Das G36 Gewehr und seine „Treffer-Probleme“

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Seit 20 Jahre benutzt die Bundeswehr das „weltweit anerkannte, technologisch führende“ (Heckler & Koch) Sturmgewehr G36 als Standardwaffe. In den letzten drei Jahren wird an dem global verkauften Sturmgewehr Kritik laut. Nicht von den auswärtigen Käufern, sondern von der Bundeswehr und ihrer Frontfrau von der Leyen.: „Das G36 hat offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand“. Die Treffgenauigkeit des G36 lässt unter bestimmten Bedingungen zu wünschen übrig.

Die Ministerin weiß auch gleich unter welchen: „Das Sturmgewehr der Bundeswehr wird auch in den Einsätzen, etwa in Afghanistan und Mali benutzt“. Für diese Gegenden, in denen es ganz schön heiß werden kann, war das 1995 eingeführte Gewehr nicht gedacht, so jedenfalls die Soldatenzeitung „AUGEN GERADEAUS!“: „Allerdings muss man dabei auch im Auge behalten, wofür das G36 vor nun 20 Jahren beschafft wurde: Als Standardwaffe für eine Wehrpflichtarmee, Einsatzgebiet Mitteleuropa“. Das G36 ist mit Sicherheit bei 40 Grad Minus voll funktionsfähig und treffsicher und für den alten Erzfeind in Mitteleuropa voll tauglich.

Aber wenn die Politik ihre Zuständigkeit auf die ganze Welt ausdehnt, dann hat die Bewaffnung diesen Anforderungen gerecht zu werden. „Die Präzisionseinschränkungen seien beim G36 signifikant größer als bei den untersuchten Vergleichswaffen“ Im Vergleich zur Bewaffnung anderer Imperialisten lässt das G36 Wünsche offen. Es ist bei „vergleichsweise geringer Schussbelastung eben nicht ausgelegt für die teilweise intensiven Gefechte in Afghanistan oder den Einsatz unter wüstenähnlichen Temperaturen“. Das bedeutet, dass bei „intensiven Gefechten“ (militärisch spricht man da von mindestens einer Stunde Dauergefecht) das Gewehr seine todbringenden Geschenke nicht mehr treffgenau ins Ziel bringt.

Die Verteidigungsministerin und ihre Generäle sind sich in der Sache einig: Das kann und darf nicht sein. Gestiegene Verantwortung für die ganze Welt erfordern Waffen, die auf der ganzen Welt funktionieren. Es kann doch nicht sein, dass die anstehenden „Ordnungsaufträge“ schon an einem ordinären Schießprügel scheitern sollten. Und dass Deutschland als Führungsmacht eigenständige militärische Optionen haben und dafür in allen Waffengattungen gut aufgestellt sein will, ist in der Besprechung vom „Fall G36“ elegant unterstellt. Munter können sich nun die wirklichen und die selbsternannten Experten in der Öffentlichkeit streiten: War es ein schlampiger Einkauf seitens des Bundes, hat sich vielleicht die Familie Heckler & Koch an der deutschen Wertarbeit vergangen? Oder liegt es doch gar nicht an der Waffe selbst, weil sich die Einsatzgebiete (wohl ganz wie von selbst ???) drastisch geändert haben?

Solange sich die begleitende Debatte zur Auf- und Umrüstung der Bundeswehr auf einer solchen Ebene bewegt, muss sich die Ministerin keine anderen Sorgen machen, als sich kompetent um einen sachgerechten Waffeneinkauf zu kümmern. Zu hinterfragen wäre mal die von der Kanzlerin propagierte Verantwortung, der sich Deutschland zu stellen habe: Wer definiert eigentlich den Inhalt dieser Verantwortung? Wie kommen die Feinde Deutschlands zustande? Wie sind die Bürger innerhalb dieser Verantwortung vorgesehen?

Kein Aprilscherz:

„Zuletzt wurden einige Tausend Gewehre G36 an die Peschmerga- Streitkräfte im Irak für ihren Kampf gegen die IS-Terrormiliz verschenkt“

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Alle Zitate aus: Stuttgarter Zeitung 1.4.2015

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