Die Münchner Sicherheitskonferenz - Märchentante oder Gruselroman?

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Vom 14. bis zum 16. Februar findet in München wieder die ‚Münchner Sicherheitskonferenz‘ statt. Ihr Mitarbeiter Nico Lange (Senior Fellow) hat mit Beteiligung am Vorwort von Ulrike Strauss (Chief Operating Officer & Head of Strategic Projects) eine Broschüre ‚Aber die NATO! – 10 populäre Mythen über Putins Krieg gegen die Ukraine‘ geschrieben.

Herunterladbar von: https://securityconference.org/zeitenwende/10-populaere-mythen/

Sie stellen sie als „historische Fakten, Gegenargumente und Fachinformationen“ dar. Die Argumentationen sind es wert, mal genauer geprüft zu werden. (Alle Zitate aus dem pdf sind in Arial gesetzt, das erste Zitat ist immer ‚Richtig ist:‘ von der Kapiteleinleitung. Das Glossar wird nicht analysiert, um diesen Text nicht zu lang zu machen. )

 

 

 

Kapitel 1: ZUWENIG DIPLOMATIE

 

Seite 3 „Schon vor dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine und auch während des Krieges gab und gibt es sehr viele diplomatische Bemühungen.“

 

S.4 „Leider zeigt sich die russische Seite bisher zu ernsthaften Gesprächen über eine friedliche Lösung nicht bereit. Russland beharrt auf Forderungen, die die Existenz der Ukraine als Staat grundsätzlich in Frage stellen und klar gegen die Charta der Vereinten Nationen und das internationale Recht verstoßen.“

 

 

 

→ Auffälligerweise gibt es sehr wenig Informationen über die Kontakte in den Wochen vor dem russischen Einmarsch https://de.wikipedia.org/wiki/Waffenstillstandsverhandlungen_und_Vermittlungsinitiativen_zum_russischen_Angriffskrieg_gegen_die_Ukraine#Forderungen_Russlands_an_die_NATO_und_die_USA und die russischen Vorschläge https://gesetze-ganz-einfach.de/russlands-vertragsvorschlag-fuer-sicherheitsgarantien/ .
Putin mag seine nationalistische Version der ukrainisch-russischen Geschichte erzählen, aber das Kernproblem für Russland ist der Eintritt der Ukraine in die NATO, nicht ihre Existenz als solche.
Erinnern wir uns kurz an die ‚Kuba‘krise: John F. Kennedy hatte in der Türkei nukleare Mittelstreckenraketen stationieren lassen, die Moskau bedrohten. Chruschtschow reagierte mit der Verschiffung von ebensolchen Mittelstreckenraketen nach Kuba. Kennedy war zu einem Atomkrieg bereit, der in letzter Minute durch den Rückzug des russischen Raketentransports und etwas später durch den Abbau der amerikanischen in der Türkei vermieden wurde.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Putin es nicht gern sieht, wenn in 7-10 Minuten Flugentfernung von Moskau NATO-Raketen in der Ukraine stationiert werden können.

 

 

 

Kapitel 2: VERHANDLUNGEN IN ISTANBUL

 

 

 

S.6 „Es gab im März 2022 kein fertiges und von beiden Seiten akzeptiertes Friedensabkommen. Der Westen hat die Ukraine nie an Verhandlungen oder Abkommen mit Russland gehindert.“

 

 

 

→ Im selben Kapitel relativiert der Autor diese Aussage selbst:

 

S.9 „Der damalige britische Premierminister Boris Johnson besuchte Kiew erst am 9. April 2022. Johnson sagte bei diesem Besuch, dass die in dem Entwurf eines Abkommens in Istanbul vorgesehenen Sicherheitsgarantien durch Großbritannien und andere westliche Staaten aus seiner Sicht nicht leistbar wären.“

 

→ Daneben gibt es zahlreiche Bestätigungen von Dritten, dass das Abkommen zwar nicht unterschrieben, aber fast fertig war und Russland darin die territoriale Integrität der Ukraine akzeptierte, z.B. vom ukrainischen Chefunterhändler Arachamija https://www.berliner-zeitung.de/news/ukraine-krieg-erdogan-macht-lobbys-fuer-das-scheitern-der-istanbul-verhandlungen-verantwortlich-li.2256403 .

