§218 muss weg! Brunnen bei Fundie-Kirche gefärbt
Heute vor 152 Jahren wurde der Abrtreibungsparagraf 218 eingeführt. Deshalb haben wir den Brunnen vor dem Ring-Cafe rot gefärbt.
Das ring-Cafe beherbergt Fundies.
Heute vor 152 Jahren wurde der §218 eingeführt, damals noch mit Todesstrafe. Schwangerschaftsabbrüche waren von nun an verboten. Dieses Verbot hält in der BRD bis heute an.
Schwangerschaftsabbrüche sind im Strafgesetzbuch, Abschnitt 16, unter “Straftaten gegen das Leben” geregelt. §218, Absatz 1:
“Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Werden wir schwanger, dürfen wir nicht mehr selbstständig über unseren Körper und unser Leben entscheiden. Laut Gesetz ist die befruchtete Eizelle wichtiger als das körperliche und seelische Wohlbefinden einer erwachsenen Frau. Wir sind verpflichtet, unseren Körper zur Austragung des entstehenden Lebewesens wie einen Brutkasten bereitzustellen – ob wir wollen oder nicht.
Abbrüche sind lediglich unter bestimmten Bedingungen “straffrei”, einen Termin zu bekommen ist mit viel bürokratischem und organisatorischem Aufwand, Bevormundung und sehr viel Geld verbunden.
Wer uns zu Geburt, Schwangerschaft und Mutterschaft zwingen will, erkennt uns das Mensch-Sein ab und reduziert uns auf unsere Gebärmutter. Das fehlende Recht auf selbstbestimmte Mutterschaft widerspricht unserem Recht auf Gesundheit, auf körperliche Integrität, auf Gewissensfreiheit sowie dem Recht auf moralische Autonomie und Entscheidungsfreiheit.
Schon immer haben Frauen Mittel und Wege zur Verhütung und Abtreibung gefunden. Bis heute lassen sich Schwangerschaftsabbrüche nicht verbieten. Verbieten lassen sich sichere Abbrüche unter medizinischer Versorgung, die nicht mit Stricknadeln o.ä. in irgendeinem Hinterzimmer durchgeführt werden. In Ländern, in denen Abbrüche erlaubt sind (z.B. Kanada, Frankreich) wird weniger abgetrieben. Eine Entkriminalisierung geht meist mit besserer sexueller Aufklärung und einem breiten Zugang zu günstigen Verhütungsmitteln einher.
Wir sind nicht frei.
Eine Abtreibung ist eine unglaublich einschneidende persönliche Erfahrung. Niemand entscheidet sich freiwiliig dazu. In einer solchen Situation wäre Unterstützung wünschenswert. Aber uns durch diese unsägliche Bevormundung derart zu erniedrigen, uns unseren eigenen Willen, unsere eigene Entscheidungsfähigkeit abzusprechen, uns wie seelenlose Inkubatoren zu betrachten, das ist einer der vielen Gründe, sich gegen diesen barbarischen kapitalistischen Staat aufzulehnen. Denn im Umkehrschluss bedeutet ein Abtreibungsverbot auch: Wir können uns nicht aktiv FÜR unsere Kinder entscheiden. Wir können nicht selbstbestimmtt “Ja!” zu ihnen sagen, sie annehmen und uns über eine Schwangerschaft freuen. Denn solange §218 fortbesteht, wird sie immer erzwungen sein, ob geplant oder nicht. Solange §218 fortbesteht, werden wir immer auf unsere Uterus, auf unseren Körper reduziert werden, wir werden niemals vollständige, selbstständige Wesen sein, denn wie den Sklaven früher haben sie uns die grundlegende körperliche Autonomie genommen, die einen Menschen zu einer Person machen. Wer nicht mal selbst über den eigenen Körper entscheiden kann, hat auch sonst den Mund zu halten. Wer nicht mal selbst über den eigenen Körper entscheiden kann, der (bzw. die) muss auch nicht gehört oder ernst genommen werden. Die aktuelle Regelungslage degradiert uns Frauen zum Objekt staatlicher Bevormundung, wir verlieren unseren Status als mündige Personen.
Wir sind keine Brutkisten für neue ArbeitssklavInnen!
Der Staat erhebt Anrecht auf unsere Fähigkeit, neue ArbeiterInnen zu reproduzieren. Denn darum geht es, damals wie heute: Menschen/Arbeitskräfte sind im Kapitalismus nur Ressource für die Profitsteigerung derjenigen, die im Besitz der Produktionsmittel/des Großkapitals sind. Demnach steht es der Ressource Mensch nicht zu, frei zu entscheiden. Die Ressource Mensch, hier explizit die gebärfähige Frau, hat die Pflicht zu erfüllen, für die Produktion weiterer menschliche Ressourcen/Arbeitskräfte zur Verfügung zu stehen. Demnach sind schwangere Personen nur Brutkisten für weitere Arbeitskräfte und ihre Gebärfähigkeit wird im Gesetzbuch geregelt.
Für das ehemalige deutsche Kaiserreich bedeutete die drastisch sinkende Bevölkerung ab 1900 eine Verminderung der industriell-wirtschaftlichen und militärischen Macht. Gründe waren u.a. die steigende Industrialisierung: Frauen mussten nun zusätzlich zur Haus- und Sorgearbeit und der Arbeit im Familienbetrieb auch noch in die Fabriken arbeiten und hatten weder Zeit noch Geld für Kinder, deshalb trieben viele (ungewollt) ab.
