Der Widerstand im Weelaunee Forest- Gegen Cop City und ihre Welt

Wir haben den folgenden Text über den Kampf um den Weelaunee Forest und gegen Cop City geschrieben, um über diesen zu informieren und Diskussionen bei uns anzustoßen. Wir glauben, die Auseinandersetzungen der letzten zwei Jahre in Atlanta sind ein Beispiel für einen starken Kampf, der viele verschiedene Spektren vereint hat und bereits seit über zwei Jahren anhält. Natürlich, wie in jedem langfristigen Kampf, gibt es Probleme, Streits und Meinungsverschiedenheiten, die wir versuchen werden zu umreißen.

Für die Veranstaltung "Zu den Kämpfen gegen Cop City im Weelaunee Forest" am 4.5.2023 in der anarchistischen Bibliothek Kalabal!k, haben wir einen Text geschrieben, der auf verschiedenen Publikationen aus den USA basiert, hauptsächlich weil es noch nicht viele Veröffentlichungen dazu auf deutsch gibt. Der Text ist keine notwendige Grundlage für die Veranstaltung. Auf englisch gibt es zahlreiche Analysen, Communiques etc unter anderem auf folgenden Seiten:

https://crimethinc.com/

https://scenes.noblogs.org/

https://www.stopcopcitysolidarity.org/

https://atlpresscollective.com/

Die Veranstaltung wird auf englisch stattfinden mit Übersetzung wo es nötig ist. Während der Veranstaltung wollen wir folgende Fragen mit euch diskutieren:

Bietet sich das Euro-amerikanische Verständnis für Ökologie überhaupt an um radikale Inhalte über einen Erhalt eines status quo der "Natur" hinaus zu kommunizieren und uns größeren Zielen zu nähern ?

Wie kann ein spezifischer Kampf offen und einladend bleiben ohne die Tore weit für Vereinnahmung und Kooptierung zu öffnen, wie kann also einer Manipulation und Entradikalisierung unserer Beteiligungen vorgebeugt werden?

Was können wir in diesen Kämpfen gewinnen, wohin führen sie uns, was können wir aus ihnen mitnehmen?

Welche Auswirkungen hat der Bezug auf die ökologische Katastrophe und die Endlichkeit des Seins hinsichtlich der Kämpfe und was aus ihnen entsteht?

***english***

For the discussion round "on the struggle against Cop City in the Weelaunee Forest" on may 4th 2023 in the anarchist library Kalabal!k, we have written a text, based on several other publications from the US, simply because there are only very few publications in german so far. It will obviously not be neccessary to read the text ahead of the event. There are a lot of analysis, communiques etc in english, for example on the websites, listed above. The event will take place in english. We have come up with a few questions, that we would like to discuss with you:

  • Is the Euro-American understanding of ecology useful for us at all to communicating radical content beyond a preservation of a status quo of "nature" and to approaching larger goals ?
  • How can a specific struggle remain open and inviting without risking appropriation and co-optation, in other words, how can manipulation and de-radicalization of our participations be prevented?
  • What can we gain from our struggles, where do they lead us, what conclusions do we draw from them?
  • What are the implications of the ecological catastrophe and the finite nature of being in terms of the struggles and what emerges from them?

 

 

Der Widerstand im Weelaunee Forest- Gegen Cop City und ihre Welt

Wir haben den folgenden Text über den Kampf um den Weelaunee Forest und gegen Cop City geschrieben, um über diesen zu informieren und Diskussionen bei uns anzustoßen. Wir glauben, die Auseinandersetzungen der letzten zwei Jahre in Atlanta sind ein Beispiel für einen starken Kampf, der viele verschiedene Spektren vereint hat und bereits seit über zwei Jahren anhält. Natürlich, wie in jedem langfristigen Kampf, gibt es Probleme, Streits und Meinungsverschiedenheiten, die wir versuchen werden zu umreißen. Um die besondere und spannungsgeladenen Situation im Weelaunee Forest zu verstehen, wollen wir beginnen mit einigen Hintergrundinformationen zu Atlanta und der politischen Situation vor Ort, sowie natürlich zur Situation im Weelaunee Forest, dafür müssen wir einmal bis ins 19. Jahrhundert zurück blicken.