 

S.8 „Allein in Butscha quälten und töteten die russischen Besatzer innerhalb eines Monats mehr als 450 Zivilistinnen und Zivilisten.“

 

→ Hier ist es sinnvoll, sich die Chronologie anzusehen:

 

 

 

1) Das erste Massaker durch russische Truppen nach einem ukrainischen Partisanenangriff ist von der New York Times ausführlich dokumentiert worden https://www.nytimes.com/2022/12/22/video/russia-ukraine-bucha-massacre-takeaways.html ,
2) Es ist wahrscheinlich, dass der russische Geheimdienst auf der Suche nach Angehörigen der ukrainischen Territorialverteidigung und ihren Waffen tödliche Folter angewendet hat.
3) Auch die Vorwürfe von Vergewaltigungen durch russische Soldaten sind nach den Erfahrungen mit sowjetischen Soldaten im II. Weltkrieg und russischen in Tschetschenien glaubwürdig.
4) Einige Augenzeugenberichte über Kriegsverbrechen (mit oder ohne Alkoholrausch) decken sich mit Collins 2008 in ‚Microsociology of violence‘ https://www.amazon.com/Violence-Micro-sociological-Theory-Randall-Collins/dp/0691143226?asin=0691143226&revisionId=&format=4&depth=1, Kapitel 3, Seite 94. Er hat dargestellt, dass Kriegsverbrechen (mit oder ohne Befehl) typische Begleiterscheinungen von Kriegen sind, auch in Armeen von Staaten, die sich als demokratisch bezeichnen.
5) Die erste obduzierte Leiche aus dem Massengrab neben der Kirche starb an Metallpfeilen https://www.theguardian.com/world/2022/apr/24/dozens-bucha-civilians-killed-flechettes-metal-darts-russian-artillery . Diese Munition wurde von den USA in Vietnam verwendet. Dass die USA auch alte Waffen an die Ukraine weitergab, ist bekannt. Butscha wurde während der mehr als einen Monat dauernden russischen Besetzung dauernd von der ukrainischen Armee beschossen.
6) Die Jablonska-Straße, auf der tote Zivilist:innen mit weißen Armbinden gefunden wurden, lag auch in der Reichweite ukrainischer Scharfschützen. Weiße Armbinden waren ein Erkennungs-zeichen der russischen Armee und von Zivilist:innen in ihrem Besatzungsgebiet (Zu untersuchen, wer wann wem die Hände auf den Rücken gebunden hat, führt hier zu weit, Antwort auf Anfrage ).
7) Vermutlich hat die russische Armee bei ihrem Abzug aus Butscha zur Absicherung nach hinten geschossen und dabei Zivilist:innen getroffen.
8) Bevor Journalist:innen nach der Rückkehr der ukrainischen Armee in den Ort gelassen wurden, führten ukrainische ‚Spezialeinheiten‘ und Geheimdienstler eine ‚Säuberung‘ durch, bei der Schüsse fielen und die Bevölkerung zu Haus bleiben sollte

 

https://overton-magazin.de/krass-konkret/graeueltaten-an-zivilisten-was-ist-in-bucha-geschehen/ , Verstörendes Foto, nicht überprüfbar: https://t.me/lepostillon/2127 , https://overton-magazin.de/top-story/tscheche-wegen-pluenderungen-in-butscha-und-irpin-zu-sieben-jahre-gefaengnis-verurteilt/ , https://fr.rua.gr/2024/12/31/un-mercenaire-tcheque-a-propos-du-massacre-de-bucha-nous-avons-tue-des-civils-puis-ils-ont-dit-que-cetait-les-russes-qui-lavaient-fait/ .

