Deutschland zwischen den Konferenzen von Moskau und London 1947
Auf zwei Konferenzen der Großmächte 1947 – in Moskau und in London – fiel die endgültige Entscheidung über die Teilung Deutschlands.
Deutschland zwischen den Konferenzen von Moskau und London 1947
Die Moskauer Außenministerkonferenz tagte vom 10. März bis zum 24. April. Zwei Tage nach ihrer Eröffnung verkündete der amerikanische Präsident die Truman-Doktrin: er verband die Zusicherung wirtschaftlicher Hilfe für das vom Bürgerkrieg zerrissene Griechenland und für die Türkei mit einer Erklärung, die USA würden sich jeder weiteren Ausbreitung des sowjetischen Einflusses in Europa und Asien entgegenstemmen. Truman hatte am Jahresbeginn seinen bisherigen Außenminister Byrnes durch General Marshall ersetzt. Über den Verlauf der Moskauer Tagung berichtete Marshall unmittelbar nach seiner Rückkehr in die USA:[1] „In den Moskauer Verhandlungen wurden alle Meinungsverschiedenheiten, die bereits während der Konferenz über die Friedensverträge mit Italien und den Balkanstaaten so deutlich zutage getreten waren, in den Brennpunkt gerückt, blieben aber praktisch ungelöst. (…) Die entscheidenden deutschen Grundprobleme sind:
- die Begrenzung der Machtbefugnisse der Zentralregierung,
- die Art des Wirtschaftssystems und seine Beziehung zu ganz Europa,
- Art und Umfang der Reparationen,
- die Grenzen des deutschen Staates,
- inwieweit die alliierten Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befunden haben, bei der Ausarbeitung und Bestätigung des Friedensvertrages vertreten sein sollen.“
Die Außenminister verständigten sich Anfang April grundsätzlich darüber, die schon in Potsdam geplanten Zentralverwaltungen als Vorstufe einer Provisorischen Deutschen Regierung einzusetzen. Als sie aber daran gingen, Zusammensetzung und Arbeitsweise dieser Behörden zu diskutieren, zerbrach das Übereinkommen wieder.
Bemerkenswerterweise widersetzte sich auch Frankreich in Moskau nicht mehr der Bildung von Zentralverwaltungen, obwohl es auf einer vorherigen Regelung der Grenzfrage bestand. Auch in anderen Fragen schwenkte Außenminister Bidault in Moskau auf die Linie seines britischen und seines amerikanischen Kollegen ein. Gegen den Protest der Sowjetunion schlossen die drei Westmächte am 21. April in Moskau ein Abkommen, welches Frankreich vermehrte Kohlenlieferungen aus dem Ruhrgebiet zusicherte.
Die Öffentlichkeit erfuhr während der Moskauer Tagung erstmalig von einem Jaltaer Geheimabkommen, in dem tatsächlich von 20 Milliarden Dollar Reparationen, davon die Hälfte zugunsten der Sowjetunion, die Rede gewesen war. Die USA deuteten ihre Bereitschaft an, in begrenztem Umfang Reparationslieferungen aus der laufenden Güterproduktion in Erwägung zu ziehen – vorausgesetzt, dass Deutschlands Wirtschaftslage dadurch nicht noch gefährdeter erschien. Aber weder in der Reparationsfrage, noch hinsichtlich der Ruhrkontrolle und der Grenzprobleme fand die Konferenz eine gemeinsame Formel. Lediglich in zwei Punkten erzielten die Außenminister Einigkeit: sie bestätigten die vom Kontrollrat verfügte Auflösung des preußischen Staates, und sie beschlossen, alle Kriegsgefangenen bis zum Jahresende 1948 zu entlassen. Die USA bezifferten die Zahl der in ihrem Gewahrsam befindlichen deutschen Kriegsgefangenen auf 31.000 (davon die Hälfte auf deutschem Boden), Großbritannien 430.000 und Frankreich 631.000. Die Zahl der in sowjetischer Gefangenschaft festgehaltenen Personen schätzte Außenminister Bevin in Moskau auf ca. 3 Millionen; die sowjetische Nachrichtenagentur TASS gab 890.532 an. Am 24. April beendeten die Außenminister ihre Konferenz. Bevin wies auf die nächste Zusammenkunft der Außenminister in London hin:[2] „Ich betrachte die Londoner Konferenz als die wahrscheinlich lebenswichtigste der Weltgeschichte.“
