Weihnachtszeit - Aktionszeit. Eine Erinnerung an Kämpfe im Knast
Die Weihnachtszeit war schon immer eine gute Zeit für Protest und Widerstand der Neuen Linken. Seit den 1960ern gab es Konsumkritik anlässlich der Feiertage, zum Beispiel mit Demonstrationen auf großen Einkaufsstraßen wie dem Berliner Ku‘damm oder wie heuer auf Zufahrtsstraßen zu großen Einkaufszentren.
Vor 35 Jahren waren politische Gefangene in Deutschland in den Hungerstreik getreten. Und so nutzen politisch aktive Genoss*innen außerhalb der Knäste die freie Zeit am Heiligabend, um sich mit einer Aktion solidarisch mit den Hungerstreikenden zu zeigen. Sie hinterließen die nachfolgende Erklärung, die hier zu Dokumentationszwecken transparent gemacht wird. Sie fehlt nämlich in dem Buch „Die Früchte des Zorns“, in dem die meisten RZ-Erklärungen publiziert wurden.
Die Aktion und die Erklärung con 1984 sollen uns in dieser besinnlichen Zeit daran erinnern, dass es schon vor Jahrzehnten Knastkämpfe gab, die auch gesellschaftlich eine Wirkung entfalteten. Zahlreiche bürgerlichen Kräfte haben sich in die Debatten eingemischt und eine Zusammenlegung und Verbesserungen der Haftbedingungen gefordert. Forderungen, die heute genauso aktuell sind, aber bei weitem nicht mehr so prominent vertreten werden. Nun folgt die Dokumentation der Erklärung:
"WIR SAGEN, DASS DIE DIALEKTIK REVOLUTIONÄRER KÄMPFE GEWICHTIGER IST, ALS DIE IMPERIALISTISCHE DOKTRIN DER HARTEN HALTUNG!"
(aus der hungerstreikerklärung 1984)
wir haben heute am 24.12. das regionale rechenzentrum in reutlingen angegriffen.
seit dem 4. dezember 1984 läuft der hungerstreik unserer gefangenen genossen aus der raf, widerstand und anderen kämpfenden gefangenen.
sie fordern
* Zusammenlegung mit den Gefangenen aus dem Widerstand und allen kämpfenden Gefangenen in große Gruppen
* Abschaffung der Einzel- und Kleingruppenisolation und der akustischen und optischen Ausforschung und Kontrolle
* Aufhebung der Kommunikationssperre: Besuche, Briefe, Bücher, freie politische Information und Diskussion.
wir kämpfen zusammen mit den gefangenen für die durchsetzung ihrer forderungen nach anwendung der mindestgarantien wie sie die genfer konvention für kriegsgefangene vorsieht. aus unserer eigenen erfahrung heraus, daß zusammenkommen, kollektivität immer erkämpft werden muß - als bedingung für unseren kampf und für die stärke, die wir in ihm entwickeln werden.
"diese ganze arroganz imperialistischer machtentfaltung kennt nur eine grenze: wo starker, selbstbewußter widerstand aus der illegalität und der legalität ihr zusammen setzen!" (aus der hungerstreikerklärung 1984)
UNTERSTÜTZT DEN HUNGERSTREIK UNSERER GEFANGENEN GENOSSEN UND GENOSSINNEN!
DIE PROLETARISCHE GEGENMACHT AUFBAUEN - FÜR EINE REVOLUTIONÄRE FRONT IN WESTEUROPA!
DAS IMPERIALISTISCHE PROGRAMM DER TECHNOLOGISCHEN KONTROLLE ZERSCHLAGEN!
KRIEG DEM IMPERIALISTISCHEN KRIEG!
REVOLUTIONÄRE ZELLEN
KÄMPFENDE EINHEIT GUDRUN ENSSLIN
(Quelle: Widerstand heißt Angriff! Erklärungen, Redebeiträge, Flugblätter und Briefe 1977-1987, Seite 165. Diese RZ-Erklärung zu dem Sprengstoffanschlag, der die Glasfront des regionalen Rechenzentrums (an dem die Kommunen des gesamten Regierungsbezirks Tübingen bis hin zur bayerischen Landesgrenze angeschlossen sind) komplett verwüstete und einen Schaden von etwa 500.000 DM anrichtete, fehlt in dem Band „Die Früchte des Zorns“, in der fast alle RZ-Texte dokumentiert sind: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/Zorn/Zorn00.html)