewählt aus den Reihen der                                       Warte (Betreuung der

     Schulanzugsträger)                                                 Fahrräder, des Inventars usw.)

 

   Die Schulanzugsträger                                                Ausführung von

                                                                      kleinen häuslichen Pflichten

 

 

Ein Beispiel für die aristokratische Struktur der Verfassung war die Tatsache, dass die „Farbentragenden“ nicht von allen Schülern gewählt, sondern durch eigene Zuwahl bestimmt wurden. In den Versammlungen der „Farbentragenden“ lag der Vorsitz bei Kurt Hahn; den stellvertretenden Vorsitz hatte der Wächter, das Oberhaupt der Selbstverwaltung der Schüler, inne. Die Person des Wächters[96] wurde nicht in einer Wahl ermittelt, sondern vom Leiter Salems ernannt. Der Gruppe der „Farbentragenden“ gehörten nicht nur Schüler an; einige Erwachsene, die in enger Beziehung zu Salem standen, waren ebenfalls Mitglied dieses Kreises.

Die „Farbentragenden“ besaßen gesetzesberatende und durchführende Funktionen.[97] Sie sollten die Einhaltung der Gesetze von Salem überwachen, insbesondere die ungeschriebenen Gesetze der Gemeinschaft und der individuellen Verantwortung.

Bedingt durch die allmähliche Zunahme der Schülerzahl differenzierten sich im Laufe der Zeit die Aufgaben der „Farbentragenden“. Einige bekamen als „Helfer“ ein bestimmtes Ressort (Sport, Werksarbeit, Junioren, Wohnflügel) zugewiesen, in dem sie für die Einhaltung der Salemer Gesetze verantwortlich waren. Fast jedes Zimmer wurde einem „Zimmerführer“ zugeteilt, der kein „Farbentragender“ war, aber doch ähnliche Aufgaben übernahm. Für den Fall der unkorrekten Erfüllung ihrer Aufgaben wurden den Schülern ihre Ämter entzogen, was eine schwerwiegende Strafe innerhalb des Gemeinschaftslebens Salems darstellte.

Die aristokratischen Grundelemente in der Salemer Verfassung waren im Hinblick auf das Demokratieverständnis der Schüler bedenklich. Zutreffend bemerkte von Hentig:[98] „Diese Verbindung von einer sogenannten ‚natürlichen’ Hierarchie mit einer Verabsolutierung der Gemeinschaft ist die ungewollte, aber nichtsdestoweniger direkte Verneinung der Demokratie. Wenn diese Verbindung als ein Mittel der Erziehung angesehen wird (und nicht nur als unvermeidliche Form der Verwaltung), dann wird die Vorbereitung auf die Lebensordnung, die die Schüler später ‚draußen’ vorfinden werden und verteidigen müssen, nicht nur versäumt, sondern verhindert.“ Köppens Kritik enthielt denselben Grundtenor:[99] „(...) die Versammlung der Farbentragenden ist ihrer Struktur nach keine demokratische Institution. (...) Sie ist eher aristokratisch zu nennen, die Mitglieder werden nicht im Sinne der Demokratie von allen Schülern der Schule gewählt, sondern die Zuwahl erfolgt durch die Mitglieder der Versammlung.“. Sein gleichzeitig unternommener Versuch der Relativierung „in Salem waren stets der Geist und die Verhandlungsformen innerhalb der Versammlung demokratisch“[100] ändert nichts am aristokratischen Grundcharakter der Versammlung der „Farbentragenden“.

Außer in der aristokratischen Struktur der Versammlung der „Farbentragenden“ lag nach von Hentig die Gefahr einer undemokratischen Erziehung in Salem in der Person Hahns selbst begründet:[101] „Die auf die Person des oder der Erzieher konzentrierte Pädagogik ist gleichsam mit Notwendigkeit an ihrer Wurzel undemokratisch. Die Demokratie ersetzt die Herrschaft der Personen durch die Herrschaft der Gesetze und Institutionen.“ Zu diesem Vorwurf ist festzustellen, dass sich von Hentig selbst widerspricht, wenn er kurz vor diesem oben skizzierten Vorwurf Martin Hasselhorn, einen früheren Schüler Salems, mit den Worten zitiert:[102] „Seine (Hahns, Anmerkung M.L.) Liebe und Hingabe galt ausschließlich den Kindern, die er (...) nie an sich persönlich zu binden suchte, sondern sie immer wieder an die Gemeinschaft und ihre geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze verwies. Stets ging es ihm um ein Drittes, nie um die Person.“

Ein weiteres Indiz dafür, dass Hahn den Erziehungsprozess nicht auf seine Person fixieren wollte, war die Anwerbung von kompetenten Mitarbeitern, von denen er keinen Opportunismus, sondern konstruktive Kritik erwarten konnte:[103] „Ich war immer auf der Suche nach Kollegen, von denen loyale Opposition zu erwarten war: z.B. Leute wie Meissner, deren intellektuelle Begabung meiner eigenen weit überlegen war.“ Hahn legte Wert darauf, zu seinem Einfluss eine Gegenkraft zu schaffen. Dies wurde am Beispiel der Leitung Gordonstouns deutlich:[104] „Nun war es Hahn immer ganz klar gewesen, daß wenn der Schulleiter der neuen Schule aus dem Ausland kam, er von einem Schulleiter, der aus dem Lande selbst stammte, unterstützt werden müsse.“