Mitte Mai lud Bayerns Ministerpräsident Ehard die Chefs aller Landesregierung zu einer Besprechung nach München ein, um den Versuch zu unternehmen die Zonentrennung zu überwinden. Die saarländischen Vertreter teilten mit, ihre Anwesenheit erübrige sich, da die saarländische Wirtschaft mit der Frankreichs vereinigt werde. Die Ministerpräsidenten der fünf Länder der SBZ forderten eine Verlegung der Konferenz nach Berlin und eine vorrangige Erörterung der Wege zu einer politischen und wirtschaftlichen Einigung Deutschlands. Den Ministerpräsidenten der französischen Zone untersagte die Militärregierung ausdrücklich jede Debatte über die Wiederherstellung der Einheit. Obwohl ihre Forderungen keine vorherige Zustimmung fanden, reisten die Ministerpräsidenten der SBZ ebenso wie ihre Kollegen aus allen anderen deutschen Ländern und Freien Städten – mit Ausnahme des Saarlandes – nach München. Am Vortag der Konferenz berichtete das Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland“, die Vorbesprechung hätte volle Übereinstimmung über die Tagesordnung erbracht. Aber schon in der Vorbesprechung am Abend des 5. Juni 1947 kam es zum Zerwürfnis. Ministerpräsident Höcker von Mecklenburg beantragte als entscheidende Voraussetzung für die Verhandlungen der Konferenz die Bildung einer deutschen zentralen Verwaltung durch Verständigung der demokratischen Parteien und Gewerkschaften zur Schaffung eines Einheitsstaates.[3]
Als die Tagesordnung nicht in ihrem Sinne abgeändert wurde, verließen die Ministerpräsidenten der SBZ noch am selben Abend die Konferenz und reisten – nach einem vergeblichen Vermittlungsversuch des Berliner Bürgermeisters Friedensburg (CDU) – am folgenden Tage wieder ab. Ohne sie ging die Konferenz weiter und verabschiedete die vorbereiteten Resolutionen.
Am 7. Juni bekundeten die Ministerpräsidenten der Westzonen in mehreren Entschließungen ihren Willen „zur Neugestaltung unseres staatlichen Lebens (…) nur auf dem Wege echter Demokratie (…), in der alle Grundrechte menschlicher Freiheit gewährleistet sind.“[4] Sie ersuchten die Besatzungsmächte, ihr Verhältnis zur deutschen Bevölkerung und zu den deutschen Behörden in formulierten Rechtssätzen niederzulegen, die seit Anfang 1946 geltende überhöhte Besteuerung im Interesse einer selbsttätigen Initiative der Bevölkerung zu mindern, eine Geld- und Währungsreform bei gerechter und gleichmäßiger Belastung des Sachwert- und Geldbesitzes vorzunehmen, die Kriegsgefangenen umgehend freizulassen, die Wirtschaftseinheit herzustellen, den Industrieplan zu revidieren, den Interzonenhandel – unter deutscher Verantwortung – zu beleben und die Freizügigkeit zwischen den Zonen zu gewährleisten:[5] „Die Ernährungskrise in Deutschland hat ein Ausmaß erreicht, das Leben und Wirtschaft an den Rand der Auflösung gebracht hat.“
Die Ministerpräsidenten stimmten der Entnazifizierung als „einer Aufgabe der Selbstreinigung des deutschen Volkes“ im Prinzip zu, unterstrichen, dass dabei in allen vier Zonen Rechtssicherheit herrschen müsse, und erließen einen Aufruf an alle vom Nationalsozialismus aus Deutschland vertriebenen Emigranten: „Wir haben sie schweren Herzens scheiden sehen und wir werden uns ihrer Rückkehr freuen.“[6]
Der Verlauf der Münchener Ministerpräsidentenkonferenz erweckte im sowjetischen Besatzungsgebiet zwiespältige Gefühle. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war tief betroffen.
