Zwei Jahre Switch-Off - Eine Auswerung
Rückblick auf zwei Jahre Switch-Off und Debatte um Klima und Militarismus
Zwei Jahre Switch-Off – eine Auswertung
Zwei Jahre ist es her, seit wir uns das erste Mal zu Wort gemeldet haben. Der Aufruf ist mitten in der laufenden Strategiedebatte der Klimabewegung entstanden. Damals, nach Hambi, Danni und direkt nach Lützerath, schien für viele das Potential von Massenaktionen ausgeschöpft zu sein. Wir wollten im Kontext von diesen und anderen Klimaprotest- und Massenaktionen ein Projekt mit Fokus auf dezentralen und direkten Aktionen vorschlagen.
Der Blick auf und die Angst vor den drohenden Klimakollaps verdeutlichte uns zu diesem Zeitpunkt die Dringlichkeit von radikalen Methoden und einer Intensivierung revolutionärer Praxis innerhalb der Klimabewegung.
Wir haben antistaatliche, autonome, anarchistische Perspektiven der Sabotage formuliert und wollten diese stärker einbringen.
Inhaltlich fokussierten wir uns auf eine anti-koloniale und technologiekritische Analyse. Inspiriert haben uns indigene Kämpfe und deren widerständige Praxen gegen (neo-)koloniale Ausbeutung und die Zerstörung ihrer Territorien. Koloniale Ausbeutung ist nicht nur Teil der rassistischen ideologischen Geschichte des Westens, sondern ist weiterhin Teil der wirtschaftlichen und imperialistischen Expansionbestrebungen von Großunternehmen wie der Deutsche Bahn mit dem Megaprojekt Tren Maya. Mit unserer Analyse und dem Aufruf stellten wir uns solidarisch an die Seite weltweiter Kämpfe. In der fortwährenden Zerstörung der Erde sahen wir die Notwendigkeit industrielle Infrastrukturen anzugreifen und darin die Möglichkeiten einer erstarkenden internationalen Bezugnahme in diesen Kämpfen.
Auf staatlicher Ebene dominierten zu dieser Zeit die Vorschläge für einen Green New Deal und die Propaganda aus den Unternehmen, die Elektromobilität und Digitalisierung als Lösungen vorschlugen und uns als utopische Perspektiven verkaufen wollten; der Klimabewegung machten die Herrschenden das heuchlerische Versprechen sie würden die notwendigen Schritte tun, um das 1,5 Grad Ziel noch zu erreichen.
In dieser Gemengelage aus Klimakollaps, weltweit sich immer mehr formierendem Autoritarismus und der Strategieveränderung der Klimabewegung haben wir dazu aufgerufen uns unter der Parole „Switch-Off the system of destruction“ aufeinander zu beziehen und unsere Kämpfe sowie unsere Aktionen in einen gemeinsamen Kontext zu setzen.
Rückblick auf 2 Jahre Praxis
Vieles ist passiert in diesen zwei Jahren. Der Aufruf wurde recht breit wahrgenommen und viele haben sich mit ihren Aktionen in Bezug dazu gesetzt. Das Spektrum der Aktionen war vielfältig und erstreckte sich von konkreten Angriffen auf die (E)-Automobilindustrie und die Sabotage wichtiger Infrastrukturen wie Schienen und Stromnetzen, zu Aktionen gegen Bauprojekte der großen Profiteure von Naturzerstörung wie die Zementindustrie, den Straßenbau und die Braunkohleförderung. Außerdem wurden Akteure und Lieferwege der Rüstungsindustrie ins Visier genommen.
Es gab viele Aktionen in Solidarität mit Kämpfen außerhalb Europas. Insbesondere im Bezug auf das Tren Maya Projekt gab es Angriffe auf Fahrzeuge, Infrastrukturen und Büros von Deutsche Bahn, Siemens und das mexikanische Konsulat in Hamburg. Verbundenheit und Freude bereiteten Worte und Taten die weltweit Widerhall fanden und sich konkret unter Switch-Off aufeinander bezogen. Derlei Inspiration und internationale Beziehungen der Solidarität fanden sich z.B. in:
Den Kämpfen gegen die Zement und Betonindustrie welche in Abya Yala die Erde plündern und Gewässer verseuchen. Die Angriffe auf Betonriesen in Frankreich und Deutschland haben gezeigt, dass gut gezielte Aktionen sowohl lokale Kämpfe befeuern, als auch internationale Strahlkraft entfalten können.