Atlanta

Atlanta ist die Hauptstadt des US Bundesstaates Georgia, welcher im Südosten der USA liegt. Georgia war einer der sieben Confederate States und war nach dem amerikanischen Bürgerkrieg der letzte Staat, welcher in die Union eingegliedert wurde. Während des Bürgerkrieges wurden mehrere große militärische Schlachten in Atlanta geführt und dabei große Teile der Stadt zerstört. Nachdem Atlanta von der Unions Armee übernommen wurde, flohen viele Sklav*innen in die Region. Während der Wiederaufbau Phase, entwickelte sich Atlanta zu einem der ökonmischen Standpunkte im Süden der USA. Über mehrere Jahrzehnte zog es viele Schwarze Amerikaner*innen nach Atlanta und eine für die USA sehr besondere Entstehung von Colleges, Geschäften und Unternehmen bildete sich heraus, die hauptsächlich von Schwarzen Amerikaner*innen geführt wurden. In Atlanta bildete sich eine Schwarze, bürgerliche Elite, die für viele weiße als Bedrohung gesehen wurde und sich ein Weg überlegt werden sollte, trotzdem noch eine Kontrolle der Weißen über Schwarze Amerikaner*innen her zu stellen. Insbesondere als die Bürgerrechtsbwegung in den USA stärker und auch militanter wurde, sahen sich weiße politische Träger*innen in ihrer Stellung besorgt.

Es wurde sich also auf eine Art Deal geeinigt, der sich der 'Atlanta way' nannte. Von Politiker*innen und Geschäftsleuten als ein Verständnis gefeiert, um Stabilität und Frieden in der Stadt zu garantieren, wurde es von Anderen als präventive Aufstandsbekänpfung und Befriedung äußerst kritisch gesehen.

Atlanta way

Eine Übereinstimmung zwischen weißen politischen Führungsträger*innen und Schwarzen Geschätfsleuten, Akademiker*innen und Vermieter*innen, als Antwort auf eine wieder erstarkende Schwarze Bürgerrechtsbewegung.

Der Gedanke war, die Bestrebungen nach Gerechtigkeit und Gleichberechtiung der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung klein zu halten und eine Widerstandsbewegung zu unterdrücken, bevor sie entstehen konnte. Dafür entstand eine Kooperation zwischen weißen Politiker*innen und Schwarzen Geschäftsleuten, die der Schwarzen Bevölkerung bestimmte, wenn auch limitierte, Rechte und Privilegien zugestand und gleichzeitig die Entscheidungsmacht in den Händen von Weißen beließ. Schwarze Politiker*innen wurden in offizielle Ämtern eingesetzt, Sie übernahmen politische und administrative Rollen, sowie Aufgaben bei der Polizei und im Justizwesen, um den Anschein einer Schwarzen Mitgestaltung zu geben. Gleichzeitig wurden ihnen harte Vorgaben auferlegt, wie sie diese Ämter zu erfüllen hatten. Diese Vorgaben beinhalteten ein repressives Vorgehen gegen Armut und Minderheiten, Budget Einschnitte im sozialen Bereich und eine massive Privatisierungswelle. Auch viele Liberale in Georgia vertreten die Ansicht, dass, um Gleichberechtigung entlang Diskriminierungsebenen zu schaffen, müssten lediglich finanzielle und geschäftliche Hilfestellungen für eine Schwarze Mittelschicht gestellt werden. Natürlich löste diese Hintertürpolitik nicht die rassistische und klassistische Diskriminierung von nicht weißen und armen Menschen in Atlanta. Weiterhin machte die Schwarze Bevölkerung den Hauptanteil der Gefängnisinsass*innen aus. Sie sind immer noch häufiger auf staatliche Unterstüztung angewiesen, als die weiße Bevölkerung. Alle Recht auf Wohnen Projekte wurden eingestellt, zahlreiche Stadtviertel, die größtenteils von Schwarzen Amerikaner*innen bewohnt wurden, sind komplett umstrukturiert worden und werden heute hauptsächlich von weißen bewohnt, die nach der Finanzkrise und angesichts steigender Lebenskosten aus reicheren Gegenden verdrängt wurden. Atlanta ist mittlerweile eine der Städte innerhalb der USA mit der größten Schere zwischen Arm und Reich geworden.