Zur Realisierung des Anspruches Hahns, die Erziehungsprinzipien in Salem nicht auf seine eigene Person fixieren zu wollen, existieren in der Forschung unterschiedliche Ansichten. Während Skidelsky dies als „rühmlichen, wenn auch weitestgehend erfolglosen Versuch“[105] wertete, stellte Becker fest:[106] „Hahn gehörte zu den Menschen, die in hohem Maße zur Kooperation und Freundschaft fähig waren, und diese Fähigkeit noch im Alter zu steigern gewußt haben.“

Durch Musikveranstaltungen, Aufführungen und Unternehmungen sollte das Gemeinschaftsempfinden und das Verantwortungsgefühl für den „Salemer Geist“ gestärkt werden. Das Theaterspiel in Salem wurde ebenfalls dazu eingesetzt, den Charakter der Schüler zu formen. Dabei orientierte sich Kurt Hahn sehr stark an der Rütli - Szene aus „Wilhelm Tell“ und an dem irischen Freiheitsdrama Cathleen ni Houlihan, wo patriotische Heldengeschichten im Vordergrund der Stücke standen.[107] Er verlangte, dass jeder Schüler in den Theaterstücken mitspielen sollte, da die Identifikation mit dem Inhalt „bleibende Spuren hinterläßt.“[108]

Hahn hatte es sich zum Ziel gesetzt, dass mindestens ein Drittel der Schüler von Salem unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern in der Schule aufgenommen werden sollte.[109] Prinz Max von Baden gründete kurz nach der Eröffnung Salems eine Stiftung zur Vergabe von Freistellen und Teilstipendien für die Jugendlichen der Salemer Umgebung. Weiterhin bemühte sich Hahn unablässig darum, Stipendiengelder von Wirtschaftsunternehmen und begüterten Anhängern der Salemer Erziehungsidee zu erhalten.

Der Sinn der Stipendiengelder lag einerseits in der Unterstützung bei materiellen und familiären Notsituationen und andererseits in der sozialen Mischung der Schülerschaft:[110] „Solche Kinder bewahren unsere Schule vor dem entnervendem Gefühl der Privilegiertheit, das sich so leicht einstellt, wo nur reiche Kinder beieinander sind. Andererseits ist gerade den Kindern, die schon viel durchgemacht haben, die Berührung mit Kameraden zu wünschen, die aus einem geborgenen Elternhaus Lebensfreude und Sorglosigkeit mitbringen.“

In den Jahren 1922/23 bedrohte die einsetzende Inflation die wirtschaftliche Situation Salems.[111] Salem war damals fast ausschließlich von den Schülern, deren Eltern die Erziehungskosten vollständig tragen konnten, abhängig. In dieser finanziellen Krise konnte Kurt Hahn zahlungskräftige Eltern davon überzeugen, neben den Kosten für ihre eigenen Kinder zusätzliche Gelder der Schule zukommen zu lassen, so dass Salem bis zu 40% ermäßigte oder volle Freistellen bereitstellen konnte. Dabei konnten die Eltern den zu zahlenden Beitragssatz nach eigener Einschätzung bestimmen.

Nach Überwindung der Inflation wurde in dem ehemaligen Nonnenkloster Hermannsburg in der Nähe von Salem im Jahre 1925 die erste Zweigschule für die Juniorenklassen eröffnet. Sechs Jahre später kam es zu einer weiteren Gründung einer Juniorenschule auf Schloss Hohenfels. Bereits im Jahre 1929 gründete Hahn eine zweite Seniorenschule in Spetzgart. Die Lage Spetzgarts in der unmittelbaren Nähe des Bodensees erlaubte den Aufbau einer seemännischen Ausbildung, wodurch die Schüler Gemeinschaftssinn, Tatkraft, Einsatzfreude und Unternehmungslust erlernten.[112] Im Jahre 1932 kam es zu einer weiteren Neugründung im Birklehof/Schwarzwald, der am Anfang als „Kräftigungsstätte für anfällige Kinder“ bestimmt war.[113] Fischer stellte zu Recht fest, dass diese Schulen trotz personeller, räumlicher und materieller Unterschiede „Duplikate der Salemer Erziehung“ darstellten, da ihre schultheoretischen Grundlagen dem Konzept Salems entlehnt wurden.[114] Des Weiteren bekamen die neu gegründeten Schulen ab dem Jahre 1927 wichtige Entwicklungsimpulse durch den von Kurt Hahn gegründeten Dachverband „Salemer Bund e. V.“.

Im März 1933 wurde Kurt Hahn von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen, als Schulleiter Salems abgesetzt und aus Baden verbannt. Daraufhin  emigrierte Hahn zusammen mit einigen Lehrern und Schülern Salems nach England. In der Frage der weiteren Entwicklung Salems existierten gemäß Knoll innerhalb und außerhalb der Schule große Interessensgegensätze.[115]

Im Kultusministerium Badens gab es einerseits Stimmen, die Salem aus ideologischen und finanziellen Gründen am Leben erhalten wollten, andererseits existierten Pläne von Beamten, die die Schule in eine „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ umwandeln wollten. Frühere Schüler, Förderer und Lehrer plädierten für eine Fortsetzung der bislang ausgeübten Erziehungsgrundsätze zur Bewahrung von Freiräumen im nationalsozialistischen Deutschland. Dagegen bezogen Lehrer und Schüler Salems Stellung, die die Schule in die nationalsozialistischen Erziehungspläne einverleiben wollten.

