Über die Bedingungen unter denen wir Kämpfen und den Zustand der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum – Die Schaffung einer revolutionären plattformistischen Organisation
Das Jahr 2019 startet mit einer neuen anarchokommunistischen Organisation - "die plattform". Wofür wir stehen findest du hier in unserem ausführlichem Text!
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Einleitung
Salud!
Mit diesem Schriftstück haltet ihr unseren ersten öffentlichen Text (24 Seiten) in den Händen, das Startsignal für unsere Organisierung, den Anfang des Aufbaus einer neuen anarchokommunistischen Organisation für den deutschsprachigen Raum.
Wir sind neugierig und hoffnungsvoll was dieser Text in der anarchistischen Bewegung unserer Region auslösen wird. 2019 werden wir sehen wie fruchtbar der Boden für plattformistische Ideen in unserer Bewegung ist, wie stark unser Ansatz dazu beitragen kann den anarchistischen Kosmos auf die großen Aufgaben die vor uns liegen, auszurichten.
Dieser Text ist der Beginn eines Aufrufs der sich an alle Anarchist*innen und am Anarchismus Interessierte richtet:
Die Zeit des Verharrens ist vorbei! Die gesellschaftlichen Zustände spitzen sich von Jahr zu Jahr, weltweit sowie vor unserer Haustür, zu und wir sind zu schwach um in ausreichendem Maße darauf Einfluss zu nehmen.
Deswegen gilt dieser Aufruf gleich zu Beginn unseren geneigten Leser*innen die sich unser Papier zu Gemüte führen: Wenn dich das, was du liest, anspricht. Wenn du denkst, dass die Ideen, die hinter den folgenden Zeilen stecken, dir entsprechen. Kurzum:
Wenn der folgende Text eine Organisation skizziert, an der du Interesse hast mitzuwirken – zögere nicht, melde dich bei uns und lass uns gemeinsam die plattform aufbauen!
Auch wenn dein Interesse erst einmal nicht so weit reicht, du aber die Debatte zu den von uns aufgeworfenen Fragen vertiefen möchtest, erwidere gerne unseren Text mit einem eigenen.
Vor allem aber werden wir im April/Mai/Juni 2019 eine möglichst große Vortragsreihe durch den deutschsprachigen Raum unternehmen um unsere Ideen in möglichst vielen Räumen und Zentren vorzustellen und zu diskutieren.
Melde dich gerne frühzeitig bei uns, wenn du, deine Gruppe oder dein Raum Interesse habt eine Veranstaltung mit uns zu organisieren. Wir brennen darauf mit dir und euch ins Gespräch zu kommen. Nun aber keine Angst, es geht (überwiegend) nicht so pathetisch weiter! Im vorliegenden Text wenden wir uns grob 3 Themenbereichen zu:
• Über die Bedingungen unter denen wir kämpfen – Einschätzung des Status quo
• Zustand der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum – eine Betrachtung
• Auf zu neuen Ufern: Die Schaffung einer anarchokommunistischen Organisation für den deutschsprachigen Raum: die plattform aufbauen!
Klar sollte sein, dass auch in der langen Version unseres Textes viele Fragen offen bleiben, vieles nur angeschnitten werden kann und noch unfertig ist. Dennoch sind wir der Überzeugung eine gute Basis geliefert zu haben um diejenigen zu erreichen, welche ähnlich denken, fühlen und handeln (wollen) wie wir. Die mehr ins Detail gehende inhaltliche Analyse, strategische Ausrichtung, Struktur und Ausdrucksweise der Plattform werden immerhin alle Genoss*innen bestimmen, welche jetzt auf dem Weg im Laufe des Jahres dazu stoßen werden.
Nun wollen wir dich und euch aber nicht länger auf die Folter spannen, wir wünschen viel Freude beim Lesen und Diskutieren.
Initiative „die plattform“ – Dezember 2018
Über die Bedingungen, unter denen wir kämpfen – Einschätzung des Status quo
Eine Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen und Systeme, in denen wir leben, halten wir für äußerst wichtig. Die Analyse bestimmt den Ausgangspunkt für unsere Strategie, welche Mittel wir anwenden um die soziale Revolution zu erreichen, wie wir uns organisieren und so vieles mehr. Eine umfassende und bis ins Detail reichende Analyse aller gegenwärtigen Gesellschaftsbedingungen wollen wir hier nicht bieten. Eine detailliertere Aufarbeitung sehen wir als eine der Aufgaben, welchen sich die plattformistische Organisation zuwenden sollte.
Dennoch ist es uns wichtig skizzenhaft darzustellen, in welchen Ausgangssituationen und gesellschaftlichen Dynamiken wir aktuell eingebettet sind. Da wir alle in Deutschland sozialisiert wurden und dort seit Jahren und Jahrzehnten leben, prägt dieser Umstand unsere Sicht auf die gegenwärtigen Bedingungen notwendigerweise. Wir haben globale Entwicklungen im Blick, legen unseren Schwerpunkt in diesem Text aber vor allem auf die Gegebenheiten in Deutschland.
Klassenanalyse
Der Kapitalismus ist ein gesellschaftliches System organisierter Unterdrückung und Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse, die nicht viel mehr als ihre Arbeitskraft besitzt. Oder anders ausgedrückt:
Zur lohnabhängigen Klasse gehören alle Menschen, die nicht von der Arbeit anderer oder durch eigenes Eigentum leben können. Sie wird durch die Klasse der Kapitalist*innen unterdrückt, welche die Unternehmen, Fabriken, Häuser oder Großgrundstücke/Ressourcen besitzt und kontrolliert.
Beide Klassen haben grundlegend unterschiedliche Interessen, die sich nicht vereinen lassen. Grundlage der Ausbeutung und Unterdrückung der lohnabhängigen Klasse stellt das Privateigentum (an Produktionsmitteln, Ressourcen und lebenswichtigen Gütern) dar.
Der Staat sichert mittels institutioneller, direkter und indirekter Gewalt diese kapitalistischen Eigentumsverhältnisse.
Obwohl diese über hundert Jahre alten Erkenntnisse immer noch aktuell sind, gibt es im Vergleich zu den damaligen Verhältnissen Unterschiede im Detail: Das Klassenverhältnis ist heutzutage viel fragmentierter als damals. So gibt es beispielsweise durch das Franchise-Konzept¹ eine Heerschar kleiner Chef*innen, welche unter ihrer Anstellungsgewalt Leute stehen haben, die sie auch entlassen können. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst jederzeit ersetzbar und ebenso lohnabhängig, nur eben mit einem etwas größerem Stück vom Kuchen. Ebenso existiert das unmittelbare Gewaltverhältnis der Repressionsorgane gegen die Lohnabhängigen weiterhin.
Allerdings funktioniert ein Großteil der Beherrschung subtiler. Dieses staatlich-kapitalistische System sorgt schon bevor die Leute überhaupt auf den Gedanken kommen auf die Straße zu gehen und gegen ihre Unterdrückung zu kämpfen für die scheinbare Befriedung des Klassengegensatzes.
Techniken der Befriedung sind unter anderem Vereinzelung und Atomisierung sozialer Beziehungen, Legitimierung von Herrschaft durch scheinbare Mitbestimmung², Ablenkung von gesellschaftlichen Zuständen durch Konsummöglichkeiten (Waren, Dienstleistungen, bestimmte Drogen) oder immer noch hoher Lohnarbeitszeit, rechtlich und gesellschaftlich verankertes Sozialpartnerschaftsprinzip, einer umfassenden Propaganda der Alternativlosigkeit von Kapitalismus und Herrschaft und zuletzt ein umfassender Repressionsapparat. Die strukturelle Ausbeutung und Unterdrückung sowie der gegenseitige Konkurrenzkampf der Massen durch die Lohnarbeit, wird jedoch im Sinne der herrschenden Klasse aufrechterhalten.
¹ Beim Franchise-Konzept überlassen Unternehmen gegen Bezahlung und bestimmten Bedingungen ihr Geschäftskonzept (Nutzungsrechte an Marken, Warenmustern oder Geschmacksmustern) Geschäftsleuten. So können diese vor Ort beispielsweise ein Fast-Food-“Restaurant“ wie McDonalds, ein Apollo-Optikergeschäft oder einen Obi-Baumarkt betreiben.
² Wahlen, Bürgerbefragungen, Runde Tische sind Beispiele für die Einbeziehung von Bürger*innen, ohne dass diese grundlegende Entscheidungen treffen dürfen.
Kurze Analyse der kapitalistischen Funktionsweise
Der Kapitalismus stützt sich auf das Privateigentum an Produktionsmitteln. Die Produktionsmittel (Fabriken, Anlagen, Maschinen, Rohstoffe, Boden) sind in der Hand der Klasse der
Kapitalist*innen. Da die Klasse der Lohnabhängigen per Definition keine Produktionsmittel besitzt, kann sie nicht selbstständig Güter zu ihrer Bedürfnisbefriedigung herstellen. Um ihre Bedürfnisse decken zu können, muss die Klasse der Lohnabhängigen deshalb ihre Arbeitskraft an die Klasse der Kapitalist*innen verkaufen und steht dabei in Konkurrenz zueinander. Die Lohnabhängigen erhalten dabei nur einen geringen Teil dessen als Lohn ausbezahlt, was sie an Werten (Güter, Dienstleistungen) erarbeitet haben. Die Differenz zwischen ausgezahlten Löhnen und erarbeiteten Werten (Mehrwert) streichen die Kapitalist*innen als Profit ein. Damit bleibt der Großteil der von der lohnabhängigen Klasse erarbeiteten Werte in den Händen der Klasse der Kapitalist*innen.
Der materielle Reichtum der Gesellschaft wird von der Klasse der Lohnabhängigen produziert, bleibt aber im Besitz der Eigentümer*innen der Produktionsmittel und des Bodens.
Produktion und Konsum werden im Kapitalismus über den Markt gesteuert. Die Unternehmen stehen im Kapitalismus daher ebenfalls in Konkurrenz zueinander. Das Kapital muss Profit erwirtschaften, es muss sich verwerten, um auf dem Markt bestehen zu können.
Die Unternehmen müssen einen Teil ihres Gewinns wieder investieren, um ihre Marktanteile zu verteidigen, auszubauen oder neue zu erschließen; kurz: um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.
Dies kann verschiedene Formen annehmen wie z.B. neue Konsument*innengruppen erschließen, (vermeintlich) bessere Produkte anbieten, günstiger produzieren (das heißt beispielsweise günstigere Produktionstechniken einzuführen; oder auch Standortkosten oder Lohnkosten zu senken), Konkurrenzunternehmen aufkaufen oder mit diesen fusionieren.
Sie stehen dabei jedoch alle unter demselben Druck noch mehr Profit zu erzielen. Deshalb produzieren die Unternehmen vorrangig nicht das, was zur Bedürfnisbefriedigung der Menschen benötigt wird, sondern was Profit verspricht.
Im Zentrum der kapitalistischen Funktionsweise stehen also nicht die Bedürfnisse der Menschen, sondern das Erzielen von (möglichst hohem) Profit und Kapitalverwertung. Obwohl der Kapitalismus ein enormes Maß an Reichtum produziert, sind durch das Bestehen von Privateigentum und der Warenaustausch über den Markt ein Großteil der Menschen von diesem
Reichtum ausgeschlossen.
Die Versorgung und Lebensbedingungen der Menschen sind im Kapitalismus zweitrangig: Ökologisch nachhaltig und sozial zu produzieren funktioniert nicht im Kapitalismus aufgrund der Konkurrenzsituation und dem Zwang Gewinne zu erwirtschaften.