 

Fazit: Die russische Armee hat in Butscha Zivilist:innen getötet (Gruppen 1,2,3,4,7). Die ukrainische ebenfalls (Gruppen 5,6,8). Allerdings waren die ukrainische Armee bzw. ihre Berater:innen so geschickt, daraus ein einziges Massaker zu machen, das dazu gedient hat, Verhandlungslösungen zu blockieren und den Einsatz schwererer Waffen zu rechtfertigen.

 

 

 

 

 

Kapitel 3: BOMBARDIERUNG DES DONBASS

 

 

 

S.10 „Diese Behauptung wird von russischer Seite gezielt als Vorwand für den Angriffskrieg gestreut. Es gab vor der russischen Invasion keine Bombardierung des Donbass durch die Ukraine.“

 

→ Ein Blick auf die Hunderte von Berichten der OSZE seit 2014 https://www.osce.org/press-releases/?filters=+im_taxonomy_vid_1:(896)&solrsort=score%20desc&rows=10 zeigt, dass auch während des Waffenstillstands nach Minsk dauernd von von Ost nach West und West nach Ost geschossen wurde, auch mit Artillerie und Raketen.

 

S.12 „lässt sich bei den etwa 3500 zivilen Opfern im Donbass der Jahre 2014 und 2015 nicht genau sagen, ob sie sich auf einer Seite der Auseinandersetzung verorteten und ob diese Menschen „pro-ukrainisch“ oder „pro-russisch” waren.

 

→ Da beide Seiten geschossen haben, ist anzunehmen, dass diese getöteten Zivilist:innen auf beiden Seiten der Frontlinie starben. (Übrigens sprachen alle Russisch und viele außerdem Ukrainisch, wie das im Donbass so üblich war.)

 

 

 

S.12 „Es gab auch keinerlei Pläne der Ukraine, den Donbass militärisch angreifen zu wollen.“

 

→ Die Statistiken der OSZE-Beobachter:innen zeigen in der Woche vor dem russischen Einmarsch eine Vervierfachung der Zwischenfälle im Raum Donetsk https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine/512683 . Augenzeug:innen, die in der Nähe der Frontlinie wohnen, berichteten von gesteigertem Einsatz türkischer Drohnen durch die ukrainische Armee, um Schwächen in der Verteidigungslinie herauszufinden.

 

 

 

 

 

Kapitel 4: DER UKRAINEKRIEG IST FÜR DEUTSCHLAND UNWICHTIG

 

 

 

S.16 „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine findet in direkter Nachbarschaft statt und gefährdet auch die Sicherheit in Deutschland und ganz Europa.“

 

 

 

→ Die Militärhaushalte der NATO und Russlands verhalten sich wie 10 zu 1 https://www.welt.de/wirtschaft/article254461586/Greenpeace-Studie-Nato-ist-Russland-militaerisch-ueberlegen-mit-einer-Ausnahme.html . Insofern finde ich es etwas unredlich, die Angst vor einem Durchmarsch der russischen Armee bis zum Ärmelkanal zu schüren.
Ehrlicher wäre es, auf das westliche Interesse an den Lithiumvorkommen im Donbass zu verweisen, die derzeit unerreichbar sind. Oder die Abkoppelung des ukrainischen Stromnetzes vom russischen ins EU-Netz kurz vor dem russischen Einmarsch.

 

 

 

 

 

Kapitel 5: ESKALATIONSGEFAHR

 

 

 

S.18 „Diese Behauptung ist Teil der psychologischen Kriegsführung Russlands. Die Gefahr eines russischen Angriffs auf uns steigt nicht, wenn wir der Ukraine helfen. Das Risiko für uns wird dagegen höher, wenn wir Russland in der Ukraine gewähren lassen.“

 

 

 

S.20 „Nach mehr als zwei Jahren des Kriegsverlaufs lässt sich jedoch festhalten, dass die befürchteten Eskalationen durch die Lieferung bestimmter Waffen oder durch das Angreifen bestimmter Ziele nicht eingetreten sind.“

 

→ Die ukrainische Zivilbevölkerung sieht das wahrscheinlich anders. Die FAB-Bomben, mit denen die russische Armee die ukrainische (und die Zivilist:innen im Keller) in Bachmut usw. angreift, sind immer schwerer und zerstörender geworden. Die Bombardements zielen auf immer mehr Sektoren, auch auf ‚dual use‘-Bereiche wie die Energieversorgung.

