Aufruf zum Handeln - Für einen emanzipatorischen Antifaschismus
Aufruf zum Handeln
Für einen emanzipatorischen Antifaschismus
Das antisemitische Massaker der islamistischen Terrorgruppen Hamas, PIJ, PFLP/DFLP und palästinensischer Zivilisten im Süden Israels am 7. Oktober 2023, bei dem über 1100 Menschen brutal vergewaltigt, verstümmelt und ermordet und über 200 Geiseln entführt wurden, macht auch ein Jahr später noch sprachlos. Das Massaker an Jüdinnen und Juden, arabischen und christlichen Israelis, Arbeiterinnen, Touristinnen und Festivalbesucherinnen offenbarte die schockierende Grausamkeit und Brutalität der antisemitischen Mörder, die ihre barbarischen Verbrechen stolz mit Body-Cams auf Video aufnahmen und so in martialischen Bildern in alle Welt hinaustrugen.
Doch die Welt reagierte nicht immer mit Abscheu auf das Abscheuliche. Zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen zeigten Verständnis und Unterstützung für die Mörderbanden. Bei regelrechten Freudenfesten mit tausenden Teilnehmerinnen auf den Straßen in Berlin, Paris, London, Washington oder Jakarta fand die Forderung der Terrororganisationen nach der Auslöschung Israels weite Akzeptanz.
In Deutschland stimmen Universitäten, Teile der Kultur- und Kunstbranche, Influencerinnen und insbesondere ein Großteil der Linken in eine Solidarität mit der palästinensischen Sache ein, die keine wirkliche Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung bedeutet. Denn das Leid und Elend der Palästinenserinnen dient
Panarabisten und Islamisten lediglich als verewigte, politische Manövriermasse, um ihren Antisemitismus als angeblichen „Widerstand“ gegen Israel auszugeben.
In Leipzig verharmloste und glorifizierte die pro-palästinensische Gruppe Handala bereits einen Tag nach dem Massaker die tödlichen Paragleiter der Hamas. Dies war aber nur der Auftakt einer beispiellosen Welle antizionistischer und antisemitischer Agitation im vergangenen Jahr.
Leipziger Zustände
Handala stellen in Leipzig zweifelsfrei die prominentesten Terrorsympathisanten dar. Die Gruppe aus dem Leipziger Osten bezeichnet Israel regelmäßig als „Apartheidstaat“ ohne Existenzrecht, der wahlweise „Völkermord“ oder „Massenmord“ begehe. Das Massaker des 7. Oktobers sei „erlogen“ oder es sei gerechter „palästinensischer Widerstand“. Getötete Kinder und Vergewaltigungen habe es jedenfalls nicht gegeben und die Aussagen betroffener jüdischer Frauen seien „fingiert“. In der antisemitischen Form pathischer Projektion werfen sie Israel die Taten der Täter vor, also Kindermord und Vergewaltigungen [1].
Diese teilweise migrantische Gruppe wird von einem antikolonialen,queerfeministischen, antirassistischen und studentischen Spektrum unterstützt. Aktuell verbinden sich hier in einem antisemitischen Schulterschluss ein postmodernes Milieu neuerer Prägung mit dem klassischen Antiimperialismus.
Das traditionell internationalistische Lager hat in den letzten Jahren sowohl bundesweit als auch in Leipzig junge Menschen rekrutiert und neue marxistisch-leninistische, trotzkistische, stalinistische und maoistische Kleingruppen gegründet. Diese gesellten sich zu den pro-palästinensischen Protesten nach dem 7. Oktober, um gemeinsam ihrem Israelhass freien Lauf zu lassen. In Leipzig umfassen diese selbsternannten „Roten Gruppen“ unter anderem die „Kommunistische Organisation“ (KO), den „Kommunistischen Aufbau“ (KA), die Jugendgruppe „Young Struggle“ (YS), die Frauengruppe „Zora“ sowie die „Föderation klassenkämpferischer Organisationen“ (FKO). Auch diese Gruppen fielen in Leipzig durch Verharmlosung
und Legitimierung des antisemitischen Terrors als „Befreiungskampf“ auf [2].