Im Oktober 1934 wurde Dr. Blendinger, ein Anhänger von Hahns pädagogischen Grundsätzen, neuer Schulleiter in Salem.[116] In einer wirtschaftlich schwierigen Lage - viele Schüler wurden von Salem abgemeldet, was die Schule in finanzielle Not brachte - vermochte es Blendinger, die Interessengegensätze innerhalb Salems weitestgehend zu überwinden, Amtsenthebungen und die Schließung von Zweigschulen abzuwenden sowie die zahlreichen Besuche von Mitgliedern des nationalsozialistischen Herrschaftsapparates ohne weitreichende Folgen zu überstehen. Er legte den Grundstein zur Wiederbelebung der Schülermitverantwortung und setzte sich erfolgreich für die unter der Leitung Hahns postulierten Werte ein, so dass die Zahl der Salemer Schüler ab Ostern 1935 anstieg. Während seiner Zeit als Schulleiter legte Blendinger vor allem auf die Stärkung des Willens, die Überwindung persönlicher Schwächen und das freiwillige Ertragen von Entbehrungen großen Wert.[117]  Blendinger  setzte sich über die Forderung des für Salem zuständigen Ministerialrats Kraft, das „Führerprinzip“ in der Schule zu verankern, hinweg und hielt an der Selbstkontrolle durch den Trainingsplan und der Förderung des Verantwortungsbewusstseins der Schüler fest.

Im Jahre 1966 stellte Hahn fest:[118] „Blendingers Einfluß auf junge Menschen war, wenn ich so sagen darf, ethischer Natur, aber umso nachhaltiger. (...) Erwähnenswert ist auch die Mahnung an das Gewissen des Einzelnen, die Blendinger durch eine neue Rubrik auf dem Trainingsplan „Zivilcourage“ einführte. Sie ist natürlich als Gegenwehr gegen den Gewissenszwang zu erklären, den die Naziumwelt täglich ausübte.“

Jedoch kam es auch zu Zugeständnissen an das NS-Regime, die den Werten und Zielen Salems diametral entgegenstanden. Durch die Entlassung „halbjüdischer“ Kinder, die Organisation der Schuljugend in den nationalsozialistischen Jugendverbänden, die Durchführung nationalsozialistisch eingefärbter „Heimatstunden“, die „Deutschgrußpflicht“ und die Lehrerarbeit in den „NS-Lehrervereinigungen“ geriet Salem sukzessive in den Sog der nationalsozialistischen Schulpolitik.[119] In der Folgezeit verloren die nach Hahns Erziehungsgrundsätzen arbeitenden Salemer immer mehr ihren bestimmenden Einfluss auf Leben und Ordnung der Schule. Durch die Unterstellung der Schule unter die „Inspektion der deutschen Heimschulen“ wurden die Prinzipien der nationalsozialistischen Schulpolitik in Salem bittere Realität. Da zwischen Herbst 1942 und Sommer 1943 zahlreiche Schüler Salems zur „Heimatflak“ einrücken mussten, konnte der Oberstufenunterricht in Salem nur noch schwerlich durchgeführt werden. Nach dem Einmarsch französischer Truppen schloss der Schulbetrieb im April 1945.

Salem war nicht am aktiven Widerstand gegen das NS- Regime beteiligt. Kupffer rechtfertigte dies folgendermaßen:[120] „Ein solcher Versuch hätte die Schule soweit exponiert, daß sie binnen kurzem geschlossen oder verstaatlicht worden wäre. (...) Mit profilierterer Opposition hätte er (Blendinger, M.L.) jedoch zwar sein Gewissen beruhigt, der Schule aber schweren Schaden zugefügt. Nur durch den Verzicht auf die Rolle des Märtyrers konnte er ihr ein gewisses Maß an Freiheit bewahren.“

Dieser Einstellung Kupffers muss energisch widersprochen werden. Während der Rettung der Schule in der NS-Zeit oberste Priorität zugesprochen wurde, vergaß man dabei aber vollkommen die menschliche Pflicht, sich den Verbrechen des Nationalsozialismus entgegenzustellen. Die Forderung Hahns in der Laienpredigt „Über das Mitleid“ im Jahre 1943 in der anglikanischen Kirche in Liverpool wurde nicht erfüllt:[121] „Kein Friede mit den Mördern, kein Friede mit den Begünstigern, die wissen, was recht ist und dennoch niemals ihr Leben einsetzen, um Geiseln vor dem Erschießen, Häftlinge vor der Folter und Juden vor der Vernichtung zu bewahren.“

Zusammenfassend gesagt gab es in Salem nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und in der Zeit des 2. Weltkrieges  Krisensituationen, die das pädagogische Grundgerüst und die wirtschaftliche Existenz der Schule zutiefst in Frage stellten. In der Zwischenzeit existierte eine Periode der Stabilisierung und der weitesgehenden Widersetzung der Umwandlung der Schule in eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt.

