Armut ohne Widerstand
Aktuelle Zahlen besagen, dass 16,8 Prozent der Menschen in Deutschland als einkommensarm gelten (Paritätischer Armutsbericht 2024). Gleichzeitig besitzen die reichsten 5 Prozent für sich fast 50 Prozent des Gesamtnettovermögens (Stand: 2023). Ein Zustand der stillschweigend hingenommen wird, während aktuell neue materielle Einschnitte für Erwerbslose und Flüchtlinge geplant werden. Dies geht alles relativ reibungslos über die gesellschaftliche Bühne, Widerstand ist weder von Teilen der Lohnabhängigen, noch den Resten der Erwerbslosenbewegung erkennbar. Auch die gesellschaftliche Linke erscheint handlungsunfähig und mit sich selbst beschäftigt.
Ausgehend von dieser eher deprimierend anmutenden Ausgangslage wollen wir in einer Diskussionsrunde unterschiedliche Analysen und Ansätze vorstellen, ob die Auseinandersetzungen mit dem Leiden an der Lohnarbeit und der Armut Möglichkeiten aber auch Gegensätzliches für eine kollektive Praxis grundlegender Gesellschaftsveränderung beinhalten.
Unter anderem wollen wir über folgende Inhalte debattieren:
Traditionell gilt Erwerbslosigkeit als Gewaltakt und die Lohnarbeit als Ort sozialer Anerkennung, während ersteres zu Rückzug aus dem Politischen und Individualismus führen soll, kann letzteres solidarisches Handeln fördern. Lässt sich diese Zweiteilung, angesichts zunehmender prekärer Arbeitsverhältnisse und diverser Fragmentierung innerhalb der Arbeiterklasse, aber auch durch sozialstaatliche Einwirkungen noch halten?
Gibt es noch so etwas wie Klassenbewusstsein oder ist dieses ersetzt durch ein Gesellschaftsbewusstsein, wonach das Subjekt der Veränderung nicht mehr abhängig ist von irgendeiner objektiven Position in der Gesellschaft? Wie kann es gelingen, den Kampf um höhere Sozialeinkünfte für arme Menschen zu verbinden mit dem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung und rassistische und patriarchale Unterdrückung?
Geht es um die Verteidigung des Sozialstaates, gar um seinen Ausbau, oder gibt es hierzu andere Alternativen, beispielsweise das Recht auf ein schönes Leben mit und ohne Lohnarbeit?
Geht es um den Kampf um „gute Arbeit“ oder um Existenzsicherung unabhängig von Erwerbsarbeit?
Wie kann ein politisches Eingreifen aussehen angesichts eines breiten gesellschaftlichen Unbehagens gegen Ungleichheitsverhältnisse bei gleichzeitigem Festhalten am Leistungsprinzip, das ArbeitnehmerInnen gegen Erwerbslose aufbringt (hart Arbeitende gegen „faule“ Erwerbslose)?
VeranstalterInnen: Herausgeberkreis des Buches „KlassenLos“ (Die Buchmacherei)