→ Diese verengte Sichtweise hängt wohl mit der Fixierung auf einen Atomschlag zusammen. Der ist bisher nicht eingetreten, weil er die Position Russlands gegenüber den BRICS-Staaten sehr verschlechtert hätte. Inzwischen ist er wegen des Vorhandenseins der Oreshnik-Raketen überflüssig, was der Autor nicht vorhersehen konnte.
Jedoch wird die Doomsday-Uhr, die angibt, wieviel Sekunden bis zum selbstverschuldetem Weltuntergang bleiben, immer weiter vorgestellt https://en.wikipedia.org/wiki/Doomsday_Clock .

 

 

 

 

 

Kapitel 6: ZUVIEL GELD FÜR HILFEN

 

 

 

 

 

S.22 „Die Hilfen für die Ukraine führten zu keiner Reduzierung der Ausgaben im Sozialbereich in Deutschland. Die Ukraine jetzt nicht zu unterstützen, käme Deutschland später viel teurer zu stehen.“

 

 

 

→ Das Kapitel beschreibt nur direkte Zahlungen. (Hoffentlich ist die Sendung auf dem Foto S.25 mit arabischer Beschriftung gut angekommen und verteilt worden.)
→ Ausgeklammert werden die wirtschaftlichen Folgen der Umstellung von russischem Gas auf US-Fracking-Gas sowie die Schäden durch den von ‚Verbündeten‘ ausgeführten Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelinen.
→ Zur Kürzung der Ausgaben im Sozialbereich (und in Erziehung, Gesundheit, ‚Entwicklungs-kooperation‘, Infrastrukturerhaltung) reicht wohl ein Blick in die Zeitung.

 

 

 

 

 

Kapitel 7: KORRUPTION

 

 

 

S.26 „Die Ukraine macht signifikante Fortschritte im Kampf gegen die Korruption. Die EU und Deutschland machen ihre Hilfen davon abhängig, dass die Ukraine Korruption weiter eindämmt.“

 

→ Der aktuellste Bericht von Transparency International gibt die Verbesserung seit 2022 um 3 von 100 Punkten an. Besser als gar nichts, aber signifikant?
Die ‚Hilfen‘ der EU und Deutschlands hängen wohl eher von politischen und militärischen Umständen als von den Fortschritten in der Korruptionsbekämpfung ab.

 

 

 

 

 

Kapitel 8: UKRAINE EIN TEIL RUSSLANDS

 

 

 

S 30 „Die Ukraine ist nicht Russland und die Ukrainerinnen und Ukrainer haben sich bereits 1991 mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit ausgesprochen.“

 

 

 

→ Das finde ich vollkommen in Ordnung. Allerdings hat es seine Gründe, dass die Minsk-Abkommen eine Verstärkung föderativer Elemente vorsahen:

 

 

 

S.32 „Während des Wahlkampfs im Jahr 2004 kamen zum ersten Mal Erzählungen von einer vermeintlichen Teilung der Ukraine in Ost und West und von einer angeblichen Unterdrückung russischsprachiger Menschen in der Ukraine auf.“

 

 

 

→ Zwei Karten bringen Licht ins Dunkel. Zuerst die Sprachenpräferenzen:

 

 

 

 

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Sprache_in_der_Ukraine#/media/Datei:Official_Russian_language_support_in_Ukraine.PNG

 

Dagegen ist die Verwendung des Russischen, Hauptsprache im Donbass, in der Öffentlichkeit de fakto verboten, die Veröffentlichung von Zeitungen nur auf Russisch ebenfalls https://dpa-factchecking.com/germany/220701-99-876250/.

