Nazi-Hool-Aufmarsch am 15. März in Erfurt verhindern
Bedürfnisse im Kapitalismus? Nicht systemrelevant …
Die kapitalistische Produktionsweise dient nicht in erster Linie der Bedürfnisbefriedigung der Menschen. Es geht nicht darum, dass alle genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, schnelle Computer oder einfach ein gutes Leben haben. Schicke Turnschuhe und Tofuwürste werden im Kern deswegen produziert, weil sich damit Gewinn erwirtschaften lässt. Wenn das nicht gelingt, wird auch nichts verkauft. Täglich werden Tonnen von Lebensmitteln weggeworfen, weil der Markt übersättigt ist und damit der zu erzielende Preis zu gering wäre. So ist das Wegwerfen rentabler als der Verkauf, während gleichzeitig Menschen hungern.
Zentral für alle Beteiligten im Kapitalismus ist die Konkurrenz aller gegen alle. Um darin bestehen zu können, muss immer mehr und billiger produziert werden. Wer dies nicht tut, kann das eigene Produkt nicht mehr verkaufen, erwirtschaftet keinen Profit und geht pleite. Um im ewigen Wettkampf zu bestehen, sind alle Unternehmen gezwungen, ständig durch Innovation die Produktivität zu erhöhen – mehr Produkte mit weniger Aufwand herzustellen. Mit anderen Worten: Immer weniger Menschen werden gebraucht, um immer mehr Waren herzustellen. Es entstehen Überproduktionskapazitäten auf der einen und Erwerbslosigkeit auf der anderen Seite – eine hausgemachte Krise, die aus grundlegenden Systemanforderungen entsteht. Durch den systemischen Zwang zur Produktivitätssteigerung zieht sich der Kapitalismus den eigenen Boden unter den Füßen weg, indem er Arbeit mehr und mehr überflüssig macht.
Nun wäre ja eigentlich nichts verkehrt daran, auf einen Job zu verzichten. Wer würde nicht lieber morgens ausschlafen, sich dann zum Frühstück mit Freund*innen treffen und den Tag mit sinnvollen Dingen füllen, anstatt 40 Stunden in der Woche einer aufgezwungenen Tätigkeit nachzugehen? Dummerweise gibt es schon jetzt jede Menge gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten, die in der Verwertungslogik keinen Platz finden. Wer von der Maschine ausgespuckt und nicht mehr gebraucht wird, ist oft noch schlechter dran als die, die immer noch verwertet werden. Ein gutes Leben für alle ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen schlichtweg unmöglich, und für manche nicht mal denkbar. Dies anzuerkennen würde bedeuten, den Kapitalismus in Frage zu stellen. Stattdessen benennen derzeit zwei populäre Erklärungsansätze vermeintlich Schuldige für die Misere: Der neoliberale Ansatz des Jobcenters erklärt, dass die „Überflüssigen“ nicht engagiert und flexibel genug auf dem Arbeitsmarkt agiert haben. Der klassisch rassistische Ansatz der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und Konsorten gibt die Schuld „irgendwelchen Ausländern“.
Die Folgen dieses von Menschen erschaffenen Systems sind katastrophal. In den westlichen Ländern grassieren psychische Leiden – auch unter den Krisengewinnern – in epidemischem Ausmaß. Vor allem in den ärmeren Gegenden der Welt sterben jährlich fast 9 Millionen Menschen an Hunger. Zusätzlich wird der Planet durch profitorientiertes Wirtschaften sämtlicher Ressourcen beraubt und geht allmählich vor die Hunde.
Die Europäische Zentralbank – Akteur autoritärer Krisenpolitik
Doch als wären die sozialen Verwerfungen im Zuge der kapitalistischen Krise seit 2007/2008 in weiten Teilen Europas nicht schon schlimm genug, geht die herrschende Wirtschaftspolitik noch weit darüber hinaus. Denn anstatt die Ursachen von Verelendung und Krise zu bekämpfen, sollen diejenigen die Misere ausbaden, die sowieso schon von den negativen Folgen der Krise am stärksten betroffen sind. Statt der Armut werden die Armen bekämpft.