Bedingt durch die Initiative des Markgrafen von Baden und Marina Ewalds kam es kurze Zeit nach der Schließung Salems am 12.11.1945 zur Neueröffnung der Schule.[122] Georg Wilhelm Prinz von Hannover, der Salem ab dem Jahre 1948 leitete, bemerkte zur Zielsetzung der Schule in der Nachkriegszeit:[123] „Der von dem Gründer, Prinz Max von Baden, der Schule erteilte Auftrag hatte nach dem 2ten Weltkrieg keinen Deut seiner Berechtigung verloren. Im Gegenteil, die nationalsozialistische Bewegung hätte sich nie in Deutschland durchsetzen können, wenn die führenden Schichten ihrer Einsicht nach entsprechend gehandelt und entschlossene Gegenwehr geleistet hätten. An Bildung hat es ihnen nicht gefehlt, wohl aber an Charakterfestigkeit. (...) die Übung in staatsbürgerlicher Verantwortung liegt noch im Argen.“

Anstatt einer mündlichen Überlieferung wurde eine schriftliche Fassung der Salemer Verfassung ausgearbeitet. In der Verfassung[124] wurden die folgenden Punkte festgelegt[125]:

 

- Der Aufbau der Schülermitverantwortung und die allgemeinen Rechte und Pflichten.

- Die Zuständigkeit für die Verleihung des Trainingsplans und des Weißen Streifens[126].

- Die Zuständigkeit und die Strafen von Helfern und Mentoren.

- Die Verfahren der Wahl zu „Farbentragenden“.

- Die Aufgaben der „Farbentragenden“-Versammlung und der „Helfer“- Versammlung.

 

Das Prinzip des Trainingsplans wurde wieder aufgenommen und individuell neu vergeben. Die „leichtathletische Pause“ wurde für alle humanistischen Klassen viermal und für Realklassen fünfmal in der Woche durchgeführt.

Georg Wilhelm Prinz von Hannover belebte die unter Hahn existierende Regelung, an zwei Nachmittagen in der Woche sportliche Übungen zu absolvieren, wieder.[127] Die während des Krieges abgerissene Verbindung zu den Handwerksmeistern in der Umgebung von Salem wurde wieder aufgenommen, damit die Schüler Eigenschaften wie Aktivität, Präzision und Ausdauer erlernten. Georg Wilhelm Prinz von Hannover traf eine Vereinbarung mit der Handwerkskammer in Konstanz, so dass die Salemer Schüler abhängig von ihrer Begabtheit die Lehrlingszwischenprüfung im Schreiner-, Schmiede- oder Schneiderhandwerk für die erste oder zweite Stufe ablegen konnten.

Nach dem Vorbild von Gordonstoun wurden in Salem verschiedene Formen des Rettungsdienstes eingeführt.[128] Zunächst rief die Schule eine Feuerwehr ins Leben, die dieselbe finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite wie eine Ortsfeuerwehr bekam. Weiterhin gründete sich die THW-Gruppe Salemer Jungen, die der Ortsgruppe Friedrichshafen zur Ausbildung angegliedert war. Außerdem wurde die Schulung für die Erste Hilfe des Roten Kreuzes für jeden Schüler zur Pflicht erhoben. Der Rettungsdienst auf dem Überlinger See wurde von einer Gruppe der Zweigschule Spetzgart durchgeführt. Die „Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ unterstützte die Unternehmung der Schüler Spetzgarts, indem sie ein altes Motorrettungsboot zur Verfügung stellte. Für diese Arten von Rettungsdiensten stand in der Woche ein Nachmittag zur Verfügung.

Umfangreiche Hilfsaktionen im Dienste der Allgemeinheit wurden in den ersten drei Wochen der Sommerferien durchgeführt. Die ersten beiden Projekte basierten auf Freiwilligkeit, danach wurden sie für jeden Schüler zur Pflicht und als Aufnahmebedingung im Prospekt der Schule festgesetzt. Die Projekte fanden sowohl in Deutschland wie auch in anderen Ländern statt. Die Schüler halfen beim Aufbau der Flüchtlingssiedlung Espelkamp bei Bielefeld und unterstützten den Wiederaufbau des von einem Erdbeben verwüsteten Dorfes Argostoli[129] in Griechenland. Weitere Projekte beschäftigten sich mit dem Straßenbau in von Lawinen heimgesuchten Gebieten im Vorarlberg, dem Hafenbau am Bodensee, dem Aufbau eines Kindergartens für das benachbarte Dorf usw. [130]

Die Salemer Schulen erhielten sehr schnell nach ihrer Wiedereröffnung die notwendige staatliche Anerkennung. Durch Arbeitsgemeinschaften am Samstagvormittag in der Oberstufe wurde den Schülern selbständiges und kritisches Denken, das Abwägen von Problemen und Diskussionsbereitschaft beigebracht. Gemäß den Hahnschen Vorstellungen besaß Salem nach der Wiedereröffnung den Charakter einer christlichen Schule, was jedoch nicht bedeutete, dass Jugendlichen anderer Religionen der Besuch der Schule verwehrt wurde.

Veranstaltungen wie Gottesdienste, Andachten und Zusammenkünfte im Betsaal der Schule, wo Schulchor und -orchester sakrale Musik[131] darboten, waren für jeden Schüler Pflicht.

