Statement des Aufarbeitungsplenums des JuweL e.V.

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Liebe Genoss*innen, Freund*innen und Interessierte,

wie durch das kürzlich verfasste Statement öffentlich bekannt wurde, kam es bei uns im Haus zu einem sexuellen Übergriff. Wir waren und sind darüber erschüttert, dass es innerhalb unserer Strukturen zu so einem Vorfall kommen konnte. Zu diesem und unserem Umgang damit möchten wir Stellung beziehen und dabei auch Fehler unsererseits einräumen und transparent machen. Vorab möchten wir anmerken, dass in der nächsten Woche noch ein Gespräch mit der Betroffenen stattfinden wird und wir im Anschluss daran noch einmal zusammen ein Statement verfassen werden. Hierbei werden wir uns an den Bedürfnissen der Betroffenen orientierten. Des weiteren wollen wir natürlich im andauernden Aufarbeitungsprozess Transparenz wahren.

Liebe Genoss*innen, Freund*innen und Interessierte,

Anfang September 2019 fand an einem Donnerstag vor der Küfa ein Gespräch zwischen der Betroffenen und drei bis vier Vereinsmitgliedern statt, bei dem die Betroffene schilderte was passiert ist. Dieses Gespräch wurde durch den Täter gestört, welcher daraufhin aufgefordert wurde die Räumlichkeiten zu verlassen und dem auch nachgekommen ist. Heute ist uns klar, dass die Zeit und der Ort nicht richtig gewählt waren und wir das Gespräch in einem sicheren Rahmen hätten führen müssen, in dem Störungen (insbesondere durch den Täter) ausgeschlossen gewesen wären.

 

Am Wochenende, nachdem der Vorfall bekannt wurde, hat sich der Vereinsvorstand zur Beratung getroffen und beim Wochenplenum am Dienstag darauf wurden die anwesenden Vereinsmitglieder darüber informiert und wir haben unser Vorgehen besprochen. Dabei wurde beschlossen, dass der Täter Haus-und Vereinsverbot bekommt und innerhalb der nächsten anderthalb Wochen ausziehen muss. Zu diesem Zeitpunkt schien es uns die sozialverträglichste Lösung zu sein, da es vielen schwer fiel einen langjährigen Freund von heute auf morgen auf die Straße zu setzen. Nichtsdestotrotz hätten wir deutlich schneller reagieren und den Auszug sofort umsetzten müssen.  Auf dem Plenum der darauffolgenden Woche war die Betroffene anwesend und wurde über unseren Umgang mit der Situation informiert. Dass sie sich zu diesem Zeitpunkt einen schnelleren Umgang mit der Situation gewünscht hätte, dies aber nicht an uns als Verein herantragen wollte, ist unserer Plenumskultur und der fatalen Fehleinschätzung der Lage unsererseits geschuldet. Ein schnelleres und effizienteres Handeln unsererseits war nötig und hätte stattfinden müssen.

 

Nachdem der Beschluss gefasst und der Auszug erfolgt war, war der Täter noch drei, vier Mal bei uns, um seine Post abzuholen. Dabei wurde er jedesmal von einem Vereinsmitglied begleitet und war nach kurzer Zeit wieder raus, einen Schlüssel für unsere Räumlichkeiten besaß er zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Der Täter wird unsere Räumlichkeiten nicht noch einmal betreten.

 

Nach dem Auszug verfassten wir ein kurzes Statement, welches auf Anfrage an befreundete Projekte und Bands verschickt wurde. Leider war uns nicht klar, dass sich die Betroffene einen öffentlichen Umgang mit der Situation wünscht, sonst hätten wir sofort entsprechend reagiert. Auch das ist ein Kommunikationsfehler, der auf unsere eher schlechte Redekultur zurückzuführen ist und den wir nicht rechtfertigen können oder wollen. Nicht nur dafür möchten wir vor allem bei der Betroffenen um Entschuldigung bitten.

 

Seit dieser Zeit haben einzelne Vereinsmitglieder versucht der Betroffenen zu helfen (z.B. durch zuhören, trösten und den Kontakt zu einem Psychologen vermitteln) und seit Dezember stehen wir in Kontakt mit einer externen Unterstützergruppe aus Erfurt, die uns helfen soll den Vorfall richtig aufzuarbeiten.

 

Leider haben wir es als Verein versäumt, geschlossen und einheitlich mit diesem Thema umzugehen. Dadurch konnten auch Stimmen von Einzelpersonen fälschlicherweise als Vereinsstandpunkt interpretiert werden.

 

In den letzten zwei Tagen haben viele der Hausbewohner*innen lange über das Thema und den Umgang damit beraten, wir möchten aber an dieser Stelle noch einmal sämtliche Hausbewohner*innen und Vereinsmitglieder ausdrücklich dazu auffordern, sich an den stattfindenden Aufarbeitungsprozessen zu beteiligen.

 

Passivität, Gerüchte und Halbwahrheiten erschweren und verlangsamen diese Arbeit und sind den Mitgliedern und Vertreter*innen eines libertären Wohnprojektes nicht würdig.

 

Zugleich bitten wir andere (Haus)projekte die mit solchen Situationen bereits Erfahrungen gesammelt haben, uns zu helfen und bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe zu unterstützen.

 

Zum Abschluss dieses Statements möchten wir noch einmal klarstellen, dass wir uns mit jedem/jeder Betroffenen von sexueller Gewalt uneingeschränkt solidarisieren, egal welchen Umgang mit der Situation der/die Betroffene wählt. Und auch, dass jede*r, der/die auf Indymedia, Social-Media oder anderen Plattformen die Betroffenen beleidigt, deren Glaubwürdigkeit in Frage stellt oder ähnliches in unserem Projekt nichts verloren hat und diesem fernbleiben soll. Derartiges Verhalten ist absolut inakzeptabel und wird von uns nicht mehr toleriert werden!

 

Gez. Aufarbeitungsplenum des Juwel e.V.

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