Als Antwort auf die Gründung des Wirtschaftsrates der Bi-Zone schuf die SMAD am 14.Juni 1947 die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK), bestehend aus den fünf Präsidenten der Zentralverwaltungen für Industrie, Verkehr, Handel und Versorgung, Land- und Forstwirtschaft, Brennstoff und Energie und den beiden Vorsitzenden der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die neben der Deutschen Wirtschaftskommission weiterhin bestehenden neun Zentralverwaltungen für Finanz, Gesundheitswesen, Arbeit und Sozialfürsorge, Inneres, Justiz, Post, Statistik, Umsiedler und Volksbildung unterstanden fortan zwar nicht formell, aber faktisch der DWK. In der SBZ nahmen die Spannungen zwischen der SED und den beiden bürgerlichen Parteien im Frühsommer 1947 zu. Während die LDPD unter dem Vorsitz von Külz weiterhin eine Verständigung mit der SED suchte, so dass die Vertreter des Berliner Landesverbandes der LDPD Anfang Juli aus Protest gegen die Haltung des Parteivorsitzenden den zentralen Vorstand verließen, widersetzte sich die CDU, geleitet von Jakob Kaiser, nachdrücklich dem Führungsanspruch der SED.
Im Gegensatz zur SMAD und zur Führung der SED befürwortete Kaiser den Marshall-Plan. Der amerikanische Außenminister George F. Marshall hatte nämlich am 5. Juni – an demselben Tag, an dem in München die Ministerpräsidenten erstmalig zusammentraten – in einer Rede vor Studenten der Harvard-Universität die Hilfe der Vereinigten Staaten beim Wiederaufbau Europas angeboten, vorausgesetzt, die europäischen Staaten einigten sich über einen gemeinsamen Wirtschaftsplan.
Marshall dehnte sein Angebot auch auf die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten aus, und in der Tat zeigten sich Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei zunächst auch an der Marshall-Plan-Hilfe interessiert. Die Tschechoslowakei nahm die Einladung der USA sogar an.
Vom 27. Juni bis zum 2. Juli erörterten die drei Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion in Paris den amerikanischen Vorschlag, dem die westeuropäischen Regierungen sogleich zustimmten, während die Sowjetunion ihn als Einmischung in die souveräne Politik der europäischen Mächte kritisierte. Molotow veranlasste daher die osteuropäischen Staaten – einschließlich der Tschechoslowakei – die Einladung zu der vom 12. Juni bis zum 22. September 1947 in Paris tagenden Wirtschaftskonferenz abzulehnen. An dieser Wirtschaftskonferenz nahmen 16 Nationen teil. In der Analyse der europäischen Wirtschaftslage, zusammengefasst in einem Schlussbericht der Konferenz, bezogen sie auch Westdeutschland ein.
Mitte Juli 1947 erfuhr die deutsche Bevölkerung, dass die amerikanische Regierung die Direktive 1067 aus dem Frühjahr 1945 durch eine neue, wesentlich mildere Richtlinie an General Clay ersetzt hatte. Dieses Dokument erwähnte als einen der grundlegenden Wirtschaftsziele der bizonalen Militärregierungen:[7] „Die Unterstützung des deutschen Volkes beim Aufbau eines Staates, der sich selbst erhalten kann und friedliche Ziele hat und der sich in die europäische Wirtschaft eingliedert.“
Um Frankreichs Besorgnissen hinsichtlich eines raschen Erstarkens des deutschen Wirtschaftspotentials gerecht zu werden, fanden vom 22-27. August in London Dreierbesprechungen statt – gegen den Einspruch der Sowjetunion. Die Tagung endete – trotz einiger Bedenken der französischen Experten – mit der Veröffentlichung des „Revidierten Industrieplans für die amerikanische und britische Besatzungszone“:[8] „Die Industriekapazität sollte nach dem Plan vom März 1946 eine Produktion etwa in Höhe von 55 Prozent derjenigen von 1938 gewährleisten. Das hätte etwa 70-74 Prozent der Produktion von 1936 entsprochen. Der neue Plan läuft darauf hinaus, im Zweizonengebiet eine ausreichende Kapazität zu erhalten, die etwa dem Stande der Industrie in Deutschland von 1936 entspricht, einem Jahr, das weder den Charakter einer besonders guten Konjunktur noch einer Depression trägt. (…) Der alte Plan sah sehr scharfe Herabsetzungen der Produktionskapazität in den Metall-, Maschinen- und chemischen Industrien vor, aus denen die Hauptmenge der Reparationen gewonnen werden sollte. Es ist unmöglich, eine sich selbst erhaltende Wirtschaft in dem Zweizonengebiet zu sichern, ohne die Produktionshöhe in diesen Industrien wesentlich heraufzusetzen.“
Großbritannien und die USA einigten sich zur gleichen Zeit über eine gemeinsame Kontrolle der Ruhrkohlenproduktion anstelle der bisherigen britischen Aufsicht. Soweit die Aktienmajorität der Gruben nicht von ausländischen Kapitaleignern kontrolliert wurde, setzten die Militärregierungen deutsche Grubenverwaltungen ein. Die Frage der Eigentumsverhältnisse der früher in deutschem Besitz befindlichen Gruben blieb ungelöst. Einer möglichen späteren Internationalisierung der Ruhr sollte mit der Errichtung der Kohlenbergbauleitung nicht vorgegriffen werden.