Genau das ist die Methode, mit der die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds den kapitalistischen Normalbetrieb aufrecht erhalten will. Auf der einen Seite pumpt insbesondere die EZB Milliarden von Euro in die Rettung von sogenannten systemrelevanten Banken. Auf der anderen Seite zwingt die Troika den schwächelnden Staaten Sparprogramme und damit den Abbau des Sozialstaates auf. Die Folgen zeigen sich vor allem im Süden Europas: steigende Arbeitslosenzahlen, wachsende Armut und der Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Dass die Folgen der Krise in Deutschland kaum zu spüren sind, liegt unter anderem daran, dass deutsche Unternehmen von der Krisenpolitik der Troika profitieren. Die günstigen Kredite, die Griechenland erhält, dienen nicht dazu, dass es den Menschen vor Ort besser geht. Im Gegenteil werden damit die Schulden bei deutschen Unternehmen und Banken beglichen.
Die EZB mit Sitz in Frankfurt am Main steht wie keine andere Institution für diese Politik. Als Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft ist sie zum einen direkt verantwortlich für Entscheidungen, die für tausende Hunger und Elend bedeuten. Zum anderen steht sie symbolisch für den Status quo, für die Erhaltung und Festigung kapitalistischer Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse.
Am 18. März wird offiziell der 185 Meter hohe und 1,3 Milliarden teure Neubau der EZB-Zentrale in Frankfurt eröffnet. Zu diesem Stelldichein der Herrschenden werden führende Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft wie auch Verantwortliche der autoritären Krisenpolitik zusammen kommen, um sich selbst und ihr Krisenmanagement zu feiern.
Challenge accepted: Wir nehmen dies als Herausforderung an und werden an diesem Tag gegen ihre Krisenpolitik und Kapitalismus auf die Straße gehen!
AfD, HoGeSa, Pegida: NaRagefA – Nazis und Rassisten geben falsche Antworten
Eine weitere Reaktion auf die kapitalistische Krise ist das Erstarken rechter und faschistischer Bewegungen. Die Wahl zum Europaparlament 2014 spiegelt einen solchen Rechtsruck für ganz Europa eindrücklich wieder. Im Zuge dessen gelangen auch in Deutschland der nationalistischen und antifeministischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) Wahlerfolge. Nach deren Einzug in das europäische Parlament, sitzen sie mittlerweile in nicht unerheblicher Fraktionsstärke in mehreren Landtagen und Stadträten. Parallel zu einem parlamentarischen Rechtsruck breiten sich rechte Bewegungen auf der Straße aus. In der BRD haben sich neben rassistischen Aufläufen gegen den Zuzug von Geflüchteten und den Massenaufmärschen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) vor allem auch die „Hooligans gegen Salafisten“ einen Namen gemacht.
AfD, Pegida und HoGeSa nutzen Nationalismus als Antwort auf gesellschaftliche Konflikte, um mit Verweis auf die Auszugrenzenden ein deutsches Kollektiv herzustellen. Dieses Kollektiv definiert sich meist völkisch und konstruiert eine homogene Gruppe von Deutschen unter der schützenden Hand des deutschen Staates. Nationalismus ist die Anrufung des Staates und seiner Herrschaft mit dem Effekt, dass soziale Widersprüche verdeckt werden. Dies macht es den Nazis und anderen reaktionären rechten Gruppen leicht gegen Menschen zu hetzen, die mit dem Wunsch nach einem besseren Leben nach Deutschland kommen, da diese nicht zur konstruierten Gruppe der Deutschen gehören. Die völkische Komponente ist es, die die Brücke zu den neuen Montagsmahnwachen und den „Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ (EnDgAmE, ehemals Pegada) schlägt. Während alle Übel der Welt einzelnen Personen oder Staaten – am liebsten den USA und Israel – zugeschrieben werden und die verrücktesten Verschwörungstheorien wasserfest verteidigt werden, steht dem der Begriff des souveränen Volkes – oder anders des „Europas der Vaterländer“ positiv gegenüber. Auf die Volksgemeinschaft wird gesetzt, wenn die Verschwörungstheorien der verschiedensten Art letztlich auf antisemitische Stereotype verweisen, indem einzelne Strippenzieher hinter den komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen werden und der sinnbildlich „kleine Mann von der Straße“ von der „Lügenpresse“ und der „BRD-Schandregierung“ unterjocht wird.
Ob AfD, HoGeSa oder Pegida, sie haben alle eins gemeinsam: Sie nehmen die Probleme und Verunsicherungen der Bevölkerung auf und bieten als Erklärung für Verarmung und sozialen Ausschluss rassistische, nationalistische, antifeministische und antisemitische Feindbilder an.