Widerstand in Atlanta

Im Zuge dieser ökonomisch und politisch zugespitzen Situation wurde 2020 George Floyd von dem weißen Bullen Derek Chauvin ermordet. Innerhalb von wenigen Tagen gingen überall in den USA tausende von Menschen auf die Straße und suchten die direkte Konfrontation mit einem rassistischen Polizeiapparat, der bereits so viele Leben auf dem Gewissen hat. Auch in Atlanta hielten die militanten Auseinandersetzungen mit der Polizei mehrere Wochen an. Im Juni wurde dann Rayshard Brooks in seinem Auto von der Polizei erschossen, was die Proteste nochmal weiter anspornte. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Mörder anklagte, verließen Hunderte Polizist*innen aus Protest ihren Job. Angesichts ihres fackelnden Hauptquartiers und einen breiten öffentlichen Beobachtungen ihrer Handlungen, fühlten sie sich dann wohl doch bedroht in ihren sonst so konsequenlosen Gewalteexzessen.

Parallel zu den Aufständen und Protesten wurde die Forderung laut, der bereits stark militarisierten und von Privatfirmen finanziell unterstützte Polizei (dh. vor allem  Sturmgewehre, Stadtpanzer, Hightechwaffen- und Überwachungstechnik, ), die Finanzierung zu entziehen. Als Reaktion darauf beschloss die Stadt Atlanta stattdessen weitere Millionen an Mitteln zusätzlich freizugeben mit der Argumentation das es kein Polizeiproblem gäbe sondern es schlicht an finanziellen Mitteln und Training mangele.

Das war also der Kontext, in dem die Stadt und die Atlanta police foundation entschied, Cop City im Weelaunee Forest zu erbauen.

Weelaunee Forest

Der Weelaunee Wald ist eine der größten verbliebenen Waldflächen in den USA. Benannt ist er nach dem Fluss, welcher den Wald durchläuft. Der Wald ist der entscheidene Faktor, welcher bislang Atlanta vor größeren Folgen des Klimawandels bewahrt hat. Als riesiges Baumdach, absorbiert es große Teile der CO2 emissionen. Große Feuchtbiotope durchziehen den Wald und fungieren als Regenfilter. Der hohe Anteil überschatteter Gebiete verringert im Gegensatz zu einer zubetonierten Stadt das Aufheizen.

Die dunkle Geschichte des Weelaunee Forest ist eine von Kolonialisierung, Sklaverei und Inhaftierung hunderter Menschen.

Ursprünglich gehörte der Weelaunee Forest den Muscogee people. Eine indigene Gemeinschaft, die bis ins 19. Jahrhundert die Areale bevölkerten, die heute Georgia, Tennessee, Alabama und Florida genannt werden.1830 wurden sie gewaltsam von ihrem Land vertrieben, um große Teile des Waldes als Plantagen zu nutzen, die dann wiederum von Sklav*innen bestellt wurden.

Erst Ende November 2021 betrat eine Gruppe Muscogee mit anderen Natives zum ersten Mal seit 200 Jahren den Wald.

Später wurde ein riesiges Gefängnis dort auf den ehemaligen Plantagen errichtet, in welchem hunderte hauptsächlich Schwarze und people of color eingesperrt wurden und unter sklaven ähnlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurde. Nach zahlreichen Skandalen und Veröffentlichungen von Misshandlungen und Diskriminierung wurde dieses Gefängnis ende der 1980er schließlich geschlossen. Das nun genau auf diesem Gelände, welches solch eine Geschichte hinter sich hat, ein Traingscenter gebaut werden soll, für eine immer militaristischer ausgestattete und agierende Polizei, ist eine Kampfansage. Atlanta, eine Stadt mit vielen nicht-weißen Bewohner*innen und einer langen und militanten Geschichte der Bürgerrechtsbeweung, als Schauplatz für Cop City auszusuchen, zeigt wen die Polizei und der Staat als seine Feind*innen sieht.