Obwohl sich diese Gruppen regelmäßig neue Namen geben, vertreten sie den gleichen antiwestlichen Marxismus-Leninismus, der die Kritik komplexer gesellschaftlicher Zusammenhänge durch ein autoritäres und dogmatisches Ideologiegebäude ersetzt. Zu diesem Denken gehört ein strenger Geschichtsdeterminismus, in dem eine Diktatur des Proletariats über den Staat zu errichten sei. Der bürgerliche Staat wird hier ausschließlich als repressives Werkzeug der herrschenden Klasse zur Unterdrückung der revolutionären Massen verstanden. Gemeinsam ist diesem Denken ein antiimperialistisches Weltbild, das noch jede Bluttat der sogenannten unterdrückten Völker als Widerstand verklärt, egal wie reaktionär sie auch sein mögen. Das ML-Ideologiesystem wird autoritär nach innen und außen durchgesetzt, was Diskussionen oder gar Selbstkritik effektiv verhindert. Auch die Gruppen „Rote Wende Leipzig“ und „Jugend im Kampf“ vertreten eine in Konsequenz antisemitische Positition indem sie Israel durch einen „sozialistischen Einheitsstaat Palästina“ ersetzen wollen und dafür ein „Zweckbündnis“ mit Hamas und Islamischem Jihad eingehen wollen [3].Eine ausführlichere Kritik kann unter [4] nachgelesen werden.
In Reaktion auf den 7. Oktober verbindet das gesamte antizionistische Spektrum in Leipzig der Wille, die begangenen Gräueltaten zu legitimieren und ihren antisemitischen Kern zu bestreiten. Erschreckenderweise wird auch von feministischen
Gruppen die brutale, sexualisierte Gewalt und der offen zu Tage getretene Frauenhass relativiert oder ganz verleugnet, offenbar weil sie jüdischen Frauen galten. Doch feministische Solidarität und Praxis ist nichts wert, wenn sie nicht besonders auch jüdische Frauen einschließt. Die KO geht in ihrer Leugnung des Pogroms sogar so weit, die Ermordeten auf angebliche israelische Bombardierungen zurückzuführen [5]. Dabei gilt die grenzenlose Solidarität der „Roten Gruppen“ mit islamistischen Organisationen nicht nur der Hamas und dem Islamischen Dschihad, sondern auch für die Huthis im Jemen [6] oder die Hisbollah im Libanon wurden Solidaritätskundgebungen organisiert [7].
Im Windschatten der antizionistischen Politik dieser Gruppen kam es in Leipzig zu einem Wechselspiel aus sich radikalisierender Rhetorik und physischen Angriffen auf Orte und Personen, die sich israelsolidarisch positionieren oder die als jüdisch oder zionistisch identifiziert werden. In Anbetracht der großen Anzahl von Vorkommnissen können hier nur ausgewählte Beispiele erwähnt werden. So wurden israelsolidarische Gegendemonstrantinnen fotografiert und in einer Instagram-Story mit dem roten Dreieck der Hamas markiert, Wohnadressen öffentlich gemacht und Privatwohnungen angegriffen, aus denen eine Israelfahne hing [8]. Im ganzen Stadtgebiet ist die projektive Feindbildkonstruktion an Häuserwänden zu sehen, Vernichtungsfantasien gegenüber Israel finden sich neben enthemmten Gewaltaufrufen gegen „Antideutsche“, zu deren „Schlachtung“ aufgerufen wird [9]. Autoritäre Linke schmieren Hakenkreuze und antisemitische Parolen, weil sie der Meinung sind, Israel mit Nazideutschland gleichsetzen zu müssen [9]. Unreflektiert wird an Hauswänden der notorische Antisemit und Rapper MaKss Damage zitiert, ein ehemals strammer autoritärer Sozialist und inzwischen bekennender Neonazi, dessen bekanntester Titel „Tötet diese Antideutschen Hurensöhne“ zum Mord aufruft. Hiermit zeigt sich, dass man sich nicht nur den Worten eines bekennenden Judenhassers und Neonazis bedient, weil man proisraelische Linke zum gemeinsamen Feind erklärt, sondern, dass beide Ideologien in der Konsequenz auf den gleichen mörderischen Antisemitismus hinauslaufen.