Dabei dient gerade ihr Bezug auf den religiös-fundamentalistischen Islamismus als Chiffre für plumpen Rassismus. Denn sie solidarisieren sich nicht mit den kämpfenden Kurd*innen, die ihre selbstverwalteten Gebiete in Nordsyrien gegen den IS verteidigen. Genauso erklären sie die vor dem IS nach Deutschland Geflüchteten zu einem Problem. Ihr Hass richtet sich gegen all diejenigen, die ihrer Meinung nach nicht Teil ihrer nationalen Gemeinschaft sind.
Nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft werden Forderungen nach konsequenterer Durchsetzung von Abschiebungen und geschlossenen Grenzen laut. Tatsächlich wird das Asylrecht immer weiter ausgehöhlt. Mitte 2014 wurden Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina von einer breiten parlamentarischen Mehrheit zu sicheren Drittstaaten erklärt. An den EU-Außengrenzen ertrinken Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben alles aufgegeben haben. Somit sind die Forderungen der Rassisten im Kern bereits erfüllt.
Nach mehreren kleinen Aufmärschen gelang es HoGeSa am 26. Oktober 2014 in Köln 5000 Nazis und Rassisten zu mobilisieren, die nahezu ungehindert Jagd auf Linke und Journalisten machten. Auch ihre Demonstration einen Monat später in Hannover stellte einen großen Mobilisierungserfolg dar, bot ihnen allerdings durch ein höheres Polizeiaufgebot und stärkere Gegenproteste keine Möglichkeit, die gewalttätigen Ausbrüche von Köln zu wiederholen. Im Zuge interner Querelen um die Außendarstellung der „Bewegung“ kam es zu einer Spaltung und der Gründung des Vereins „Gemeinsam stark – Deutschland“. Dieser mobilisiert nun mit klassischen Naziparolen für den 15. März nach Erfurt. Die Wahl Erfurts als nächsten Aufmarschort ist kein Zufall. Die Naziszene ist hier schon lange stark mit der rechten Hooliganszene verknüpft und findet im Nazizentrum Kammwegklause einen Raum für Party, Vernetzung und Austausch. Zuletzt spielte dort im Dezember vergangenen Jahres die Nazi-Hool-Band „Kategorie C“, eine Band, die auf der gewalttätigen Demo in Köln bereits den Anheizer gab. Mit dem geplanten Aufmarsch kommt zusammen, was zusammen gehört.
Challenge accepted: Auch dies nehmen wir als Herausforderung an und stellen uns dem Treiben entschlossen entgegen! Wir werden den Naziaufmarsch gemeinsam verhindern!
Wie wir leben wollen: Ohne Staat, Nation und Kapital
Kapitalismus schafft schon im Normalzustand Elend und Hunger: Er ist kein Gesellschaftssystem, in dem es sich zu leben lohnt. Krisen machen diesen Normalzustand für große Teile der Bevölkerung vollends unerträglich. Die Krisenpolitik der Troika sowie die rechten Antworten auf die Krise führen zu keinen Verbesserungen, im Gegenteil. All dem setzen wir etwas ganz anderes entgegen: Die Idee einer solidarischen Gesellschaft ohne Grenzen, in der die Bedürfnisse der Einzelnen im Vordergrund stehen und nicht der Profit. Eine Gesellschaft, in der die Freiheit aller Bedingung der Freiheit der Einzelnen ist.
Das Erstarken rechter Bewegungen ist aber auch eine Folge mangelnder Krisenintervention aus emanzipatorischer Perspektive. Die kann allerdings nicht so aussehen, dass ein sozialer oder grüner Kapitalismus erschaffen wird. Ein gutes Leben für alle erfordert die Überwindung des Kapitalismus. Auf der einen Seite braucht es hierfür keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen, sondern eine grundlegende Analyse der bestehenden Verhältnisse. Auf der anderen Seite müssen emanzipatorische soziale Kämpfe geführt werden, die konkrete Lebensverhältnisse für alle verbessern und über die bestehenden Verhältnisse hinaus ein Leben jenseits von Kapitalismus möglich erscheinen lassen. In diesem Sinn stellen wir uns den falschen Alternativen von Nazis und Rassisten entgegen und nutzen die EZB-Eröffnung, um unsere Idee eines ganz anderen Ganzen auf die Straße zu tragen.
Kommt am 15. März nach Erfurt und am 18. März mit uns nach Frankfurt! Gemeinsam verhindern wir den Nazi-Hool-Aufmarsch und stören die feierliche Eröffnung der neuen EZB-Zentrale!