Die Folgen dieses globalen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems sind Armut, Umweltzerstörung, Existenzunsicherheit, elende Lebensverhältnisse und Kriege. Sie dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern sind Teil der kapitalistischen Logik.
Patriarchat
Als eine der wirkmächtigsten Unterdrückungsstrukturen besteht das Patriarchat weltweit weiterhin fort. Das Patriarchat ist das weltweit vorherrschende System der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen¹ aller Altersstufen, Körperlichkeiten, Klassen, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und Religionen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Es durchdringt und wirkt in alle Lebensbereiche: Von der Stellung der Frau in der Gesellschaft, über verschiedene Formen der Ausbeutung bis hin zu unseren alltäglichen Beziehungen. Jedem Menschen wird spätestens nach der Geburt eines der beiden Geschlechter (weiblich oder männlich) zugewiesen – gerade auch wenn die körperlichen Merkmale nicht eindeutig sind.
Diese Zweiteilung der Geschlechter und die gewaltsame Zuordnung ist die Grundlage des Patriarchats. Die Frauen (sowie auch alle anderen Nicht-cis-Männer²) erhalten durch die Zuweisung des weiblichen Geschlechts einen niedrigeren gesellschaftlichen Status. Sie werden dem Mann untergeordnet. Damit einher gehen Rollenverteilungen nach Geschlechtern, die geschlechtliche Arbeitsteilung, welche Frauen reproduktive Tätigkeiten zuordnet sowie die männliche Verfügungsgewalt über Frauen. Um das Patriarchat aufrecht zu erhalten, erfahren Frauen
psychische, körperliche, sexuelle, politische und strukturelle Gewalt.
Das Patriarchat ist eng verwoben mit weiteren Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen wie Kapitalismus oder Rassismus. So werden Frauen nicht nur aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt, sondern auch in den kapitalistischen Verhältnissen durch die kapitalistische Arbeitsteilung doppelt ausgebeutet:
Bei der Lohnarbeit und bei den Reproduktionsarbeiten. Denn Frauen sind im Vergleich zu Männern in schlechter bezahlten und prekäreren Lohnarbeitsverhältnissen. Und sie übernehmen im Vergleich zu Männern immer noch den Großteil der Aufgaben wie Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Kochen, Putzen sowie die emotionale Fürsorge- und Beziehungsarbeit. Diese Arbeiten werden (beruflich wie im privaten Rahmen) in der patriarchalen Gesellschaftsordnung weniger anerkannt und geringer bezahlt als andere Arbeitsbereiche. Nicht-weiße Frauen werden zusätzlich noch rassistisch unterdrückt. Das Patriarchat kann somit nur in Verbindung mit Kapitalismus, Rassismus und allen weiteren Unterdrückungsmechanismen gesehen und bekämpft werden.
Auch wenn sich im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahrzehnten immer wieder Verbesserungen erkämpft und verwirklicht wurden, wirkt das Patriarchat weiterhin in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Bewertung dieser Entwicklungen fällt widersprüchlich aus. Auf der einen Seite: Erkämpfte rechtliche Reformen (z.B. in Bezug auf Gewalt in Beziehungen, rechtliche Gleichstellung von Frau und Mann in vielen Bereichen), die zumindest auf dem Papier eine Verbesserung für Frauen darstellen, aber im Alltag noch zu wenige Verbesserungen bringen;
eine Ausweitung der gesellschaftlichen Teilhabe von Frauen; eine Liberalisierung der Geschlechterpolitiken in bestimmten Bereichen.
Diesen Erfolgen stehen auf der anderen Seite entgegen: Weiterhin fehlende grundlegende Rechte (wie beispielsweise das uneingeschränkte Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch); die Ungleichbezahlung von Frauen im Vergleich zu Männern im Erwerbsleben; oder ein gesellschaftlicher Backlash (Rückfall), der u.a. auch durch den Vormarsch eines konservativen Frauenbildes zum Ausdruck kommt.
Der Kampf gegen das Patriarchat ist nicht nur eine Angelegenheit der Frauen – auch Männer sind aufgefordert sich in Kämpfe einzubringen sowie sich und ihre Rolle im patriarchalen Kapitalismus (kollektiv) zu reflektieren. Nur gemeinsam und kollektiv können patriarchale Strukturen überwunden werden. Die Aufhebung von geschlechterspezifischer Unterdrückungsstrukturen (wie bspw. Lohnarbeit und reproduktive Arbeiten) oder die gleichberechtigte Rolle innerhalb der Gesellschaft und unserem Miteinander können wichtige Schritte in diesem Kampf darstellen.
Unsere Perspektive im Kampf gegen das Patriarchat bleibt die Abschaffung des gesellschaftlich zugeordneten Geschlechts als tiefgreifendes Herrschaftskonstrukts unserer Gesellschaft.
¹ Die gesellschaftlich wirkmächtigen Geschlechtskategorien „Frau“ und „Mann“ betrachten wir als sozial konstruiert und nicht natürlich. Dies bedeutet auch, dass es mehr als nur diese beiden Geschlechtsidentitäten gibt.
² Cis-Mann meint alle Personen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und die sich selbst als männlich einordnen.
Soziale Situation
An dieser Stelle erscheinen uns folgende Entwicklungen besonders erwähnenswert: Wachsender ökonomischer und sozialer Druck auf die lohnabhängige Klasse in Deutschland, sowie Angriffe gegen unsere Grundrechte.
Bis in die 1980er Jahre wuchsen die sozialstaatlichen Sicherungssysteme in der BRD und deckten Notlagen in vielen Lebensbereichen zu einem gewissen Maß ab – wenn auch nicht für alle Menschen der lohnabhängigen Klasse in Deutschland. Seitdem erleben wir den fortschreitenden Abbau dieser Sicherungssysteme.
Gründe hierfür sind unter anderem der zunehmende Einfluss des Neoliberalismus (= Kapitalismus ohne soziale Komponenten durch den Staat) sowie eine zugespitzte globale Konkurrenz und gesteigerter Klassenkampf von oben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Teile dieser Entwicklung sind Privatisierungen, die staatliche Kürzung sozialer Leistungen, die Koppelung von Sozialleistungen an die Erfüllung strenger Anforderungen¹ und damit eine schleichende Aushebelung des Versicherungsgedanken der staatlichen Sozialversicherungssysteme. Die Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme sorgen für eine materielle Not und soziale Ausgrenzung von immer mehr Menschen unserer Klasse. Gleichzeitig verbreiten sich Abstiegsängste und Anpassungsdruck. Die zugespitzte globale Konkurrenz hat trotz deutlicher Produktivitätssteigerungen eine Erhöhung der tatsächlichen Lohnarbeitszeit und der Anforderungen am Arbeitsplatz zur Folge. Nachhaltig wirkende Protest- und Widerstandsformen sind kaum verbreitet und wo diese existieren, beschränken sie sich zum Großteil auf individuelle Handlungen von Einzelpersonen. Diese Handlungen bleiben damit für Außenstehende unsichtbar und in ihrer Wirkung wenig erfolgreich. Aber sie können anschlussfähig für kollektiv geführteKämpfe werden.
Ein weiterer Faktor wachsenden sozialen und ökonomischen Drucks auf die Klasse der Lohnabhängigen sind Gentrifizierungsprozesse² sowie generell steigende Mieten – in bestimmten Regionen in erheblichem Ausmaß. Die Aufwertungsprozesse ganzer Stadtviertel mit einhergehender Verdrängung der bisher dort Wohnenden haben nicht nur den Verlust ihrer Wohnung zur Folge, sondern auch den Verlust aller Aspekte des gewohnten Wohnumfelds und können auch die damit verknüpften sozialen Beziehungen beschädigen. Nicht zuletzt erleben wir einen drastischen Angriff auf gesellschaftliche Grundrechte: Durch striktere Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen werden immer mehr Menschen den staatlichen Gewalt- und Kontrollmechanismen unterworfen.
Der Abbau der Unschuldsvermutung, die Ausweitung präventiver Repressionsmaßnahmen sowie Verschärfungen der Überwachungs-/ Polizeiaufgabengesetze und (Mindesthaft-)Strafen sind Ausdruck der aktuellen Entwicklung.
¹ z.B. in Form der Hartz-Gesetze
² Kapitalistische Vertreibungs- und Verdrängungspolitik zum Nachteil von Menschen mit wenig Einkommen
Die Rolle des Bildungssystems
Eine zentrale Rolle in der Durchsetzung der Herrschaftsverhältnisse spielt das Erziehungs- und Bildungssystem. Schule als wichtigste Erziehungs- und Bildungsinstitution ist dabei Teil der Klassengesellschaft: Die Klasse der Kapitalist*innen hat zahlreiche Möglichkeiten den Bildungserfolg ihrer Kinder zu fördern: Sie kann ihren Kindern individuelle Unterstützungs- und Förderangebote (wie beispielsweise Einzelnachhilfe oder Musikunterricht, Sprachreisen, teure Lernmittel) bieten und ihre Kinder auf (besser ausgestattete) Privatschulen schicken.
Die Kinder der lohnabhängigen Klasse haben aufgrund ihrer finanziellen Situation deutlich schwereren Zugang zu diesen individuellen Förderangeboten. Selbst die Grundausstattung an Lernmaterialien (Bücher, Schreibhefte, Stifte etc.) ist für die am schlechtesten gestellten unserer Klasse keine Selbstverständlichkeit. Außerdem teilt das 3-gliedrige Schulsystem alle Kinder immer noch stark nach ihrer Klassenzugehörigkeit ein¹:
Kinder aus wohlhabenderem Elternhaus besuchen überproportional häufig Gymnasien, im Gegensatz zu Kindern aus materiell schlechter gestelltem
Elternhaus.
Die Klassenherkunft zeigt sich also auch im Schulsystem. Und gleichzeitig zementiert das Schulsystem die Klassenzugehörigkeit. Schule dient der Disziplinierung der Kinder. Sie formt die Kinder zu möglichst gehorsamen, angepassten Erwachsenen. Und Schule gewöhnt die Kinder an die gegenseitige Konkurrenz in der kapitalistischen Gesellschaft.
Der Mittelpunkt des heutigen Bildungssystems stehen nicht die Interessen, Bedürfnisse sowie die individuellen Stärken und Schwächen der Kinder. Stattdessen gibt es ein für alle genormten Lehrplan, bei dem diejenigen belohnt werden, welche den gestellten Anforderungen gerecht werden können. Diejenigen, welche dies nicht können oder wollen, werden bestraft und aussortiert. Unter anderem über das 3-gliedrige Schulsystem sollen die Kinder möglichst gezielt für die benötigten Grundfertigkeiten der kapitalistische Wirtschaft (und damit für die kapitalistische
Klasse) herangebildet werden.
Dabei geht es nicht darum, dass jedes Kind einen möglichst hohen Bildungsabschluss erreicht, sondern dass alle unterschiedlichen Fertigkeiten- und Bildungsniveaus und damit alle Aufgabenbereiche der kapitalistischen Wirtschaft abgedeckt werden.² (Vielseitige) Bildung als Wert an sich steht dabei nicht im Vordergrund.
¹ Angemerkt werden kann, dass in den letzten Jahrzehnten der Zugang zu „höherer“ Bildung für die lohnabhängige Klasse etwas leichter geworden ist. Dennoch gibt es auch innerhalb der lohnabhängigen Klasse nochmals deutliche Unterschiede im Zugang zu Bildungsmöglichkeiten (erschwerten Zugang haben beispielsweise Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder aus „klassischen“ Arbeiterfamilien)
² Diese reichen von Führungsaufgaben, theoretisch-abstraktem Denken über praktisch-handwerklichen Fertigkeiten bis hin zu „einfachen“ Arbeiten ohne spezialisierte Kenntnisse.
