Demo mit antisemitischen Vorfällen

Wenn es um die Themen Judenhass und Israelfeindschaft geht, schafft es Bremen als „Hochburg der modernen Antisemitismus“ (O-Ton Benjamin Weinthal), immer noch eine bizarre Wendung oben drauf zu packen. Sollte man meinen, dass es bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus auch erwünscht und angemessen erscheint, sichtbar Israelflaggen zu zeigen, um sich damit öffentlich für jüdisches Leben allerorten einzusetzen, lernt man in Bremen doch immer wieder Neues dazu. 

Linker Juden- wie Israelhass, und das sollte man sich zunächst in Erinnerung rufen, wird in Bremen von staatlichen Organen und der vielbeschworenen Zivilgesellschaft weitestgehend geleugnet und bagatellisiert. So schaffte der Bremer Senat im September 2016 auf eine Große Anfrage von Grünen und SPD – der beiden damaligen Koalitionäre, die sich demnach selbst befragten – in Bezug auf die Frage nach „antisemitischen Strömungen und Aktivitäten in Bremen“ ein Husarenstück.

Nämlich: in ihrer Antwort den israelfeindlichen Narrensaum der Bremer Linkspartei von Bremer Nahost-Forum, Bremer Friedensforum und „Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung“ über Antikapitalistischer Linke, SAV und MLPD bis hin zu den Anti-Israel-Aktivisten Arn Strohmeyer, Sönke Hundt, Rudolph Bauer beziehungsweise Norman Paech nahezu alle relevanten israelfeindlichen linken Strukturen und Personen vollständig auszublenden. So ist es nicht verwunderlich, dass Ende Januar ein notorischer Israelhasser wie Raif Hussein auf Einladung des Nahost-Forums das Holocaust-Gedenken unbehelligt dazu missbrauchen konnte, die judenhassende Hamas reinzuwaschen.

Israelflaggen auf Demo gegen Antisemitismus unerwünscht

Doch zurück zur Demonstration. Was war passiert? Nach dem mutmaßlich nazistisch motivierten Terroranschlag in Hanau und einer Reihe von Briefsendungen mit verdächtigem Pulver sowie antisemitischen Hetztiraden an die Bremer Parteibüros von Linkspartei, SPD, Grünen, CDU und FDP seit Anfang Januar 2020 gab es am 20. Februar 2020 in Bremen eine spontane Kundgebung der Bremer linken Szene unter dem Motto „Rechten Terror stoppen! Antifaschistische Selbsthilfe organisieren“.

In den Demonstrationszug reihten sich auch einige kommunistische Israelfreunde aus Bremen ein, darunter linke Bremer Jüdinnen und Juden. Die Gruppe trug, für alle sichtbar, Israelflaggen, denn „angesichts der auch antisemitisch motivierten Anschläge“ hielten sie es für „selbstverständlich, israelische Fahnen“ hochzuhalten. Ein in der Tat wenig unübliches Vorhaben, wenn man an die Demonstrationen nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle denkt, in denen vielfach Israelflaggen geschwenkt wurden, als sichtbares Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde.

Was aber in Bremen passierte, könnte man durchaus als stilistisch für den Antizionismus und Antisemitismus bezeichnen, der zur Bremer Staatsräson gehört. Einem Selbstverständnis, das all die Schönwetterreden und theoretischen Handlungskonzepte von „Stopp den Antisemitismus“ des Bremer Senats realpolitisch konterkariert. 

Die kommunistischen Israelfreunde berichten nämlich, dass sie bereits zu Beginn der Kundgebung wiederholt darauf angesprochen wurden, warum sie „ausgerechnet auf der heutigen Demonstration diese beiden [Israel-]Fähnchen dabei hätten“. Wie gesagt, es war auch eine Demonstration gegen Antisemitismus! Doch bei einfältigen Fragen blieb es nicht. Später wurde versucht, „die Flagge zu entreißen“, da nach Meinung der linken Judenhasser „die Flagge hier auf der Demo nichts zu suchen habe“. Gleichsam wurden die Gruppe sogar offen dazu „aufgefordert, sie [also die Flagge, Anm. des Autors] wegzutun“. 