Diese Beschlüsse bedeuteten jedoch noch kein Ende der Demontagen in der Bizone. Ein neuer Demontageplan vom 16.10.1947 verzeichne 682 noch zu demontierende Betriebe (allein 294 aus Nordrhein-Westfalen), darunter z.B. drei große Schiffswerften und vier Elektrizitätswerke.
Die Ministerpräsidenten der betroffenen Länder protestierten mit dem Hinweis darauf, dass die Liste ohne deutsche Beratung aufgestellt worden sei. Auf heftige Einwendungen der Bevölkerung und der Gewerkschaften erwiderte General Robertson, die Militärbehörden seien entschlossen, jeden deutschen Widerstand notfalls mit Gewalt zu brechen.
Im Sommer 1947 hatte die neue politische Konzeption der USA und Großbritanniens, der sich mehr und mehr auch Frankreich annäherte, Gestalt angenommen. Die Sowjetunion antwortete darauf mit der Gründung des Kommunistischen Informationsbüros (Kominform) Ende September, in das neun kommunistische Parteien – darunter Italiens und Frankreichs – Vertreter entsandten. Die deutschen Kommunisten bekannten sich zwar auf dem 2. Parteitag der SED (20-24.09.1947) erneut zur „Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution, die aus dem Versagen des deutschen Bürgertums bisher unvollendet geblieben war, dies habe nichts mit Bolschewisierung und Sozialismus zu tun. Wir stehen in Deutschland nach dem Zusammenbruch nicht vor der unmittelbaren Aufgabe, die sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten.“ Das Referat des sowjetischen Parteitheoretikers Shadanow auf der Gründungstagung der Kominform deutete jedoch einen verhärteten Kurs der kommunistischen Parteien an.
Dies war die Lage, als die vier Außenminister – Bevin, Bidault, Marshall und Molotov – am 25.November in London erneut zusammenkamen. Die Meinungsverschiedenheiten knüpften dort an, wo man in Moskau ergebnislos auseinander gegangen war. Am Tage nach der Eröffnungssitzung der Londoner Konferenz rief der Parteivorstand der SED alle „antifaschistischen-demokratischen Parteien, Gewerkschaften und andere Massenorganisationen, Betriebsräte und Belegschaften großer Betriebe, Organisationen der Bauernschaft, Vertreter von Wissenschaft und Kunst in ganz Deutschland“ auf, sich einem „Deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden“ anzuschließen.[9] Alle westdeutschen Parteien mit Ausnahme der KPD und der Vorstand der CDU der SBZ unter der Leitung von Jakob Kaiser und Ernst Lemmer lehnten ab. Trotzdem konstituierte sich am 06-07.Dezember in Berlin der Volkskongress, in den neben einzelnen Mitgliedern der CDU und SPD (zum Teil auch aus Westdeutschland) eine offizielle Delegation der LDPD einzog. Von den 2215 Abgeordneten des Volkskongresses gehörten 893 zur SED und zur KPD.
Der Volkskongress beauftragte eine Abordnung damit, in London eine Entschließung vorzulegen:[10] „Das deutsche Volk wünscht einen den Grundsätzen der Beschlüsse der alliierten Mächte entsprechenden Frieden. (…) Das deutsche Volk wünscht von der Konferenz der Außenminister in London die Bildung einer zentralen deutschen Regierung aus Vertretern aller demokratischen Parteien. (…) Das deutsche Volk wünscht, daß nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages durch allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen eine Nationalversammlung gewählt wird, welche die Aufgabe der Ratifizierung des Friedensvertrages hat.“
In die Delegation wählte der Volkskongress unter anderem Pieck, Grotewohl, Külz, den CDU-Politiker Otto Nuschke, Landesbischof Beste und Propst Grüber als Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Jedoch fand die Delegation in London kein Gehör.