Parlamentarismus
Ein nicht unbedeutender Teil der lohnabhängigen Klasse in Deutschland erwartet von parlamentarischen Wahlen keine positiven Veränderungen ihrer gesellschaftlichen Situation¹.
Dennoch ist der Glaube, dass gesellschaftliche Veränderungen nur auf parlamentarischem Wege über Parteiorganisationen in die Wege geleitet werden können, in der Bevölkerung fest verankert². Die politischen Parteien und Institutionen bieten keine Lösungen auf die gesellschaftlichen Fragen und Probleme, sondern höchstens Scheinlösungen wie beispielsweise mehr demokratische Anhörung der Menschen oder höheres Wirtschaftswachstum. Dieser Umstand führt bislang nicht zu einem größeren Anwachsen der außer- bzw. antiparlamentarischen sozialen Bewegungen. Stattdessen wechseln die Wähler*innen von einer Partei zur anderen, flüchten in die Passivität oder wenden sich reaktionär-autoritären Gesellschaftsentwürfen zu.
Wir halten grundlegende gesellschaftliche Verbesserungen durch jede Art von parlamentarischer Demokratie für unmöglich. Dies schließt die Eroberung der politischen Machtzentren durch eine linke/sozialistische/kommunistische Partei mit ein. Alle Parteien sind ins kapitalistische System eingebunden und müssen nach den Logiken des Kapitalismus agieren.
Sie erhalten mittels Gesetzen und ideologischer Einbindung der Bevölkerung die Rahmenbedingungen des Kapitalismus nach
innen. Beispielsweise mussten auch linke Regierungen wie „Syriza“ in Griechenland kapitalistische Sachzwänge durch Spardiktate einhalten. Gleichzeitig sorgen die politischen Parteien dafür, dass die staatlichen Rahmenbedingungen ständig an die krisenhaften Situationen angepasst werden, die der Kapitalismus wiederkehrend produziert. Nach außen sind alle Parteien der Standortkonkurrenz unterworfen.
Auch wenn wir den Parlamentarismus ablehnen, ist es wichtig wahrzunehmen, was auf parteipolitisch-parlamentarischer Ebene passiert. Denn die getroffenen parlamentarischen Entscheidungen haben immer auch Auswirkungen auf unsere Lebensbedingungen.
Dies betrifft beispielsweise soziale Kürzungen oder die Verschärfungen der Repressionsapparate. So sind die Parteien nicht in der Lage, die Alternative für Deutschland (AfD) einzudämmen. Im Gegenteil erhält die AfD als rassistische (in einigen, zunehmend an Einfluss gewinnenden Teilen völkischnationalistische) Partei massive Legitimation durch Wahlen. Die Instabilität des Parlamentarismus³, sowie der Faschismus als Ausweg des Kapitals in zugespitzten Krisenzeiten müssen wir zusammen
immer mitdenken und uns frühzeitig darauf vorbereiten.
¹ Weshalb sie zum Beispiel nicht wählen gehen.
² Das Wissen, der Glaube und die Fantasie, dass Gesellschaftsveränderungen auch ohne Parteien oder Wahlen möglich sind, ist wenig ausgeprägt in der deutschen Bevölkerung.
³ Diese Instabilität der parlamentarischen Demokratie kann grundsätzlich auch Chancen zur Ausweitung von Selbstverwaltungsstrukturen bieten. Aktuell ist in Deutschland die Gefahr eines aufkommenden Faschismus jedoch deutlich höher zu bewerten.
Globaler Rechtsruck
Zunächst müssen wir feststellen, dass es im deutschsprachigen Raum schon immer ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung gegeben hat, der einzelne rassistische, faschistoide oder sozialchauvinistische Einstellungen bis hin zu einem geschlossenen faschistischen Weltbild
vertreten hat. Diese Einstellungen wurden zeitweise offensiver in die Öffentlichkeit getragen, zeitweise nur im privaten Rahmen ausgesprochen. Auf gesellschaftlicher, institutioneller und politischer Ebene gab es in der BRD nach 1945 in vielen Bereichen ein Fortbestehen der nationalsozialistischen Ideologie – ein nicht zu unterschätzendes Maß überdauert bis heute. Und es gab in der Vergangenheit Deutschlands nach 1945 Phasen, in denen mehrere Aspekte rechter Gewalt zeitgleich zusammentrafen:
Eine über das übliche Maß in Häufigkeit und Schwere hinausgehende Auftreten rechter Gewalttaten; offene Hetze und Ablehnung gegen Minderheiten und Nicht-Deutsche durch einen größeren Teil der Bevölkerung; eine Häufung von reaktionären Forderungen und Diskursen in der Öffentlichkeit; eine Häufung autoritär-restriktiver Gesetzesänderungen (z.B. im Bereich Asyl und Repression/Überwachung).
In einer solchen Phase befinden wir uns aktuell wieder – in Deutschland, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt.
Global betrachtet lässt sich ein deutliches Erstarken rechtsradikaler, autoritär-nationalistischer und faschistischer Parteien und Bewegungen beobachten. In vielen Staaten regieren autoritärnationalistische
bis faschistische Parteien/Regierungschefs (Brasilien, Österreich, Polen, Türkei, Ungarn, USA etc.). Staaten wie die Türkei oder Ungarn entwickeln sich infolge des autoritären Umbaus durch ihre Regierungen zu faschistischen Regimen. In Staaten wie Ägypten, Frankreich, Tunesien oder der Türkei wurde in den letzten Jahren der Ausnahmezustand über längere Zeit verhängt.
In Frankreich und der Türkei wurde dieser Ausnahmezustand von den Regierungen dazu genutzt die Gesetzgebung so anzupassen, dass der rechtliche Ausnahmezustand in vielen Bereichen zum gesetzlichen Normalzustand geworden ist. Mit Blick auf Deutschland lassen sich allerdings einige Unterschiede im Vergleich zu den letzten
Jahrzehnten ausmachen:
Mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat sich in den letzten Jahren eine rassistische, in Teilen völkisch-nationalistische Partei auf EU- und Bundesebene sowie allen Landesparlamenten bis hin zur kommunalen Ebene etabliert.
Sie schafft es, dass ein Teil ihrer menschenverachtenden Forderungen von den regierenden Parteien umgesetzt werden. Der öffentliche Diskurs hat sich von der CDU/CSU bis zur Linkspartei, aber auch in den Medien und anderen gesellschaftlichen Institutionen nach rechts verschoben. Gleichzeitig ist die rechte bis völkisch-nationalistische Bewegung heute besser und breiter aufgestellt als in der Vergangenheit. Sie handelt effektiver: Dies wird deutlich in einer größeren Dominanz in Medien und im öffentlichen Raum sowie eine weite Verbreitung ihrer Inhalte. Und nicht zuletzt durch ihre tägliche Gewalt im Alltag und auf der Straße.
Eine enorme Dynamik rechter Aktivitäten und Einflussnahme gab es infolge der im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegenen Anzahl Asylsuchender ab 2015 in Deutschland. Wechselwirkungen und damit eine Aktivierung bzw. Verstärkung vorhandener rechter Stimmungen ergaben sich infolge einer erhöhten medialen Berichterstattung und Online-Diskussionen. Allerdings war dies nur der Auslöser für den Rechtsruck und dem zusätzlichen Erstarken der Rechten.
Die Ursachen lassen sich auf mehrere, sich überlagernde gesellschaftliche Konfliktlinien zurückführen:
a) Teile der Bevölkerung lehnen die (von ihnen gesellschaftlich dominant wahrgenommenen) liberal-weltoffenen Werte und zunehmende Vielfalt der Identitäten und Lebensentwürfe ab zugunsten eines homogenen, traditionalistischen und nationalistischen Gesellschaftsentwurfes.
b) wirtschaftliche Gründe wie wachsende ökonomische Ungleichheit, im Kapitalismus immer wiederkehrende „Wirtschaftskrisen“, Unübersichtlichkeit einer komplexen globalen Ökonomie, Abbau sozialer Sicherungssysteme (z.B. durch die Hartz-Gesetzgebung) und anderer erkämpfter sozialer Errungenschaften. Aus diesen Entwicklungen ergeben sich erhöhter Druck und Ausgrenzungsmechanismen sowie verbreitete Abstiegsängste für bestimmte Bevölkerungsteile.
c) fehlender Kontakt der deutschen Mehrheitsbevölkerung mit Migrant*innen und verschiedenen Kulturen (vor allem in Ostdeutschland). Dadurch findet kein Abbau von rassistischen oder fremdenfeindlichen Einstellungen und Ressentiments statt. Die pauschale Ablehnung des
„Fremden“/“Anderen“ bleibt unhinterfragt bestehen. An dieser Stelle hat der Islam als Feindbild der (Neuen) Rechten seit den 1990ern eine immer wichtigere Rolle in dieser Dynamik bekommen.
d) das Gefühl die bestehenden Parteien und Institutionen handeln entgegen der Interessen der Bevölkerung, eine damit einhergehende politische Unzufriedenheit, welche in Deutschland die Hinwendung zu rechten Einstellungen begünstigt.
Wenn wir dem Rechtsruck etwas entgegensetzen wollen, reicht es nicht aus die Rechten aktiv zu bekämpfen. Wir müssen die Ursachen rechter Zustimmung in der Bevölkerung analysieren und darauf aufbauend wirkungsvolle Strategien entwickeln.
Ökologische Situation
Der aktuelle Klimawandel sorgt dafür, dass die Lebensbedingungen der Menschen in fast allen Teilen der Welt sich verschlechtern:
Vermehrte Überschwemmungen, Dürreperioden, Stürme und Unwetter gefährden Menschen(leben) direkt und indirekt (u.a. durch die Verschlechterung der Ernährungssituation oder den Verlust der Lebens- und Einkommensgrundlage).
Dabei ist der Klimawandel keine schicksalhaft über uns hereingebrochene Naturkatastrophe, sondern hat seinen Ursprung in den fatalen sozialen Verhältnissen des Kapitalismus – genauso wie die Ausbeutung und Zerstörung der Natur durch rücksichtslosen Ressourcenverbrauch, naturvergiftende industrielle Verfahren oder das endlose Anwachsen von (Plastik-)Müllbergen. Das in der Logik des Kapitalismus verankerte Streben nach kurzfristigem und maximalem Profit steht in Widerspruch zur langfristigen Bewahrung der (ökologischen) Lebensgrundlagen. Gleichzeitig sind viele Menschen durch ihre ökonomische Abhängigkeit gezwungen sich entgegen ihrer Interessen an den ressourcenintensiven und zerstörerischen Ausbeutungsverhältnissen zu beteiligen.
Dabei ist die ökologische Ausbeutung eng mit anderen Ausbeutungsverhältnissen verwoben; diese bedingen und verstärken sich gegenseitig:
Durch die umweltzerstörende kapitalistische Produktionsweise steigt die Erderwärmung – dadurch wird das Ackerland vieler Kleinlandwirt*innen unnutzbar. Die Folge: Sie verlieren ihre Lebensgrundlage und werden gezwungen in die größeren Städte zu fliehen um dort in Großfabriken zu arbeiten, welche den Klimawandel weiter anheizen. Ein anderes Beispiel ist die Ausbeutung von Tieren in der Massentierhaltung, die ebenfalls negative Effekte auf den Klimawandel hat. Im Vergleich zum Großteil der Menschen im globalen Süden, sind wir im deutschsprachigen Raum bisher noch vergleichsweise gering von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen, wenngleich Entwicklungen wie das Insektensterben auch hier fatale Auswirkungen mit sich bringen. Die Erhaltung der Umwelt ist eine globale Aufgabe im gemeinsamen Interesse der Menschheit – deshalb liegt es auch in unserer Verantwortung hier vor Ort Kämpfe zu führen, gegen die Ursachen der ökologischen Katastrophe und in Solidarität mit den Menschen weltweit.