Des Weiteren werden in Leipzig linksemanzipatorische Orte, wie das Atari, die B12, das Linxxnet oder das Conne Island als politische Feinde ausgemacht. Dafür reicht es aus, dass diese das Existenzrecht Israels verteidigen oder antisemitismuskritische Veranstaltungen durchführen. Mit der perfiden Masche, sich als verfolgende Unschuld zu verhalten, werden bewusst „Skandale“ inszeniert, um emanzipatorischen Einrichtungen gezielt zu schaden. Auf breiter Front werden diese Angriffe in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft durch die antisemitische BDS Bewegung unterstützt, welche die Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden“ aktualisiert und auf antisemitismuskritische linke Orte ausdehnt und damit auch in Leipzig beispielsweise mit Veranstaltungsboykotten systematisch Schaden anrichtet. In Anbetracht der sich wohl weiter verschärfenden sächsischen Verhältnisse ist diese antiemanzipatorische Praxis blind und gefährlich.
Die beschriebene politische Radikalisierung legt die tiefen und unüberbrückbaren Brüche offen, die nicht nur benannt werden müssen, sondern die nach einer entschiedenen Intervention verlangen. Mit unserem Handeln stellen wir uns gegen autoritären und reaktionären Antisemitismus innerhalb der Linken. Nur im Zuge dieser Selbstkritik kann die Linke ihrem gesellschaftskritischen Selbstanspruch, eine nach Emanzipation und Universalismus strebende Kraft zu sein, gerecht werden.
Solidarität mit Israel und gegen jeden Antisemitismus
In Anbetracht dieser Entwicklungen ist es notwendig, für die zukünftige linke Politik Mindeststandards festzulegen. Weil die wahnhafte Projektion des Antisemitismus in ihrer schlimmsten Konsequenz den Mord an Jüdinnen und Juden zur Folge hat, leitet sich daraus eine grundsätzliche Solidarität mit Israel ab. Dieser Staat, in dem die Jüdinnen und Juden nach der Barbarei des deutschen Nationalsozialismus Schutz gefunden haben, ist für uns nicht verhandelbar. Die banale Grundlage dieser Solidarität ist die Anerkennung des Existenzrechts Israels. Das erklärte Ziel des eliminatorischen Antisemitismus der Hamas und der Hisbollah ist die Vernichtung Israels. Dies kann momentan nur militärisch verhindert werden. Wie gefährlich und letztlich tödlich es für Israels Bürgerinnen werden kann, wenn diese Verteidigung versagt, hat der 7. Oktober
2023 überdeutlich gezeigt.
Der Mord an Jüdinnen und Juden ist selbstverständlich kein Befreiungskampf. Wirkliche Solidarität mit den Menschen in Gaza und im Westjordanland will nicht deren klerikal-faschistische Unterdrückung zementieren, sondern beginnt notwendigerweise mit ihrer Befreiung von der Hamas und anderen islamistischen Terrororganisationen. Befreit werden müssen die Palästinenserinnen auch vom mörderischen Antisemitismus, dem die mehrheitlich jugendliche Bevölkerung in Gaza durch antiisraelische Indoktrination ab dem Kindergartenalter schon viel zu lange ausgesetzt ist. Die Jüdinnen und Juden und auch die momentane rechte Regierung Israels sind nicht schuld am Antisemitismus.
Im Angesicht einer antisemitischen Internationalen aus todessehnsüchtigen Islamisten und ihren willigen Helfern in Deutschland ist es für uns, die wir den Gedanken an ein emanzipiertes und befreites Leben nicht aufgeben wollen, heute unbedingt geboten, Israel unsere Solidarität auszusprechen und jedem Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.
Die Aufklärung über Antisemitismus als wahnhafter Blick auf die Welt und über seine Verknüpfung mit der bürgerlichen Gesellschaft und dem Kapitalismus kann hierbei für uns nur ein Anfang sein, denn Antisemitismus jetzt zu bekämpfen, heißt auch, seine Protagonistinnen zu bekämpfen.
Aufruf zum Handeln
Es geht uns mitnichten darum, die Konfliktlage im Nahen Osten auf eine unterkomplexe und widerspruchsfreie Auffassung herunterzubrechen. Um eine objektive Friedenslösung für die Zukunft dieser Region zu entfalten, braucht es inhaltlichen Streit, aber nur unter der Bedingung, dass der Lösungsansatz den global grassierenden und durch das iranische Regime befeuerten Antisemitismus sowie die unumstößliche Notwendigkeit Israels mitdenkt.
Denn Israel ist heute die einzig wirksame Absicherung für Jüdinnen und Juden um den eliminatorischen Antisemitismus ihrer Feinde zu überleben und damit eine zukünftige emanzipierte Gesellschaft noch erleben zu können.
