Der Krieg vor der Haustüre

Folgend ein übersetzter Ausschnitt eines Textes, der in einer "einmaligen Ausgabe über den Krieg gegen den Terrorismus", infolge des 11. Septembers von Anarchisten in Italien publiziert wurde, und der durchaus seine Angebrachtheit bewahrt.

Der Krieg vor der Haustüre

Bis zu jenem Tag konnten wir in aller Ruhe – manche mehr, manche weniger – die Privilegien geniessen, die der Tatsache innewohnen, auf der richtigen Seite des Planeten geboren worden zu sein und gelebt zu haben, das heisst im Westen, wo ein Dach über dem Kopf und ein warmes Mahl „quasi“ niemandem versagt werden. Ja, wir hatten mehrfach sagen hören, dass unser Wohlstand zum Gegenstück das Elend von Milliarden von anderen Leuten hatte. Aber diese Leute – die ausserdem so verschieden sind von uns – befanden sich anderswo, Tausende von Kilometern entfernt und, wie das Sprichwort will, aus den Augen,...
Wenn es jemand von ihnen, sich schrecklichen Ungemachen stellend, wagte, bis zu uns zu dringen und die Hände auszustrecken, um zu betteln (oder um zu stehlen), brauchten wir nichts anderes zu tun, als die Augen zu schliessen (oder die Polizei zu rufen). Danach war wieder alles wie vorher. Es ist wahr, dass uns zur Essenszeit, zwischen einem Happen Fleisch und einem Becher Wein, das Fernsehen Bilder von Kriegen, Hungersnöten, Elend und Zerstörung vor Augen führte. Aber weshalb sich ein gutes Mahl ruinieren, wenn es so einfach ist, den Ton auszuschalten oder den Kanal zu wechseln? Was die Zeitungen betrifft, so genügte es, sich darauf zu beschränken, die Sport- und Vergnügungsseiten zu lesen. Natürlich, nicht alle haben so viel Gleichgültigkeit gegenüber den Übeln der Welt gezeigt.
Es gibt auch diejenigen, die, das Herz mit dem Portfolio verwechselnd, ihre Grossherzigkeit gezeigt haben, indem sie Überweisungen auf Girokonten von humanitären Vereinen machten. Wenn man nicht den Magen des Armen nähren kann, so nährte man zumindest das Gewissen des Reichen.
Jedenfalls waren wir, in diesen letzten Jahren, trotz einer gewissen Verschwiegenheit, alle im Bewusstsein über die brutalen Konflikte, die dabei sind, Palästina, Ruanda, Somalia, Bosnien, Algerien, Kosovo... in Blut zu tränken, doch es genügte uns, um zumindest in uns Frieden herrschen zu lassen, diese Orte von der Liste der möglichen Lokalitäten zu streichen, wo die nächsten Ferien verbrachte werden. Der Krieg – mit seinen Bombardierungen, seinen Opfern, seinen Trümmern, seinen Blockposten, seinen Grausamkeiten – war nicht etwas, das uns berührte, war nicht etwas, das fähig war, das ruhige tägliche Wiederaufgreifen unserer Existenz in Zweifel zu stellen. Bis zum vergangenen 11. September, eben. Bis dahin dachten wir, dass die „Globalisierung“ einzig das Wachstum und die Ausweitung der Handelsaustausche, das Vordringen der Multinationalen in die ganze Welt mit sich bringen würde. Es wurde versichert, dass, in einem „globalen Dorf“ zu leben, nur Vorteile vorsieht, wie derjenige, alle im selben Hypermarkt einkaufen zu können, wo wirklich alles gefunden werden kann. Den Kassenzettel bezahlt, musste dann jeder wieder in sein eigenes Haus zurückkehren (manche in die Villa und manche in die Hütte), zum üblichen Leben (manche in der Musse und manche im Leiden). Aber jemand ist nicht einverstanden gewesen und war der Ansicht, dass, wenn im Osten der westliche Lebensstil konsumiert werden soll, dann der Westen auch den östlichen Lebensstil kosten soll.
Wie kann man davon überrascht sein? Im Übrigen, wenn man alles tut, um zu ermöglichen, dass Coca-Cola in New York sowie in Jerusalem getrunken werden kann, so kann man sicherlich nicht verhindern, dass die Attentate in Jerusalem sowie in New York für Massaker sorgen können. So haben wir am vergangenen 11. September alle verstanden, dass das, was auf dem ganzen Planeten allgegenwärtig ist, nicht nur die Waren sind, sondern auch der Terror ist, mit dem sie aufgezwungen werden. An diesem Tag hat die ganze westliche Welt erlebt, was, auf der falschen Seite des Planeten, seit vielen Jahren tagtäglich erlebt wird: man zählt die Toten, man grabt zwischen den Trümmern, man schreit nach Rache. Es ist der Krieg. Aber dieses Mal spielt er sich nicht fern von uns ab, sondern vor unserer Haustüre.

[Ausschnitt aus Hapax, einmalige Ausgabe über den Krieg gegen den Terrorismus, Februar 2002, Turin]

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