Technologischer Wandel und Digitalisierung
Bei der Analyse und Bewertung vergangener und aktueller Innovationen unterscheiden wir die Begriffe „Technik“ und „Technologie“ in Anlehnung an das capulcu-Kollektiv: Technik meint die Nützlichkeit von Gegenständen. Im Unterschied dazu wohnt Technologie der gewaltsame „Versuch der Unterwerfung aller Dimensionen der Gesellschaft“¹ inne.
Wenn wir von dieser Unterscheidung ausgehen, müssen wir jede Neuerung auf ihren Nutzen und ihre Wirkung überprüfen. Innovationen können für uns geeignet sein: Wenn sie (körperlich) schwere, zeitintensive, gesundheitsgefährdende oder monotone Arbeitsmethoden übernehmen oder erleichtern; wenn sie gleichzeitig hinsichtlich ökologischer Auswirkungen und Herstellungsaufwand unbedenklich sind; und wenn sie keine tiefgreifenden Abhängigkeiten erzeugen. Einige Innovationen haben einen doppelseitigen Charakter: Einerseits lassen sie sich bei richtiger Anwendung emanzipatorisch nutzen.
Andererseits wird ihnen im Kapitalismus negative Mechanismen eingeschrieben, wie beispielsweise Überwachungs- und Ausspähtechniken (z.B. bei Handys), sodass ihre emanzipatorischen Möglichkeiten stark eingeschränkt werden. Wichtig scheint uns technische Innovationen nicht perse zu verdammen, sondern sie immer auf ihre (emanzipatorische) Nützlichkeit zu überprüfen oder wenn möglich dahingehend anzupassen oder weiterzuentwickeln.
Im Kapitalismus entworfene technologische Neuerungen tragen die kapitalistischen Logiken von Profitmaximierung, Verwertung oder Konkurrenz in sich und befördern diese in unseren Lebensalltag. Technologien, die umfassende Einsatzmöglichkeiten bieten und damit potentiell in all unsere Lebensbereiche eindringen können, waren und sind beispielsweise die Fließbandtechnik (Zerteilung des Produktionsprozesses in kleinste Einzelschritte, Neuordnung dieser Einzelschritte nach maximaler Effizienz) oder gegenwärtig viele Formen der Digitalisierung mittels Algorithmen (künstliche Intelligenz).
Die Digitalisierung ist jetzt schon in nahezu jeden unserer Lebensbereiche vorgedrungen. Sie schafft schon jetzt großen Anpassungsdruck des Menschen an die Maschine, indem sie beispielsweise in der Logistik den Arbeiter*innen vorgibt, was sie wann, wie und in welcher Geschwindigkeit tun sollen². Oder indem sie im Privatleben bestimmte Informationen gezielt zugänglich macht bzw. vorenthält³. Sogenannte „Smart City“-Technologien oder das „Social credit system“ in China sind weitere, heute schon angewendete Beispiele4.
Die Gefahren dieser neuen technologischen Erfindungen liegen in der Schaffung von Abhängigkeiten und einem neuen Niveau der Fremdbestimmung; Vereinzelung und damit voranschreitende Entsolidarisierung der Individuen zueinander; ein ungeahntes Ausmaß an Überwachung und sozialer Kontrolle, welches den schon vorhandenen gesellschaftlichen Konformitätsdruck weiter erhöhen wird. Die Digitalisierung wird uns als alternativlos und notwendig verkauft. Dabei löst sie keine gesellschaftlich relevanten Probleme (wie Klimawandel, Wohnungsnot, Energie-Problem, Pflegenotstand), sondern trägt eher noch zu deren Verschärfung bei. Durch ihre Wirkungsweise ökonomisiert sie bisher noch nicht (vollständig) erschlossene Lebensbereiche. Für die herrschende Klasse bietet die Digitalisierung noch mehr Profit sowie den Ausbau ihrer Herrschaft über die untere Klasse – für die lohnabhängige Klasse hat die Digitalisierung vor allem noch mehr Fremdbestimmung und Fragmentierung der sozialen Beziehungen zur Folge. Das Ausmaß und die negativen Folgen der Digitalisierung in den kommenden Jahren auf unseren Alltag, die Lohnarbeit und unsere sozialen Beziehungen lassen sich bisher nur erahnen.
¹ capulcu – „Disrupt! Widerstand gegen den technologischen Angriff, 2017
² Beispielsweise wird den Amazonlagerarbeiter*innen vom maschinellen Algorithmus ihre Routen im Lager vorgeschrieben
³ Beispiele sind die Google-Suche oder Facebook
4 Mehr Informationen zu den bisher genannten Technologien bieten die Texte von capulcu in: „Disrupt! Widerstand gegen den technologischen Angriff, 2017
Der Zustand der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum – eine Betrachtung
Allgemein betrachtet stellen wir fest, dass es aktuell im deutschsprachigen Raum keine radikalen Massenkämpfe oder Revolten gibt, die das Potential haben, die herrschenden Zustände herauszufordern, geschweige denn zu überwinden. Mit Ausnahme der Widerstandsbewegung gegen die Rodung des Hambacher Forsts, ist unser Eindruck, dass die sozialen Protestbewegungen der letzten Monate wie „Seebrücke“, „#wirsindmehr“ oder die Proteste gegen die Polizeiaufgabengesetze und die österreichische Regierung(spolitik) sich aktionistisch wie auch ideologisch alle im legalen (vom Staat vorgeschriebenen) Rahmen bewegen – lässt man die Handlungen der kleinen Anzahl Linksradikaler außen vor.
Die Menschen (vor allem junge Menschen und ein linkes Bürgertum) gehen wieder in etwas größerer Anzahl auf die Straße, was wir natürlich begrüßen. Parallel dazu gibt es jedoch weder größere Streiks noch radikalere, gesetzesübertretende Aktionsformen, die von einer größeren Anzahl an Menschen getragen werden. Obwohl wieder mehr Menschen auf die Straße gehen, findet eine spürbare Organisierung der Menschen nicht statt, um stärkeren und effektiveren Protest auf die Beine stellen zu können. Dadurch bleibt es bei symbolischem Protest, der nicht in der Lage ist grundsätzliche Veränderungen zu erkämpfen.
Auch die anarchistische Bewegung versagt im überwiegenden Maße (oder ist zu schwach) zu dieser Frage beizutragen oder die entsprechenden Proteste zu radikalisieren.
Zumindest sollte es unser Ziel sein an den entsprechenden Kämpfen wahrnehmbarer mitzuwirken und so auch neue Mitstreiter*innen für unsere Sache zu gewinnen. Denn wir beobachten infolge dieser gesellschaftlichen Dynamiken in den letzten Jahren ein steigendes öffentliches Interesse am Anarchismus. Doch die anarchistischen Gruppen und Zusammenhänge schaffen es nicht dieses Potential zu nutzen und diese Interessierten (dauerhaft) einzubeziehen.
Welche Gründe sind für die Schwäche des Anarchismus im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus verantwortlich?
Strategielosigkeit
Entgegen des häufig gesetzten Anspruchs strategisches Handeln innerhalb der anarchistischen Organisationen zu entwickeln, können wir dies nur bei einzelnen Akteur*innen im deutschsprachigen Raum beobachten. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine strategisch agierenden Gruppen und auch keine gruppenübergreifende Strategien innerhalb des deutschsprachigen organisierten Anarchismus. Mehr noch werden Ansätze, strategisches Handeln zu etablieren, in manchen Gruppen sogar abgelehnt oder bekämpft, damit das hedonistische Konzept „Worauf haben wir jetzt gerade Bock“ weiterverfolgt werden kann.
Was es gibt sind Einzelpersonen, die ihre strategisch durchdachten Projekte innerhalb der Strukturen verwirklichen. Dadurch hängt der Erfolg und Misserfolg häufig davon ab, ob es in der jeweiligen Stadt strategisch handelnde Personen in den Strukturen gibt oder nicht. Allerdings sehen wir einen starken Zusammenhang zwischen Beliebigkeit und Strategielosigkeit. Es ist kaum möglich ohne ein klares anarchistisches Grundkonzept eine Strategie abzuleiten und zu entwickeln.
Beliebigkeit und Profillosigkeit
Ein weiterer Punkt ist die Vermittelbarkeit vom Anarchismus. Beliebigkeit, Konzept- und Profillosigkeit lassen sich nicht vermitteln. Weder nach innen noch nach außen. Wir sind der Überzeugung:
Wenn wir eine Relevanz innerhalb der Gesellschaft erreichen wollen, die zur sozialen Revolution beiträgt – und nichts weniger wollen wir – dann geht das nur mit einer klaren Strategie, mit klaren Zielen und einem klaren anarchistischen Grundsatzkonzept. Ohne ein anarchistisches Grundkonzept, ohne eine Strategie und daraus abgeleitete Ziele ist es
unmöglich uns selbst die Frage zu stellen, ob das, was wir gerade tun, das Richtige ist und inwiefern es uns unseren Zielen näher bringt. Ist alles beliebig, ist auch alles, was wir tun, irgendwie richtig – nach dem Motto: “Alles was wir tun ist besser als nichts zu tun und jede*r, der etwas tut, bewegt was”. Das entspricht leider nicht der Realität. Wir können noch so viel tun und noch so sehr der Meinung sein wir sind die Guten – dies alleine wird nicht reichen.
Im Gegenteil: Dieses System und seine Repressionsapparate arbeiten hocheffizient, strategisch und zielorientiert gegen uns. Wir können den Herrschenden keinen größeren Gefallen tun als Beliebigkeit und Strategielosigkeit dagegenzuhalten.
Desorganisation
Mit den Erfolgen der anarcho-syndikalistischen Basisgewerkschaft „Freie ArbeiterInnen Union“ (FAU) in Arbeitskämpfen und Mitgliedergewinnung sowie der vermehrten Gründung und längeren Aktivitätsdauer anarchistischer Gruppen und Publikationen beobachten wir in den letzten Jahren einen neuen Aufschwung des organisierten Anarchismus, vor allem durch die „Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen“ (FdA). Die relative positive Entwicklung von anarchistischen Gruppen und FAU bedingen sich zum Teil gegenseitig, da mit den kontinuierlicheren
(Propaganda-)Aktivitäten der anarchistischen Gruppen die FAU sich besser auf ihr Kerngeschäft der gewerkschaftlichen Arbeit konzentrieren kann¹.
Dennoch darf uns dies nicht die Sicht vernebeln:
Es gibt in der deutschsprachigen anarchistischen Bewegung immer noch eine starke Tendenz sich nicht (dauerhaft) in für Außenstehende potentiell offene Zusammenhänge zu organisieren. Eine größere Anzahl an sich anarchistisch verstehenden Menschen organisiert sich nicht dauerhaft und kontinuierlich. Hier sehen wir großes Potential verschenkt. Trotz ihrer gestiegenen Lebensdauer bleiben die anarchistischen Gruppen klein, sind immer wieder von personellen Wechseln betroffen und können so längerfristige und ambitioniertere Projekte nur schwer verfolgen.
Gleichzeitig ist durch die schon beschriebene Strategielosigkeit die Gefahr eines erneuten Einbruchs der organisierten anarchistischen Bewegung immer wieder gegeben (wie in den letzten Jahrzehnten wieder und wieder zu beobachten war).
¹ Der relative Aufschwung der FAU in den letzten Jahren ist auch ohne die Aktivitäten der FdA dadurch bedingt, dass die FAU-Syndikate wieder stärker Klassenpolitik und Gewerkschaftsarbeit in den Mittelpunkt ihres Schaffens
stellen.