Den Aktionen gegen das Großprojekt der Nord-Bottnien-Linie im Norden Schwedens auf dem Territorium der indigenen Sami, welche ihre Ländereien zerstückelt und Rohstoffe im großen Stil in die Fabriken der grünen Transformation verfrachtet sehen.
Den weiterhin andauernden Proteste gegen den Kohleabbau. Ob im Sündenwäldchen am Tagebau Hambach oder in den Gebieten der Yukpa in Abya Yala.
Oder die Angriffe auf die Coastal Gaslink Pipeline in den Gebieten der Wet’suwet’en und sich dazu in Bezug setzende Angriffe in Deutschland.
Im Text „Der Konflikt in Abya Yala und seine Nähe zu Switch-Off“ heißt es hierzu:
„In Anbetracht unserer Gemeinsamkeiten und Besonderheiten sowie der Dringlichkeiten und Bedürfnisse, die uns auf den Plan rufen, erscheint es uns angebracht, die Aktionen gegen die Maschinerie der Plünderung des Kontinents und der Erde mit der Kampagne „Switch Off!“ zu verbinden, um unsere Kämpfe zu verstärken und den Kampf gegen das Bestehende und seinen historisch internationalistischen Charakter zu vertiefen, um weltweit die Dringlichkeit sichtbar zu machen, diese Realität in der Praxis mit allem, was wir in der Hand haben, abzulehnen und durch Aktionen zu zeigen, dass es möglich ist, sie zu bekämpfen, die Zerstörung an die Hauptverantwortlichen und Schöpfer dieser Bedingungen zurückzugeben und auch um zu zeigen, dass es möglich ist, ein würdevolles Leben zu umarmen, das mit dem Elend bricht, in dem sie uns ersticken und begraben wollen.“
Das Aktionen aus dem deutschsprachigen Raum wahrgenommen wurden, das der Aufruf auch international diskutiert und sich mit Aktionen daran beteiligt wurde, hat uns unglaublich viel Freude und Mut gegeben. Die letzten zwei Jahre haben uns erneut gezeigt, der internationalistische Kampf gegen dieses Elend ist keine abstrakte Sache, sondern findet seinen Ausdruck in konkreten Kämpfen und Angriffen.
So sehr wir uns über die vielen und facettenreichen Aktionen gefreut haben, können wir beobachten, dass die großen Klimaproteste und Mobilisierungen, insbesondere im deutschsprachigen Raum, in den letzten Jahren abgenommen haben. Zeitgleich hat sich die Repression gegen Blockadeaktionen und zivilen Ungehorsam extrem verschärft, was sicherlich seinen Anteil an diesem Rückgang hat.
Die ökologische Frage scheint auf verschiedenen Ebenen aus dem Bewusstsein gerückt zu sein. Ohne dabei die Ausbeutungsverhältnisse innerhalb westlicher Gesellschaften ausblenden zu wollen, ist klar, dass wir nicht erwarten können, dass sich in absehbarer Zeit „die Massen“ in Bewegung setzen werden, da große Teile der Bevölkerung in den kapitalistischen Zentren nicht ihre Privilegien verlieren wollen.
Trotzdem hat sich gezeigt, dass kontinuierliche direkte Aktionen nicht nur materiellen Schaden verursachen sondern eine Kraft und Dynamik befeuern können, die über (staatliche) Grenzen hinausgehen.
Ziel war eine Debatte aufzumachen – hat das geklappt?