Schon damals kämpften Frauen gegen den neu eingeführten Gebärzwang: 1913 gab es die erste große “Gebärstreikdebatte”. Der Konflikt zwischen Staat, Medizin und Frauen wurde öffentlich diskutiert.
Es gibt kein Leistungsrecht am Körper eines anderen
§218 entscheidet, dass der Embryo ein Rechtsgut darstellt, dem staatlicher Schutz, auch gegenüber der Mutter, zukommen muss. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau hat dahinter zurückzutreten, was auch mit strafrechtlichen Mitteln durchzusetzen ist.
In dieses Urteil ist das Bild der Frau als Mutterleib eingeschrieben. Die Frau wird so nicht als mündige Grundrechtsträgerin adressiert, die autonome Lebensentscheidungen trifft und über ihren Körper disponieren kann, sondern die staatlich angehalten werden muss, ihrer „natürlichen“ Pflicht zur Mutterschaft nachzukommen.
Diese doch sehr undifferenzierte Konzeption ist rechtlich problematisch. Erstens kommt die Fiktion zum Tragen, dass der Embryo ein von der Schwangeren getrenntes Individuum und eigenständiger Rechtsträger ist, der, das ist die Konsequenz, ein Leistungsrecht am Körper der Schwangeren hat. Ein Leistungsrecht am Körper eines Menschen ist der deutschen Rechtsordnung allerdings fremd. Nicht einmal Elternteile können rechtlich zu einer lebensrettenden Organspende für ihr Kind verpflichtet werden.
Chancen- und Lohngleichheit minimiert den Profit der besitzenden Klasse
Auch hier wird wieder deutlich, worum es eigentlich geht. Das kapitalistisch-patriarchale System erhebt Besitzansprüche an die Körper von Frauen. Eine Abschaffung des Paragrafen ist deshalb ein reformistischer Fortschritt, aber nicht die Lösung. Um das Problem an der Wurzel zu packen, müssen wir hinterfragen, woher diese Machtansprüche kommen und wie sie entstanden sind. Unsere Art zu wirtschaften funktioniert ohne Ausbeutung und Unterdrückung nicht funktionieren, denn reich ist man nur, solange andere arm sind. Ein profitorientiertes Wirtschaftssystem setzt Unterdrückung marginalisierter Gruppen vorraus, denn jegliche Chancen- und Lohngleichheit minimiert den Profit der besitzenden Klasse.
Lasst uns also die besitzende Klasse abschaffen! Enteignen wir Menschen, die als Milliardäre geboren sind und Konzerne besitzen, die über tausende Arbeitsplätze entscheiden können, weil sie einfach nur geboren wurden. Nehmen wir die Sachen selbst in die Hand und bauen eine ArbeiterInnenbewegung auf. Lasst uns das bestehenden System stürzen und bauen wir eine nachhaltige Art des Wirtschaftens auf, die das Wohl aller und nicht die Profite einzelner zum Ziel hat. Wir kämpfen für ein System, welches es nicht nötig hat, die ArbeiterInnenklasse und die darin bestehenden marginalisierten Gruppen auszubeuten und zu unterdrücken!
Fakten:
40% der Frauen im gebärfähigen Alter weltweit leben in Ländern, in denen die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs stark eingeschränkt ist.
Rund 225 Millionen gebärfähige Menschen haben keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln.
Mehr als 22.800 Menschen sterben weltweit an unsachgemäßen Abbrüchen.
2 von 3 ungewollten Schwangerschaften weltweit entstehen trotz Verhütung.
Unsere Forderungen
Der entscheidende Punkt bei Kämpfen für reproduktive Freiheit ist nicht, aus einer universalistischen Perspektive heraus die Legitimität von Schwangerschaftsabbrüchen zu begründen. Es ist unmoralisch und unethisch, wenn Dritte oder die Gesellschaft per Gesetz und Strafandrohung über den Körper von Frauen entscheiden. Eine Frau zum Trauma einer ungewollten Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft zu zwingen, ist wesentlich problematischer, als Leben gar nicht erst entstehen zu lassen.
WEG MIT §218!
1. Ersatzlose Streichung von §218 StGB aus dem Strafgesetzbuch
2. Uneingeschränkten, flächendeckenden und barrierefreien Zugang zu legalen und wohnortnahen Schwangerschaftsabbrüchen
3. Streichung der Beratungspflicht und der „Wartezeit“ (§218a)
4. Das Recht auf freiwillige, qualifizierte, neutrale und ergebnisoffene Beratung als verpflichtende Aufgabe des Bundes/der Länder
5. Übernahme aller Kosten seitens der Krankenkassen und Behandlung des Schwangerschaftsabbruches als Teil der regulären Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsschutzes
6. Ausbildung in den Methoden des Schwangerschaftsabbruchs als verpflichtender Teil der Ausbildung von FachärztInnen und bzw. Studiengänge für Medizin
7. Umfassende Informationen über und den kostenfreien Zugang zu allen Verhütungsmitteln für alle, sowie kostenfreie Vergabe der „Pille danach“ als Notfallverhütung.
8. Enttabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Berücksichtigung des Themas in der sexuellen Bildung
9. Soziale und ökonomische Unterstützung seitens des Staates und die Gewährleistung der notwendigen Infrastruktur für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können. Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, z.B. durch kostenfreie Kita-Plätze.