Molotow beantragte am 15. Dezember, die Vertreter des Volkskongresses anzuhören.[11] In derselben Sitzung wurde die Konferenz jedoch abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Konflikt erschien unüberbrückbar. Der raschen Folge der Außenministerkonferenzen in London (September 1945), Paris (April bis Mai, Juni bis Juli 1946), New York (November bis Dezember 1946), Moskau (März bis April 1947) und abermals in London (November bis Dezember 1947) schloss sich nun eine 1 ½ jährige Pause an.
Die Jahreswende 1947/48 stellte in der deutschen Nachkriegsgeschichte einen wichtigen Einschnitt dar. In der SBZ endete die antifaschistisch-demokratische Frühphase. Fortan wiesen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen in den beiden Teilen Deutschlands kaum noch Gemeinsamkeiten auf.
Am Anfang des Jahres 1948 gingen die Mächte in Ost und West daran, Bündnissysteme heranzubilden. Im Februar rief die kommunistische Partei Nordkoreas die Volksdemokratie aus. Der kommunistische Staatsstreich in Prag beschäftigte ebenfalls die öffentliche Meinung in Europa. Die Sowjetunion band die osteuropäischen Staaten mittels Beistandspakten und verschärfter Kontrolle über die kommunistischen Parteiapparate an sich. Sie bekämpfte nationalkommunistische Strömungen und reorganisierte die kommunistische Armee in China, die im Laufe des Jahres immer weiter vorrücken und die nationalchinesischen Streitkräfte verdrängen konnte, während die Augen der Weltöffentlichkeit vorwiegend auf Europa und Berlin gerichtet waren.
Am 22. Januar rief Außenminister Bevin in einer Rede vor dem britischen Unterhaus Frankreich und die Benelux-Staaten auf, ein Westbündnis zu begründen. Da die Benelux-Staaten in einer an die Londoner Außenministerkonferenz gerichteten Note vom 26.11.1947 noch einmal gemeinsam ihr Interesse an der alliierten Deutschlandpolitik bekundet hatten, setzte ein solches Westbündnis eine lebhaftere Beteiligung dieser kleineren Staaten an der Deutschlandpolitik der drei westlichen Großmächte voraus.
Innenpolitisch standen die ersten Wochen des neuen Jahres im Zeichen von Demonstrationen gegen die wirtschaftliche Not. Der bayerische Gewerkschaftsbund proklamierte am 23. Januar einen Generalstreik, nachdem die Landesregierung einem Ultimatum der Gewerkschaften nicht mehr gefolgt war, in dem drastische Maßnahmen gegen den Schwarzhandel, eine harte Bestrafung von Wirtschaftsverbrechern, die Schließung von Luxusgaststätten und die Einweisung dissozialer Personen in Arbeitslager gefordert worden waren. Mehr als eine Million bayerischer Arbeitnehmer folgten dem Aufruf zum 24stündigen Generalstreik.
Am 07-08. Januar erörterten die Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone Pläne für eine Reorganisation des Wirtschaftsrates.[12] Vorausgegangen war am 17.12.1947 ein revidiertes Abkommen zwischen Bevin und Marshall. Es übertrug den amerikanischen Dienststellen das Schwergewicht wirtschaftspolitischer Entscheidungen in der Bizone. Nach sorgfältiger Beratung mit deutschen Experten proklamierten die beiden Militärgouverneure am 09.02.1948 die Umbildung des bizonalen Wirtschaftsrates.
Neben den von 52 auf 104 Mitglieder vergrößerten Wirtschaftsrat trat als zweite Kammer ein Länderrat, in den jedes Land zwei Vertreter zu entsenden hatte. Ein Verwaltungsrat, bestehend aus dem Vorsitzenden und den Direktoren der einzelnen Verwaltungen, war das koordinierende und ausführende Organ.