Switch-Off rief dazu auf die Infrastruktur des Kapitalismus zu hinterfragen, zu sabotieren und nachhaltig anzugreifen. Nachhaltig im Sinne von nachhaltiger und langfristiger Zerstörung von industriellen Infrastrukturen und divers im Sinne von vielfältigen Mitteln. Wir stellen fest, dass die Aktionen unter dem Motto teilweise von spektakulärer Dimension, großer Finesse und Überzeugung, aber alles andere als von der Diversität der Mittel und einer einfachen Nachahmbarkeit geprägt waren. Das Problem des Aufrufs und der folgenden Praxis war und ist demnach die teilweise Isolation innerhalb radikaler Kämpfe. Es braucht die Reproduzierbarkeit militanter Techniken. Die Aktionsformen dürfen nicht einer exklusiven Gruppe vorenthalten sein, die das Wissen und die Werkzeuge bereits besitzt um diese Sabotagen durchzuführen. Daher braucht es unserer Meinung nach eine Ausweitung sicherer Räume um über militante Aktionsformen zu sprechen, Skillshares zu geben und sich zu unterstützen. Das Wissen über kritische Infrastruktur und die Zerstörung dieser muss leichter zugänglich gemacht werden. Das ist leichter gesagt als getan. Die Momente von gemeinsamen spektakulären militanten Aktionen, Massenbewegung und Zusammenkünfte wie in Lützerath sind wichtig und prägend und stellen oft einen Knotenpunkt für Politisierung, Vernetzung und vielfältige politischer Praxis her. Aber auf solche Großevents können wir nicht warten. Unsere Diskussionen müssen auch außerhalb dieser Momente stattfinden.
Die Klimabewegungen hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung verloren. Waren die Wald-, Dorf- und Straßenbesetzungen mal „Aufreger Nummer eins“ und zogen Diffamierungen von Politik, Konzernen und Presse auf sich. So wurde der Klimawandel von den neuen Kriegen, Wirtschaftskrisen und der rassistischen Migrationsdebatte aus den Nachrichten und dem kollektiven Bewusstsein verdrängt.
Dennoch gibt es aktuelle Entwicklungen die im Spannungsfeld von ökologischen Kämpfen und zunehmender Faschisierung widerständige Perspektiven aufzeigen. Dazu gehören die Proteste in Grünheide gegen die Tesla-Gigafactory und der Brandanschlag der Vulkangruppe, welcher es sicherlich an viele Küchentischdiskussionen geschafft hat und einmal mehr bewies, wie effektiv direkte Aktion sein kann. Die weltweiten Angriffe gegen Tesla, die inzwischen schon hunderte dieser Autos aus dem Verkehr gezogen haben dürften, zeigen aktuell die enorme Kraft der Bezugnahme durch direkte Aktionen, Angriffe, Sabotagen, Texte und rebellische Gesten aller Art.
Bis zu einem gewissen Grad ist es uns sicher gelungen direkte Aktion und Sabotage in der Strategiedebatte der Klimabewegung als Methoden im Kampf gegen die Zerstörung der Erde mehr zum Thema zu machen. Die Effekte dessen sind aber schwer zu bestimmen. Auch über die Bewegung hinaus haben Aktionen und Kommuniqués eine gewisse Verbreitung erfahren, treffen jedoch auf einen allgemeinen gesellschaftlichen Backlash.
Switch-Off im Kontext von Faschisierung, Militarisierung und Grenzpolitik
Die prognostizierten Verschärfungen verschiedenster globaler Krisen überschlugen sich nahezu.
Seit dem 17. Februar 2022 eskaliert die zweite Invasion Russlands in der Ukraine. Nach dem Massaker vom 07. Oktober 2023 begann Israel seinen vernichtende Krieg gegen den Gazastreifen, den Libanon und Syrien. Zusammen mit weiteren heißen Kriegen im Kongo, in Kurdistan, im Jemen, in Myanmar, im Sudan zeichnet sich eine generelle Militarisierung und Zunahme kriegerischer Konflikte.
Die Politik erkennt, nutzt und befeuert diese Dynamik. Entlang der altbekannten Leier der Alternativlosigkeit wird den Menschen eine stumpfe Perspektive angeboten: in Zeiten eines drohenden Weltkrieges sei es wichtiger auf sich selbst zu schauen, wehrfähig zu sein und die eigene Vormachtstellung zu sichern. Dabei wird eine Rhetorik verwendet, die deutliche Parallelen zum Kalten Krieg aufweist und versucht die Welt in gute und böse Herrscher aufzuteilen. Diese militärische Logik findet sich auch bei der Bewältigung anderer Krisen wieder. Besonders deutlich wird dies an der Sicherung von Ressourcen mit kriegerischen Mitteln. Es ist gleichermaßen effektiv wie offensichtlich, dass die „Verteidigungsfrage“ genutzt wird um alle anderen gesellschaftlichen Konflikte zu überdecken.
