Urteil: Deutschland muss US-Drohneneinsätze via Ramstein prüfen
Ist Deutschland mitverantwortlich für tödliche US-Drohnenangriffe von einem USMilitärstützpunkt in der Pfalz? Drei Jemeniten hatten geklagt – mit Teilerfolg.
Die Bundesregierung ist an einer juristischen Niederlage vorbeigeschrammt, hat aber eine Ohrfeige kassiert: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat die Bundesregierung dazu verurteilt, künftig aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des amerikanischen Militärstützpunkts im pfälzischen Ramstein gegen Völkerrecht verstoßen. Geklagt hatten drei Jemeniten gegen die Bundesrepublik Deutschland, stellvertretend gegen das Verteidigungsministerium. Die Männer hatten nach eigenen Angaben Angehörige in ihrer Heimat verloren und erklärt, sie fürchteten angesichts der anhaltenden Drohnenangriffe um ihr eigenes Leben.
Der Teilerfolg der Jemeniten – im diesem Fall passt das Bild David gegen Goliath ausdrücklich – lässt aufhorchen. Zwar scheiterten sie mit ihrer Forderung, die Bundesregierung solle den USA die Nutzung von Ramstein für US-Drohneneinsätze untersagen. Aber das OVG rügte die Bundesregierung in der Berufungsverhandlung am Dienstag deutlich für ihre bisherige Haltung. Es sei zu wenig, sich wiederholt darauf zurückzuziehen, man vertraue der amerikanischen Zusicherung, dass die Aktivitäten im Ramstein im Einklang mit geltendem Recht liefen.
Bundesregierung soll aktiv nachforschen
Der Vorsitzende Richter Wolf Sarnighausen sagte, Deutschland nehme selbst nicht an militärischen Drohnenaktivitäten teil und habe diese auch nicht gestattet. Die bisherige Annahme der Bundesregierung, für US-Rechtsverstöße gebe es keine Hinweise, beruhe aber auf einer "unzureichenden Tatsachenermittlung". Das sei rechtlich nicht tragfähig. Die Botschaft ist deutlich – die Bundesregierung muss jetzt in die Gänge kommen, aktiv nachforschen.
Der Fall habe eine "besondere internationale Bedeutung", sagte der Vorsitzende Richter. Er machte keinen Hehl daraus, dass der Senat rechtliche Zweifel an den umstrittenen Drohnenangriffen der USA hat. Die Angriffe mit bewaffneten Drohnen, die sich gegen jemenitische Ableger des islamistischen Terrornetzwerks Al-Kaida und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) richten, seien zwar "nicht generell unzulässig".
Anhaltspunkte für Völkerrechtsverstöße
Es bestünden jedoch "gewichtige", der Bundesrepublik bekannte "oder jedenfalls offenkundige tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die USA unter Verwendung technischer Einrichtungen auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein und dort stationierten eigenen Personals bewaffnete Drohneneinsätze in der Heimatregion der Kläger durchführen, die zumindest teilweise gegen das Völkerrecht verstoßen". Es bleibe unklar, ob sich direkte bewaffnete Angriffe im Jemen "auf zulässige militärische Ziele beschränken".
Immer wieder beklagen Menschenrechtsorganisationen und Beobachter vor Ort zahlreiche zivile Opfer – darunter Kinder – bei den US-Angriffen mit unbemannten Flugkörpern. Auch in der Region der Kläger kommt es laut OVG seit Jahren regelmäßig zu zivilen Opfern. Es gebe Hinweise dafür, dass die Kläger "rechtswidrig in ihrem Recht auf Leben gefährdet werden". Angesichts dieses Risikos habe die Bundesregierung eine hohe Schutzpflicht.
"Wegweisendes Urteil"?
Das Urteil – zu dem weder die Kläger oder deren Anwälte noch Vertreter des beklagten Ministeriums erschienen waren – gibt der Bundesregierung einen gewissen Spielraum. Sie habe durch eine "geeignete Maßnahme auf die Einhaltung des Völkerrechts hinzuwirken", sollte sie Rechtsverstöße der USA feststellen. Vom Verteidigungsministerium war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Der Urteilsspruch aus Münster ist nicht rechtskräftig, das OVG hat wegen der großen Bedeutung des politisch brisanten Falls eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Trotzdem sprach die Menschenrechtsorganisation ECCHR von einem "wegweisenden Urteil". Deutschland müsse nun darauf hinwirken, dass die USA sich bei der Nutzung von Ramstein an das Völkerrecht hielten. Die Bundesregierung werde sich ihrer Mitverantwortung stellen müssen, betonte Sprecher Andreas Schüller.
Die Klage eines Somaliers gegen die Bundesrepublik nach einem US-Drohnenangriff in seiner Heimat 2012 wies das OVG dagegen ab. Es könne keine Pflichtverletzung der Bundesrepublik festgestellt werden. Der Senat sei auch nicht überzeugt, dass der Vater des Klägers tatsächlich durch eine US-Drohne getötet worden sei. (axk)
In dem Zusammenhang lohn es sich das Buch von John Götz "Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird" zu lesen.