Seit 2008 lautet das pädagogische Credo in Salem „Persönlichkeiten bilden". Die Formulierung ist bewusst doppeldeutig gewählt und meint, dass zum einen Lehrer-Persönlichkeiten den Schul- und Internatsalltag in Salem gestalten, zum anderen aber die Schüler über eine fundierte akademische Ausbildung hinaus ihre Talente und Begabungen nach besten Kräften entwickeln sollen. Es geht dabei vor allem um Charakterbildung im Rahmen der ganzheitlichen Erziehung an der Schule.

Erfahrungsgestützte Einheit von Erziehung und Unterricht, von Leben und Lernen, ob in sozialer, akademischer oder musisch-kreativer Perspektive, ist Leitvorstellung der Salemer Pädagogik. Dieses Konzept wurde bereits 1930 von Kurt Hahn für die von ihm gegründeten Schulen in seinen so genannten Sieben Salemer Gesetzen zusammengefasst. Die Salemer Dienste, Handwerk, Sport, Musik, Theater, Erlebnispädagogik, eine Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften und nicht zuletzt das Erfahrungsfeld Internat stehen zusammen mit dem schulischen Unterricht für den ganzheitlichen Erziehungs- und Bildungsanspruch Salems.

Die Qualität der schulischen Ausbildung spielt im Vergleich zu den Gründungsjahren der Schule eine zunehmend wichtige Rolle. Die Einführung des IB-Systems, die internationale Schüler- sowie Lehrerakquise und die seit den 1980er Jahren gezielt entwickelte Stipendienpolitik dienen dem Ziel, den schulischen Standard zu heben und das Schul- und Internatsleben durch eine leistungsbereite und breit gefächerte Schülerschaft zu bereichern. Die Schule stellt für diese Nachwuchsförderung jährlich 2,1 Millionen Euro zur Verfügung. In Salem leben und arbeiten Schüler und Mitarbeiter aus mehr als 30 Nationen.

 

 

 

 

 

 




[1] Ziegenspeck, J.W.: Kurt Hahn. Erinnerungen-Gedanken-Aufforderungen. Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen, Lüneburg 1987, S. 7

[2] Knoll, M.: Kurt Hahn-ein politischer Pädagoge. Zu seinem 100. Geburtstag, in: Ziegenspeck, Kurt Hahn, a.a.O., S. 9-20,  hier: S. 10

[3] zitiert aus Friese, P.: Kurt Hahn. Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen, Bremerhaven 2000, S. 355

[4] Röhrs, H. (Hrsg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn, Heidelberg 1966

[5] Landau-Wegner, L.: Familie und Tradition, in: Röhrs, Bildung und Wagnis als Bewährung, a.a.O., S. 102-107,  hier: S. 104

[6] Hasselhorn, M.: Kurt Hahn und das Salemer Erziehungssystem. Eine Studie über Kurt Hahn und die Salemer Pädagogik von 1920 bis 1933, Überlingen 1964, S. 3

[7] Richter, L.: Politiker und Erzieher Kurt Hahn, in: Die Zeit; 11. Jg.,  Nr. 22, 31.5.1956, S. 2

[8] Landau-Wegner, Familie und Tradition, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 104

[9] Ebd. S.106

[10] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 94

[11] Vgl. zu diesem Lebensabschnitt die ausführlicheren Schilderungen von Friese, Kurt Hahn, a.a.O. S. 36 ff

[12] Ebd.

[13] Sieverts, R.: Ansprache des Rektors der Universität Hamburg, anlässlich der Verleihung des Freiherr-vom-Stein-Preises 1962 am 11.Juli 1962 an Dr. h. c. Kurt Hahn, in: Stiftung Freiherr- vom-Stein zu Hamburg (Hrsg.): Freiherr-vom-Stein-Preis 1962, Hamburg 1962, S. 7- 18, hier: S. 8

[14] Vgl. dazu auch Weber/Ziegenspeck, Die deutschen Kurzschulen, a.a.O., S. 79

[15] Die Hauptfigur des Romans, der Junge Erwin, bemerkte in einer humorigen Form: „Lieber Gott, laß morgen einen ins Wasser fallen und mich dabei sein, damit ich ihn retten kann.“ Vgl. Hahn; K.: Frau Elses Verheißung. Eine Erzählung, München 1910, S. 85

[16] Ziegenspeck, Lernen für’s Leben-Lernen mit Herz und Verstand, a.a.O., S. 8

[17] Nähere Einzelheiten finden sich bei Friese, Kurt Hahn, a.a.O., S. 55 ff

[18] Strömer, H.: Zur Bedeutsamkeit körperlicher Erziehung in den Kurzschulen Kurt Hahns, Essen, S. 5 f

[19] Hahns Politikverständnis orientierte sich an einer Form „demokratischer Elitenherrschaft“: „Für mich sind Aristokratie und Demokratie keine Gegensätze. Ich sehe in dem Mehrheitsprinzip den heilsamen Zwang für den Aristokraten, der sich durch Herkunft oder Bildung oder eigenes Verdienstes zur Führerschaft befähigt glaubt, den Weg zu den Volksgenossen zu finden, von deren profaner Menge sich abzusondern, immer die große Versuchung für den ‚Erlesenen’ gewesen ist. Die Aristokratie ist das Salz, auf das die Demokratie nicht verzichten kann. Den Adel von Geist und Geburt aber gilt es auch in seinem eigenen Interesse von dem entnervenden Gefühl der Privilegiertheit zu befreien.“. Vgl. Baden, Prinz Max von: Erinnerungen und Dokumente, Stuttgart 1968, S. 171. Diese Gedanken wiesen Ähnlichkeiten zur Praxis des englischen Parlamentarismus in jener Zeit auf, die dem profunden Englandkenner Hahn geläufig gewesen sein dürften.