Die zweite Trumpregierung zeigt aktuell in welcher Geschwindigkeit jahrzehntelang erkämpfte (reformistische) Errungenschaften einfach wieder über Bord geworfen werden können. Wir sehen einen massiven patriarchalen Backlash, der alles zerstören möchte, was sich antirassistische Bewegungen, Feminist*innen und Queers die letzten Jahrzehnten erkämpft haben. Einige wenige Herrschende auf dieser Welt besitzen die Macht “Menschenrechte“ abzuschaffen, etwa das Recht auf Abtreibung, die Selbstbestimmung des Geschlechts, die Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung, Asyl zu bekommen und so weiter. Diese Fragilität zeigt die massive Abhängigkeit der Menschen vom Staat auf und verdeutlicht, dass es so etwas wie eine universelle Menschenwürde innerhalb der bestehenden Verhältnisse nicht gibt und nicht geben kann. Die “Menschenrechte“ sind schlichte Zugeständnisse des Staates. Auch wenn diese bitter und blutig erkämpft wurden, zeigt die aktuelle Lage umso mehr, dass bürgerliche Rechte höchstens eine Wette auf Zeit sind und nicht Ziel unserer Kämpfe sein können.
Diese Faschisierung lässt sich auf der ganzen Welt beobachten. Überall erstarken faschistische und autoritäre Kräfte und kommen an die Macht. Die bürgerlichen Parteien übertrumpfen sich gegenseitig in ihrer rassistischen Grenzpolitik und die sozialen Repression gegen arme, stigmatisierte und vom System behinderte Menschen steigt immer mehr. Die zunehmend autoritärer agierenden Regierungen sind aus der „ehemaligen bürgerlichen Mitte“ entstanden, welche versuchten die Rechtspopulisten rechts zu überholen.
Gleichzeitig wird die erwähnte Militarisierung und Aufrüstung von Militär und Grenzen als alternativlos präsentiert. Der Kampf gegen die Menschen, die von den Katastrophen vertrieben werden, nimmt überall zu. Sie werden immer mehr zur Zielscheibe faschistischer Propaganda und rassistischer Migrationspolitik.
RessourcenkonflikteSchlüsselbranche Chip-Industrie
Immer unverhohlener äußern Staaten und Unternehmen die Forderung nach militärischer Sicherung von Ressourcen. Doch geht es nicht nur um Lithium und seltene Erden, sondern auch um die Standorte wertvoller Schlüsselindustrien. Dabei wird insbesondere die künstliche Intelligenz als elementar ausgemacht: Eine Technologie, die ohne die Rechenleistung der modernsten Mikrochips nicht denkbar wäre. Designt von Nvidia im Silicon Valley und hergestellt von TSMC und anderen ausschließlich in Taiwan (mit weltweit einzigartigen Belichtungsmaschinen von ASML aus Eindhoven). Die USA und die EU nehmen derzeit viel Geld in die Hand, um eine „heimische“ Chipindustrie aufzubauen – mit dem Ziel, die technologische Vorherrschaft gegenüber dem erklärten „Systemrivalen“ China abzusichern. Für die Herstellung von Mikrochips sind seltene Erden und viel Energieaufwand nötig.
Zur Reduzierung der Abhängigkeit von Importen wird verstärkt auch die Natur in der Peripherie Europas ausgebeutet. Besonders klar wurde das Machtgefälle innerhalb Europas am lokalen Widerstand gegen die Jadar Mine des britische-australischen Konzerns Rio Tinto in Serbien. Als der Widerstand gegen die Mine Erfolg hatte und das Projekt beendet wurde, reiste Olaf Scholz persönlich nach Belgrad um die Wiederaufnahme zu erwirken, schließlich brauchen die deutschen Autobauer das Lithium für ihre E-Autos. Diese Dynamik lässt sich u.a. auch bei Lithium-Projekten in Portugal und diversen Minen in Sapmí beobachten. Keinesfalls ist der zunehmende Bergbau aber auf die europäischen Ränder beschränkt, im Gegenteil auch in den Zentren wird nach Vorkommen gesucht und damit sind auch die Möglichkeiten für unseren Widerstand grenzenlos.