Stadtbekannter linker Antisemit im judenfeindlichen Rausch

Die Aktion selbst ging von einem „stadtbekannten linken Antisemiten“ aus, der „extrem aggressiv“ agierte, dabei „körperliche Gewalt“ androhte, „noch versucht[e], die Person anzuspucken“ und dabei „von einer größeren Gruppe bei seiner Tat bejubelt wurde [sic!]“. Eine Täter-Opfer-Umkehr gab es kostenlos dazu: die Israelfreunde wurden „erneut beleidigt“ und „als rassistische und sexistische Aggressoren bezeichnet“, deren „Israelfahnen und das Einfordern eines jüdischen Rechts auf Selbstverteidigung“ eine „Provokation“ sei. Der Angreifer ließ es sich nicht nehmen, final noch einmal in ihre Richtung zu spucken. 

Die Geisteshaltung der Juden- und Israelhasser transportieren einige Tweets aus der Szene. So ginge es bei der Kundgebung doch um die Hanau-Opfer, „die genauso aussehen wie die, die von Israel abgeknallt werden [sic!]“. Schließlich seien „viele migrantische Communities“ ebenso „Opfer der Politik Israels“, denn „Israel ist ein rassistischer Apartheidsstaat“ (Anmerkung: Rechtschreibfehler in Tweets aus Gründen der Lesbarkeit korrigiert). 

Was hier in Bremen passiert ist, erinnert an Vorfälle in Berlin und Köln vor zwei Jahren. Im April 2018 musste in Berlin-Neukölln eine Demonstration gegen Antisemitismus abgebrochen werden, weil sich die Teilnehmer durch störende Passanten bedroht fühlten, die unter anderem eine Israel-Fahne entrissen, wegwarfen und beschädigten. Im Oktober 2018 gab es in der Kölner Südstadt einen antisemitischen Vorfall im Rahmen einer Pro-Israel-Demo. Hier wurde einer in Köln bekannten jüdischen Aktivistin eine Israel-Fahne entwendet.

Juden müssen linke Demonstration gegen Antisemitismus verlassen

Doch in Bremen versuchte man nicht nur, die Israel-Flagge zu entreißen, sondern beleidigte, bespuckte und bedrängte die kommunistischen Israelfreunde, unter denen sich selbst auch Jüdinnen und Juden befanden, überaus aggressiv. Als Hohn äußerte zwischendrin ein Redner der Kundgebung: „Ich bin Jude, wenn jemand was gegen Juden hat!“. Was er genau tat, als der obige Vorfall sich zutrug, ist nicht überliefert. Und was diejenigen machten, die nach dessen Rede „frenetisch geklatscht“ hatten, ist auch unbekannt. Die Gruppe konnte ob solch einer Demonstration, die sich angeblich gegen Antisemitismus richtete, schlussendlich nur noch ernüchtert konstatieren:

Es betrübt uns sehr, dass zu diesem Zeitpunkt kein Schutz für Jüdinnen und Juden auf der Demonstration bestand, sofern sie es wagten einen Davidstern offen sichtbar zu tragen. Vor allem aber ist es bedauerlich, dass die einzige Möglichkeit für Juden oder Jüdinnen, die mit unserer Gruppe auf der Demo waren, Solidarität zu erfahren, ein Outing als Jüdin oder Jude gewesen wäre. Ebenso ist es erschreckend, dass ein Angriff auf jüdische Symbolik geduldet wird, sofern die Träger*innen als ‚weiß' bezeichnet werden können und im Nachgang auf Twitter aus dieser Gruppe von Angegriffenen rassistische und sexistische Täter*innen gemacht werden sollen. […] Es betrübt uns sehr, dass diese antisemitischen Angriffe geduldet werden und im Nachgang als Produkt einer Provokation bezeichnet worden sind.“

Die Kommunisten verließ nach diesen Vorgängen vorzeitig die Demonstration und kamen zu dem für sie bitteren Resümee über diese Demonstration, die vorgab, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zu sein:

Wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland eine linke Demonstration vorzeitig verlassen müssen, weil sie sich nicht sicher fühlen, dann hat die gesamte Demonstration leider in ihrem Anspruch versagt.

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