Die 52 neuen Mitglieder des Wirtschaftsrates wurden wie ihre schon länger tätigen Kollegen von den Landtagen gewählt. Das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien veränderte sich daher nicht wesentlich. Die Proklamation beschrieb im Einzelnen die Kompetenzen des Wirtschaftsrates, dessen Gesetze nach wie vor der Zustimmung durch den Bipartite Board bedurften. Die Militärregierungen verlegten im Frühjahr 1948 einen Teil ihrer bisher in Berlin ansässigen Stäbe nach Frankfurt am Main.
Kurze Zeit später entstanden eine „Bank Deutscher Länder“ und ein „Deutsches Obergericht“ in Köln, das Streitigkeiten zwischen den Ländern und den Organen der Bizone entscheiden sollte.
Am 12. Februar ordnete die SMAD eine Reorganisation der Deutschen Wirtschaftskommission an. Zu ihren Mitgliedern zählten neben dem Vorsitzenden des DWK, Vertreter der Länder, des FDGB und der VdgB sowie die Präsidenten der Hauptverwaltungen, deren Anzahl auf 17 erhöht wurde.
Um die Jahreswende hatte sich das politische Klima in der SBZ merklich verändert. Am 20.12.1947 waren Kaiser und Lemmer auf Anweisung des politischen Beraters der SMAD, Oberst Tulpanow, wegen ihres Widerstandes gegen die Volkskongressbewegung als Vorsitzende der CDU abgesetzt worden. Otto Nuschke und der Generalsekretär der CDU, Dertinger, hatten sich den Forderungen der SMAD und dem Führungsanspruch der SED gebeugt. Am 05.01.1948 erließ die SMAD ein Redeverbot für Jakob Kaiser. Am Monatsende beriefen CDU und LDPD ihre Vertreter aus dem Zentralrat der FDJ mit der Begründung ab, die Jugendorganisation habe ihren überparteilichen Charakter verloren. Beide Parteien waren jedoch in zunehmendem Maße zu Konzessionen an die sowjetische Besatzungsmacht genötigt, so dass die Berliner Landesverbände sich im Februar von den zonalen Parteiorganisationen lösten.
Die neue Taktik der SED kam auch bei der Bildung zweier weiterer Parteien in der SBZ zum Ausdruck: im April 1948 entstand die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD); Offiziere und Soldaten aus den Reihen des inzwischen aufgelösten „Nationalkomitees Freies Deutschlands“ und ehemalige Angehörige der NSDAP traten ihr bei. Im Juni wurde die Gründung der „Demokratischen Bauernpartei Deutschlands“ (DBD) vollzogen.
Inzwischen hatte die Rede Bevins in den westlichen Hauptstädten eine lebhafte diplomatische Aktivität erzeugt. Vom 23.02-06.03.1948 erörterten die drei Westmächte und die Benelux-Staaten in London ihre künftige Deutschlandpolitik. Sie blieben unbeeindruckt vom sowjetischen Protest und vereinbarten, die drei Westzonen voll in das europäische Aufbauprogramm einzubeziehen. Man einigte sich im Grundsatz über eine internationale Ruhrkontrolle:[13] „Auf der Konferenz konnten viele untergeordnete Meinungsverschiedenheiten erfolgreich beigelegt und die wesentlichen Unterschiede der einzelnen Standpunkte herausgearbeitet werden. Die teilnehmenden Staaten waren alle dafür, einen förderativen Staat entstehen zu lassen. (…) Die Konferenz entschied, das Zweizonengebiet sollte mit der französischen Zone wirtschaftlich nicht verschmolzen werden, bevor die politische Vereinigung stattgefunden habe; sie schrieb jedoch eine engere Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Fragen vor. (…) Die Konferenz sollte im April erneut zusammentreten, nachdem die Regierungen die unterschiedlichen Standpunkte erwogen hatten.“
Damit war der Weg von der Bizone zur Trizone abgesteckt. Zwei Tage vor der Unterzeichnung des Londoner Beschlusses vom 6. März begann in Brüssel eine andere Tagung Großbritanniens, Frankreichs und der drei Benelux-Staaten. Sie endete am 17. März mit der Unterzeichnung des Brüsseler Paktes. Die fünf Länder schufen ein ständiges Beratungsgremium und versicherten sich ihres gegenseitigen Beistandes bei jedwedem Angriff von außen, insbesondere – so hieß es in der Präambel – für den „Fall der Erneuerung einer deutschen Aggressionspolitik.“
Dem sowjetischen Protest gegen die Londoner Beschlüsse der sechs Westmächte schlossen sich Polen, die Tschechoslowakei und das damalige Jugoslawien auf ihrer Prager Außenministerkonferenz vom 17-18. Februar an.