[20] Ebd. S. 96

[21] Vgl. Bodensee- Rundschau vom 4.3.1933, S. 4

[22] Winthrop-Young, J.: Zur Geschichte Salems, in: Schule Schloss Salem. Salemer Hefte 53, Herbst 1980, S. 19- 33, hier: S. 28

[23] Friese, Kurt Hahn, a.a.O., S. 126 f

[24] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 68

[25] Vgl. dazu auch Darvall, L.: The Concept of the Atlantic College, in: European-Atlantic Review. First Journal of the Atlantic Community and the European Ecomomic Cooperation, London 1959

[26] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O.,  S. 91

[27] Ebd. S. 72

[28] Ebd. S. 86

[29] Zitiert aus Scheibe, Die reformpädagogische Bewegung 1900-1932, a.a.O., S. 118

[30] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 59

[31] Ebd. S. 70

[32] Ebd. S. 72

[33] Ebd.

[34] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 26 f

[35] Ebd. S. 26

[36] Ebd.

[37] Ebd. S. 29

[38] Ebd. S. 26

[39] Schwarz, Die Kurzschulen Kurt Hahns, a.a.O., S. 23

[40] Linn/Picht/Specht, Kurt Hahn. Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 27

[41] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 70

[42] Ebd. S. 72

[43] Ebd. S. 86

[44] Vgl. auch Strömer, Zur Bedeutsamkeit körperlicher Erziehung in den Kurzschulen Kurt Hahns, a.a.O., S. 41 ff

[45] Schleske, W.: Abenteuer-Wagnis-Risiko im Sport, Schorndorf 1977

[46] Ebd. S. 67

[47] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 72

[48] Hahn, K.: Der Niedergang der Demokratie, in: Die Sammlung, 10 Jg., Heft 11, Göttingen 1955, S. 546. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Richter, L.: Bürgersinn. Deutsche Fassung von „Active citizenship, in: Die Sammlung, 2. Jg., Heft 9, Göttingen 1947, S. 497- 501,  hier: S. 499

[49] Hahn, Erziehung und Krise der Demokratie, in: Freiherr vom Stein- Preis 1962, a.a.O., S. 39

[50] Hahn bezieht sich dabei auf das ursprüngliche Modell des „Schulstaates“ von Cecil Reddie in Abbotsholme.

[51] Hahn, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 78

[52] Ebd. S.38 f

[53] Ebd.

[54] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 75

[55] James, W.: The principles of psychology, a.a.O., S. 576

[56] Zitiert aus Schwarz, Die Kurzschulen Kurt Hahns, a.a.O., S. 44

[57] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 91

[58] Ebd. S. 95

[59] Ebd. S. 35

[60] Ebd. S. 83

[61] Ebd. S. 65

[62] Hahn zitiert in Schwarz, Die Kurzschulen Kurt Hahns, a.a.O., S. 45

[63] Hahn zitiert in Ziegenspeck, Kurt Hahn, a.a.O., S. 104

[64] Ziegenspeck, Kurt Hahn. Erinnerungen-Gedanken-Aufforderungen, a.a.O. S. 10

[65] Nähere Informationen über das Abzeichen findet man bei Hunt, J.: The Duke of Edinburgh’s Award Scheme, in: Journal of the Royal Society of Arts, London, Vol. CX, No.5068, März 1962, S. 205- 227 oder Hall, W.: Das Projekt des Herzogs von Edinburgh, in: Die Leibeserziehung, 7.Jg., Heft 3, Schorndorf 1958, S. 86- 88

 