Cop City will never be build!

Gegen Cop City und ihre Welt!

 

Was ist Cop City?

Cop City ist ein Projekt, welches 2021 von dem Bürgermeister von Atlanta und der Atlanta Police Foundation (APF) ins Leben gerufen wurde. Im Weelaunee Forest soll innerhalb der nächsten Jahre ein riesiges Trainingszentrum für die Polizei in Atlanta gebaut werden. Eine viertel Milliarde Dollar soll das Projekt kosten, was ein Drittel das Jahresbudgets von Atlanta ausmacht. Cop City wird mehr als ein reines Übrungszentrum werden. Es wird eine militärische Basis, mit Schießtrainings, Plänen für das Austesten von Bomben und Tränengasbomben. Der Zeitpunkt ist wie bereits weiter oben in diesem Bericht erwähnt nicht zufällig gewählt. Die weitgreifende und militante Revolte nach der Ermordung George Floyds hat den Herrschenden einen gehörigen Schrecken eingejagt. Sie haben für sich entschieden wer der Feind ist und vor allem wo dieser sich aufhält. Der Staat rüstet auf gegen Schwarze Menschen, POCs, Arme und anders Marginalisierte, gegen Stadtbewohner*innen und deren Vernetzung und Solidarität. In der Cop City wird es dementsprechend eine Mock City geben, in der die Polizei ihre urbane Aufstandsbekämpfung üben soll.

Nicht nur die Polizei wird von der Errichtung von Cop City profitieren. Ein Teil des vorgesehenen Geländes wurde an Blackhall Studios übergeben. Eine Hollywood Institution, die dort ein riesiges Sound Studio erbauen will. Repressionsapparat, die politische Elite in Atlanta und Großunternehmen gehen Hand in Hand. Die Atlanta Police Foundation ist für die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Friedens zuständig, damit die politischen und wirtschaftlichen Eliten in den USA ungestört ihre Machenschaften weiter treiben können. Cop City wird finanziell unterstützt vom Atlanta Committee for Progress. Einem Zusammenschluss von über vierzig Unternehmen und ihren Bossen, unter anderem Home Depot und Cox, vorher auch Coca Cola, die ihre finanzielle Unterstützung nach andauernden Protesten allerdings eingestellt haben.

Resisting Cop City - über die Entwicklung des Widerstandes

Der Widerstand gegen die Zerstörung des Weelaunee Forest wurde von Beginn an von einer breiten Vernetzung von Anarchist*innen, Klimagruppen, Anti Gentrifizierungsgruppen und abolitionistischen Netzwerken getragen. Die verschiedenen Bereiche, die im Kampf gegen Cop City zusammen kommen, konnte viele verschiedene Menschen vereinen: Der rassistisch motivierte Gegenangriff gegen die George Floyd Revolte, eine massive urbane Gentrifizierungswelle, die auf Atlanta zurollen würde, sowie die Zerstörung eines der letzten großen Waldhabitate in Georgia. Direkt nach Bekanntwerden der Projektpläne wurden Infoveranstaltungen im Wald durchgeführt, Flyer verteilt, Parlamentssitzungen gestört sowie Baumaschinen zerstört. Bereits im Juni 2021 fand die erste Week of Action statt, mit Diskussionen, Wanderungen durch den Wald, Konzerten und Raves. Über tausend Menschen fanden sich in dieser ersten Action Week im Wald zusammen. Auch die Atlanta Police Foundation wurde in dieser Woche besucht, eine Sponti mit 50 Menschen durchbrach eine Polizeiabsperrung und griff das Hauptquartier der APF an. Über die nächsten Monate kamen immer mehr Menschen und Gruppen dazu, die sich auf sehr unterschiedliche Weisen gegen Cop City auflehnten. Auf der einen Seite fand eine Kampagnenarbeit von Nachbarschaftsinitativen und Umweltaktivist*innen statt, die vor allem Informations- und Mobilisierungsarbeit leisteten und versuchten Druck auf die Regierung aus zu üben, gegen Cop City zu stimmen. Auf der anderen Seite, nahmen die direkten Aktionen und Demonstrationen in Georgia, aber auch in anderen Bundesstaaten zu, die in ihren Communiques einen deutlichen anarchistischen Bezug nahmen und nicht nur gegen Cop City kämpfen wollten, sondern gegen "Cop City and its world".