Unzuverlässigkeit
Ein weiteres Problem ist die, unserer Erfahrung nach, stark verbreitete Unzuverlässigkeit in den anarchistischen Gruppen.
Nach jedem Treffen, nach jedem Kongress, nach jedem Plenum, in dem stundenlang die wildesten Pläne abgestimmt werden, wird am Ende nur ein Bruchteil des Besprochenen umgesetzt – und das auch noch überwiegend von den „üblich Verdächtigen“. Da hilft auch das konkrete Benennen von Verantwortlichen nichts, wenn die Umsetzung nicht erfolgt und für die dafür Verantwortlichen keinerlei Konsequenzen entstehen.
Das anarchistische Grundprinzip der freien Vereinbarung bedeutet, freiwillig und selbstverwaltet Aufgaben zu übernehmen und diese verbindlich umzusetzen. Sicherlich können sich bei der Umsetzung von Aufgaben Schwierigkeiten und Komplikationen ergeben, die anfänglich nicht absehbar waren.
Hier liegt es in der Verantwortung der Person, diese Schwierigkeiten kenntlich zu machen und gemeinsam mit anderen Genoss*innen die Probleme im Rahmen des anarchistischen Prinzips der gegenseitigen Hilfe zu lösen. Für uns ist Verantwortungsbewusstsein die unmittelbare Konsequenz des anarchistischen Prinzips der freien Vereinbarung. Wir fordern keinen Kadergehorsam, sondern die Ernsthaftigkeit der Genoss*innen, sich in ihren eigenen freien Entscheidungen ernst zu nehmen. Wir sind uns im klaren, dass es keine perfekten Revolutionär*innen gibt. Wir sind alle von diesem System geprägt und bringen von daher unsere Unzulänglichkeiten in die Organisierung mit. Das Ideal zu formulieren, anarchistische Werte bereits im jetzt in unsere Leben so gut es geht einzubauen und nach ihnen zu leben, halten wir dennoch für wichtig.
Um die soziale Revolution voranzutreiben, brauchen wir Organisation. Wir brauchen keine Partei, die Menschen zu einer Phrasen nachblökenden Schafherde degradiert. Wir brauchen das Zusammenwirken von revolutionären Individuen, die auf Basis der anarchistischen Grundprinzipien ihre Individualität und damit ihre unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten vereint in den Kampf einbringen. Klar sollte außerdem auch sein, dass es enorm schwierig ist Unzuverlässigkeit und die zuweilen fehlende Ernsthaftigkeit ohne anarchistisches Grundkonzept und Strategie zu durchbrechen. Immerhin merken wir höchstens in einzelnen Projekten, dass etwas nicht so läuft wie gedacht, wenn sich nicht an Absprachen gehalten wurde. Eine entsprechende Rückkopplung darauf, ob generell am Ziel vorbei geschossen wird, kann allein deswegen nicht stattfinden, da es keine ausformulierten und von Zeit zu Zeit überprüfbaren Ziele gibt.
Falsch verstandene Autonomie
Neben Unzuverlässigkeit haben sich weitere Mängel in der anarchistischen Bewegung verbreitet:
– Ein falsch verstandener Freiheitsbegriff, der die individuellen Rechte und Freiheiten in den Vordergrund stellt und das Eingehen von freiwilligen Vereinbarungen als Zwang und damit negativ bewertet. Unter diesen Bedingungen sind klare Absprachen, die zuverlässige Erledigung von
Aufgaben und das gegenseitige Bauen auf Solidarität nicht denkbar.
– Spontanität kann in bestimmten Situationen eine Stärke bedeuten um sich auf (unerwartete) Ereignisse und Veränderungen schnell anpassen zu können und damit passender zu (re)agieren. Spontanität kann jedoch auch bedeuten, sich nicht festlegen zu wollen und sich damit alle Möglichkeiten offen zu halten. Wenn es allerdings um die zuverlässige Planung und Verfolgung längerfristiger Ziele geht, kann die in der anarchistischen Bewegung verbreitete Spontanität des „sich-nicht-festlegen-wollens“ zur Handlungsunfähigkeit bei komplexeren, ohne Planung nicht durchführbaren Handlungen führen. Wir halten spontanes Handeln ohne Vorbereitung meist gar nicht oder nur eingeschränkt für möglich. Daher ist die Vorstellung spontan reagieren zu können oftmals nur Schein.
– Anarchistische Praxis ohne Spaßfaktor ist heute bei vielen Aktivist*innen nicht denkbar. Auch wenn Spaß eine wichtige Funktion einnimmt um nicht „kaputt zu gehen“ und damit nicht komplett in der anarchistischen Praxis fehlen darf, sollte sich die anarchistische Praxis nach der jeweils zum
Erreichen der gesetzten Ziele sinnvollen Strategie richten. Revolutionärer Kampf darf nicht mit linkem Hedonismus verwechselt werden.
– Eine weit verbreitete Haltung in der anarchistischen Szene ist das Kreisen um sich selbst, die eigene Szene oder die eigenen Räume. Anstatt in die Gesellschaft zu wirken, wird in erster Linie die eigene Szene bedient; für den Großteil der Gesellschaft ist die Art der Vermittlung anarchistischer
Themen und Diskussionen nicht anschlussfähig. Anstatt auch mal auf der Straße, im Viertel, auf der Arbeit oder in nicht-Szeneorten präsent zu sein, werden nur die eigenen vier Wände des lokalen autonomen Zentrums genutzt.
Haltung zur Gesellschaft und zur Revolution
Die soziale Revolution und der Aufbau einer befreiten Gesellschaft ist nur mit einem Großteil der Menschen in der Gesellschaft zusammen umsetzbar, wenn diese gesellschaftliche Transformation auf antiautoritärem Wege vonstatten gehen soll. Diese Einsicht wird in der anarchistischen Bewegung immer noch zu wenig gelebt. Sie ist weiterhin stark subkulturell geprägt. Bei allen positiven Effekten, die Subkulturen bieten¹, sorgt dies für Abgrenzung zur restlichen Gesellschaft. Plakativ gesagt: Statt in die Gesellschaft hineinzuwirken wird gegen die Gesellschaft gekämpft.
Damit isolieren wir uns selbst und verlieren den Bezug zur Lebensrealität der Menschen. Viele Diskussionen drehen sich um uns selbst. Dies ist manchmal notwendig um selbstkritisch unsere Standpunkte und Entwicklungen als Bewegung zu überprüfen. Nur: Wie sollen wir eine befreite Gesellschaft erreichen, wenn wir nicht innerhalb der Gesellschaft agieren wollen, sondern aus unserem vermeintlich sicheren und widerspruchsfreien Szene-Elfenbeinturm auf sie herab blicken?
Gleichzeitig ist in der anarchistischen Bewegung die Einstellung weit verbreitet, dass es wenig Hoffnung auf einen revolutionären Wandel gibt. Dieser Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Denn trotz einer kritischen und ernsthaften Betrachtung der derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse ohne Abgleiten in Träumerei hat diese fehlende Hoffnung nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die eigene (kollektive) Praxis: Die eigenen Aktivitäten (als Gruppe) werden (unbewusst) als weniger wirksam und sinnvoll bewertet. Und die Gefahr des Rückzugs aus anarchistischen Strukturen wird erheblich größer. Uns stellt sich die Frage: Wie wollen wir andere Menschen dazu überzeugen sich den anarchistischen Ideen anzuschließen, wenn wir von deren Verwirklichung
(auch) nicht überzeugt sind?
¹ Wie beispielsweise Gruppenzugehörigkeit und damit Geborgenheit und Identität; oder die Möglichkeit bürgerlichrestriktive
Werte ablegen zu lernen
Das Fehlen einer offenen, solidarischen Kritik untereinander
Einerseits haben anarchistische Zusammenhänge durch ihre spezielle positive Atmosphäre und vertraute Nähe eine nicht zu unterschätzende Ausstrahlung. Andererseits ist es leider so, dass deutliche Schwächen vorhanden sind, wenn es darum geht sich gegenseitig zu kritisieren.
Dies betrifft nicht in erster Linie inhaltliche Auseinandersetzungen, sondern persönliche Kritik an Verhalten, Aufgabenerledigung oder zwischenmenschlichen Konflikten – auch und gerade, wenn
diese Kritik schmerzlich sein kann. Es ist keine Seltenheit, dass es Probleme innerhalb der Gruppe gibt, diese aber nicht offen kommuniziert werden. Dies kann Differenzen zwischen verschiedenen Menschen betreffen; eine fehlende Kritik bei unzuverlässigem Verhalten hat jedoch auch eine Konsequenzlosigkeit zur Folge, die unzuverlässiges Verhalten verstärkt. Eine oberflächliche, harmonisch-sichere Atmosphäre wird vorgezogen zulasten einer Offenheit in der gegenseitigen solidarischen Kritik, die imstande ist Widersprüche und Probleme aufzuklären, anstatt sie auszuhalten bis sie explodieren.
Öffentliche Unsichtbarkeit und schlechte Außenwirkung
Der Anarchismus war im Allgemeinen schon immer schlecht darin aufgestellt sich in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Zudem wird aus manchen anarchistischen Kreisen immer wieder behauptet, dass Aktionen für sich selbst sprechen würden.
Deshalb machen sich diese Kreise gar nicht mehr die Mühe ihre Aktionen den Menschen (medial) zu vermitteln. Die Aufarbeitung und das Sichtbarmachen unserer Aktivitäten in der Gesellschaft kommt regelmäßig zu kurz.
Wo sind die anarchistischen Youtuber*innen und Rapper*innen? Wo sind die anarchistischen Videoportale? Wo sind die medial aufsehenerregenden Aktionen? Wo sind die Leute, die ihr Gesicht als organisierte Anarchist*innen in eine Kamera halten? Die öffentlichkeitswirksamen Werkzeuge der anarchistischen Bewegung sind in die Jahre gekommen. Neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit werden zu wenig und ohne strategische Überlegungen einbezogen. Dort wo sie bedient werden, bleiben sie viel zu oft in der „anarchistischen Blase“ stecken.
Dabei ist uns natürlich bewusst, dass es gute Gründe gibt nicht alles für die Öffentlichkeit zu dokumentieren und Sicherheitsaspekte (gegenüber Repressionsorganen oder Nazis) immer mitzudenken. Hier brauchen wir ein Bewusstsein dafür Sicherheit zu garantieren ohne gleichzeitig nicht mehr öffentlich wahrnehmbar zu sein, was ein schmaler Grad darstellen kann.
Auf zu neuen Ufern:Die Schaffung einer anarchokommunistischen Organisation für den deutschsprachigen Raum: die plattform aufbauen!Organisatorische Praxis
Die zuvor beschriebenen Fehler und Unzulänglichkeiten der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum wollen wir hinter uns lassen. Der hiesige organisierte Anarchismus muss sich weiterentwickeln, wenn er in absehbarer Zeit gesellschaftliche Relevanz gewinnen will.
Deshalb sehen wir die Notwendigkeit einer spezifisch anarchistischen Organisation mit einer einheitlichen theoretischen Grundlage und Praxis, aus welchen sich die gemeinsamen Ziele und Strategien ableiten. Die Organisation soll föderalistisch aufgebaut sein. Die Grundlage einer verlässlichen und verbindlichen Zusammenarbeit stellt das kollektive Handeln mit gemeinsamer Verantwortung dar.