 

Dann die politischen:

 

 
2006: https://de.wikipedia.org/wiki/Partei_der_Regionen#/media/Datei:Ukr_elect06_pr.jpg

 

 

 

 

 

2019: https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_der_Ukraine_2019#/media/Datei:Результати_Парламентських_виборів_в_Україні_2019_року_за_округами.svg

 

Alle sozialistischen oder regionalistischen Parteien, die im Osten gewählt wurden, sind inzwischen suspendiert.

 

 

 

S.32 „Im Herbst 2013 lehnte Janukowytsch nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin jedoch plötzlich strikt ab, ein fertig verhandeltes Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU zu unterschreiben. Daraufhin begannen die großen Proteste des Euromaidan, die sich zur Revolution der Würde ausweiteten.“

 

 

 

→ Die ehemalige US-Assistant Secretary of State Victoria Nuland, eine häufige Besucherin der MSK, hat auch angegeben, was „die Förderung der Demokratie in der Ukraine“ gekostet hat: https://www.unian.info/politics/910206-since-1991-us-has-invested-5-billion-to-promote-democracy-in-ukraine-but-they-did-not-finance-maidan-nuland.html (die Kekse, die sie auf dem Maidan verteilte, sind dabei also nicht eingerechnet).
Und was sie von der EU hält, hat sie bei der Bestimmung der Posten in der nach-Janukowytsch-Regierung auch gesagt: https://www.bbc.com/news/world-europe-26079957

 

 

 

S.33 „Das Regime von Wiktor Janukowytsch ließ 100 Demonstranten erschießen.“

 

→ Es waren sogar 108 tote Demonstrant:innen. Daneben wurden 13 Polizisten erschossen. Ein Teil der Maidan-Demonstrant:innen war bewaffnet. Die Urheberschaft der ganzen Schießereien ist sehr umstritten, https://en.wikipedia.org/wiki/Maidan_casualties .

 

 

 

 

 

Kapitel 9: NATO-OSTERWEITERUNG

 

 

 

S.34 „Die Schuld an diesem Krieg trägt Wladimir Putin. Es gab nie eine Zusage des Westens,die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Die NATO ist ein reines Verteidigungsbündnis und Russland hat anerkannt, kein Veto-Recht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder zuhaben.“

 

 

 

→ Es gibt genug ‚unverdächtige‘ westliche Politiker:innen und Medienberichte, die mündliche Zusagen bezeugen. Schriftlich gibt es nur die NATO-Russland-Grundakte und ein OSZE-Dokument, die uneindeutig sind: https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Russland-Grundakte , https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-ukraine-osze-lawrow-diplomatie-1.5519884

 

Der gesamte Erweiterungsprozess und die Proteste Moskaus werden ziemlich gut dargestellt in

 

Renate Dillmann, Medien.Macht.Meinung – Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit, Papyrossa, Köln 2024, ich zitiere:

 

 

 

  • Das Versprechen, das die NATO dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow gegeben hat, sich nicht nach Osten auszudehnen (James Baker, US-Außenminister, 1990: »not one inch«).

 

  • Die NATO-Osterweiterungsrunden, in denen von 1999 bis 2020 14 Staaten der NATO beigetreten sind und die Grenze des »Verteidigungsbündnisses« um 1.000 Kilometer nach Osten verschoben wurde.

 

  • Die Rede des russischen Präsidenten Putin vor der Münchener Sicherheits-konferenz 2007, in der er eine veränderte Politik seines Landes ankündigte, wenn die Vorwärtsbewegung der NATO weitergehen sollte.

 

  • Die Intervention Russlands im Krieg, den Georgien 2008 gegen zwei separatistische Provinzen führte. Ihr ging voraus, dass die USA zuvor eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens auf die Tagesordnung des NATO-Gipfels gesetzt hatten.