Ein offensichtliches Beispiel für die ganze Brutalität der westlichen Ressourcenausbeutung zeigte sich beispielsweise an den Bedingungen für die weitere militärischen Unterstützung der Ukraine durch die USA:
„[So] erklärte der republikanische US-Senator [Lindsey Graham] aus South Carolina, warum der Westen den Krieg in der Ukraine unbedingt gewinnen müsse: Das Land sei eine „Goldmine“, allein in den von Russland besetzten Gebieten lagerten kritische Rohstoffe im Wert von zwölf Billionen US-Dollar. „Ich möchte diese Vermögenswerte nicht Putin überlassen, damit er sie mit China teilt […]Wenn wir der Ukraine jetzt helfen, kann sie der Geschäftspartner werden, von dem wir immer geträumt haben“
Chips sind seit ihren Anfängen eine wichtige Militärtechnologie. So muss man die geplanten Chipfabriken auch als Teil der notwendigen wirtschaftlichen Entflechtung zur Kriegsvorbereitung sehen. Doch Schlüsseltechnologien spielen nicht nur im weltpolitischen Geflecht aus Klima und Krieg eine entscheiden Rolle. Immer mehr Schlüsseltechnologien mit „zivilen“ und „militärischen“ Nutzen werden von kleinen Start-Ups produziert. Dabei schaffen diese sich nach Außen häufig einen modernen und fortschrittlichen Anstrich. Sie werben damit, dass sie ihren Beitrag zu einer umweltfreundlichen und ökologischen Zukunft leisten. Dass ihre jeweiligen Technologien jedoch auch hervorragend in der Rüstungsindustrie Platz finden und zum Töten genutzt werden, lassen sie gerne aus.
Oder Rüstungsunternehmen werden gleich “woke“ und bekommen in einem kaum zu steigernden Zynismus gleich einen grünen Anstrich verpasst. So gibt es bereits jetzt biologisch abbaubare Munition, „nachhaltige“ Produktion von Raketen und es scheint nur noch eine Frage der Zeit bis der erste E-Panzer vom Band rollt. Wo einst Gas und Kohle die entscheidenden Industrien waren – ist jetzt KI und High-Tech die entscheidende Ressource. In einem feingliedrigen Verbund arbeiten verschiedene Firmen und Start-Ups einander zu und bilden eine technologisch fortgeschrittene Rüstungsindustrie aus komplexen Lieferketten.
Das sehen wir jedoch auch als eine gewisse Chance im Kampf gegen diese technologische Rüstungsindustrie. Immer spezialisiertere Schlüsseltechnologien, haben auch immer immer diversere Lieferketten. Genau hier sehen wir das Potenzial diese zu unterbrechen und die Produktion kleiner Start-Ups anzugreifen.
KI als Schlüsseltechnologie und Kriegswaffe
Die wohl größte und relevanteste dieser Schlüsseltechnologien ist KI, sie ist für die Technokraten von heute die Lösung aller Probleme.
Wie sonst sollen die unvorstellbaren Datenmengen verarbeitet werden, die nötig sind um autonome Dronen-Taxis im Großstadtverkehr zu steuern – oder eben über ein Schlachtfeld? Wie soll die Steuerung des Stromflusses in einem Stromnetz mit noch mehr Verbrauchern und nicht linearen-Einspeisern funktionieren ohne KI? Oder die Auswertung des Bildmaterials, das überall und immer aufgenommen wird. Was dabei natürlich wenig kritische Aufmerksamkeit erhält, ist der Fakt, dass diese Technologie enorm viele Ressourcen verbraucht. Die Chipproduktion verschlingt viel Wasser und die KI-Rechenzentren so viel Energie, dass Microsoft als erste Firma ein Atomkraftwerk aktiviert hat um sie mit Energie zu versorgen.