Für die politische Praxis sehen wir neben der Tätigkeit in der Organisation das aktive Mitwirken in sozialen Bewegungen und Initiativen als wichtigen Baustein an. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Aspekte genauer darstellen:
– Einheit von Theorie und Praxis: Nur mit einer gemeinsamen theoretischen Grundlage aller beteiligten Personen und Zusammenschlüsse lassen sich inhaltliche Beliebigkeit/Profillosigkeit
sowie organisationsinterne Widersprüche vermeiden. Dabei stehen Theorie und Praxis in Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig: Aus der gemeinsamen theoretischen Grundlage erwächst unsere (aktivistische/handelnde) Praxis. Und die Erfahrungen unserer Praxis fließen in die Weiterentwicklung unserer theoretischen Grundlagen ein. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass unsere Praxis durchdacht ist und dass gleichzeitig unsere Theorien immer an die (sich ändernden) realen Gegebenheiten angepasst werden.
– gemeinsame Ziele und Strategien: Gemeinsame Ziele erwachsen aus gemeinsam geteilten Ansichten, Analysen und praktischen Erfahrungen. Nur auf Grundlage einer theoretischen und praktischen Einheit können gemeinsame Ziele ausgearbeitet, verfolgt und erreicht werden.
Aus diesen Zielen leiten sich kollektiv getragene, aufeinander abgestimmte Taktiken und Strategien ab. Diese Ziele und Strategien innerhalb der Gruppen der Organisation sorgen insgesamt dafür, dass sich die Organisation nicht in widersprüchlichen, sich gegenseitig ausbremsenden Handlungen verliert. So werden alle Kräfte der Organisation gesammelt, auf unsere Ziele ausgerichtet und somit das vollständige Potential unserer Fähigkeiten und organisatorischen Zusammenarbeit ausgeschöpft.
– föderalistischer Aufbau: Zentralistische Organisationsformen lehnen wir ab, da sie strukturelle Hierarchien, Unterwerfung sowie Fremdbestimmung produzieren, indem Entscheidungen von wenigen getroffen werden, alle anderen aber davon ohne Mitspracherecht betroffen sind. Die Fähigkeiten unabhängig zu denken und zu handeln werden zerstört. Anstelle von Zentralismus soll unsere Organisation nach den Prinzipien des (anarchistischen) Föderalismus aufgebaut sein: Im Zusammenschluss kleiner, dezentraler Einheiten, welche ihr Handeln auf das Erreichen
gemeinsamer Ziele ausrichten. Grundlage der gemeinsamen Zusammenarbeit unserer Organisation ist die freiwillige Vereinbarung. Mittels delegierter Personen der kleinen Einheiten (in unserer Organisation sind das die Mitgliedsgruppen), die mit einem imperativen Mandat ausgestattet sind, werden Entscheidungen auf übergeordneten Ebenen (Föderationsebene) getroffen. So hat jedes Mitglied der Organisation die Möglichkeit sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Föderalismus funktioniert jedoch nur, wenn die Mitglieder Aufgaben übernehmen und sie verantwortungsvoll und zügig umsetzen. Durch die Verbindung der Idee von Unabhängigkeit und Souveränität des Individuums mit der freiwilligen Verpflichtung auf gemeinsam geteilte Ziele hinzuarbeiten erwächst eine Balance zwischen Autonomie und Einheitlichkeit.
– kollektives Handeln mit gemeinsamer Verantwortung: Unser Ziel, die befreite Gesellschaft aufzubauen, ist nur als kollektiver Prozess umsetzbar. Deshalb handeln wir innerhalb unserer Organisation kollektiv. Individuelle Alleingänge widersprechen diesem Prinzip. Als Mitglieder der Organisation haben wir eine gemeinsame Verantwortung für alle unsere Aktivitäten. Dies bedeutet, dass jedes Mitglied hinter allen Tätigkeiten der Organisation steht. Und dass alle Mitglieder der Organisation Verantwortung für das Gelingen und Umsetzen der Aufgaben jedes einzelnen Mitglieds übernehmen. Nur durch gemeinsam geteilte Verantwortung erwächst die kollektive Freiheit, die eine anarchistische Gesellschaft ausmacht.
– aktives Mitwirken in gesellschaftlichen Bewegungen: Es gibt sinnvolle Gründe, dass wir uns in progressive gesellschaftliche Bewegungen und soziale Basisinitiativen einbringen. Sozialen Bewegungen, die lediglich Reformen erkämpfen wollen, stehen wir grundsätzlich erst einmal nicht
ablehnend gegenüber, sondern entscheiden in der gegebenen Situation ob und wie wir uns beteiligen wollen. Dabei wollen wir diese Bewegungen nicht zum Anarchismus „bekehren“. Vielmehr können wir gemeinsam mit vielen anderen Menschen Erfahrungen kollektiv geteilter Kämpfe sammeln und konkrete Verbesserungen unserer Lebensbedingungen erkämpfen. In diesen Bewegungen bereits vorhandene anarchistische Momente wie basisdemokratische Organisationsstrukturen, gelebte Solidarität, kollektive Selbstverantwortung oder herrschaftskritische Ansätze können wir fördern und gegen die Einflussnahme von Parteien und anderen autoritären Gruppierungen verteidigen.
Somit können nicht hierarchische, partizipative und herrschaftskritische Ansätze – wichtige anarchistische Prinzipien – in der Bevölkerung verankert werden. Andererseits können soziale Basisbewegungen unsere Theorie und Praxis bereichern, indem wir von unseren Erfahrungen mit den Basisbewegungen lernen, kollektiv auswerten und in den Erfahrungsschatz unserer Organisation einfließen lassen. Wenn es um die Erkämpfung von Reformen durch gesellschaftliche Bewegungen geht, möchten wir klarstellen, dass dies nicht in Reformismus münden darf. Denn wir halten daran fest den Kapitalismus und alle Formen von Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung zu beseitigen. Reformismus meint, dass das derzeitige System so bleiben kann, wie es aktuell besteht und lediglich etwas verbessert werden muss. Für Reformist*innen sind Reformen das einzige Ziel. Wir hingegen sehen die Erkämpfung von Reformen als Schule um die Stärke zu gewinnen, die wir benötigen, um den Kapitalismus abzuschaffen – oder wie es Malatesta ausgedrückt hat:
„Wir werden uns die möglichen Reformen nehmen oder erringen mit genau dem Geist, mit dem man dem Feind besetztes Gebiet entreißt, um stets vorwärts zu schreiten.“
Dabei halten wir den Weg, den die Sozialdemokratie in ihrer Geschichte eingeschlagen hat genauso verfehlt, wie den der autoritären Kommunist*innen¹.
Während die (traditionelle) Sozialdemokratie die Regierungsmacht auf legalem Weg übernehmen wollte um mittels gesetzgebenden Reformen des Staates den Sozialismus einzuführen, wollen autoritäre Kommunist*innen dies mittels eines revolutionären Umsturzes mit anschließender auf Staat und Partei gestützter „Diktatur des Proletariats“ als Übergangsphase. Diese Wege lehnen wir ab, da sie nicht zu einer Befreiung der Menschen führen werden. Die errichteten staatlichen Strukturen und Funktionär*innen entwickelten sich in der Geschichte immer zu einer dauerhaften Institution mit eigenen Privilegien und Herrschaftsmitteln. Diese stehen den Bedürfnissen aller anderen Menschen entgegen. Die lohnabhängige Klasse wird wieder unterdrückt und ausgebeutet.
Die Befreiung der Menschen ist nur durch den unmittelbaren Umsturz der herrschenden Klasse sowie dem Aufbau egalitärer und an den Bedürfnissen der lohnabhängigen Klasse orientierten Beziehungen und Strukturen möglich.
Diesen Umsturz können wir nur erreichen, wenn wir Gegenmacht aufbauen. An dieser Stelle ist es uns wichtig auf unsere Unterscheidung zwischen Macht und Herrschaft hinzuweisen:
Herrschaft meint die Unterdrückung von sowie Verfügungsgewalt über Menschen. Meistens wird Herrschaft durch Institutionen oder Gesetze und Normen ausgeübt. Der Staat spielt dabei eine zentrale Rolle. Er übt auf verschiedene Weise Herrschaft aus:
Beispielsweise mittels direkter Gewalt (durch Polizei, Militär etc.); mittels Disziplinierung durch Schule, Ämter und Behörden; oder auch durch seine Legitimierung durch die parlamentarische Demokratie. Ein weiterer zentraler Aspekt von Herrschaft liegt in den ungleichen Besitzverhältnissen in der Klassengesellschaft. Herrschaft wirkt immer destruktiv. Demgegenüber muss Macht differenzierter betrachtet werden: Macht fließt durch die gesamte Gesellschaft und alle Beziehungsverhältnisse. Macht kann sich an bestimmten Orten konzentrieren und sich in Herrschaftsverhältnisse manifestieren, aber auch Fähigkeiten und Handlungsspielräume eröffnen. Deshalb kann Macht als die Gesamtheit aller Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft beschrieben werden. Der Kapitalismus bestimmt ständig Machtkonzentrationen und produziert Herrschaftsverhältnisse. Unsere Aufgabe ist es Gegenmacht von unten aufzubauen, welche diese Herrschaftsverhältnisse überwindet.
¹ z.B. den Bolschewiki in der Sowjetunion
Anarchokommunistische Grundlage
Von individualistisch geprägten anarchistischen Strömungen grenzen wir uns ab, da wir der Ansicht sind, dass wir nur kollektiv und organisiert unser Ziel einer befreiten, klassenlosen Gesellschaft für alle Menschen umsetzen können.
Stattdessen stellt der Anarchokommunismus in der Tradition von
Kropotkin (*1842-1921) unsere ideologische Grundlage dar: Dies betrifft sowohl das Bild der befreiten Gesellschaft (unser Ziel) als auch der Weg dahin (unsere Strategien). Wir gehen (wie schon damals Kropotkin) davon aus, dass die Menschheit das technische Wissen und die Fähigkeiten hat, die notwendig sind, um eine Welt des Wohlstands aller zu errichten.
Diese befreite Gesellschaft zeichnet sich durch eine herrschaftsfreie, egalitäre und selbstverwaltete Gesellschaftsordnung ohne hierarchische Strukturen und Gesetze aus. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist abgeschafft. Der gemeinsam geschaffene und allen zugängliche
gesellschaftliche Reichtum soll durch eine freiwillig-verantwortliche und solidarische Weise erwirtschaftet werden. Die Erträge und produzierten Güter kommen allen Menschen je nach individuellen Bedürfnissen zugute. Die Verteilung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen
anstatt nach Arbeitsleistung, gesellschaftlicher Stellung oder anderen Privilegien. Nach dem kommunistischen Prinzip
„jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten, jeder Mensch nach seinen Bedürfnissen“
kann gearbeitet, verteilt und konsumiert werden. Dementsprechend ist die freie Entfaltung jeder Person ein weiterer wichtiger Aspekt der befreiten Gesellschaft. Der Weg hin zu einer befreiten Gesellschaft, die auf anarchokommunistischer Grundlage organisiert ist, wird durch Strategien des Klassenkampfs sowie dem Aufbau herrschaftsfreier und selbstverwalteter Gesellschafts- und Produktionsstrukturen bestimmt.
Der Anarchokommunismus ist einer der bedeutendsten anarchistischen Strömungen, hat aber im deutschsprachigen Raum keine eigene flächendeckende Organisierung. Dies möchten wir mit
unserer Organisation ändern.
Verbreitete Vorstellungen, Anarchokommunismus meine lediglich die Zusammenarbeit von Kommunist*innen und Anarchist*innen innerhalb einer Organisation, sind falsch. Der Anarchokommunismus ist aus der anarchistischen Bewegung entstanden. Er stellt eine eigenständige, anarchistische Strömung dar mit einem umfassenden theoretischen Konzept und einer lebendigen, klassenkämpferischen Praxis. Von autoritär-kommunistischen Ausprägungen wie Marxismus/Leninismus grenzt er sich entschieden ab.