 

  • Das geplante Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine 2013, mit dem die Ukraine ökonomisch auf die EU bezogen werden sollte, und die Weigerung des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, dieses Abkommen ohne Änderungen zu unterzeichnen.

 

  • Der daraufhin vom Westen unterstützte militante Euromaidan-Protest und der anschließende Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch.

 

  • Der Protest der südöstlichen Landesteile gegen die Putsch-Regierung und die Gründung der »Volksrepubliken«.

 

  • Die von Russland unterstützte Volksabstimmung auf der Krim über ihre Loslösung von der Ukraine und die Rückkehr in die Russische Föderation 2014, die von der Ukraine und von den westlichen Staaten nicht anerkannt wurde. (Dabei ging es Russland - angesichts der instabilen politischen Verhältnisse in der Ukraine - insbesondere um die Sicherheit der russischen Kriegsmarine im Schwarzen Meer.)

 

  • Der von der Putsch-Regierung in Kiew ab 2014 geführte Krieg gegen die Volksrepubliken mit 14.000 Toten. Damit verbunden: die systematische Missachtung des Minsker Abkommens durch die Regierung in Kiew - ohne dass die beiden westlichen »Garantiemächte« Deutschland und Frankreich dagegen einschritten.

 

  • Die parallel laufende massive Aufrüstung der Ukraine durch die NATO-Staaten seit 2014 (die von Angela Merkel inzwischen sogar öffentlich zum eigentlichen Zweck des Minsker Abkommens erklärt wurde).

 

  • Das ukrainische Beitrittsgesuch zur NATO (2018) und die russische Besorgnis angesichts der möglichen Stationierung von Mittelstrecken-raketen, die Moskau in zehn bis fünfzehn Minuten erreichen könnten.

 

  • Die vielen und alle ergebnislosen Verhandlungen über die russischen Sicherheitsbedenken im Herbst 2021, in denen die westlichen Staaten einzeln und im Verbund sämtliche russischen Bedenken und Vorschläge zurückgewiesen haben und den Aufmarsch russischer Truppen an der ukrainischen Grenze als unzulässigen Einschüchterungsversuch bewertet haben.

 

  • Schließlich die Ankündigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2022, dass die Ukraine darüber nachdenke, das Budapester Abkommen rückgängig zu machen - mithin die Abmachung, dass in der Ukraine keine Atomwaffen stationiert sind.

 

 

→ Von Gorbachov, der auf S.36 zitiert wird, gibt es auch gegenteilige Äußerungen: https://www.stern.de/politik/ausland/nato-osterweiterung-wie-der-westen-einst-gorbatschow-uebertoelpelte-3839144.html Insgesamt überrascht seine Naivität beim Umgang mit westlichen Politiker:innen jedoch.

 

→ Über die Erfahrungen mit den Mitgliedern des ‚reinen Verteidigungsbündnisses‘ sollte man Personen aus Afghanistan, Irak, Jugoslawien, Lybien befragen.

 

 

 

Kapitel 10: KRIM

 

S.38 „Die Kiewer Rus war ein multiethnisches Reich und Kern der gemeinsamen Identität mehrerer ostslawischer Völker. Die Zugehörigkeit der Krim zu Russland ist historisch nicht belegt.“

 

 

 