Die von Israel im Gaza-krieg eingesetzten Programme „Lavender“ und „Where’s Daddy“ übernehemen für die Armee fast die gesamte Zielauswahl für Luftangriffe. Mit einer 1-100 Skala bewertet die Maschine die Zugehörigkeit zu militanten Gruppen für alle Bewohner*innen des Gazastreifens. Alles anhand von Geheimdienstdaten. So schlägt die Software Angriffsziele vor und informiert sobald das Opfer sich zu Hause im Kreis der Familie befindet. Auch eine Quote für welche militärische Wichtigkeit eines Zieles wie viele zivile Opfer in Kauf genommen werden spielt hierbei eine Rolle. So wurden mehrere zehntausende Palästinenser*innen getötet auf Vorschlag eines Computers, abgenickt von israelischen Offizieren.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass KI nie ein emanzipatorisches Mittel sein kann, denn wo KI im einen Moment noch die Zerstörung und die Vernichtung von Leben kontrolliert, produziert sie im nächsten Moment ein Werbevideo in dem auf den Trümmern Gazas ein Urlaubsressort entworfen wird. Die ganze Widerlichkeit die dem innewohnt ist schwer zu fassen.
Die Angst muss die Seite wechseln
Wir haben Angst, Angst vor dem Faschismus, vor der zunehmenden Repression, vor den dem Krieg, vor fucking Trump und den Wahnsinnigen die diese Welt regieren. Wir fühlen uns gelähmt weil die Dinge sich zu überschlagen scheinen, paralysiert, in der eskalierenden Klimakatastrophe. Wir wissen, dass die Herrschenden uns handlungsunfähig, machtlos und ohnmächtig sehen wollen, doch wir werden ihnen diesen Gefallen nicht tun.
Wir wollen den Staat und seine Gesellschaft abschaffen. Dabei sind unsere Lebensrealitäten so verwoben mit Staatlichkeit und Industrie, das ein Denken außerhalb dieser Logik nur schwer möglich ist. Und doch wissen wir auch, dass wir uns nicht von dieser Angst leiten lassen sollten. Da sie uns zurück zu alten Gewissheiten drängt, weil es die Angst davor ist, unsere Privilegien zu verlieren.
Wir wissen auch, dass Angriff die beste Verteidigung ist.
Wir haben Schwierigkeiten einen klaren Weg für unsere Projekte zu erkennen, eine Perspektive auszumachen, die uns an einen besseren Ort bringt. Wir fühlen uns schwach und klein gegenüber den Verhältnissen, aber wir haben gelernt, dass es keinen Sinn ergibt an den Staat zu appellieren, weil er die Bedingungen unserer Machtlosigkeit reproduziert.
Und trotz dem ganzen Elend wissen wir, das wir uns haben, das wir Stärke und Kraft in einander finden könnnen, in unsere Kämpfe, unsere Solidarität, unsere Verschiedenheit. Wir brauchen keine einheitliche Linie, sondern klare Ideen und ein Gespühr füreinander. Wir suchen Bezugnahme, Begegnung, Kritik, Inspiration und Verbindungen zwischen unseren Kämpfen. Nicht weil wir eine Partei werden wollen, sondern weil wir uns brauchen und weil wir die Wut wiedererkennen, die überall auf der Welt auflodert, immer wieder.
Liebe an alle da draußen; im Chaos der Kämpfe, der Aktionen, der Pläne; da draußen in Nacht, in den Knästen, im Untergrund, in den Wäldern, den Straßen, auf den Meeren und an den Grenzen.
Wir sind diesen Weg eingeschlagen, wer weiß wo er uns hinbringen wird. Von indigenen Kämpfer*innen haben wir gelernt, dass die Welt schon oft untergegangen ist.
Was auch kommen mag. Wir sehen uns. Da draußen.
„Vergessen wir die Avantgarde, Sie hat keinen Nutzen für uns: Eine generalisierte Revolte, ohne Anführer*innen oder einen Schwerpunkt ist genau das, was keine Armee oder Polizei jemals zu bändigen hoffen könnte“ – Total Liberation