Trotz all dieser Proteste, Kampagnenarbeit und direkten Aktionen, stimmte die Regierung am 8. September 2021 für die Errichtung und händigte den Weelaunee Forest an die Atlanta Police Foundation aus.

Im November begann die zweite Aktionswoche im Weelaunee Forest, zu der wie erwartet, nach dem Rückschlag im September, deutlich weniger Menschen kamen. Auch die Diversität des Protestes hatte sich deutlich verringert. Aber auch dieses Mal, blieben wieder einige Dutzend und errichteten ein zweites Camp, welches für sechs Wochen bestehen sollte, bevor es geräumt wurde.

Während der Aktionswoche trafen sich 250 bis 300 Menschen um einen traditionellen Tanz der Muscogee People zu verfolgen und daran teil zu nehmen. Dafür war eine Delegation der Muscogee angereist, nicht nur für einen kulturellen Austausch, sondern auch um die Menschen in Atlanta aufzufordern, die Zerstörung des Waldes zu verhindern und sich der nicht endenden Kolonialisierung indigenen Landes entgegen zu setzen.

Der Frühling des neuen Jahres brachte immer wieder mehr oder weniger Menschen in den Wald, akut um beispielsweise Bohrungen zu verhindern und dauerhaft um die Strukturen, die während der Aktionswochen aufgebaut wurden, zu erhalten. Auch die Solidaritätsaktionen in den USA hielten weiter an.

Im Mai 2022 fand dann eine dritte Aktionswoche statt. Hunderte Menschen kamen dafür in den Wald, mehrere hundert blieben auch über Nacht vor Ort und es wurden erneut Camps und Versorgungsstrukturen aufgebaut. Im Vergleich zur zweiten Aktionswoche, war die Zusammensetzung des Camps wieder deutlich diverser. Tagsüber fanden Workshops und Diskussionen statt, es gab Kinderprogramm und Führungen durch den Wald. Gleichzeitig waren dutzende Menschen in den Wald gekommen, um sich an direkten Aktionen gegen die Polizei und die Bauarbeiten zu beteiligen. Gleich am ersten Morgen der Aktionswoche, erwachten die Menschen vor Ort von dem Geräusch fallender Bäume. Eine kleine Bauarbeiter*innengruppe war dabei sich in den Wald vorzuarbeiten. Mit Steinen und Blockaden wurden diese Arbeiten kurzfristig blockiert. Gemeinsam wurde sich entschieden den Wald für die nächste Woche zu einer Cop freien Zone zu erklären. Wann immer sich die Cops näherten, wurde ihnen mit Steinen begegegnet, ihre Autoreifen wurden aufgeschlitzt und die Fenster eingeschmissen. Gleichzeitig begann auch die Kampagne gegen die Profiteur*innen und beteiligten Firmen an Cop City Fahrt auf zu nehmen.

Am 17. Mai 2022 kam dann die Rache der Cops. In den frühen Morgenstunden sammelten sich Wannen, Helikopter und Drohnen auf dem Geländer der Prison Farm, um das dort errichtete Camp zu stürmen. Beteiligt an der Razzia waren Cops aus Atlanta, die Abteilung für Innere Sicherheit, ein Bombenentschärfungsteam, eine Antiterrorismuseinheit und weitere.

Mit Steinen und Molotov Cocktails wurde die Verteidung des Camps aufgenommen. Auf der anderen Seite des Parks wurden mehrere Menschen festgenommen, keine der Verteidiger*innen der Prison Farm konnte fest genommen werden, insgesamt blieb die versuchte Zerstörung des Camps ohne Erfolg.

Zügig nach der dritten Aktionswoche, wurde für den Juli 2022 für eine vierte Woche mobilisiert. Eine Veröffentlichung der APF legte offen, dass die Rohdungen bereits Ende des Sommers beginnen sollten. Es bestand also dringender Handlungsbedarf.