→ Die Krim wurde 1783 von Russland dem Osmanischen Reich abgenommen und verblieb da bis 1917. Immerhin 134 Jahre… Die folgenden Jahre sind von häufigem Zugehörigkeitswechsel gekennzeichnet, siehe einen nicht ganz objektiven Abriss https://www.lpb-bw.de/ukraine-krim#c102119 , vgl auch https://webarchive.archive.unhcr.org/20230521204858/https://www.refworld.org/docid/469f38ec2.html .
Übrigens fällt bei der Debatte über die völkerrechtliche Bedeutung des Referendums 2014 unter den Tisch, dass die Krim 1991, vor der Ukraine, aus der Sowjetunion ausgetreten war und mit 91 % ohne russische Einmischung die Neugründung der ‚Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim‘ beschlossen hatte https://en.wikipedia.org/wiki/1991_Crimean_autonomy_referendum .
Eine ASSR konnte nach sowjetischem Recht ihre Unabhängigkeit erklären https://es.wikipedia.org/wiki/Refer%C3%A9ndum_sobre_el_estatus_pol%C3%ADtico_de_Crimea_de_1991 .
Die Debatte darüber erscheint mir im Übrigen genauso sinnlos wie über die Zugehörigkeit des Elsasses, von Kaschmir, Kosovo, Südtirol/Alto Adige usw.
Die ethnische Zuordnung der Bewohner:innen der Krim ist (nach einer lang andauernden Russifizierungspolitik und Zwangsumsiedlung von Tatar:innen) überwiegend russisch https://de.statista.com/statistik/daten/studie/292095/umfrage/ethnien-auf-der-krim/
Ich vermute, dass die Mehrheit der gegenwärtigen Bewohner:innen auch jetzt in einer Volksabstimmung unter UN-Aufsicht ausdrücken würde, dass sie in Russland verbleiben will.

 

In Wirklichkeit geht es nicht so sehr um Völkerrecht oder Wünsche der Bevölkerung, sondern darum, dass Russland Sebastopol als indirekten Zugang zum Mittelmeer behalten möchte und die NATO ihn abschneiden.

 

 

 

Hier endet die Rezension der Broschüre.

 

 

 

 

 

 

 

Folgerungen

Die Überprüfung dieser Veröffentlichung von Mitarbeiter:innen der Münchner Un-Sicherheits-konferenz führt zum etwas enttäuschenden Ergebnis, dass angebliche Mythen durch ‚Halbwahrheitsmedien‘-Mythen ersetzt werden. Ich gehe dabei davon aus, dass der Autor selbst das glaubt, was er schreibt und schicke ihm deshalb eine Kopie zur Berichtigung des pdf.

Wenn so schlecht recherchierte ‚Analysen‘ in Umlauf gesetzt werden, liegt die Vermutung nahe, dass die MSK nicht dem Streben nach Sicherheit der Bevölkerung dient, sondern dem Verkaufsinteresse von Rüstungslobbys und der Selbstdarstellung und Koordination von Politiker:innen, die Wege suchen, den Verlust ihrer Vormachtstellung zu bremsen.

 

 

 

Empfehlungen

 

 

 

Wer mehr darüber erfahren will, wie solche Meinungsmanipulationseinrichtungen arbeiten:

 

 

 

1) Jonas Tögel, Kognitive Kriegsführung, Neuste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO, Westend-Verlag, Frankfurt 2023,

 

bestellbar auf: https://westendverlag.de/Kognitive-Kriegsfuehrung/1634

 

Außerdem: Power Point von Jonas Tögels (https://www.jonastoegel.de/publikationen) Buch
"Kognitive Kriegsführung" https://www.no-to-nato.org/2024/03/buchprasentation-kognitive-kriegsfuhrung/ , abg. 1.9.24,

 

und: Video von Flavio von Witzleben "Wie funktioniert Kognitive Kriegsführung? // Propagandaforscher Dr. Jonas Tögel",

 

https://youtu.be/eotTxodm7fg?t=63 , abgerufen 28.12.24, automatische Übersetzung ins Englische und andere Sprachen ist möglich.

2) Renate Dillmann, Medien.Macht.Meinung – Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit, Papyrossa, Köln 2024, www.papyrossa.de

 

3) Anne Morelli, Die Prinzipien der Kriegspropaganda, zu Klampen Verlag, Springe 2022, https://zuklampen.de/

 

 

 

Wer mehr über Sicherheit wissen will:

 

 

 

Sicherheit neu denken https://www.sicherheitneudenken.de/
speziell zur Ukraine: https://www.sicherheitneudenken.de/europa-szenario/

Und wer schon eine Fahrkarte nach München hat und sie sinnvoller verwenden möchte:

 

Münchner Friedenskonferenz
https://friedenskonferenz.info/

 

 

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