Am 17-18.März tagten in Ostberlin die ca. 2000 Delegierten des 2. Deutschen Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden. Sie bezeichneten sich als einzige gesamtdeutsche Repräsentanz, bestätigten die Oder-Neiße-Grenze und beschlossen, ein Volksbegehren über die deutsche Einheit durchzuführen, wie es die SED vorgeschlagen hatte. Sie beriefen schließlich einen „Deutschen Volksrat“ mit 400 Mitgliedern als beratendes und beschließendes Organ, das zwischen den Tagungen der Volkskongresse tätig sein und mehrere Fachausschüsse bilden sollte, so einen Ausschuss für den Friedensvertrag unter dem Vorsitz von Nuschke, für Verfassung (geleitet von Grotewohl) oder für Wirtschaft (geleitet von Ulbricht). Der Volksrat wählte auf seiner konstituierenden Sitzung am 19. März Wilhelm Pieck (SED), Külz (LDPD) und Otto Nuschke (CDU) zu Vorsitzenden.
Einen Tag später kam es zum Auseinanderbrechen des Alliierten Kontrollrates. Der sowjetische Sprecher Sokolowskij hatte die Erklärung der Prager Konferenz der Außenminister Jugoslawiens, Polens und der Tschechoslowakei vorgelegt:[14] „(…) Die Vertreter der drei Westmächte hatten Sokolowskij bereits darauf aufmerksam gemacht, daß diese Erklärung, an die Regierungen der Besatzungsmächte gerichtet, nicht eigentlich Gegenstand von Erörterungen im Kontrollrat sei. (…) Plötzlich verlangte Sokolowskij, über alle Westdeutschland betreffenden Abkommen unterrichtet zu werden, die zwischen den drei Westmächten in London im Februar und März abgeschlossen waren.“
Die westlichen Militärgouverneure erwiderten, dazu von ihren Regierungen nicht autorisiert zu sein. Der sowjetische Sprecher wiederholte sämtliche Vorwürfe an die Adresse der westlichen Staaten, worauf der britische Delegierte sich anschickte, eine Entgegnung vorzutragen.[15] „Die sowjetische Delegation unterbrach ihn grob, indem sie sich ohne Erklärung nach einem offensichtlich vorbereiteten Plan, wie ein Mann erhob; Sokokowskij erklärte: ‚Ich finde es sinnlos, die Sitzung fortzusetzen und erkläre sie hiermit für vertagt.’ Ohne ein weiteres Wort machten die sowjetischen Vertreter auf den Absätzen kehrt und verließen den Konferenzsaal. (…) Wir wußten natürlich, daß wir hier Zeugen einer Handlung geworden waren, die nicht einem Augenblicksentschluß entsprungen war. Es handelte sich um einen letzten Versuch, im Westen darüber Zweifel hervorzurufen, ob es wirklich ratsam, sei, die Pläne für Westdeutschland zur Durchführung zu bringen. Die drei westlichen Militärgouverneure blieben da, erklärten die Vertagung für ungültig, wählten einen Vorsitzenden zur Fortführung der Sitzung und vertagten diese dann in aller Form. Der Alliierte Kontrollrat hatte aufgehört zu bestehen. Ein internationaler Versuch, der im Falle des Erfolges zu dauernden Frieden hätte beitragen können, war fehlgeschlagen.“
[1] Comides, W. (Hrsg.): Europa-Archiv. Jahrgänge 1946-1963, Frankfurt/M./Wien 1964, S. 748
[2] Ebd., S. 752
[3] Pfeil, D.: Die sowjetische Besatzungszone, Bonn 1988, S. 137
[4] Ebd., S. 147
[5] Ebd., S.148
[6] Ebd., S. 149
[7] Ebd., S. 189
[8] Comides, Europa-Archiv, a.a.O., S. 1136
[9] Pfeil, Die sowjetische Besazungszone, a.a.O., S. 158
[10] Ebd., S. 160
[11] Ebd., S. 163
[12] Ebd., S. 202ff
[13] Comides, Europa-Archiv, a.a.O., S. 1227ff
[14] Ebd., S. 1263
[15] Ebd., S. 1269f