Die Unterzeichnenden versammeln sich hinter Folgendem:
Gegen jeden Antisemitismus!
Für eine emanzipatorische Linke darf es kein Appeasement gegenüber Antisemitismus, Islamismus und Israelhass geben!
Mindeststandard emanzipatorischer Politik ist ein Bekenntnis gegen jeden Antisemitismus und für das unverhandelbare Existenzrecht Israels.
Keine Räume für Antisemit*innen!
Die Positionen und die Politik antisemitischer, autoritärer und antizionistisch-antiimperialistischer Gruppen widerspricht und bedroht direkt linke, kommunistische, feministische und emanzipatorisch-herrschaftskritische Kritik und Politik.
Wir fordern daher den umfassenden und dauerhaften Ausschluss dieser Gruppen aus allen politischen Zusammenhängen und das Ende jeglicher „strategischer“ Zusammenarbeit.
Konkret heißt das auch, dass wir keine Bündnisse mit diesen Gruppen eingehen, sie von Demonstrationen und Kundgebungen ausschließen, sowie ihnen keine Räume für Veranstaltungen oder Plena zur Verfügung stellen.
Antisemitismus ist ein Kern rechter Ideologie. Der gemeinsame Kampf gegen den Faschismus muss daher immer antisemitismuskritisch sein. Es kann keine antisemitische Antifa geben!
Diese Übereinkunft soll Handlungs- und Entscheidungsgrundlage künftiger Auseinandersetzung sein, um gemeinsam und solidarisch gegen die regressive Linke und den autoritären Charakter unserer Zeit vorzugehen sowie um uns angesichts der fortschreitenden Unterwanderung ohnehin fragiler zivilisatorischer und emanzipatorischer Errungenschaften gegenseitig zu stärken.
Wer Nazi-Methoden gegen Jüdinnen und Juden, vermeintliche Zionist*innen sowie linke Orte und Menschen anwendet, reproduziert antisemitisches, autoritäres und letztlich faschistisches Gebaren. Es wird also höchste Zeit zu handeln.
Nie wieder! Erinnern heißt handeln.
Angeführte Verweise
[1] zitiert aus der Handala-Broschüre „Faktencheck Palästina“
[3] https://rotewendeleipzig.org/statement-der-rwl-und-jik-zum-nahost-konflikt/
[4] siehe: https://adkr.noblogs.org/files/2023/12/radikalelinke-zionismus-broschuer...
[5] https://kommunistische-organisation.de/artikel/israels-luegen-ueber-den-...
[6] https://kommunistische-organisation.de/stellungnahme/haende-weg-vom-jemen
[7] https://www.instagram.com/p/DALW-sDMJrg/?igsh=MW44ZTBvbG01b3praw==
[8] https://le0109.infoticker.org
[9] Fotos der entsprechenden Graffitis liegen vor
Erstunterzeichner
Aktionsbündnis gegen Antisemitismus Weimar
Antideutsche Kommunisten Leipzig
Antifa Dresden Neustadt (ADN)
Antifaschistischer Frauenblock Leipzig
Antifaschistisches Kollektiv 7030 (AK 7030)
Antiklassistische Vernetzung Leipzig
AG Antisemitismus
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Leipzig
Associazione Sapere Aude (ASA)
Atari
Autonome Linke Pirna
BDP – Roter Efeu Jena
Conne-Island – Projekt Verein e.V.
Deutsch-Israelische-Gesellschaft Leipzig
Dissens – Antifa Erfurt
disput – Forum für kritische Gesellschaftstheorie und Bildung
Hochschulen Leipzig gegen Antisemitismus (HLGA)
Jugendhaus Roßwein e.V.
Judith Hornbogen – audiovisuelle Künstlerin
Juso-Hochschulgruppe Leipzig
Kellnerstraße e.V. – VL – Die Kneipe
Kneipendonnerstag im Conne Island
Landesarbeitskreis Sisyphos der Linksjugend Thüringen
Linksjugend Leipzig
Phase 2 – Zeitschrift gegen die Realität
Pirnaer Autonome Linke
Reclaim Antifa – Bündnis gegen Antisemitismus
Referat Politische Bildung (StuRa TU Dresden)
tearsdropdown
Tina Sanders – Politikwissenschaftlerin & Soziologin
Treibhaus e.V. Döbeln
Tschoch – Café & Kneipe Leipzig
Wohn- und Kulturprojekt B12
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