Die vierte Aktionswoche brachte einen weiteren Aspekt in den Widerstand im Weelaunee Forest ein. Die Verbindung von Widerstand zu Kunst und Musik. Mehrere Gruppen organisierten ein großes Musikfestival während der Aktionswoche. Zahlreiche Musiker*innen und Sänger*innen beteiligten sich an den Konzerten im Wald, boten Workshops and und schliefen teilweise in den Camps.

Der Protest gegen Cop City wurde immer breiter, erreichte immer mehr Menschen aus den verschiedensten Spektren, sowie Viele, die vorher noch gar nicht politisch involviert gewesen waren. Es war offensichtlich, dass die Cops und die Stadt dies nicht einfach so geschehen lassen können und zum Gegenschlag ausholen würden:

Die Bewegung gegen Cop City wurde nun medial von den Cops und der Politik offen kriminalisiert und zum ersten Mal als Ökoterrorist*innen bezeichnet. Lügen und aufgebauschte Geschichten über die Gewalt der Waldverteidiger*innen wurden verbreitet. Wie zum Beispiel, dass sie Raubüberfälle begannen hätten und Schusswaffen eingesetzt hätten. Dieses Narrativ war die Grundlage, welche die Cops brauchten, um eine Welle der Gewalt und Repression zu legitimieren. [mehr dazu weiter unten]

Im Dezember rückten die Cops, in der selben Zusammensetzung wie bereits im Herbst, in den Wald vor, dieses Mal mit dem eindeutigen Ziel, Menschen vor Ort festzunehmen. Campstrukturen wurden zerstört, Besetzer*innen in Baumhäusern wurden bedroht. Menschen wurden durch den Wald gejagt und am Ende des Tages, waren fünf Menschen fest genommen worden und des Inlandsterrorismus beschuldigt. Trotz dieser hetigen Repression, blieb das Camp auf der alten Prison Farm stabil. Insgesamt erhöhte sich der mediale und Repressionsdruck gegen den Widerstand im Weelaunee Forest nun deutlich. Der Jahreswechsel war geprägt von vielen Sorgen. Um sich nicht unterkriegen zu lassen, wurden weiterhin täglich Treffen und öffentliche Veranstaltungen im Weelaunee Forest organisert, aber die weitere Strategie blieb eine offene Diskussion. Nun schalteten sich auch nationale konservative Politiker*innen mit medialen Kampfansagen in die Auseinandersetzung ein, auch Faschist*innen begannen den Widerstand im Wald aus zu spähen.

Der 18. Januar 2023 markierte den Tag, der von dortan allen im Gedächtnis bleiben würde. Da die lokale Polizei anscheinend nicht in der Lage war, die Camps im Wald zu zerstören, wurde nun die Georgia State Patrol entsendet. In den frühen Morgenstunden begannen die Cops erneut den Wald zu überfallen, gegen neun Uhr morgens waren 30 Schüsse zu hören, mit denen Tortuguita getötet wurde. Trotz dieses Mordes, stellten die Cops ihren Angriff nicht ein. Am Ende des Tages waren erneut fünf Menschen fest genommen worden und des Inlandsterrorismus beschuldigt.

Die Reaktionen auf den Mord kam unmittelbar. Täglich fanden Demonstrationen, Blockaden und direkte Aktionen über die gesamte USA hinweg statt. Auch viele linke Gruppen und NGOs fingen nach der Ermordung Tortuguitas vermehrt an, ihren Blick auf den Widerstand im Weelaunee Forest zu wenden.

Im März 2023 fand die fünfte Aktionswoche statt, zu der erneut hunderte Menschen in den Wald kamen. Am 5. März wurde die Cop City Baustelle massiv angegriffen und ein hoher Sachschaden verübt. Baucontainer und Fahrzeuge wurden zerstört und teilweise in Brand gesetzt. Nachdem ein riesiges Polizeiaufgebot das Gelände umstellt hatte, wurden 23 Menschen fest genommen und ebenfalls des Inlandsterrorismus beschuldigt, acht von ihnen befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft.