[66] Reformpädagogik ist die praktische und theoretische Erneuerung von Erziehung in pädagogischen Institutionen, eine Sammelbewegung für eine interne pädagogische Bewegung ab etwa dem Jahre 1890, deren Mitglieder ab dem Jahre 1920 im World Education Fellowship organisiert waren. Die Reformpädagogik war historisch ein Konglomerat von radikal sozialistischen, unpolitischen, kulturkritischen, naturalistischen Impulsen - von Rousseau, Pestalozzi, Goethe, Marx, Fröbel u. a hergeleitet- mit dem verbindenden Ziel, in pädagogisch- alternativ gestalteten Institutionen die Selbständigkeit der Jugendlichen, die freie Entfaltung sowie die soziale und politische Verantwortung als ganzheitliche Persönlichkeit zu bewirken. Stellvertretend für die damalige Zeit bemerkte Hermann Lietz: „Es handelt sich heute nicht mehr um bloße Überlieferung einiger als sicher angenommener, eng begrenzter Wissensgebiete, nicht mehr allein um Unterricht, sondern um Charakterbildung, Anleitung zu einer befriedigenden Lebens- und Weltanschauung. Ausbildung aller guten körperlichen, geistigen, sittlichen Anlagen und Kräfte der Kinder, Anleitung zum Verständnis und zur Mitarbeit an dem gewaltig gewachsenen Kreis neueren Kulturlebens und naturwissenschaftlich- technischen und politisch- gesellschaftlichen Gebietes, um religiöse, sittliche, vaterländische, staatsbürgerliche und künstlerische Erziehung.“(Lietz zitiert in: Schäfer, W.: Das Selbstverständnis der Landerziehungsheime in Geschichte und Gegenwart und die Konsequenzen für die Zukunft, in: Neue Sammlung, 4. Jg., Göttingen 1964, S. 51- 64, hier: S. 54). Einen guten Überblick über die Reformpädagogik liefert Scheibe, W.: Die reformpädagogische Bewegung 1900-1932, 9. Auflage, Weinheim 1984; Röhrs, H.: Die Reformpädagogik, 4. Auflage, Weinheim 1994; Röhrs, H./ Lenhart,V.(Hrsg.): Die Reformpädagogik auf den Kontinenten, Frankfurt/M. 1994; Oellers, J.: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte, Weinheim 1989; Oellers, J.: Unmittelbarkeit als Programm: Zur Aktualität der Reformpädagogik, in: Heckmair, B. u. a.: Erlebnispädagogik: Mode, Methode oder mehr?, München 1992, S. 96- 116; Flitner, W./ Kudritzki, G. (Hrsg.): Die deutsche Reformpädagogik, Düsseldorf 1962

[67] Vgl. Neubert, Das Erlebnis in der Pädagogik, a.a.O. S. 24

[68] Ziegenspeck, Erlebnispädagogik, a.a.O., S. 139

[69] Ebd. S. 141

[70] Ebd. S. 13

[71] Ebd. S. 15

[72] Ebd. S. 17

[73] Ebd.

[74] Ebd. S. 20

[75] Ebd.

[76] Ebd.

[77] Ebd.

[78] Ziegenspeck, Lernen für’s Leben-Lernen mit Herz und Hand, a.a.O., S. 9

[79] Ebd.

[80] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 64

[81] Sutcliffe, D. B.: Ein Vergleich zwischen dem pädagogischen Ansatz in Salem und Gordonstoun, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 211-227, hier: S. 214

[82] Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 113

[83] Linn/Picht/Specht,  Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 65

[84] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 82

[85] Mann, G.: Erinnerungen an Kurt Hahn, in: Ziegenspeck, Kurt Hahn: Erinnerungen- Gedanken-Aufforderungen. Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen, a.a.O., S. 31

[86] Köppen, Die Schule Schloss Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt, a.a.O., S. 152

[87] Knoll, M.: Salem- eine pädagogische Provinz?, in: Röhrs,  Die Schulen der Reformpädagogik heute, a.a.O., S.113-128,  hier: S. 115

[88] Vgl. Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919- 1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 120

[89] Knoll, Salem-eine pädagogische Provinz?, in: Röhrs, Die Schulen der Reformpädagogik heute, a.a.O. , S. 120

[90] Hasselhorn, Kurt Hahn und das Salemer Erziehungssystem, a.a.O., S. 53

[91] Vgl. auch Ibald, L.: Der Schulmeister von Salem. Kurt Hahn, der Pädagoge, Politiker und Diplomat, in: Rheinischer Merkur, Nr.40, 8. Jg., 2.10.1953, S. 6

[92] Die Zisterzienser lebten als Klosterherren bis zum Jahre 1804 in Salem. Siehe auch Linn/Picht/Specht,  Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 65

[93] Ziegenspeck, J.W.: Kurt Hahn und die internationale Kurzschulbewegung, Ein Beitrag zum grundlegenden Verständnis, in: Ders.: Outward Bound, a.a.O., S. 7-20,  hier: S.12; siehe auch Hasselhorn, Kurt Hahn und das Salemer Erziehungssystem, a.a.O., S. 52

[94] Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919- 1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 111

[95] Vgl. Gersdorff, H. von: Salem, in: Schäfer, W.: (Hrsg.): Schülermitverantwortung in den deutschen Landerziehungsheimen, Stuttgart 1964, S.62- 66,  hier: S. 66

[96] In Gordonstoun musste die Person des Wächters vor seinem Amtsantritt das folgende Gelöbnis abgeben: „I promise to serve Hopeman village and this district, through them my King and country, and Christ through all“. Zitiert aus Schwarz, Die Kurzschulen Kurt Hahns, a.a.O., S. 27

[97] Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 117

[98] von Hentig, Kurt Hahn und die Pädagogik, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 62

[99] Köppen, Die Schule Schloss Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrer gegenwärtigen Gestalt, a.a.O., S. 66 f

[100] Ebd. S. 67

[101] Ebd. S. 78

[102] Vgl. Hasselhorn,  Kurt Hahn und das Salemer Erziehungssystem. Eine Studie über Kurt Hahn und die Salemer Pädagogik von 1920 bis 1933, a.a.O., S. 44. Vgl. ebenso von Hentig, Kurt Hahn und die Pädagogik, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 77

[103] Hahn zitiert in Arnold-Brown, Der Einfluss von Abbotsholme, in: Röhrs,  Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O, S. 188

[104] Brereton, H.: Die Gründung und Entwicklung von Gordonstoun, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 189- 197,  hier: S. 191

[105] Skidelsky, Schulen von gestern für morgen, a.a.O., S. 175

[106] Becker, H.: Kurt Hahn zwischen Kindern und Erwachsenen, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 98- 101, hier: S. 98

[107] Im Laufe der Zeit veränderte sich der Inhalt der Theaterstücke. Erst wurden griechische Tragödien, dann die großen Dramen Shakespeares wie Heinrich VI. oder Richard III. alljährlich aufgeführt.

