Einzeltäter? – Ein Essay

Hier ein Mord, da ein kleiner Massenmord, hier eine Mordreihe, und dann sind es natürlich Einzeltäter, oder eine kleine abgeschlossene Gruppe, klar der NSU, das waren drei Menschen. Der Täter von Halle, der Täter von Christchurch, der Täter von Utøya, alles Einzeltäter.

Aber diese Einzeltäter sind natürlich keine. Und das nicht nur, weil die Polizei und der Verfassungsschustz zum Beispiel in Sachen NSU mehr verschleiert als aufgeklärt haben. Weil Akten geschreddert werden, sobald wieder ein rechter Terrorakt passiert. An der Stelle zeigt sich halt nur, dass die Staatsgewalt vom rechten Mob allzu oft nicht zu unterscheiden ist.

Die Täter sind eben keine Einzeltäter, weil sie nur die aktive Spitze eines geifernden Eisbergs sind. Die, die nicht nur reden, sondern tun, was ihnen von rechten Vordenkern manchmal unverhohlen, noch öfter aber durch die Blume gesagt wird. Der durchschnittliche Nazi beleidigt anonym im Internet, oder keift unter seinem Atem Schmähungen, die die geschmähten nur dann hören sollen, wenn sie sich nicht wehren können. Die Gedankenwelt der Nazis ist aus Angst geboren. Ihr Hass ist ängstlich, sie marschieren, weil ihr Gleichtakt ihre Angstfürze übertönt. Sie suchen einen Führer, weil sie nicht selbst denken wollen, weil sie die Stärke, die ihnen selbst fehlt, bei anderen suchen. Es gibt keine mutigen Nazis.

Aber es gibt welche, bei denen der Hass so groß ist, dass sie kurzzeitig ihre Angst überwinden. Gut geplant, gut gerüstet, wie der Täter von Halle, der dann los geht, um Juden zu töten, oder halt Kanaken im Dönerladen, wenn er bei den Juden nicht reinkommt. Ist kein großer Unterschied fürs hasszersetzte Hirn. Sie sind anders. Sie bedrohen ihn einfach dadurch, dass sie da sind. Denn er hat ja Angst, er weiß darum, wie schwach er ist, welch erbärmlich kleines Menschlein, nur vom Hass getrieben, nur von Angst getrieben, so klein und schwach.

Seine Schwäche ist keine, die Mitleid verdient. Hilfe ja, hätte er darum gefragt, Mitleid nein. Niemand muss ein Nazi sein. Niemand muss seine Angst in Hass umschlagen lassen. Jeder entscheidet selbst, ob er Menschen verachtet, ob er sich von seiner Angst überwinden lässt. Aber Hilfe hätte er gebraucht. Menschen, die ihm zeigen, dass man kein Arschloch sein muss, und schon gar kein Mörder.

Aber sie sind keine Einzeltäter. Denn so viele haben mit dem Täter von Halle mitgemordet, mit dem Schützen von München, mit dem NSU. Sogenannte Politiker von NPD und AfD. Gauland hat zur Jagd aufgerufen, das Arschloch von Halle hat zugehört. Erika Steinbach hat gerufen und das Arschloch von Kassel griff zur Waffe. Mörderische Arschlöcher. Arschlöcher mit Auftraggebern.

Die Medien haben mitgemordet, die sich seit Jahren auf jeden rassistischen Furz stürzen und ihn klickgeil, zuschauergeil, zu einer Meinung adeln. Egal ob er von den Blaufaschisten der AfD kommt, oder von Vertretern von im Grunde demokratischen Parteien, von Seehofer, Sarrazin oder einem grünen Provinzbürgermeister, dessen Name mir gerade echt nicht wichtig genug ist.

Die Polizei mordet mit – nicht nur wörtlich gemeint, wenn mal wieder ein Flüchtling leider erschossen wird, oder in einer Zelle verbrennt, sondern auch damit, dass sie Nazis bei Demonstrationen nicht nur abschirmen, sondern auch brav zusehen, wie sie Händchen heben, wie sie Galgen tragen und Menschen mit Morden drohen. Nazis dürfen sich vermummen, dürfen Naziabzeichen tragen, dürfen Hitlergruß zeigen – nicht, weil es das Gesetz nicht verböte, sondern weil die Polizei nicht eingreift. Aber Kinder die sich fürs Klima auf die Straße setzen, die werden mit Schmerzgriffen gefoltert. Auch Polizisten sind halt selten mutig.

Besserer Schutz für Synagogen wird nun gefordert. Aber die sind schon ständig geschützt. Keine Synagoge ohne Sicherheitsmenschen, ohne Sicherheitsmaßnahmen, wir sind doch in Deutschland. Und jede Sicherheitsmaßnahme, die für jüdische Mitmenschen nötig ist, ist eine Schande für das Land der Mörder. Dafür,dass wir es nicht geschafft haben, unsere Gesellschaft auf eine neue Stufe zu stellen, den Hass auszutreiben, Solidarität zu einem Wert zu machen, Akzeptanz und Freundschaft.

Die Debatte um rechten Terror und um das Klima haben einen großen gemeinsamen Nenner. Das völlige Versagen der Politik. Jedes Jahr werden Menschen von Nazis ermordet. Nazis ermorden mehr Menschen, als je an der Mauer gestorben sind, als je die RAF erschoss oder in die Luft sprengte. Und die Politik macht viel zu wenig. Kein Politiker, der irgendeine Verantwortung übernimmt, keine umfassende Umstrukturierung in den Sicherheitsbehörden die mit oder ohne Absicht in Sachen rechtem Terror ständig versagen.

Wenn Politik wirklich regieren würde, und nicht nur aussitzen, dann hätte es nicht nur schon lange viel mehr Bewegung fürs Klima gegeben, dann hätte die Polizei schon lange rechte Netzwerke zerschlagen, eine Menge Beamter und Soldaten wären keine mehr. Nie vergessen, es gibt keine mutigen Nazis. Bei genug Gegenwehr verkriechen sie sich und sind keine Gefahr. Aber die Politik bewegt sich nicht, bewegt nichts, schaut nur zu und zeigt sich dann und wann betroffen von rechten Morden. Als ob dagegen nichts zu tun wäre. Es wäre so viel zu tun, es macht halt nur keiner. Die Verantwortung liegt bei der Politik.

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editorial-entscheidung: 
Vorgeschlagen