Der Widerstand gegen Cop City geht nun in das dritte Jahr, am 1. April haben Rohdungsarbeiten begonnen. Die Repression gegen die Verteidiger*innen ist härter geworden. Über dreißig Menschen werden mittlerweile des Inlandsterrorismus beschuldigt, das FBI hat die Ermittlungen übernommen. Jeden Tag gehen allerdings auch die direkten Aktionen gegen die Beteiligten und Profiteur*innen von Cop City weiter.

Die Ökobewegung in Turtle Island

Die Ausbeutung der Erde seit der Kolonialisierung und die Unterdrückung und ausbeutende Erschöpfung allen Lebens als kapitalistische Ressource gibt der Betrachtung aus ökologischer Perspektive ihren Rahmen. Seit dieser Zäsur in Turtle Island gibt es auch Widerstand dagegen, doch eine Beteiligung an diesem Kampf aus euro-amerikanischem anarchistischem oder anderem antiautoritär-radikalem Kontext mit Besatzerhintergrund, blüht erst seit den neuesten Landverteidigungskämpfen langsam wieder auf. Die Kämpfe gegen die Dakota Access Pipeline und gegen Coastal Gas Link, aber auch der Widerstand in Alberta  werden von breiten Teilen der Linken aber auch Anarchist*innen aufgegriffen.
Lange gab es starke Zurückhaltung von radikaler Intervention in ökologischen Fragen. Das scheint in großen Teilen zurückführbar zu sein auf die erfolgreiche Kriminalisierungswelle der 1990er und 2000er Jahre durch FBI (und CIA) gegen EarthFirst!, die ELF und ALF, auch bekannt als Green Scare.

Green Scare - Terrorismus und Aufstandsbekämpfung

Hatten diese Gruppen und Kontexte in den 1990er Jahren trotz konzerneigener Überwachungs- und Lobbyarbeit noch lange einen Vorsprung vor den staatlichen Repressionskräften, so wurden sie doch kurze Zeit später als Ökoterroristen zusammengefasst und als Inlandsterroristen zum neuen Staatsfeind erklärt. Aus der Roten Gefahr wurde die Grüne Gefahr.
Was mit COINTELPRO an Sozialist*innen, Schwarzem Nationalismus, der Schwarzen Befreiungsbewegung, Feminist*innen und anderen Staatsfeind*innen wie den Weathermen erprobt wurden, sollte auch hier weitergehen. Neben der Suche nach den Autor*innen diverser Angriffe wurde versucht die Bewegung zu spalten, infiltrieren und sowohl ihre Positionen als auch direkte Aktion durch Propaganda der Konzernmedien unglaubwürdig zu machen und als fremd und gefährlich erscheinen zu lassen. Für die reformistische und staatstreue Linke scheinen Medienspektakel und die drohende Repression ausgereicht zu haben um sich von ökologisch belegten Themen fernzuhalten. Mit dem Aufkommen von Ökologie als vereinahmbares Medienthema scheint im Gegenzug auch die Bezugname auf radikale Ökologische Kämpfe zuzunehmen wie die neuesten Landverteidigungskämpfe zeigten.

Ein weiterer Versuch - Kampf gegen die Welt der Cop City und zur Verteidigung des Weelaunee Forests       

Mit der Verbindung des sehr verständlichen und zugänglichen Kampfes gegen die Cop City in Atlanta mit dem ökologischen Blickwinkel und dem Angriffsziel der Welt, die Cop City und die Verwüstung des Planeten möglich macht, wurde ein Anknüpfpunkt geschaffen. Mit vielen Infoevents und einer starken Nutzung sowohl eigener, sozialer als auch etablierter Medien haben die Nachrichten über die Kämpfe unglaublich viele Menschen erreicht. Die Bezugnahme ist sowohl von anarchistischer Seite als auch von rechtsuchenden Bürger*innen sehr stark. Der Kampf gibt Mut und zieht als Knotenpunkt und Ausdrucksfläche viele Menschen an. Verschiedene Angriffe in Atlanta aber auch quer über Turtle Island machen klar, der Kampf hat eine anschlussfähige ökologische Perspektive aber geht darüber hinaus. Wenn das Projekt Cop City verschoben oder gestoppt wird ist wenig gewonnen solange diese rassistische, extraktivistische koloniale Realität fortbesteht.