[108] Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919- 1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 118

[109] Meissner, E.: 36 Thesen zur Salemer Erziehung. Unsere Aufgabe, Salem 1960, S. 4

[110] Hahn, K.: Die Schule Schloss Salem, Privatdruck 1924, S. 6

[111] Hübner, K. A.: Salem. Idee. Aufgabe. Weg. Eine Informationsschrift über die Schulen Salems, Heidelberg 1965, S. 25

[112] Der „Dienst am Nächsten“ wurde in Spetzgart zu einer festen Einrichtung in Form von Landhilfe, Pflege von älteren Menschen oder Krankenhausarbeiten. Vgl. Sabban, F./ Herix, E.: Schule Schloss Salem, in: Stop. Journal du Lycee de Montgeron, Jg. 1963/1964, No.4, S. 16- 26, hier: S. 20 ff

[113]Ewald, Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 125

[114] Fischer, Erlebnispädagogik, a.a.O., S. 118

[115] Knoll, Salem- eine pädagogische Provinz?, in: Röhrs; Die Schulen der Reformpädagogik heute, a.a.O., S. 114

[116] Nähere Erläuterungen dazu bietet Disch, H.: Die Schule Schloss Salem in den Jahren 1933- 1945, in: Schule Schloss Salem. Nr.28, April 1949, S. 3- 18

[117] Kupffer, H.: Die Periode der Anfechtung und Gefährdung (1933- 1945), in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 127- 131, hier: S. 129

[118] Ziegenspeck, Kurt Hahn und die internationale Kurzschulbewegung, in: Ders., Outward Bound, a.a.O., S. 12

[119] Fischer, Das Erlebnis in der Schule, a.a.O., S. 127

[120] Ebd. S. 130

[121] Linn/Picht/Specht, Erziehung zur Verantwortung, a.a.O., S. 53

[122] Baden, Markgraf, B. von: Rede zur Wiedereröffnung der Schule Schloss Salem am 12. November 1945, in: Schule Schloss Salem, Nr. 28, April 1949, S. 18-20

[123] Hannover, Prinz, G.W. von: Der Wiederaufbau der Salemer Schulen nach dem Kriege, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S.132-153, hier: S. 135

[124] Auf der Vorderseite der geschriebenen Verfassung stand geschrieben: „Die Verfassung einer Gemeinschaft kann nur den äußeren Rahmen ihrer Lebensordnung wiedergeben. Der Geist, in dem sie verstanden wird, hängt von der Überzeugung ab, mit der die verantwortlichen Jungen und Mädchen sie verkünden und durch ihre Haltung glaubhaft machen:“ Vgl. Ebd. S. 136

[125] Hannover, Prinz G.W. von: Das Wesen der Mitverantwortung in den Salemer Schulen. Vortrag, gehalten anlässlich der Elterntagung in Salem am 22.5.1952, Überlingen 1952, S. 3

[126] Dieser wurde auf Anregung des Flügelmentors und Flügelhelfers an Schüler verliehen, die ein erstes Zeichen von Verantwortungsgefühl zeigten. Ausschließlich aus diesem Kreis konnten später „Farbentragende“ gewählt werden.

[127] Dies war in der Regel Leichtathletik oder Hockey. Vor dem Frühstück fand ein Morgenlauf von etwa 400 Metern statt, anschließend folgte das individuelle Tagestraining (Liegestützen, Seilsprünge u.a.). Einmal in der Woche musste jeder Schüler ohne fremde Aufforderung und Kontrolle einen längeren Waldlauf unternehmen. Vgl. Hannover, Der Wiederaufbau der Salemer Schulen nach dem Kriege, in: Röhrs, Bildung als Wagnis und Bewährung, a.a.O., S. 142

[128] Ewald, M./ Altrogge, H.: Bericht über die Zeit vom November 1945 bis September 1948, in: Schule Schloss Salem, N.28, April 1949, S. 21- 30,  hier: S. 24

[129] Vgl. dazu den Schülerbericht über die Hilfsarbeiten in Griechenland von Gall, L.: Arbeitslager in Griechenland, in: Schule Schloss Salem 1954/55, Nr. 34, S. 24-27

[130] Es bestand auch für die Schüler die Möglichkeit, alternativ zu den Hilfsprojekten Arbeiten in den nahe gelegenen Krankenhäusern oder Kindergärten zu verrichten.

[131] Die Musik besaß in Salem einen wesentlichen Anteil an der Erziehung. Viele der großen klassischen Werke, wie „Der Messias“ von Händel, „Gloria“ von Vivaldi, Mozartmessen und verschiedene Werke von Bach und Beethoven waren Bestandteile des Unterrichtes.

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