Die anarchistische Ausprägung des Kommunismus meint damit immer die Ablehnung von Staat und Parteien. Mit unserem plattformistischen Organisierungsansatz möchten wir auch diejenigen Kommunist*innen ansprechen, die eine autoritäre Organisierung hinter sich lassen wollen oder bisher keine organisatorische Alternative gesehen haben.
Anarchosyndikalistische Gewerkschaften spielen eine wichtige Rolle im Klassenkampf und beim Aufbau einer befreiten Gesellschaft auf anarchokommunistischer Grundlage. Daher basiert unser Verhältnis zum Anarchosyndikalismus auf Solidarität und gegenseitiger Unterstützung im Kampf gegen die herrschende Klasse. Das Konzept des Anarchosyndikalismus alleine bietet bedeutende Möglichkeiten die lohnabhängige Klasse zu erreichen und zu organisieren. Der Anarchosyndikalismus hat damit enormes revolutionäres Potential. Allerdings läuft er auch Gefahr (bei großem Mitgliederzuwachs) den revolutionären Weg zu verlassen¹. Aus diesem Grund sehen wir die Notwendigkeit einer explizit anarchistisch ausgerichteten Organisation, welche die syndikalistische Bewegung ergänzt und auch in diese hineinwirkt.
¹ Gründe hierfür können sein: Es müssen sich nicht alle FAU-Mitglieder als Anarchist*innen verstehen, solange die FAU-Strukturen nach anarcho-syndikalistischen Prinzipien funktioniert; der Klassenkampf nach syndikalistischen Prinzipien in der Praxis steht im Vordergrund, eine theoretische Einheit nach anarchistischen Prinzipien wird nicht vorausgesetzt – gerade in Situationen von massenhaften Neumitgliedschaften ist dies auch nicht möglich.
Anarchafeminismus
Für uns ist der Anarchafeminismus nebem dem Anarchokommunismus unsere essentielle Grundlage. Anarchismus ist keine „Männersache“. Vielmehr ist der Kampf gegen das Patriarchat gleichbedeutend mit dem Kampf gegen Kapitalismus und alle anderen Herrschafts- und
Ausbeutungsformen. Der Begriff Anarchafeminismus ist aktuell leider nur ungenügend ausgearbeitet. Er gilt derzeit nur für „Anarchist*innen, die in irgendeiner Form feministisch (aktiv) sind“. Wir wollen dazu beitragen
dies zu ändern – theoretisch wie auch praktisch. Kollektive Kämpfe zu führen, die das Patriarchat in ihrer Funktionsweise und alltäglichen Ausprägungen angreift, halten wir für grundlegend wichtig.
Im deutschsprachigen Raum stellt die Beschäftigung mit unserer Geschlechtersozialisation neben Theoriearbeit meist die einzige Form der Auseinandersetzung mit dem Patriarchat dar – freilich ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen das Patriarchat, aber nicht der einzige. Offensive Kämpfe bleiben in den allermeisten Fällen auf individueller Ebene stehen oder äußern sich lediglich im virtuellen Raum. Feministische Streiks oder kollektive „Reclaim the night“-Aktionen könnten
Taktiken darstellen, die eine neue anarchafeministische Perspektive bieten. Klassenkampf und der Kampf gegen das Patriarchat sind zwei sich bedingende Faktoren, da Frauen auf mehrfache Weise ausgebeutet werden. Wir finden es wichtig grundlegende Rechte wie (rechtliche) Gleichstellung der Geschlechter im Kampf gegen das Patriarchat dabei nicht aus den Augen zu verlieren.
Ebenfalls wollen wir interne Auffang- und Awareness-Strukturen schaffen für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, Diskriminierungserfahrungen, Grenzverletzungen und emotionalen Problemen. Eine emotionale Heimat zu schaffen, in der wir mit solchen (gesellschaftlichen) Problemen nicht alleine sind und uns gegenseitig stärken können, halten wir für unbedingt
erforderlich.
Unser Verhältnis zu anderen anarchistischen Strömungen und Organisationen
Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass (fast) alle Methoden und Ansätze des anarchistischen Kampfs ihre Berechtigung und Nutzen haben. Nur im Vorhandensein (fast) aller anarchistischen Strömungen, Ansätze und Taktiken werden wir die soziale Revolution erreichen. Dies schließt syndikalistische Taktiken und Ziele wie Arbeitskämpfe und Arbeiterbörsen ebenso mit ein wie insurrektionalistische Widerstandshandlungen oder gelebte anarchistische Strukturen im
Hier und Jetzt wie Kommunen, Kollektivbetriebe und solidarökonomische, tauschfreie Projekte und Netzwerke sowie noch so vieles mehr.
Eine plattformistische Organisation, wie wir sie vorschlagen, existiert aktuell nicht im deutschsprachigen Raum. Wir verstehen uns also als Erweiterung des anarchistischen Kampfes und sehen uns in keiner Form in einer Gegnerschaft zu anderen anarchistischen Ansätzen. Selbst gegenüber Ansätzen, die bewusst Organisierung ablehnen. Auch wenn wir sagen würden, dass es aktuell nichts wichtigeres gibt als die Organisierung und der beständige formelle Zusammenschluss mit Gleichgesinnten im Kampf gegen die herrschende Klasse und für eine befreite Gesellschaft.
Deshalb werden wir die Kritik und Diskussion über individualistische Tendenzen in der Bewegung anfachen. Genauso wie es Situationen im Kampf geben kann, in denen wir uns klar gegen all zu individualistische Ausprägungen des Anarchismus stellen müssen, um gewisse Irrwege, wie
beispielsweise individuelle, von Bewegungsdiskursen losgelösten (Terror-) Handlungen (in der Tradition der „Propaganda der Tat“) und undurchdachte Alleingänge anzuprangern.
Die Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) sowie die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) sehen wir als natürliche Bündnispartnerinnen.
Unsere Haltung zur sozialen Revolution
Wir sind der Überzeugung, dass der Aufbau einer klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft möglich und umsetzbar ist – vielleicht nicht heute oder morgen, aber zukünftig und durch unser aktives Zutun. Die anarchistischen Ideen, Werte und Visionen haben die Kraft die lohnabhängige Klasse für die soziale Revolution zu gewinnen. Deshalb ist es unsere dringlichste Aufgabe die Ideen des Anarchismus in der lohnabhängigen Klasse maximal zu verbreiten; indem wir durch das
Bestehen von solidarischen, herrschaftsfreien Projekten veranschaulichen, dass die befreite Gesellschaft umsetzbar ist und organisiert werden kann; und indem wir den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung und für ein würdevolles Leben zusammen mit den Menschen der lohnabhängigen Klasse in unserem Umfeld gemeinsam führen. Das bedeutet, dass wir uns nicht auf die anarchistische Szene beschränken, sondern als Organisation aktiv beitragen, Klassenbewusstsein zu fördern und aktiv innerhalb der Gesellschaft wirken.
Dafür entwickeln wir gemeinsame strategische und inhaltliche Vorstellungen, aus denen heraus wir in die sozialen Kämpfe hineingehen: Lohnarbeit, Wohnviertel, Bildung… vieles ist denkbar. Wir denken, dass es so etwas wie ein revolutionäres Subjekt nicht gibt. Genauer, dass es innerhalb der lohnabhängigen Klasse keine bestimmte gesellschaftliche Gruppe gibt, welche die Revolution vorantreibt und hauptsächlich trägt¹.
Der Klassenkampf gegen die herrschende und besitzende Klasse sowie das Schaffen von Bewusstsein bei den Unterdrückten und Besitzlosen für ihre Lage, bleiben wichtige Grundlagen zur Erreichung des freiheitlichen Kommunismus.
Der unauflösbare Widerspruch zwischen den Herrschenden und Beherrschten bleibt bestehen. Auch wenn wir eine friedliche Revolution in jedem Fall favorisieren würden, glauben wir nicht daran, dass die herrschende Klasse ihre Privilegien und ihr Eigentum freiwillig abtreten wird. Im Gegenteil werden sie mit allen Mitteln die soziale Revolution zu verhindern versuchen. Es ist unsere Aufgabe in einer solchen Situation die Reaktion zurückzuschlagen und der sozialen Revolution den Weg zu ebnen.
¹ Anders als marxistisch-leninistische Lehren, die das revolutionäre Subjekt in der gesellschaftlichen Gruppe der Industriearbeiter*innen verortet haben.
Unsere Organisation soll von Verantwortungsbewusstsein geprägt sein
Uns geht es nicht um die Art von Disziplin wie beim Militär, als ein von oben aufgezwungenes Konstrukt, sondern als ein von unten selbst gewolltes Verfahren aller beteiligten Mitglieder. Es geht also um einen Prozess, der aus dem Inneren der Aktiven kommt, die sich dann bewusst für eine Organisierung entscheiden, die Verantwortungsbewusstsein als Grundlage hat. Es handelt sich um eine Einstellung zu unserem Kampf, in der es den Aktiven nicht als lästig erscheint, gewisse Aufgaben erledigen zu müssen, sondern sie die Notwendigkeit dazu erkennen und deshalb auch eine Dynamik dafür entwickeln. Natürlich wird es immer mal wieder
Notwendigkeiten geben, die man mehr aus Pflichtgefühl heraus als aus der Dynamik und der Begeisterung für die Sache umsetzt.
Wir wollen keine dem kapitalistischen System nachempfundene Leistungsmaschine aufbauen. Es muss auch möglich sein zu scheitern um dann wieder neu anzusetzen. Dennoch sehen wir den Wert und die Notwendigkeit um unsere Ziele zu erreichen, dass wir uns an die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen halten und zugeteilte Aufgaben zuverlässig und zügig erledigen. Wenn Mitglieder die Umsetzung der Vereinbarungen nicht einhalten können, sollen sie dies frühzeitig zurückmelden, damit eine andere aktive Person einspringen kann. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum Unzuverlässigkeiten entstehen. Wer aber beispielsweise wenig Zeit hat und sich dann selbst unter Druck setzt, weil er eine gewisse Aufgabe übernimmt, die er*sie dann doch nicht einhalten kann, sollte der*die Aktive weniger Aufgaben übernehmen und an seiner*ihrer Selbsteinschätzung arbeiten.
Wenn es dann eben häufig vorkommt, dass eine Person auf unterschiedlichen Ebenen unzuverlässig ist, ist es an der Zeit, dass die Person sich selbst fragt, ob sie Teil eines verantwortungsbewussten
Zusammenhangs wie der plattformistischen Föderation sein kann, oder sie sich eher loseren, unverbindlicheren Zusammenhängen anschließt.
Unsere Organisation soll eine klare formelle Struktur haben
In jeder Organisation gibt es wichtige, sich oft wiederholende Aufgaben, wie das Verwalten der Finanzen, einer Webseite oder das Betreuen einer E-Mail-Adresse. Für diese wiederkehrenden Aufgaben sollen in unserer Organisation klar definierte Aufgabenbereiche und feste Zuständigkeiten geschaffen werden. Denn ohne zuverlässige Erledigung dieser regelmäßigen Aufgaben ist jede Organisation quasi handlungsunfähig.
Damit nicht die gleichen Personen diese Aufgaben der Organisation erledigen, sollen möglichst viele Aktive zu allen anfallenden Aufgaben befähigt werden. Dies erreichen wir, indem wir alle vorhandenen Fähigkeiten jeder Person unserer Organisation sichtbar machen und uns diese Fähigkeiten gezielt untereinander vermitteln.
Gefühle der Überforderung oder des Sich-NichtZutrauens können wir damit abbauen.