Doppelte Repression?

Etwa zwei Jahre lang konnte der Kampf an Momentum gewinnen ohne ein großes offensichtliches Interesse der staatlichen Repressionsorgane zu ernten.

Seit 6 Monaten nun ist die Antwort sichtbar, auch die Bewegung um Weelaunee und die CopCity wird als Inlandsterrorismus verteufelt. Zunächst wurden 5 Menschen nach einer Räumung der Waldbesetzung festgenommen, nun sitzen über 30 Personen in U-Haft mit Terrorvorwürfen. Bei einer Razzia der Waldbesetzung am 18. Januar 2023 wurde Tortuguita ermordet. Unter dem Banner des Terrors ist mit stärkerer Überwachung und intensiveren Ermittlungen zu rechnen.

Auch eine Linke mit weniger Distanz zu Autorität und Macht ist von der Potenzialität dieses Kampfes angezogen. Das Vertrauen in die Medien, die strategische Kompromissbereitschaft, der Flirt mit der Politik, sind alles Tendenzen die leicht zur Manipulation und Vereinnahmung ausgespiellt werden können und allzuoft zur bewegungsinternen Reproduktion von Aufstandsbekämpfung führen.

Mehr kritische Betrachtungen gibt es unter anderem in folgenden drei Texten hier bzw. hier


Anmerkung zu dem Begriff Turtle Island

[entnommen aus In einer Welt der Ruinen. Gespräche von Indigener Anarchie. Ausgewählte Texte. Übersetzt aus dem Englischen]:

Turtle Island ist der Name, den Indigene Nationen, wie die Ojibwe/Anishinaabe verwenden, um sich auf jene Region der Welt zu beziehen, die heutzutage als Nordamerika bekannt ist. Der Name Turtle Island ist in traditionellen Schöpfungsgeschichten verwurzelt. Im Vorwort zu The Fight for Turtle Island offerierte Aragorn! ein weiteres Verständnis dieses Begriffs, «Wenn ich mich auf Turtle Island als kein Ort beziehe, ist es aus dem Grund, dass das Land, die Erde, die ich Turtle Island nenne, tatsächlich woanders ist, in einer anderen Zeit. Ich bin nicht so desilusioniert, dass ich denke, nur weil ich Turtle Island den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko vorziehe, dies ausreicht damit es auch so ist. Zwischen hier und dort befinden sich aufgestellte Armeen (die von diesen Staaten angestellt werden) und der Apparat, der sie unterstützt. Dort sind Priester:innen, Sozialarbeiter:innen, Lehrer:innen, Professor:innen und ernstzunehmende Menschen, die jede Stunde des Wachseins der Aufrechterhaltung der Mythologie der Manifest Destiny widmen, weil es eine billigere Methode ist, die Ordnung anstatt die Gewehrkugeln aufrechtzuerhalten. Als Ort, der nicht existiert (aber existierte) ist Turtle Island die Art von keinem Ort, von dem normalerweise als Mythos gesprochen wird. Vielleicht ist das wahr, vielleicht ist Turtle Island bloss eine fantastische Geschichte über Völker, die seither verschwunden sind, oder es ist die Geschichte über den Ort an dem ich lebe, die ich bevorzuge zu erzählen. Wenn ich auf Turtle Island und nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika lebe, kann ich zwischen meinem Leben und dem Leben unterscheiden, das mir gewaltvoll aufgezwungen wurde. Ich mag machtlos dem gegenüber stehen, aber manchmal fühlt es sich als bedeutend an, das ich, wenn ich könnte, nicht eine inspirierende Behauptung am Ende eines Filmes darüber aufstelle, wie wir gemeinsam stark sein können, sondern eine persönliche Erklärung darüber abgebe, dass ich mich auf der Seite eines Mythos befinde, gegen die Manifest Destiny, dass ich an so etwas wie Kampf glaube, wenn auch nicht an die Besonderheiten eines spezifischen Kampfes, dass ich auf dem Rücken von Schildkröten gehe und nicht auf dem sich schnell drehenden Globus, der ausrangiert wird, sobald die Mächtigen bereit sind ihn zu verlassen».

 

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