Ein amerikanisches Kriegskommando in Stuttgart befehligt Killerdrohnen in Afrika und im Nahen Osten, um mutmaßliche Terroristen umzubringen. Die NSA greift Daten von Überseekabeln ab, die von Deutschland ausgehen, und rüstet in Hessen ihre Abhörtechnik auf. US-Sicherheitskräfte nehmen auf Flughäfen Verdächtige fest. BND-Agenten horchen für die Amerikaner Asylbewerber aus, um Drohnenziele auszukundschaften. Der Aufbau geheimer US-Foltergefängnisse wurde von der CIA-Logistikzentrale in Frankfurt gesteuert. Und die US-Firma, die die Kidnapping-Flüge organisierte, wird von deutschen Ministerien weiter mit Millionenverträgen gepampert.
Das alles und noch viel mehr geschieht nicht nur auf deutschem Boden, sondern auch mit der Unterstützung der Bundesregierung. Denn Deutschland ist längst zum untrennbaren Bestandteil der US-Sicherheitsarchitektur geworden. Eines Systems, das sich öffentlicher Kontrolle entziehen will. Der amerikanische «Krieg gegen den Terror» beginnt direkt vor unseren Haustüren — und wird mit Mitteln geführt, die viele Menschen verabscheuen.
John Goetz und Christian Fuchs haben sich auf eine Reise zu den geheimen Kommandozentralen begeben und machten höchst beunruhigende Entdeckungen. Außerdem starteten sie eine Art datenjournalistische Gegenspionage und versuchten das Treiben von Geheimdiensten und US-Militärs in Deutschland aufzuklären. An Orten, die niemand vermuten würde, fanden sie Datenspuren der heimlichen US-Aktivitäten und werteten sie aus. So ist dieses Buch auch ein Beispiel für modernen investigativen Journalismus.
Pressestimmen
Die beiden investigativen Journalisten Christian Fuchs und John Goetz beobachten schon seit Jahren die deutsch-amerikanische Sicherheitspartnerschaft. In ihrem Buch «Geheimer Krieg» präsentieren sie die Ergebnisse ihrer jüngsten Recherchen. Dafür sind sie nicht nur quer durch die Republik zu den geheimen Kommandozentralen gereist, sondern haben auch in einer Art datenjournalistischer Gegenspionage versucht, das Treiben von Geheimdiensten und US-Militärs in Deutschland aufzuklären. (ARD)
Mit ihrem aufsehenerregenden Buch beweisen die Reporter, das Deutschland zum willfährigen Alliierten in einem Geheimen Krieg geworden ist. (rbb)
Das sieht nach etwas aus, was man so im Journalismus noch nie gesehen hat. (FAZ)
Das Buch ist eine Reportage, geschrieben wie ein Roadmovie, eine Reise zu den Orten des Krieges in Deutschland. So gut geschrieben, dass man manchmal das Gefühl hat, man sitze mit den Reportern im Auto. (Südwestpresse)
Beste Detektivarbeit. (Tagesspiegel)
Ebenso erhellend wie beklemmend. (Sächsische Zeitung)
Ein Buch mit Bestsellerpotential. (FAZ)
Kurzbeschreibung
Ein amerikanisches Kriegskommando in Stuttgart befehligt Killerdrohnen in Afrika und im Nahen Osten, um mutmaßliche Terroristen umzubringen. Die NSA greift Daten von Überseekabeln ab, die von Deutschland ausgehen, und rüstet in Hessen ihre Abhörtechnik auf. US-Sicherheitskräfte nehmen auf Flughäfen Verdächtige fest. BND-Agenten horchen für die Amerikaner Asylbewerber aus, um Drohnenziele auszukundschaften. Der Aufbau geheimer US-Foltergefängnisse wurde von der CIA-Logistikzentrale in Frankfurt gesteuert. Und die US-Firma, die die Kidnapping-Flüge organisierte, wird von deutschen Ministerien weiter mit Millionenverträgen gepampert.
Das alles und noch viel mehr geschieht nicht nur auf deutschem Boden, sondern auch mit der Unterstützung der Bundesregierung. Denn Deutschland ist längst zum untrennbaren Bestandteil der US-Sicherheitsarchitektur geworden. Eines Systems, das sich öffentlicher Kontrolle entziehen will. Der amerikanische «Krieg gegen den Terror» beginnt direkt vor unseren Haustüren — und wird mit Mitteln geführt, die viele Menschen verabscheuen.
John Goetz und Christian Fuchs haben sich auf eine Reise zu den geheimen Kommandozentralen begeben und machten höchst beunruhigende Entdeckungen. Außerdem starteten sie eine Art datenjournalistische Gegenspionage und versuchten das Treiben von Geheimdiensten und US-Militärs in Deutschland aufzuklären. An Orten, die niemand vermuten würde, fanden sie Datenspuren der heimlichen US-Aktivitäten und werteten sie aus. So ist dieses Buch auch ein Beispiel für modernen investigativen Journalismus.