Es ist klar, dass alle Aufgaben als kollektiver Prozess der gesamten Gruppe/Organisation verstanden werden. So kann nicht nur verhindert werden, dass in manchen Punkten ein Spezialistentum zu einer
Hierarchisierung oder Abhängigkeit der Organisation von einzelnen Aktivist*innen führt; oder dass sich einzelne überarbeiten. Es entspricht auch am ehesten unserer anarchistischen Vorstellung uns selbst zu befähigen und die Selbstorganisation zu erhöhen. Auch gilt es herauszufiltern und genau zu differenzieren zwischen Aufgaben, welche quasi jede*r nach kurzer Einarbeitung leisten kann und Aufgaben, welche tiefergehendere Fähigkeiten erfordern. So wird z.B. die Verwaltung einer Kasse in einer Lokalgruppe eine Aufgabe sein, die (nach einer
Einführung in die Struktur) alle ausführen könnten. Das Halten eines Redebeitrags auf einer Demonstration erfordert dagegen ein höheres Maß an Einarbeitung und Erprobung.
Allein schon deswegen, da es eine Aufgabe ist, die sich viele Leute erstmal nicht zutrauen. Wir denken aber auch, dass unsere Aktivitäten nach Außen eine gewisse Qualität haben sollten. Dabei geht es nicht darum, dass es dramatisch ist, wenn Fehler passieren. Aber es sollte zumindest im Vorfeld einiges an Energie darin investiert werden Genoss*innen zu guten Redner*innen auszubilden, bevor sie auf die Menschheit losgelassen werden. Denkbar sind Rhetorikseminare genauso wie das mehrmalige Vortragen vor der eigenen Gruppe.
Dennoch wollen wir nicht verschleiern, dass es auch bei uns so etwas wie „Kader“ gibt. Wir wollen hier zuerst zwei Thesen aus den generell zu empfehlenden 23 Thesen des Anarchismus¹ sprechen lassen:
“17. Viele Anarchist*innen assoziieren Kader ausschließlich mit leninistischer Politik. Das ist unglücklich. Letztlich ist ein Kader nur eine Person, die politische Arbeit priorisiert, und es gibt einen Unterschied zwischen Aktivist*innen, die dies tun (bzw. tun können), und solchen, für das nicht gilt. Kader verdienen keine Privilegien, aber ihre Erfahrungen und ihr Engagement sind anzuerkennen – nicht ihnen zuliebe, sondern der Bewegung. Kader müssen sich auch auf revolutionäre Situationen vorbereiten, was historisch gesehen eine der größten Schwächen des Anarchismus war.
18. Starrsinnig Diskussionen über Führungsrollen zu vermeiden, schadet der anarchistischen Bewegung. Führungspersönlichkeiten gibt es in jeder sozialen Gruppe, ob sie als solche benannt werden oder nicht. Aber nur wenn dieser Tatsache Rechnung getragen wird, lassen sich die
autoritären und manipulativen Aspekte eines fehlenden Machtgleichgewichts eindämmen. Ansonsten äußert sich dieses auf jene undurchschaubaren und unkontrollierbaren Weisen, die für viele anarchistische Gruppen charakteristisch sind.”
Diesen Gedanken wollen wir Rechnung tragen. Anstatt einer oft still geduldeten „Autorität“ von Kadern wollen wir das bewusste Benennen dieser Aktiven unter uns, die viel Zeit haben und Fähigkeiten mitbringen, welche für unsere Sache wichtig sind. Wer beispielsweise gut darin ist
Reden zu halten, Leute mitzureißen und Inhalte charismatisch rüber bringen kann, sollte auch genau eine solche Funktion, die seinen Fähigkeiten entspricht, für alle transparent ausführen. Das bedeutet
nicht, dass andere sich nicht auch schulen sollten und sich ausprobieren können. Aber es bedeutet die Fähigkeiten der jeweiligen Aktiven anzuerkennen und in den Vordergrund zu stellen.
Daran gekoppelt muss es ganz nach der offenen Kritik jederzeit möglich sein den Posten einer Person durch eine andere Person zu ersetzen. Ganz im Sinne des imperativem Mandats, nur dass wir kein Problem darin sehen, wenn eine Person auch für längere Zeit eine bestimmte Rolle ausführt. Wichtig bei dieser Frage ist die transparente strukturelle Festsetzung.
Für bestimmte wichtige Aufgaben schlagen wir – ähnlich wie es in der kurdischen Bewegung praktiziert wird – vor, dass jeweils eine nicht-männliche und eine männliche Person zusammen einen Posten gestalten. So werden wir unserem feministischen Grundverständnis gerecht, dass der
organisierte Anarchismus kein Männerbund sein darf, in dem FLTI*²-Personen wichtige Aufgaben und Positionen verwehrt werden. Hinter diesem Grundsatz der gemischtgeschlechtlichen Besetzung
gilt es nicht zurückzufallen aufgrund von „Sachzwängen“.
Alles rund um Aufgabenbereiche und Fähigkeiten sehen wir als kollektiven und nicht individuellen Prozess. Hier gilt es in einem ständigen lebendigen Prozess innerhalb der Strukturen zu sein.
¹ Online unter: http://www.alpineanarchist.org/r_23_thesen.html
² Abkürzung für Frauen, Lesben, Trans(gender), Inter(sexuell)
Unsere Organisation braucht ein klares Profil
Dies bedeutet, eine Struktur aufzubauen, die auf allen Ebenen nach Innen und nach Außen einfach, verständlich und klar die Eckpunkte unserer Organisierung aufzeigen. Neue Menschen sollen sich aktiv im Vorfeld mit diesen Eckpunkten als Rahmen der Organisierung auseinandersetzen und erst dann über eine Beitrittsanfrage entscheiden. Allzu oft wird heute der Beitritt in eine anarchistische Gruppe hauptsächlich davon abhängig gemacht, ob die interessierte Person allgemeine anarchistische Grundansichten teilt. Dies mag erklärbar sein, wenn wir uns die geringe Anzahl an Organisierung interessierter Anarchist*innen vor Augen führen. Andererseits findet eine tiefergehende Auseinandersetzung interessierter Anarchist*innen mit konkreten Zielen der Gruppe, Strategien, Taktiken (eingesetzte Aktionsformen) oder eine grundsätzliche Analyse der bestehenden Verhältnisse nicht statt – auch weil viele anarchistische Gruppen im deutschsprachigen Raum sich selbst in diesen Fragen nicht im Klaren sind.
Mit den bisher genannten Rahmenbedingungen unserer Organisierung (wie gemeinsame theoretische wie praktische Einheit, Einheit der Ziele und
Strategien) bieten wir ein klares Profil. Diese Klarheit darüber, was für einer Organisation ich beitrete und welche Grundsätze diese verfolgt, vermeidet auch spätere Konflikte.
Plattformistisch? – ja, aber nicht ohne kritischen BlickDer Habitus den Weg für sich gepachtet zu haben
Plattformistische Strukturen haben es zu eigen einen gewissen Habitus zu pflegen, mit dem sie sagen „unser Weg ist der Richtige, unsere Strategie sollt ihr euch zu eigen machen, alles andere funktioniert nicht“. Dies gilt nicht für alle sich dem plattformistischen Spektrum zuordnenden
Organisationen. Allerdings ist es sicherlich ein Phänomen, was nicht von der Hand zu weisen ist. Als vom synthetischen Anarchismus kommende Anarchist*innen lassen wir uns von vielen Aspekten des Plattformismus bereichern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir den Anspruch hätten
zu behaupten, dass andere Ansätze und Strategien keine Berechtigung haben. Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass (fast) alle Methoden und Ansätze des anarchistischen Kampfs ihre Berechtigung und Nutzen haben. Nur im Vorhandensein (fast) aller Wege werden wir die soziale Revolution erreichen. Wir verstehen uns also als Erweiterung des anarchistischen Kampfes und sehen uns in keiner Form in einer Gegnerschaft zu anderen anarchistischen Ansätzen.
PLATTFORM – ABER NICHT IM SINNE EINER VEREINIGUNG ALLER ANARCHIST*INNEN
Den Gedanken alle Anarchist*innen in einer einzigen plattformistischen Organisation unter einer theoretischen Grundlage, einer gemeinsamen Praxis und Strategie zu vereinen, lehnen wir grundsätzlich ab (und viele aktuelle plattformistische Organisationen lehnen dies ebenfalls ab).
Nicht nur, weil wir es für unmöglich halten, sondern auch, weil dieser Gedanke grundsätzlich falsch ist. Der Anarchismus ist eine vielseitige und ausdifferenzierte Weltanschauung. Sie verändert sich ständig, entwickelt sich weiter und das ist auch gut so.
Die Gefahr, die Dynamik der „Offenheit“ zu verlieren
Plattformismus kann dazu neigen, durch eine zu eng verstandene Einigkeit, den kreativen Fluss verschiedener Ansätze und Gedanken zu unterbinden. Wir wollen aber keine „Gleichschaltung“ in allen Fragen, selbst wenn diese aus Verantwortungsbewusstsein heraus entsteht. Wir wollen Grundsätze erhalten und über Verantwortungsbewusstsein unsere Schlagfertigkeit erhöhen – nicht verbohrt in unserem Elfenbeiturm der reinen Lehre vermodern.
Einigkeit in allen Dingen?!
Wir streben auch keine Einigkeit in allen Dingen an. Wir brauchen nicht zu jeder Frage einen vereinbarten Konsens, an den sich jede*r zu halten hat. Wer diesen Anspruch hat, wird schnell feststellen wie lähmend es ist, jede Frage bis ins Detail für alle zur Genugtuung diskutieren zu müssen. Neben der Einigkeit in grundsätzlichen Fragen brauchen wir auch gegenseitiges Vertrauen darin, dass unsere Genoss*innen zu den meisten Fragen und Angelegenheiten auch ohne Absprachen in unserem Sinne agieren werden. Wir hoffen sogar durch die größere Sicherheit zueinander, die wir über Verantwortungsbewusstsein und Einigkeit zu unseren Grundsätzen
erreichen, ein noch viel ausgereifteres Vertrauen als Kampfgemeinschaft zu finden.
Komischen Auswüchsen keine Chance geben
Durch einzelne plattformistische Organisationen kam es zu der Spaltung der anarchistischen Bewegung durch den Anspruch, alles vereinahmen zu wollen, der Aufstellung zu parlamentarischen Wahlen und der Hinwendung zum Marxismus. Wir sind uns dieser gefährlichen Entwicklungen
bewusst und werden ihnen durch die Ausarbeitung eines starken anarchistischen Grundsatzprogramms begegnen. An dieser Stelle stehen wir noch am Anfang unserer Auseinandersetzung.
Ausblick
Während in anderen Regionen der Welt plattformistische Föderationen zum Teil jahrzehntelang für die befreite Gesellschaft zusammen mit sozialen Basisbewegungen kämpfen, gab es hier eine organisatorisch-strategische Leerstelle der anarchistischen Tradition. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese Leerstelle zu füllen. Mit dem Aufbau einer plattformistischen Organisation differenziert sich der organisierte Anarchismus im deutschsprachigen Raum aus. Gleichzeitig gewinnt er an Klarheit, Profil und organisatorischer Schlagkraft. Neue Perspektiven einer revolutionären, antiautoritären Bewegung eröffnen sich. Lasst uns diesen Moment des Aufbruchs nutzen und gemeinsam gestalten. Lasst uns gemeinsam den organisierten Anarchismus im deutschsprachigen Raum auf ein neues Niveau heben. Lasst uns gemeinsam die anarchokommunistische Föderation aufbauen.
Es lebe die plattform!
Es lebe der freiheitliche Kommunismus!